Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 12. November 1999
Aktenzeichen: 6 U 129/99

(OLG Köln: Urteil v. 12.11.1999, Az.: 6 U 129/99)

Zur Frage und Glaubhaftmachung unlauteren Verdrängungswettbewerbs mittels -angeblich- weit unter dem Selbstkostenpreis angebotener medizinischer Behandlung (hier: Gamma-Knife-Verfahren) durch ein Klinikum sowie zum Problem der Kalkulations- und Berechnungsgrundlagen radiochirurgischer Gerätebehandlungen.

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 28.05.1999 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts A. - 42 O 35/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsteller.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Tatbestand

Der Antragsteller ist niedergelassener Neurochirurg in K.. Er führt an seinen Patienten u.a. radiochirurgische Behandlungen durch, und zwar ambulant. Seine in K. gelegene Praxis betreibt er in einem von der "GKZ" K. betriebenen sog. "Gamma-Knife-Zentrum". An der Betreibergesellschaft GKZ ist der Antragsteller nicht beteiligt. Das Gamma-Knife-Zentrum, in dem der Antragsteller seit Ende des Jahres 1998 tätig ist, besteht aus einem Gebäude, in dem der Antragsteller Praxisräume gemietet hat.

Bei dem "Gamma-Knife" handelt es sich um ein Gerät für die radiochirurgische Behandlung von Hirntumoren, Fehlbildungen der Hirnarterien, bestimmter Tumore des Auges sowie bestimmter funktioneller Erkrankungen im Kopf. Das Gamma-Knife-Verfahren ersetzt eine offene Operation, indem sehr stark fokussierte Strahlen eingesetzt werden. Die Strahlenbündelung ermöglicht es, mit der gewünschten Dosis ausschließlich in den Krankheitsherd zu treffen und eine Strahlenschädigung an gesunden Gewebestrukturen zu vermeiden. Für das Gamma-Knife-Verfahren, das in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt nur an 3 Standorten durchgeführt wird, und zwar in K., in M. und bei der Antragsgegnerin in A., sieht der Entgeltkatalog für die Behandlung von Kassenpatienten (einheitlicher Bewertungsmaßstab = EBM) derzeit noch keine Gebührenziffern vor. Es ist deshalb unklar, wie die Behandlung von Kassenpatienten mit den Krankenkassen abzurechnen ist. Zwischen dem Gamma-Knife-Zentrum in M., das ebenso wie das GKZ in K. als Privatpraxis betrieben wird und in dem der Antragsteller vor seiner Übersiedlung nach K. gearbeitet hatte, und der örtlichen Krankenkasse AOK in M. besteht für die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten eine Pauschalvereinbarung, die sich auf etwa 15.000,00 DM beläuft und die früher noch höher war. Diese Pauschalvereinbarung beruht auf einer Empfehlung der Bayerischen Landesärztekammer. Die Landesärztekammer hatte wegen der großen Anzahl von Rechnungen und Kostenvoranschlägen durch verschiedene Krankenversicherungen und Beihilfestellen Anlass gesehen, für das Gamma-Knife-Verfahren eine Abrechnungsgrundlage zu erarbeiten, und hatte eine analoge Anwendung bestimmter Gebührenordnungspositionen nach der GOÄ 96 vorgeschlagen. Danach würde von den Krankenkassen pro Behandlung ein Betrag gezahlt, der zwischen 14.000,00 DM und 15.000,00 DM liegt.

Auch zwischen der Antragsgegnerin und den gesetzlichen Krankenkassen besteht eine Pauschalhonorarvereinbarung für die Durchführung einer Behandlung mit dem Gamma-Knife, und zwar - das hat die Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.10.1999 unbestritten vorgetragen - seit Ende 1996. Der aufgrund der Honorarvereinbarung pro Behandlung von den Krankenkassen zu zahlende Betrag beträgt allerdings nicht 14.000,00 DM oder gar 15.000,00 DM, sondern lediglich 8.000,00 DM für jeden gesetzlich versicherten Patienten. Für die privatversicherten Patienten rechnet die Antragsgegnerin für die ambulante Behandlung analog den Vorschriften der GOÄ 96 ab, so dass diesen Patienten pro Behandlung ein Betrag zwischen 14.000,00 DM und 15.000,00 DM in Rechnung gestellt wird. Von diesem Betrag erhält die Antragsgegnerin allerdings nach ihrem unbestrittenen Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.1999 ebenfalls lediglich 8.000,00 DM. Der überschießende Betrag wird an den behandelnden Arzt ausgezahlt.

Der Antragsteller hat das vereinbarte Pauschalhonorar von 8.000,00 DM als wesentlich zu niedrig beanstandet und die Auffassung vertreten, die Antragsgegnerin betreibe unlauteren Verdrängungswettbewerb im Sinne des § 1 UWG. Der Preis von 8.000,00 DM für die ambulante Behandlung sei nicht kostendeckend, er stelle eine Preisunterbietung dar, die darauf abziele, den Wettbewerb auf diesem Markt zu verdrängen. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin deshalb im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch genommen und von ihr verlangt, sie solle die Behandlungskosten in Anlehnung an die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 53 ff. d.A.) mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass der von der Antragsgegnerin mit den Krankenkassen abgeschlossene Pauschalhonorarvertrag als unlauterer Verdrängungswettbewerb im Sinne des § 1 UWG zu qualifizieren sei.

Gegen das ihm am 08.06.1999 zugestellte Urteil hat der Antragsteller am 08.07.1999 Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, dem 09.08.1999 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, stützt seine ihm seiner Auffassung nach zustehenden Ansprüche nunmehr ausdrücklich auch auf die Vorschrift des § 20 Abs. 4 GWB n.F. und meint, die Antragsgegnerin sei eine Mitbewerberin, die mit überlegener Marktmacht ausgestattet sei, sie missbrauche diese Marktmacht dazu, ihn - den Antragsteller - unbillig zu behindern. Im übrigen wiederholt und vertieft der Antragsteller sein Vorbringen, kostendeckend könne man das Gamma-Knife-Verfahren nur anwenden, wenn man pro behandelten Fall etwa 14.760,00 DM in Rechnung stelle. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Antragstellers wird der Inhalt seiner Berufungsschrift vom 08.07.1999 sowie seiner Schriftsätze vom 24.08.1999 und 20.10.1999 mit den hierzu überreichten Unterlagen, namentlich der vorgelegten Kostenaufstellung vom 08.08.1999 (Blatt 90 d.A.), in Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Antragsgegnerin unter gleichzeitiger Androhung von Ordnungsmitteln im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, es zu unterlassen, für sog. Gamma-Knife-Behandlungen an Patienten lediglich ein Pauschalhonorar den Patienten oder deren Krankenkassen oder sonstigen Kostenträgern in Höhe von 8.000,00 DM in Rechnung zu stellen, sondern statt dessen die Behandlungskosten in Anlehnung an die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abzurechnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, rügt die mangelnde Dringlichkeit des Verfügungsbegehrens und greift die vom Antragsteller vorgelegte Kostenkalkulation als unrichtig an. Entgegen der Behauptung des Antragstellers arbeite sie bereits dann kostendeckend, und zwar auch unter Einschluss von Investitionskosten, wenn sie etwa 150 Behandlungen im Jahr vornehme und dafür 8.000,00 DM pro Behandlung in Rechnung stelle. Tatsächlich würden in A. jährlich etwa 200 Behandlungen vorgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat sein Verfügungsbegehren vielmehr zu Recht zurückgewiesen. Auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung schließt sich der Senat an. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt er die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil in vollem Umfang in Bezug und sieht insoweit auch von der Darstellung der die Entscheidung tragenden Gründe ab, § 543 Abs. 1 ZPO.

Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

Offenbleiben kann, ob der Berufung der Erfolg schon deshalb zu versagen wäre, weil die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG widerlegt sein könnte. Zwar hat der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür finden können, dass - wie die Antragsgegnerin behauptet - der Antragsteller schon lange vor dem 20.01.1999 von der Pauschalhonorarvereinbarung Kenntnis erlangt hat. Gleichwohl bestehen Bedenken hinsichtlich der Dringlichkeit, weil der Antragsteller nach seinem eigenen Sachvortrag am 20.01.1999 von der Pauschalvereinbarung erfahren, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aber erst am 11.03.1999 beim Landgericht A. eingereicht hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats und einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und dem juristischen Schrifttum (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Auflage, 1998, § 25 Rn. 13) geht die nach Maßgabe des § 25 UWG zu vermutende Dringlichkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dann verloren, wenn die antragstellende Partei trotz positiver Kenntnis der Verletzungshandlung mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet, indem sie den Verletzer längere Zeit weder abgemahnt hat noch gegen ihn gerichtlich vorgegangen ist. Denn wer in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und ihm fortdauernd drohenden Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs objektiv verzögert, hat damit offenbart, dass es ihm mit dem erstrebten Verbot in Wirklichkeit nicht so eilig ist, als dass es ihm nicht zugemutet werden könnte, dieses im Wege eines Hauptsacheverfahrens zu erwirken (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 Rn. 13 und Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kapitel 54 Rdnr. 24 u. 28, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und dem Schrifttum).

Ein solches dringlichkeitsschädliches Zuwarten des Antragstellers ist im Streitfall zweifelhaft, weil er 4 Wochen zugewartet hat, bevor er die Antragsgegnerin mit einer kurzen Frist von nur 2 Tagen erstmals abgemahnt hat, und weil er die kurze Antwortfrist von nur 2 Tagen um 10 Tage verlängert und alsdann nach Eingang des Antwortschreibens vom 02.03.1999 nochmals bis zum 11.03.1999 zugewartet hat, bevor er beim Landgericht A. um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht hat.

Im Ergebnis kann jedoch dahinstehen, ob der Antragsteller zu lange mit der Rechtsverfolgung gewartet hat und daher die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG widerlegt ist. Denn bei dem Dringlichkeitserfordernis handelt es sich um eine besondere Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses, bei welchem der Grundsatz des logischen Vorgangs der Prozessvoraussetzungen nur eingeschränkt gilt (vgl. BGH NJW 1978, 2032; Teplitzky, a.a.O., Kapitel 54 Rn. 15). Danach steht das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses nur zusprechenden Entscheidungen im Wege, wohingegen das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses offenbleiben kann, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohnehin aus anderen Gründen, auch solchen materieller Art, scheitert. Das aber ist hier der Fall, weil der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine Preisunterbietung als Verdrängungswettbewerb wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG sein kann, jedenfalls nicht im Sinne der §§ 936, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht hat.

Wie der Senat mit den Parteien bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.10.1999 ausführlich erörtert hat, ist die Preisunterbietung grundsätzlich ein erlaubtes und sogar erwünschtes Mittel im Wettbewerb (statt aller: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdnr. 870 und 251 ff.). Ohne Preisunterbietung gibt es keinen funktionierenden Wettbewerb. Das deshalb wettbewerbskonforme Mittel der Preisunterbietung kann nur im Einzelfall und nur dann unzulässig sein, wenn der Unterbietungswettbewerb das Ziel verfolgt, den Mitbewerber aus dem Weg zu räumen. Denn dann wird aus einem Mittel des Leistungskampfes ein Mittel der Behinderung. Deshalb verstößt eine gegen einen oder mehrere bestimmte Mitbewerber gerichtete Preisunterbietung, die unter Einsatz nicht leistungsgerechter Kampfpreise die Verdrängung oder Vernichtung des Mitbewerbers bezweckt, grundsätzlich als sittenwidrige Behinderung gegen § 1 UWG (Baumbach/ Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rn. 255 a.E.). Entscheidend kommt es dabei auf den Zweck der Aktion, das beabsichtigte Ziel an. Wettbewerbswidrig kann es insbesondere sein, wenn eine bestimmte Dienstleistung wiederholt oder gar ständig unter den Gestehungskosten angeboten wird, ohne dass dafür ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht. Auch dann, wenn die Voraussetzungen einer individuellen Behinderung nicht vorliegen, können ständige oder wiederholte Preisunterbietungsaktionen unter dem Gestehungspreis, also zu effektiven Verlustpreisen, wettbewerbswidrig sein (Baumbach/ Hefermehl, a.a.O., Rn. 257 für den Verkauf von Waren). Dass einzelne Dumpingpreisaktionen das Unwerturteil aus § 1 UWG nach sich ziehen können, entspricht im übrigen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. z.B. BGH GRUR 1982, 433 ff. - "Kinderbeiträge").

Im Streitfall hat der Antragsteller ein Verhalten der Antragsgegnerin, das sich als im Sinne des § 1 UWG unlautere Verdrängungs- oder Vernichtungsunterbietung darstellen könnte, indes nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

In diesem Zusammenhang ist zunächst einmal von Bedeutung, dass die Antragsgegnerin bereits Ende 1996 mit den Krankenkassen eine Vereinbarung getroffen hat, wonach diese pro Behandlung mit dem Gamma-Knife-Verfahren ein Pauschalhonorar von 8.000,00 DM an die Antragsgegnerin zu zahlen hatten. Die Antragsgegnerin hat hierzu im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.10.1999 im einzelnen und vom Antragsteller unbestritten vorgetragen, man habe zunächst geplant, die Gamma-Knife-Behandlung stationär durchzuführen, damals habe auch das Klinikum K. erwogen, ein Gamma-Knife-Zentrum einzurichten. Dann sei aber in K. zunächst die Entscheidung gefallen, hiervon Abstand zu nehmen. Auch in K. habe man damals überlegt, die Gamma-Knife-Behandlung jedenfalls zu einem Preis unter 10.000,00 DM anzubieten. In K. sei entgegen den vorherigen Äußerungen und nach Abschluss der Pauschalvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und den örtlichen Krankenkassen dann doch die Entscheidung gefallen, auch in K. Gamma-Knife-Behandlungen anzubieten. Bei dieser Sachlage liegt die Annahme, die Antragsgegnerin habe bereits um die Jahreswende 1996/1997 herum eine nicht kostendeckende Pauschalvereinbarung mit den Krankenkassen getroffen, um noch nicht vorhandener, aber erwarteter Konkurrenz von vornherein das Wasser abzugraben, außerordentlich fern. Das gilt namentlich hinsichtlich der Person des Antragstellers, der seine Tätigkeit in K. erst Ende 1998 aufgenommen hat.

Da es nach dem Vorgesagten für die nach Maßgabe des § 1 UWG unlautere Verdrängungs- oder Vernichtungsunterbietung auf den Zweck der Aktion, das beabsichtigte Ziel, und damit auf subjektive Elemente ankommt, könnte schon in Anbetracht des zeitlichen Ablaufs der Geschehnisse, namentlich der Tatsache, dass die Antragsgegnerin das vom Antragsteller als zu niedrig beanstandete Pauschalhonorar bereits 2 Jahre lang gefordert und erhalten hatte, bevor der Antragsteller seine Tätigkeit in K. überhaupt aufgenommen hat, eine sittenwidrige Behinderung des Antragstellers durch Verdrängungs- bzw. Vernichtungswettbewerb der Antragsgegnerin allenfalls dann angenommen werden, wenn die Antragsgegnerin die Gamma-Knife-Behandlungen in A. tatsächlich und wissentlich (weit) unter dem Selbstkostenpreis anbieten würde und daraus, möglicherweise im Zusammenhang mit weiteren Umständen, der Rückschluss gezogen werden könnte, dieses Verhalten bezwecke die Verdrängung des Antragstellers und/oder anderer Mitbewerber. Im Streitfall kann jedoch, was der Senat mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung ebenfalls bereits ausführlich erörtert hat, schon von der Richtigkeit der Behauptung des Antragstellers, die Antragsgegnerin biete die Gamma-Knife-Behandlungen unter ihren eigenen Gestehungskosten an, nicht ausgegangen werden. Das ist nicht überwiegend wahrscheinlich und deshalb nicht im Sinne von § 294 Abs. 1 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht. Der Inhalt der Empfehlung der Bayerischen Landesärztekammer aus März 1998 vermag den Senat ebensowenig wie die vom Antragsteller in erster und zweiter Instanz vorgelegten Kostenberechnungen (Blatt 8 ff. und Blatt 90 d.A.) im Sinne einer solchen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon zu überzeugen, dass die Kostenforderung der Antragsgegnerin von nur 8.000,00 DM pro Behandlung nicht kostendeckend sein kann oder ist. Denn die Empfehlung der Bayerischen Landesärztekammer betrifft die ambulante Behandlung von Gamma-Knife-Patienten in einer gewinnorientierten Privatklinik, in der andere Kosten entstehen können und tatsächlich auch entstehen, als dies in einem Krankenhaus der von der Antragsgegnerin betriebenen Art der Fall ist. Die das GKZ in K. betreffende Kostenkalkulation besagt nichts über die Kosten, die bei einer Behandlung im Universitätsklinikum A. entstehen. Das ist evident, weil die an den Verhältnissen des privatwirtschaftlich organisierten Gamma-Knife-Zentrum K. ausgerichtete Kostenkalkulation z.B. neben Mietkosten auch Abschreibungskosten, Kosten für die Inanspruchnahme von Rechtsanwälten, Unternehmergewinne, Kosten für sonstige Berater, PR-Aktionen, Kongresse etc. beinhaltet. Nichts anderes gilt für die vom Antragsteller mit der Berufungsbegründung vorgelegte Kostenaufstellung 1999. Auch diese Aufstellung beinhaltet ungeachtet der Frage ihrer sonstigen Richtigkeit Kostenpositionen, die bei der Antragsgegnerin nicht, jedenfalls nicht in dieser Form anfallen und die deshalb keinen hinreichend zuverlässigen Rückschluss darauf erlauben, ob das von der Antragsgegnerin verlangte Pauschalhonorar von 8.000,00 DM kostendeckend ist oder nicht. Das gilt z.B. bei den vom Antragsteller aufgeführten variablen Kosten hinsichtlich des konkreten Praxisbedarfs, des Bürobedarfs, der Personalkosten etc. und bei den fixen Kosten hinsichtlich der Abschreibung, darin enthaltenen Anwalts- und Gerichtskosten, Altersrückstellungen für den Antragsteller oder auch Praxisdarlehen. Aus denselben Gründen gibt der Vortrag des Antragstellers, im europäischen und nichteuropäischen Ausland seien Gamma-Knife-Behandlungen noch wesentlich teurer als in K. oder M., keinen hinreichenden Aufschluss darüber, welchen Preis die Antragsgegnerin fordern müßte, um kostendeckend zu arbeiten.

Soweit der Antragsteller, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.1999, geäußert hat, wegen der ursprünglichen Absicht der Antragsgegnerin, die Gamma-Knife-Behandlungen nicht ambulant, sondern stationär durchzuführen, habe man Defizite aus der Gamma-Knife-Behandlung einplanen können, weil man solche Defizite durch entsprechend hohe Pflegesätze habe ausgleichen können, handelt es sich dabei um eine nicht mit dem notwendigen Tatsachenmaterial untermauerte, überdies nicht glaubhaft gemachte und damit für die Entscheidung des Rechtsstreits unbeachtliche Vermutung des Antragstellers. Der unbestrittene Vortrag des Antragstellers, im Falle der ambulanten Behandlung eines Privatpatienten rechne die Antragsgegnerin nach den Regeln der GOÄ 96 ab, verlange also pro Behandlung zwischen 14.000,00 DM und 15.000,00 DM, besagt nichts darüber, ob der den Krankenkassen im Fall der Behandlung eines Kassenpatienten in Rechnung gestellte Pauschalbetrag von 8.000,00 DM kostendeckend ist oder nicht, zumal die Antragsgegnerin ihrerseits im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.10.1999 unbestritten vorgetragen hat, auch im Falle der Behandlung eines Privatpatienten erhalte sie selbst lediglich 8.000,00 DM, den überschießenden Betrag liquidiere der behandelnde Arzt.

Trägt demgemäß die Vorschrift des § 1 UWG das Verfügungsbegehren nicht, kann der Senat aus tatsächlichen Gründen nicht prüfen, ob der Antragsteller - wie er in der zweiten Instanz erstmals geltend macht - den geltend gemachten Anspruch mit Erfolg auf § 20 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen n.F. stützen könnte. Denn für Kartellrechtsstreitigkeiten im Oberlandesgerichtsbezirk Köln ist erstinstanzlich ausschließlich das Landgericht Köln, für die Berufung gegen die Entscheidung der Kartellkammer ausschließlich das Oberlandesgericht Düsseldorf zuständig. Das folgt aus §§ 87 Abs. 1, 89, 92, 93 und 94 GWB in Verbindung mit den nordrheinwestfälischen Landesverordnungen über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte vom 02.10.1990 (GVBl NW 1990, 579) und 02.11.1994 (GVBl NW 1994, 1067). Eine Verweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht Düsseldorf ist nicht möglich, weil das Landgericht A. nicht als Kartellkammer entschieden und damit nicht das Oberlandesgericht Düsseldorf, sondern der Senat zuständiges Berufungsgericht für den auf § 1 VWG gestützten Anspruch ist.

Erweist sich das Verfügungsbegehren des Antragstellers damit auch aufgrund seines Berufungsvorbringens nicht als begründet, hätte der Senat im übrigen hinsichtlich der Fassung des Verfügungsantrages Bedenken, weil eine im Sinne des § 1 UWG unlautere Preisunterbietung zwar einen entsprechenden Unterlassungsanspruch des Antragstellers auslösen, nicht jedoch die Verpflichtung der Antragsgegnerin beinhalten könnte, die für eine Gamma-Knife-Behandlung entstehenden Kosten "in Anlehnung an die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)" abzurechnen. Nähere Ausführungen hierzu sind jedoch entbehrlich, weil der Verfügungsantrag ohnehin der Erfolg versagt ist, die Berufung des Antragstellers mithin aus anderen Gründen mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen ist.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 12.11.1999
Az: 6 U 129/99


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