Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. Dezember 2001
Aktenzeichen: I-20 U 119/01

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 28.12.2001, Az.: I-20 U 119/01)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handels-sachen des Landgerichts Mönchengladbach vom 19. Juli 2001 abgeän-dert.

Die Beklagte wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt,

es zu unterlassen, sich mit einem Schreiben folgenden Inhalts an ihre Ar-beitnehmer zu wenden:

Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter,

Mit dem FIT-Programm wurden die Weichen gestellt, um die Sanierung von T. und K. aus eigener Kraft zu schaffen. Nach wie vor wollen wir einen Großteil der Standorte und Arbeitsplätze erhal-ten. Dieses Ziel können wir jedoch nur erreichen, wenn alle Beteiligten "an einem Strang ziehen" und bereit sind, Kosten einzusparen.

Insbesondere bei den Personalkosten kann jede/jeder Einzelne seinen persönlichen Beitrag leisten. Stetig steigende Krankenversicherungsbeiträge belasten nicht nur die Geldbeutel der Beschäftigten, sondern auch die der Unternehmensgruppe. Im Hinblick auf die erfolgreiche Sanierung von K. und T. stehen somit enorme Geldbeträge nicht mehr für wichtige und notwendige Investitionen zur Ver-fügung.

Da allen Beschäftigten eine erfolgreiche Sanierung am Herzen liegt, sind wir sicher, dass jede Mit-arbeiterin und jeder Mitarbeiter seinen persönlichen Krankenkassenbeitrag auf den Prüfstand stel-len und mit dem bundesweit günstigen Beitragssatz von 12,3 % unserer K. Betriebskrankenkasse vergleichen wird. Wir vertrauen darauf, dass Sie für unsere gemeinsame Zukunft die richtige Ent-scheidung treffen werden.

Für Ihre Fragen und Wünsche stehen Ihnen Ihre Kolleginnen und Kollegen der K. BKK kostenfrei unter der Service-Nummer ... zur Verfügung.

Die Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an den Kläger 315,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2000 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der klagende Verein, dem u.a. der AOK-Bundesverband und der Verband der Angestelltenkrankenkassen angehören, rügt das im Tenor wiedergegebene Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten aus dem Frühjahr 2000 an ihre Mitarbeiter als wettbewerbswidrig. Die Beklagte missbrauche ihre Autorität als Arbeitgeberin und setze ihre Arbeitnehmer zudem unziemlich unter Druck. Der Kläger hat beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf berechtigte Interessen zu einem Hinweis auf günstigere Krankenkassebeiträge verwiesen, da sie die Hälfte der Beiträge trage. Sie habe auch keine Nachteile angedroht, wenn ihre Arbeitnehmer der Aufforderung nicht Folge leisten würden.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe ein legitimes Interesse daran, ihre Arbeitnehmer auf günstigere Krankenkassen hinzuweisen. Dabei habe sie auch nicht einen unzulässigen Druck ausgeübt.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er ist unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages weiterhin der Auffassung, das Schreiben nutze die aufgrund der vorherigen Sanierungsmaßnahmen entstandene Furcht der Arbeitnehmer um ihren Arbeitsplatz aus und appelliere in unzulässiger Weise an deren Solidarität. Zudem drohe es versteckt Nachteile an, wenn ein Arbeitnehmer nicht in eine billigere Krankenkasse wechsele. Der Kläger beantragt daher,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Gründe

Die Berufung des klagenden Vereins hat Erfolg.

1.

Der Wiederholungsgefahr steht nicht entgegen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung eines Rundschreibens mit genau dem beanstandeten Inhalt gering ist, insbesondere was die Umstände des Sanierungsprogramms der Beklagten und die genaue Höhe des Beitragssatzes ihrer Betriebskrankenkasse angeht. Das ändert aber nichts daran, dass eine Wiederholung des Schreibens im Kern nicht unwahrscheinlich ist.

2.

Auf das Verhalten der Beklagten ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb anwendbar.

a) Auf § 69 SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 22.12.1999 kann sich die Beklagte nicht berufen. Dabei kann zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, dass durch diese Vorschrift das Verhalten der öffentlichrechtlichen Krankenkassen (damit auch das der "K. BKK") den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb entzogen worden ist und nunmehr ausschließlich an den Vorschriften des Sozialgesetzbuches zu messen ist (vgl. BGH NJW 2000, 2749; BGH NJW 2000, 3426). Zweifelhaft ist bereits auf Grund des Wortlauts sowie der Stellung dieser Vorschrift, ob sie nicht nur für das Verhalten der Krankenkassen bei der Leistungserbringung, sondern auch bei der Mitgliederwerbung gilt (diese Frage nicht problematisierend Kort WRP 2001, 453; zur früheren Rechtslage s. BGH NJW 1998, 2743; BGH NJW 1998, 3418). Jedenfalls betrifft die Vorschrift nicht die Beklagte. Die Regeln über die Zusammenarbeit der Krankenkassen, die auch ihr Wettbewerbsverhalten bei der Mitgliedergewinnung regeln (vgl. BGH NJW 1998, 2743), gelten naturgemäß nicht für Dritte. Zudem wird gerade der Einsatz von Mitteln als wettbewerbswidrig gerügt, welche den Krankenkassen von vornherein nicht zur Verfügung stehen und daher von den sozialrechtlichen Wettbewerbsregeln nicht erfasst werden können.

b) Die Beklagte hat im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Ein solches Verhalten liegt vor, wenn das Verhalten objektiv geeignet ist, den Absatz oder die Dienstleistung einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen, und wenn der Handelnde zusätzlich in subjektiver Hinsicht vorgegangen ist, den eigenen oder fremdem Wettbewerb zu fördern (BGH GRUR 1997, 473 - Versierte Ansprechpartner).

aa) Soweit die Beklagte eigenen Wettbewerb fördern will, ist dies nicht Gegenstand der Klage (zur wettbewerbsrechtlichen Irrelevanz derartigen Verhaltens insoweit vgl. BGH NJW 2000, 3351 - Abgasemmissionen).

bb) Zu Recht hat das Landgericht ein Handeln zum Zwecke der Förderung des Wettbewerbs eines anderen, nämlich der "K. BKK", angenommen. Zwar hat die Beklagte ersichtlich vor allem zum Zwecke der Senkung eigener Kosten gehandelt. Jedoch tritt die Absicht der Begünstigung der Betriebskrankenkasse nicht völlig dahinter zurück. Eine Absicht der Förderung fremden Wettbewerbs kann allerdings nicht vermutet werden (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl UWG Rdn. 233; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., Einf. Rdn. 227). Auch die Kenntnis, dass das Verhalten bestimmte Nebenfolgen zeitigen werde, reicht nicht aus. Ob bereits das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und "seiner" Betriebskrankenkasse (§§ 147 - 156 SGB V) als hinreichendes Indiz für eine derartige Förderungsabsicht ausreicht - wie der Kläger meint -, kann offen bleiben. Hinzu kommt in diesem Falle, dass die betreffende Betriebskrankenkasse als "bundesweit günstig" herausgehoben wird, obwohl unstreitig andere Kassen ebenso günstige oder noch günstigere Beitragssätze aufwiesen. Zudem weist der letzte Absatz auf eine enge Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Betriebskrankenkasse hin. Wäre es der Beklagten nur auf die Senkung eigener Lohnnebenkosten angekommen, wären diese unverständlich. Dass die Nennung der K. BKK lediglich beispielhaft gemeint war, geht aus den Schreiben nicht hervor.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, damit werde an ein nebensächliches Element des beanstandeten Verhaltens angeknüpft. Zwar könnte ein ähnliches Verhalten eines Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern dann nicht wettbewerbsrechtlich beanstandet werden, wenn er lediglich zum Zwecke der Senkung eigener Kosten gehandelt hat. Dies ist aber Folge dessen, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb lediglich unmittelbar wettbewerbsrelevante, nicht dagegen dem Wettbewerb vorgelagerte Handlungen erfasst (BGH NJW 2000, 3351 - Abgasemmissionen) und von daher zwar auch an eine zweitrangige, aber nicht an eine vollständig zurücktretende Wettbewerbsförderungsabsicht anknüpfen kann.

Auch die Tatsache, dass die Beurteilung des Verhaltens des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern - und zwar auch soweit es nur mittelbar mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt - den Arbeitsgerichten (§§ 2, 2a ArbGG) zugewiesen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Zuweisung gilt nicht, wenn Dritte - wie hier - von diesem Verhalten betroffen sind. Dies kann allenfalls dafür Anlass bieten, bei der Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit auf die Besonderheiten des Arbeitsrechts gebührend Rücksicht zu nehmen (vgl. in anderem Zusammenhang § 310 Abs. 4 S. 2 BGB idF des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes).

3.

Zutreffend hat das Landgericht des Weiteren den Kläger als klagebefugt angesehen.

Zu seinen Mitgliedern zählen der AOK-Bundesverband sowie der Verband der Angestelltenkrankenkassen. Damit sind die im Wettbewerb zu der von der Beklagten geförderten K. BKK stehenden, unmittelbar benachteiligten (vgl. BGH GRUR 1997, 907 unter II.1. - Emil-Grünbär-Klub) Krankenkassen - mittelbar (§§ 107, 212 SGB V), was ausreicht (vgl. BGH NJW 2000, 73 - Wir dürfen nicht feiern; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 13 UWG Rdn. 23c) - in repräsentativer Anzahl Mitglied des Klägers.

Ob auch private Krankenversicherer als unmittelbare Wettbewerber der K. BKK anzusehen sind, wie der Kläger und das Landgericht ohne nähere Begründung angenommen haben, kann danach offen bleiben. Dies ist zweifelhaft, weil der Kläger nichts dazu vorträgt, dass von der Beklagten in nennenswerter Zahl nicht pflichtversicherte Personen beschäftigt werden, die für eine Krankenversicherung bei den Krankenkassen in Frage kommen (Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Auch hat der Kläger nicht erörtert, ob sich das beanstandete Schreiben überhaupt an nicht pflichtversicherte Personen gerichtet hat.

4.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das beanstandete Schreiben als wettbewerbswidrig anzusehen.

a) Der Kläger hat seinen Anspruch in erster Instanz - ebenso wie vorprozessual in seinem Schreiben vom 24. Mai 2000 (Anlage K 3) - auch darauf gestützt, die Mitteilungen der Beklagten seien inhaltlich irreführend (Bl. 6 GA). Das Landgericht hat sich - weil die Parteien dies nicht in den Mittelpunkt des Streits gestellt hatten - nicht damit befasst. In der Berufungsinstanz hat der Kläger diesen Punkt nicht wieder aufgegriffen. Nach der Rechtsprechung über den Streitgegenstand in Wettbewerbsstreitigkeiten ist dieser Angriff damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens (vgl. BGH NJW 2001, 3411 unter II.2. - Kompressionsstrümpfe).

b) Die Schreiben können nicht bereits deswegen beanstandet werden, weil der Arbeitgeber auch bei bloßen Empfehlungen in wettbewerbswidriger Weise seine Autorität ausnutzt. Zwar kann es wettbewerbswidrig sein, wenn Personen, denen ein besonderes Vertrauen in ihre Objektivität entgegengebracht wird, zu Wettbewerbszwecken Empfehlungen abgeben (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdn. 189 ff.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die vom Arbeitgeber angesprochenen Arbeitnehmer gehen nicht davon aus, dass er mit seiner Empfehlung eine unabhängige Stellungnahme abgibt. Das gilt bei dem beanstandeten Schreiben um so mehr, als die Beklagte ihr Eigeninteresse an einem Wechsel zu einer kostengünstigeren Krankenkasse deutlich herausgestellt hat. Dementsprechend wird in der Literatur unter diesem Gesichtspunkt lediglich die Einspannung dritter Stellen durch den Arbeitgeber (etwa Betriebsrat) oder die unzulässige Druckausübung (s. dazu sogleich) erörtert.

Im übrigen hat der Arbeitgeber ein eigenes Interesse an der Wahl einer möglichst günstigen Krankenkasse durch den Arbeitnehmer, weil er die Hälfte der Beiträge zahlen muss; es geht um die Senkung von Lohnnebenkosten. Bloße Empfehlungen sind danach trotz einer gewissen "Kanalisierungsfunktion" in Bezug auf die Nachfrage nicht zu beanstanden (vgl. BGH NJW 2000, 3429 unter II.3.c)aa).

Auch die Tatsache, dass sich das Unternehmen der Beklagten damals in einer schwierigen Situation befunden hat, dürfte an der Zulässigkeit von Empfehlungen nichts ändern. Das Interesse des Unternehmens an geringen Lohnnebenkosten besteht in einer derartigen Situation weiter, ist eher noch größer geworden. Soweit das Verhalten nicht mehr als Empfehlung, sondern als "Druck" anzusehen ist, ist es dann unter diesen Gesichtspunkten zu beurteilen (vgl. c).

c) Die Beklagte hat ihre Arbeitnehmer jedoch bei der Krankenkassenwahl in unzulässiger Form unter Druck gesetzt, was zur Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens führt.

aa) Der Gesetzgeber hat in dem Bewusstsein, dass auch der Arbeitgeber ein wirtschaftliches Interesse an der Krankenkassenzugehörigkeit seiner Arbeitnehmer hat, lediglich dem individuellen Arbeitnehmer ein Wahlrecht zuerkannt (§ 173 SGB V). In dieses Wahlrecht darf der Arbeitgeber weder durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen mit dem Arbeitnehmer (§ 32 SGB I) noch durch die Verhängung von "Maßnahmen" (§ 612a BGB) eingreifen. Ein Verhalten des Arbeitgebers, welcher seinen Arbeitnehmern individuelle Nachteile für den Fall der Ausübung des Wahlrechts in bestimmter Hinsicht androhen oder verhängen würde, wäre mithin in jedem Falle - unabhängig davon, ob es nach allgemeinen Grundsätzen als Nötigung anzusehen wäre - unzulässig. Auch in anderem Zusammenhang legt der Gesetzgeber Wert auf die Erhaltung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers in wirtschaftlicher Hinsicht (vgl. §§ 115 ff. GewO),

Eine derartige Androhung wird wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit im allgemeinen nicht ausdrücklich erfolgen; sie kann sich aber auch aus dem Gesamtzusammenhang ergeben. Bei der entsprechenden Feststellung kann einerseits dem Arbeitgeber eine versteckte Androhung nicht einfach unterschoben werden, andererseits ist aber bei der Auslegung die besondere Situation des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Besonders nachdrückliche "Empfehlungen" mögen nicht nur überängstliche Arbeitnehmer davon ausgehen lassen, dass der Arbeitgeber sein Verhalten kontrolliert und bei den noch zu fällenden Entscheidungen mitberücksichtigt, ungeachtet der - auch auszuschöpfenden - Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich an den Betriebsrat und/oder den betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu wenden, um eine Klärung der Situation herbeizuführen.

bb) Druck kann auf den Arbeitnehmer nicht nur unmittelbar - mittels Androhung individueller Nachteile -, sondern auch mittelbar ausgeübt werden. Zwar ist die gefühlsbetonte Werbung heutzutage nichts Ungewöhnliches (vgl. BVerfG NJW 2001, 591 - Benetton). Die Bezugnahme auf eine Gefahr für die Arbeitsplätze führt bei gleichzeitigem massiven Appell an die Solidarität der Arbeitnehmer aber zu Marktstörungen. Die Arbeitnehmer werden dann nämlich untereinander auf ein entsprechendes Verhalten jedes Einzelnen drängen

cc) Danach muss bei einer Gesamtbetrachtung von einem unzulässigen Druck der Beklagten auf ihre Arbeitnehmer ausgegangen werden.

Zwar handelte es sich im Streitfall nicht um eine persönliche Ansprache der Arbeitnehmer etwa durch ihre Vorgesetzten; vielmehr verschickte die Beklagte lediglich ein allgemeines Rundschreiben. Auch ist von etwaigen Konsequenzen bei Nichtbefolgung der Empfehlung in den Schreiben nicht die Rede. Nicht einmal ein "Nachhalten", ob und wie die Arbeitnehmer den Aufruf befolgen, was als erste Stufe für Sanktionen angesehen werden könnte, wird ausdrücklich angesprochen.

In diesen Schreiben schilderte die Beklagte jedoch ihr wirtschaftlichen Verhältnisse als derart ernstlich und die Lohnkostensenkung u.a. durch Wechsel zu einer billigeren Krankenkasse als für eine Sanierung erforderlich, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Arbeitnehmer von einer Kontrolle ihres Verhaltens ausgehen oder diese zumindestens nicht sicher ausschließen konnte.

Über einen allgemeinen Appell an die Arbeitnehmer hinaus war ihr Verhalten als Mitglieder der Krankenkassen mit der Sorge um die Erhaltung der eigenen Arbeitsplätze verknüpft worden. Mehrfach betonte die Beklagte in ihrem Schreiben, dass die Absenkung der Personalkosten durch Verringerung der vom Arbeitgeber zu zahlenden Anteile an den Sozialbeiträgen zur Sanierung notwendig sei, andernfalls das Ziel der Erhaltung der Standorte und Arbeitsplätze ernsthaft gefährdet sei. Der bloße Hinweis auf das finanzielle Eigeninteresse der Arbeitnehmer an einer billigen Krankenkasse reichte nach Vorstellung der Beklagten ersichtlich nicht aus, die Arbeitnehmer zu einem Vergleich zu bewegen. Dementsprechend wird mehrfach eindringlich an die Arbeitnehmer appelliert, im Interesse der Sanierung der Beklagten (und damit - soweit es um die Interessen der Arbeitnehmer als Krankenkassenmitglieder geht - aus sachfremden Gründen) sollten sie zur K. BKK wechseln. Der Wechsel wurde als einzig vernünftige Handlungsweise dargestellt.

Da nennenswerte Beträge nur dann eingespart werden konnten, wenn nicht nur einzelne, sondern ein Großteil der Beschäftigten die Krankenkasse wechselten, baute die Strategie der Beklagten, wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, so doch ersichtlich darauf, dass die Arbeitnehmer und ihre Familien untereinander auf ein möglichst geschlossenes Verhalten der Arbeitnehmerschaft drängten. Auch wenn weder der Arbeitgeber noch ein Kollege tatsächlich das Verhalten eines einzelnen Arbeitnehmers kontrollierten, letztere auch nicht kontrollieren konnten, das Schreiben zudem nur allgemein an die Mitarbeiter, also nicht individuell gerichtet war, wurde doch ein erheblicher Druck auf die einzelnen Arbeitnehmer, vermittelt durch die Kollegen, aufgebaut. Das gilt um so mehr, als dem Schreiben Standortschließungen und Entlassungen vorausgegangen waren und den Arbeitnehmern daher die ernsthafte Absicht zur Durchführung von Sparmaßnahmen vor Augen geführt worden war.

Infolge der Massivität der "Empfehlung" waren die Arbeitnehmer über die Folgen bei einem Verbleiben in einer hochpreisigen Krankenkasse mindestens im Unklaren. Bei der gegebenen Intensität der Beeinflussung reichte die Möglichkeit, eine Klarstellung - wie unter aa) dargelegt - unter Einschaltung des Betriebsrats oder des betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu erlangen, nicht aus, das Verhalten der Beklagten als sachgerecht erscheinen zu lassen. vielmehr musste damit gerechnet werden, dass die Arbeitnehmer infolge der Verunsicherung sowie des Drucks der Kollegen die Möglichkeit nicht wahrnahmen.

d) Dieser Beurteilung stehen die Regelungen der Richtlinie 84/450/EWG i.d.F. der Richtlinie 97/55/EG (zukünftig Richtlinie) und des § 2 UWG über die vergleichende Werbung nicht entgegen. Abgesehen davon, dass mangels Erkennbarkeit eines Unternehmens, mit dem die K. BKK verglichen werden sollte (Art. 2 lit.2a Richtlinie; § 2 Abs. 1 UWG), diese Vorschriften nicht anwendbar sind und dass der "Vergleich" aus den unter a) genannten Gründen irreführend ist (Art. 3a Abs.1 lit.a) Richtlinie; § 3 S. 2 UWG), erfassen diese Vorschriften nicht unlautere Umstände, die nicht in dem Vergleich als solchen begründet sind (Art. 3a Abs. 1 Einleitungssatz, Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie).

5.

Damit steht dem klagenden Verein auch der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch, der als solcher nicht angegriffen worden ist, nebst Zinsen zu.

6.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht. Gründe für die Zulassung der Revision sind angesichts der für die Entscheidung maßgeblichen Besonderheiten des Falls nicht ersichtlich, § 546 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert: 30.315,65 DM

RiOLG W.

ist infolge Urlaubs verhindert zu unterschreiben.

B.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 28.12.2001
Az: I-20 U 119/01


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