Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 11. November 2014
Aktenzeichen: 27 K 1801/11
(VG Düsseldorf: Urteil v. 11.11.2014, Az.: 27 K 1801/11)
1. Es erscheint zweifelhaft, ob die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 3 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der KJM (GVO-KJM) in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben aus §§ 14 ff., 17 Abs. 1 Satz 2 JMStV steht, soweit abwesende Mitglieder zur Feststellung der Stimmengleichheit als Ablehnung gezählt werden und es dadurch zum Stichentscheid des Vorsitzenden kommt.
2. Keinesfalls dürfen nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM zur Feststellung der Stimmengleichheit solche Mitglieder der KJM gezählt werden, die wegen Besorgnis der Befangenheit bei der Abstimmung abwesend sind.
3. Es erscheint fraglich, ob sich die Mitglieder der KJM - wie in § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM vorgesehen - bei der Abstimmung der Stimme enthalten dürfen.
4. Zum Begründungserfordernis nach § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV und zur Heilung eines Begründungsmangels durch die KJM.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 in der Gestalt der Erklärung im Termin der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattet werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des jeweils auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Rundfunkveranstalterin. Sie ist Mitinhaberin einer von der Beklagten an sie und die W. Television GmbH erteilten Lizenz. Am 00.0.2010 strahlte sie über den Sender W. in der Zeit von 20:15 Uhr bis ca. 23:50 Uhr die T. TV-Reportage "E" aus. Die Beigeladene ist Produzentin dieser Sendung.
Bei der Reportage handelt es sich um eine knapp vierstündige Dokumentation zum Thema "Das Böse". Darin wird anhand der Betrachtung prominenter Kriminalfälle aus der Vergangenheit der Frage nachgegangen, was Menschen zu brutalen Verbrechern werden lässt. Zu den behandelten Fällen gehören insbesondere die von K. V. und G. H. verübten Mordserien sowie die Verbrechen von X. Q. und K1. G1. , die junge Frauen über einen langen Zeitraum gefangen hielten und misshandelten. Die Reportage geht ausführlich auf die Tathergänge und die Persönlichkeit der Täter ein und verwendet dabei Bild- und Tonmaterial u. a. in Form von Kommentaren und Interviews der Täter, Zeugen und Angehörigen sowie von Experten wie Gerichtsgutachtern oder -reportern.
Am 15. März 2010 ging bei der Beklagten eine Zuschauerbeschwerde von Frau Q1. N. - zugleich stellvertretendes Mitglied der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) - ein, wonach die Reportage voyeuristisch und reißerisch gestaltet sei, und in der im Hinblick auf die Platzierung der Sendung um 20:15 Uhr gebeten wurde, einen Verstoß gegen Jugendschutzbestimmungen zu prüfen.
Nach entsprechender Prüfung verfasste die Beklagte unter dem 6. April 2010 eine Beschlussvorlage an die Prüfgruppe Rundfunk der KJM und empfahl darin, gegen die Klägerin ein aufsichtsrechtliches Beanstandungs- und Untersagungsverfahren einzuleiten und eine Sendezeitbeschränkung für die Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr auszusprechen, da sie, die Klägerin, entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren frei zugänglich gemacht und durch die Ausstrahlung gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) verstoßen habe.
Die Prüfgruppe kam in ihrer Sitzung vom 5. Mai 2010 einstimmig zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV vorliege, da die Sendung wegen der teils drastischen Gewaltdarstellung in Bild und Ton und des dabei verwendeten authentischen und unverfremdeten Materials mit unmittelbarem Realitätsbezug geeignet sei, Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren übermäßig und nachhaltig zu ängstigen und dadurch in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen.
Auf die Anhörung zur Einleitung eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens gab die Klägerin unter dem 30. August 2010 eine von der Beigeladenen übernommene Stellungnahme ab, in der es im Wesentlichen heißt: Die Ausstrahlung der Reportage habe nicht gegen Jugendschutzvorgaben verstoßen. Ziel der Sendung sei, sich der Wahrheit und möglichen Erklärungen für das Böse zu nähern. Es werde der Frage nachgegangen, was sich hinter dem Ausdruck "Das Böse" verberge, ob es "DAS Böse" gebe, wie "normal" es sei und wo es beginne bzw. wo es seine Grenzen habe. Bei der Sendung handele es sich um eine Dokumentation, also um eine Abbildung der Wirklichkeit. Alle gezeigten Kriminalfälle seien real und bereits Gegenstand anderer Berichterstattung in den Medien gewesen. Das redaktionelle Interesse habe nicht einer sensationsheischenden Betrachtung von Kriminalfällen gegolten, vielmehr habe man bewusst die Form einer Dokumentation mit laufenden sachlichen Kommentierungen und Einordnungen durch Sachverständige gewählt. Man sei sich bewusst gewesen, dass zur Ausstrahlungszeit um 20:15 Uhr auch zahlreiche Jugendliche fernsähen und habe daher besonderes Augenmerk auf deren Schutz gelegt. So seien die bildlichen Darstellungen der Opfer nicht in unnötiger Länge gezeigt und zudem durch Verpixelung sowie durch Darstellung des Bildes im Negativ oder als Zeichnung verfremdet worden. Die von der Sendung ausgehende negativdüstere Grundstimmung sei nicht Folge ihrer Aufmachung, sondern zwingender Ausdruck der Thematik.
Unter dem 2. Dezember 2010 übersandte die Beklagte ihre Beschlussvorlage an den Prüfausschuss der KJM und empfahl darin - abweichend von der Vorlage an die KJM-Prüfgruppe vom 6. April 2010 -, einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 4 JMStV nicht festzustellen und führte zur Begründung aus: Nach eingehender Würdigung könne sie sich der Stellungnahme der Klägerin anschließen. Diese habe schlüssig dargelegt, dass mit der Art der Aufbereitung der Dokumentation einem komplexen und schwierigen Thema auf differenzierte Weise sowie durch Einbindung sachlicher Kommentierungen und fortwährender Einordnungen eine Platzierung zur Hauptsendezeit ermöglicht wurde. Auf die einzelnen in der Anhörung angesprochenen Punkte sei die Klägerin dezidiert eingegangen und sei in der Lage gewesen, diese zu widerlegen bzw. ihre Sicht der Dinge plausibel darzulegen. Insbesondere die im Vorfeld der Ausstrahlung vorgenommene Auseinandersetzung mit der Thematik lasse auf einen generell sensiblen Umgang mit dem Jugendmedienschutz schließen.
In der Sitzung vom 19. Januar 2011 fasste die KJM, deren Mitgliedern sitzungsvorbereitend ein Mitschnitt der Sendung übersandt worden war und die wegen der von der Empfehlung der Prüfgruppe abweichenden Vorlage der Beklagten im Plenum entschied, mit einem Abstimmungsergebnis von 7:2:1 den Beschluss, dass die Klägerin mit der Ausstrahlung der in Rede stehenden Sendung gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV verstoßen habe. Es sei eine Beanstandung nach § 20 JMStV auszusprechen und die Ausstrahlung der Sendung auf den Zeitraum von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr zu beschränken. Schließlich solle eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 500 Euro erhoben werden. Ausweislich des Sitzungsprotokolls haben die Mitglieder der KJM zunächst die mögliche Befangenheit von Frau N. festgestellt, woraufhin diese für die Entscheidung über die streitgegenständliche Sendung den Raum verlassen hat. Sodann habe Frau T1. den Sachverhalt zum Prüffall erläutert und den Gang des Verfahrens einschließlich der Empfehlung der Prüfgruppe, der Stellungnahme der Klägerin im Rahmen der Anhörung sowie der Empfehlung in der Beschlussvorlage der Beklagten, keinen Verstoß festzustellen, geschildert. Laut Protokoll diskutierten die Mitglieder der KJM über die Frage, inwieweit das Berichterstattungsprivileg nach § 5 Abs. 6 JMStV greife, wobei mehrheitlich die Auffassung vertreten worden sei, die Vorschrift eng auszulegen und aus diesem Grund nur auf Nachrichten und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen anzuwenden. Herr Professor C. habe ausgeführt, dass die Sendung eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren besitze, weil dieser Altersgruppe eine Einordnung als Wissenschaft nicht möglich sei und daher die argumentative Rahmung der Sendung hier nicht greife. Ausweislich der Niederschrift vertraten die KJM-Mitglieder "nach Diskussion €...€ mehrheitlich die Auffassung, dass die Sendung entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren ist" und fassten daraufhin den oben genannten Beschluss. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der KJM befindliche Sitzungsniederschrift verwiesen.
Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Februar 2011 einen Verstoß durch die Ausstrahlung der Sendung gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV fest, sprach eine medienrechtliche Beanstandung aus und wies die Klägerin an, diesen Verstoß künftig zu unterlassen. Ferner wurde eine Gebühr für den Bescheid in Höhe von 500 Euro, fällig einen Monat nach Bekanntgabe, festgesetzt. Im Bescheid wurde zunächst der Inhalt der Reportage dargestellt, wobei fünf um 20:15 Uhr, 20:19 Uhr, 20:25 Uhr, 21:00 Uhr und 21:05 Uhr ausgestrahlte Szenen, die besonders problematisch seien, herausgestellt und näher beschrieben wurden; anschließend wurde der Gang des Verfahrens einschließlich der Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Anhörung wiedergegeben (Seite 2 bis Seite 5 des Bescheidabdrucks). Zur rechtlichen Würdigung wurde im Bescheid ausgeführt, das Angebot sei geeignet, Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sozialethisch zu desorientieren und ihre Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen (ab Seite 5, letzter Absatz). Die in Rede stehende Reportage enthalte ohne ausreichende Zugangsbeschränkung Inhalte, die geeignet seien, Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren übermäßig und nachhaltig zu ängstigen und dadurch ihre Entwicklung zu beeinträchtigen. Diese Einschätzung ergebe sich zunächst aus den zum Teil drastischen Gewaltdarstellungen in Bild und Ton, in denen die personale Gewalt einzelner Menschen, die ihre Opfer quälen und töten, zum Thema gemacht werde und bei denen es sich zum allergrößten Teil um authentisches und somit unverfremdetes Material mit unmittelbarem Realitätsbezug handele (ab Seite 6, erster Absatz). Trotz des insgesamt eher sachlich konzipierten Angebots werde der Zuschauer dennoch immer wieder, insbesondere im ersten Teil der Reportage und damit zu einer eher frühen Uhrzeit mit unerwartet drastischen Darstellungen konfrontiert. Problematisch seien insbesondere die Szenen, in denen Kinder selbst zu den Opfern zählten. Diese realistischen Gewaltdarstellungen stünden in sehr lebensnahen Kontexten und es sei davon auszugehen, dass Kinder aufgrund des entstandenen Identifikationspotenzials hier besonders empathisch reagierten (Seite 6, dritter Absatz). Neben der dargestellten Gewalt seien die teilweise sehr reißerischen Kommentare aus dem Off herauszustellen, die die Gewalt, die den Opfern angetan werde, in den Fokus der Zuschauer treten lasse. Schließlich sei bei der Bewertung ebenfalls der Gesamtkontext des Angebots zu berücksichtigen (ab Seite 6, letzter Absatz): Der Aufbau der Sendung sei derart gestaltet, dass ein permanentes Gefühl von Angst erzeugt werde. Die von der Art und Weise der Darstellung ausgehende Suggestionskraft, die das Bild einer allgegenwärtigen Gewalt heftigsten Ausmaßes in unserem nächsten Umfeld zeichne, könne zur Entwicklung eines stark verängstigenden Weltbildes bei jüngeren Kindern und Jugendlichen führen. Die von der Klägerin im Rahmen der Anhörung mitgeteilte Auseinandersetzung mit dem Jugendmedienschutz hebe die Feststellung einer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung nicht auf (ab Seite 7, dritter Absatz). Die Sendung falle nicht unter das Berichterstattungsprivileg in § 5 Abs. 6 JMStV (ab Seite 7, letzter Absatz). Dieses Privileg sei eng auszulegen und finde nur auf Nachrichten und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen Anwendung. Die Gebührenerhebung finde ihre Rechtgrundlage in § 35 Abs. 11 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) i. V. m. §§ 1, 2, 3 und 7 der Satzung zur Erhebung von Kosten im Bereich des bundesweiten privaten Rundfunks vom 28. August 2009 (Kostensatzung). Eine Gebühr in Höhe von 500 Euro sei innerhalb des durch Ziffer IV.8 des Verzeichnisses zur Kostensatzung vorgegebenen Rahmens von 250 bis 5.000 Euro angemessen und sachgerecht.
Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben und führt zur Begründung aus: Der angegriffene Bescheid vom 11. Februar 2011 sei schon formell rechtswidrig. Der Beschluss der KJM vom 19. Januar 2011 verstoße gegen die Begründungspflicht in § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV, wonach die Beschlüsse der KJM zu begründen und in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind. Der Beschluss der KJM enthalte keine Wiedergabe des Sachverhalts, keine Auseinandersetzung mit der Stellungnahme im Anhörungsverfahren und der Beschlussvorlage der Beklagten sowie keine Subsumtion unter die Rechtsgrundlagen. Ein Rückgriff auf die Beschlussvorlage der Beklagten sei hier nicht möglich, da diese vorgesehen habe, einen Verstoß gegen jugendmedienschutzrechtliche Vorschriften nicht festzustellen. Der Begründungsmangel im Beschluss der KJM vom 19. Januar 2011 sei nicht durch die im Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 angeführte Begründung nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW (VwVfG NRW) geheilt worden. Die Begründungspflicht treffe die KJM selbst und könne nicht durch den anschließenden, von der Beklagten verfassten Bescheid ersetzt werden. Der Begründungsmangel sei nicht nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, denn bei der Begründung handele es sich um eine unvertretbare Handlung der KJM als sachverständiges Gremium. Vielmehr stelle das Begründungsdefizit einen so genannten absoluten Verfahrensfehler dar, der nicht mehr nachträglich zu korrigieren sei und zwingend zur Aufhebung des Bescheides führe. Der angefochtene Bescheid sei darüber hinaus materiell rechtswidrig. Die Ausstrahlung der Sendung verstoße nicht gegen die Vorgaben aus § 5 Abs. 1, Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV. Zunächst sei hervorzuheben, dass das Angebot nach 20:00 Uhr ausgestrahlt worden sei und Maßstab für die Prüfung einer Entwicklungsgefährdung die Zuschauergruppe der zwölf- bis fünfzehnjährigen Kinder und Jugendlichen sei. Die KJM habe bei der Beurteilung einer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung keinen Beurteilungsspielraum, sondern ihre Einschätzung unterliege der vollen gerichtlichen Kontrolle. Aber auch wenn man die Bewertung der KJM als sachverständige Äußerung qualifizieren wolle und somit von einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle ausgehe, sei die Verwertung unzulässig, wenn sie widersprüchlich oder nicht plausibel sei, von unzutreffenden Tatsachen ausgehe oder ihre Begründung unvollständig sei. Die hier vorgenommene Bewertung sei widersprüchlich und unplausibel. Die Reportage beinhalte keine drastische Gewaltdarstellung durch authentisches und unverfremdetes Material. Bei der Sendung handele es sich um eine Dokumentation mit einem nonfiktionalen Charakter, bei der die Zuschauer weniger emotional involviert würden als bei fiktionalen Formaten. Die konkret beanstandeten Szenen zu Beginn der Sendung seien nur wenige Sekunden lang und von der Beklagten aus dem Kontext gerissen worden. Es sei zu berücksichtigen, dass direkt nach den Szenen jeweils eine kritische und distanzierte Kommentierung durch Experten erfolge und der Zuschauer mit den gezeigten Inhalten nicht allein gelassen werde, mithin auch kein permanentes Gefühl von Angst entstehe. Den Jugendschutzbelangen werde auch dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die Bilder verpixelt oder als Zeichnung und damit verfremdet gezeigt würden. Aber selbst dann, wenn man eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung unterstelle, sei die Ausstrahlung zulässig gewesen, da die Sendung unter das Berichterstattungsprivileg nach § 5 Abs. 6 JMStV falle. Die in Rede stehende Reportage stelle eine Sendung zum politischen Zeitgeschehen dar. Es liege auch das erforderliche berechtigte Interesse gerade an der entwicklungsbeeinträchtigenden Darstellung vor.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und trägt vor: Der angefochtene Bescheid sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die KJM habe die wesentlichen Gründe für ihre Entscheidung im Sitzungsprotokoll vom 19. Januar 2011 dargelegt. Adressat der Begründung der Entscheidungen der KJM sei ohnehin nicht der Rundfunkveranstalter, sondern die zuständige Landesmedienanstalt. Für den Veranstalter sei die Begründung nur insoweit relevant, als er nachprüfen können müsse, ob sich die Landesmedienanstalt bei der Begründung des Beanstandungsbescheides an den Gründen der KJM orientiert habe. Aus der Beschlussvorlage der Beklagten seien der Sachverhalt und die Einschätzung der Beklagten, der Prüfgruppe sowie die Stellungnahme der Klägerin ersichtlich gewesen. Eine Wiederholung der Vorlage im Detail stelle eine unnütze Förmelei dar. Es sei hier auch unerheblich, dass die Beklagte in ihrer Beschlussvorlage eine anderslautende Entscheidung empfohlen habe. Für die KJM hätten alle Argumente auf dem Tisch gelegen; sie habe sich mit knapper, aber präziser Begründung für eine Beanstandung entschieden. Selbst wenn man einen Begründungsmangel annehme, sei dieser durch die im Bescheid der Beklagten enthaltene Begründung gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW geheilt worden. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die KJM besitze bei ihrer Entscheidung einen Beurteilungsspielraum, der einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliege. Aber auch bei Qualifizierung der Entscheidung der KJM als sachverständige Äußerung sei ihre Einschätzung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Klägerin vermöge die sachverständige Bewertung der KJM nicht zu erschüttern. Schließlich falle die in Rede stehende Sendung nicht unter das Berichterstattungsprivileg des § 5 Abs. 6 JMStV. Es handele sich bei der Reportage nicht um eine Nachrichtensendung oder Sendung zum politischen Zeitgeschehen im Sinne der Vorschrift. Zudem bestehe auch kein berechtigtes Interesse gerade an der von der Klägerin gewählten Form der (entwicklungsbeeinträchtigenden) Darstellung. Bei der gebotenen Interessenabwägung zwischen der Rundfunkfreiheit einerseits und dem Jugendschutz andererseits sei letzterem der Vorrang einzuräumen.
In der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2013 hat die Kammer auf Folgendes hingewiesen: Der angegriffene Bescheid sei bereits deswegen aufzuheben, weil dem Begründungserfordernis gemäß § 17 Abs. 1 JMStV nicht genügt sei. Da die Beschlussvorlage der Beklagten sich gegen eine Beanstandung ausgesprochen habe und der Bericht der Prüfgruppe noch keine Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Anhörung enthalten habe, scheide auch eine konkludente Bezugnahme der KJM auf diese Unterlagen zur Begründung ihrer Entscheidung aus. Der Verfahrensfehler stelle sich nach Auffassung der Kammer auch als absoluter dar, so dass eine Anwendung des § 46 VwVfG NRW ausscheide. Auf Antrag der Beklagten wurde die Sache im Einverständnis der übrigen Beteiligten vertagt, um der Beklagten die Möglichkeit zu geben, die KJM erneut einzuschalten.
Daraufhin verfasste die Beklagte unter dem 23. Oktober 2013 eine neue Vorlage an die KJM, in der sie unter Ziffer I. empfahl, die Entscheidung der KJM vom 19. Januar 2011 wie in Ziffer II.2. der Vorlage ausgeführt zu begründen. In Ziffer II.1. schilderte die Beklagte den Sachstand zum Verfahren dergestalt, dass sie einen kurzen Abriss des Verfahrensganges beginnend von der Ausstrahlung der Sendung bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2013 gab. Der erste Absatz enthält am Ende den in Klammern gesetzten Zusatz "vgl. zum gesamten Verfahren die mit der Beschlussvorlage an den KJM-Prüfausschuss vom 02.12.2010 übersandten Anlagen". Unter Ziffer II.2. findet sich eine rechtliche Bewertung, die ab dem dritten Absatz den im angefochtenen Bescheid vom 11. Februar 2011 auf Seite 5, letzter Absatz bis Seite 8, erster Absatz angeführten Erwägungen wörtlich entspricht.
In der Sitzung der KJM vom 13. November 2013 waren ausweislich der im beigezogenen Verwaltungsvorgang der KJM befindlichen Anwesenheitsliste zwölf Mitglieder anwesend. Zu TOP 7.2, der streitbefangenen Sendung, fasste die KJM, deren Mitgliedern in Vorbereitung der Sitzung ein Sendungsmitschnitt der Reportage übersandt worden war, mit einem Abstimmungsergebnis von 6:0:5 den Beschluss, dass "die Entscheidung der KJM vom 19. Januar 2011 [...] wie unter Ziffer II. 2. der Beschlussvorlage der LfM ausgeführt begründet [wird]." Das Sitzungsprotokoll führt hierzu aus:
"Bezugnehmend auf die in den Sitzungsunterlagen vorliegende Prüffallakte und die zugehörige Beschlussvorlage für die KJM, fasst Frau C1. den Verfahrensstand des Prüffalls zusammen. Im vorliegenden Fall sei bereits in der KJM-Sitzung vom 19.01.2011 beschlossen worden, dass die Ausstrahlung der Sendung am 00.0.2010 gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Satz 2 JMStV verstoßen hat. Der Anbieter habe Klage gegen den Beanstandungsbescheid der LfM erhoben. Das VG Düsseldorf habe die Begründung der KJM bemängelt und nun der LfM Gelegenheit gegeben, den Fall erneut der KJM vorzulegen und die Begründung nachzuholen.
Herr G2. merkt an, dass er das Argument, es werde ein falsches Frauenbild erzeugt, weil darauf hingewiesen würde, dass Opfer überwiegend Frauen seien, als problematisch ansehe, weil dies lediglich die Realität widerspiegele: Kriminalistisch gesehen, sei der Anteil der weiblichen Opfer durchaus höher als der der männlichen.
Die KJM diskutiert über die Beschlussvorlage der LfM und macht sich die Begründung der Beschlussvorlage mehrheitlich zu Eigen."
Nach Mitteilung des Abstimmungsergebnisses von 6:0:5 führt das Protokoll weiter aus:
"Der Vorsitzende hat der Beschlussempfehlung der LfM zugestimmt. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GVO-KJM entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden.
Frau N. war bei der Abstimmung wegen möglicher Befangenheit nicht anwesend."
Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2014 hat die Beklagte das Sitzungsprotokoll vom 13. November 2013 zur Gerichtsakte gereicht. Mit Verfügung vom 3. November 2014 hat die Kammer die Beklagte aufgefordert, zu dem protokollierten Abstimmungsergebnis von 6:0:5 und den nachfolgenden Ausführungen im Protokoll, wonach bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden entscheidend sei und dieser der Beschlussvorlage zugestimmt habe, Stellung zu nehmen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Bescheid vom 11. Februar 2011 dahin ergänzt, dass er in Vollzug des Beschlusses der KJM vom 19. Januar 2011 sowie des weiteren Beschlusses vom 13. November 2013 ergeht.
Die Klägerin trägt ergänzend vor: Durch den neuerlichen Beschluss der KJM vom 13. November 2013 sei der Begründungsmangel der Entscheidung vom 19. Januar 2011 nicht geheilt worden. Das Begründungsdefizit stelle grundsätzlich einen unheilbaren absoluten Verfahrensfehler dar. Jedenfalls scheide aber im vorliegenden Fall eine Heilung deshalb aus, weil hier eine Begründung nicht nachgeholt, sondern im Beschluss der KJM vom 13. November 2013 überhaupt erstmals abgegeben worden sei. Denn es sei nicht ersichtlich, dass es sich bei den Ausführungen in der Beschlussvorlage der Beklagten, auf die der Beschluss vom 13. November 2013 Bezug nehme, um diejenigen Gründe handele, die seinerzeit die Mitglieder der KJM zum Beschluss vom 19. Januar 2011 bewogen hätten. Zudem sei die KJM in der Sitzung vom 13. November 2013 anders besetzt gewesen als in der Sitzung vom 19. Januar 2011. Die neu anwesenden Mitglieder könnten indes nicht die Erwägungen wiedergeben, die für die in der ersten Sitzung anwesenden Mitglieder maßgeblich gewesen seien. Die in der Sitzung vom 13. November 2013 abgegebene Begründung erfülle nach wie vor nicht die aus § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV resultierenden inhaltlichen Anforderungen. Die KJM als sachverständiges Gremium könne ihrer Begründungspflicht nicht dadurch genügen, dass sie auf eine Vorlage eines nicht sachverständigen Gremiums verweise. Aber auch wenn man die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Bezugnahme unterstelle, fehlten der Begründung die neben den wesentlichen rechtlichen Erwägungen mitzuteilenden wesentlichen tatsächlichen Gründe. Denn die KJM habe ausdrücklich nur auf Ziffer II.2. der Vorlage der Beklagten Bezug genommen, in der sich allein die rechtliche Bewertung der Beklagten finde, nicht aber der unter Ziffer II.1. ausgeführte Sachstand. Angesichts der eindeutigen Formulierung könne nicht von einer konkludenten Bezugnahme auf Ziffer II.1. der Vorlage ausgegangen werden. Ohnehin genüge der unter Ziffer II.1. dargestellte Sachstand seinerseits nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen, da es dort an einer Darstellung der beanstandeten Sendungsinhalte und der Stellungnahme der Klägerin im Rahmen der Anhörung fehle. Es sei ferner nicht ersichtlich, dass die Mitglieder der KJM die Sendung gesichtet hätten und somit von einer zutreffenden und vollständigen Tatsachengrundlage ausgegangen seien. Weder sei die Sendung in den Sitzungen vom 19. Januar 2011 und 13. November 2013 gemeinsam gesichtet worden, noch sei im beigezogenen Verwaltungsvorgang der KJM eine anderweitige Sichtung durch die Mitglieder dokumentiert. Dem Vorgang lasse sich lediglich entnehmen, dass der Sendungsmitschnitt jeweils sitzungsvorbreitend an die Mitglieder übersandt worden sei. Schließlich sei der Beschluss der KJM vom 13. November 2013 nicht mit der erforderlichen Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder gefasst worden. Die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der KJM (GVO-KJM), wonach bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden entscheidend sei, komme nur bei einem Abstimmungsergebnis von 6:0:6 zur Anwendung. Die Stimme der Frau N. hätte aufgrund ihrer Befangenheit nicht über die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM für die Feststellung der Stimmengleichheit mitgezählt werden dürfen. Ohne diese Stimme von Frau N. wäre es nicht zur Beschlussfassung gekommen, so dass sie ausschlaggebend für die Beanstandung gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 in der Gestalt der Erklärung im Termin der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor: Es bestünden keine Zweifel, dass die Mitglieder der KJM die Reportage gesichtet hätten. Aus den Akten ergebe sich, dass der Sendungsmitschnitt den Mitgliedern vor der Sitzung übersandt worden sei. Die im Beschluss der KJM vom 13. November 2013 gegebene Begründung genüge den gesetzlichen Anforderungen und habe den ursprünglichen Begründungsmangel geheilt. Bezugnahmen auf Vorlagen der jeweiligen Landesmedienanstalten seien zulässig. Nach der neuen Vorlage der Beklagten vom 23. Oktober 2013 bestehe nunmehr eine Kongruenz zwischen den Beschlussvorlagen und den beiden Beschlüssen der KJM vom 19. Januar 2011 und 13. November 2013. Das Abstimmungsergebnis im Beschluss der KJM vom 13. November 2013 sei so zu erklären, dass dem protokollierten Abstimmungsergebnis von 6:0:5 die Stimme der abwesenden Frau N. gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM als ablehnend hinzuzählen sei, so dass es zu einer Stimmengleichheit gekommen und die Stimme des Vorsitzenden nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GVO-KJM entscheidend gewesen sei.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
In der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 hat die Kammer die Aufzeichnung der T. TV-Reportage "E" in Augenschein genommen, wobei im Einverständnis der Beteiligten die Sendung auszugsweise vorgespielt wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der KJM - einschließlich der im Verwaltungsvorgang der Beklagten befindlichen DVD mit dem Sendemitschnitt der T. TV-Reportage "E" - Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 in der Gestalt der Erklärung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 ist sowohl in Hinsicht auf die in Ziffer 1 ausgesprochene Beanstandung und Unterlassensanweisung (A.) als auch in Hinsicht auf die in Ziffer 2 und 3 vorgenommene Gebührenfestsetzung (B.) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A. Die im Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 in der Gestalt der Erklärung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 ausgesprochene und auf § 20 Abs. 1 und 2 JMStV i.V.m. § 118 Abs. 1 und 4 des Landesmediengesetzes NRW (LMG NRW) i.V.m. § 3 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über das Verfahren bei Rechtsverstößen (Beanstandungssatzung) gestützte Beanstandung und Unterlassensanordnung sind rechtswidrig, weil der zugrunde liegende Beschluss der KJM vom 19. Januar 2011 verfahrensfehlerhaft ist. Er ist nicht entsprechend den Vorgaben aus § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV begründet worden (I.). Der Begründungsmangel ist nicht durch den weiteren Beschluss der KJM vom 13. November 2013 geheilt worden (II.). Dies führt zur Rechtswidrigkeit des daraufhin ergangenen Bescheides der Beklagten (III.).
I. Nach § 14 Abs. 1 JMStV überprüft die zuständige Landesmedienanstalt die für die Anbieter geltenden Bestimmungen nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und trifft entsprechend den Bestimmungen des Staatsvertrages die jeweiligen Entscheidungen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben wird nach § 14 Abs. 2 Satz 1 JMStV die KJM gebildet. Diese dient gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 JMStV der zuständigen Landesmedienanstalt als Organ bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Stellt die zuständige Landesmedienanstalt fest, dass ein Anbieter gegen Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages verstoßen hat, trifft sie gemäß § 20 Abs. 1 JMStV die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter. Für Veranstalter von Rundfunk trifft die zuständige Landesmedienanstalt durch die KJM entsprechend den landesrechtlichen Regelungen die jeweilige Entscheidung (§ 20 Abs. 2 JMStV).
Die entsprechenden Beschlüsse der KJM sind nach § 17 Abs. 1 Satz 5 JMStV gegenüber den anderen Organen der Landesmedienanstalten bindend und gemäß § 17 Abs. 1 Satz 6 JMStV deren Entscheidungen zugrunde zu legen. Die Beschlüsse sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 JMStV zu begründen und nach § 17 Abs. 1 Satz 4 JMStV sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen.
Die KJM setzt sich aus zwölf Sachverständigen zusammen (§ 14 Abs. 3 JMStV). Ausschließlich ihnen obliegt die abschließende Beurteilung von Angeboten nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 16 Satz 1 JMStV). Die sachverständige Beurteilung jugendmedienschutzrelevanter Angebote erschöpft sich nicht in der abschließenden Entscheidung, sondern umfasst auch die ihr zugrundeliegenden Erwägungen, die demzufolge in der Begründung der KJM ihren Niederschlag finden müssen. Es handelt sich dabei um eine unvertretbare Aufgabe, die zwar in Prüfgruppen vorbereitet werden kann (§ 9 GVO-KJM) und die nicht zwingend durch das Plenum wahrzunehmen ist, sondern bei Einstimmigkeit der Entscheidung auch durch Prüfausschüsse erfüllt werden kann (§ 14 Abs. 5 JMStV, § 7 GVO-KJM). Will sich der Prüfausschuss oder das Plenum der KJM der Begründungsempfehlung der Prüfgruppe oder der zuständigen Landesmedienanstalt anschließen, bedarf es hierzu jedoch eines eindeutigen Votums. Insoweit hat die KJM in ihrer Geschäfts- und Verfahrensordnung selbst festgelegt, dass jedes Mitglied des Prüfausschusses der Empfehlung der Prüfgruppe "ausdrücklich" zustimmen muss, wenn der Prüfausschuss sich die Empfehlung zu eigen machen will (§ 7 Abs. 6 Satz 2 GVO-KJM). Die gleichen Anforderungen müssen aber auch dann gelten, wenn das Plenum der KJM die Begründung einer Beschlussvorlage oder -empfehlung übernehmen will.
Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, Juris Rn. 20 ff.
Diesen Anforderungen wird der Beschluss der KJM vom 19. Januar 2011 - worauf die Kammer bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2013 hingewiesen hat - nicht gerecht. Aus dem Sitzungsprotokoll ist lediglich ersichtlich, dass die KJM-Mitglieder mehrheitlich die Auffassung vertraten, die Sendung sei entwicklungsbeeinträchtigend, nicht aber warum sie zu dieser Einschätzung gelangt sind. Dies ist aber notwendiger Bestandteil der Begründung, in welcher nach § 17 Abs. 1 Satz 4 JMStV die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Entscheidung mitzuteilen sind. Das Argument, die Sendung sei entwicklungsbeeinträchtigend, weil Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren eine Einordnung als Wissenschaft noch nicht möglich sei und die argumentative Rahmung der Sendung hier nicht greife, wird in der Niederschrift als Meinung von Herrn Professor C. wiedergegeben ("Herr Prof. C. führt aus...") und es bleibt unklar, ob diese Einschätzung mehrheitsfähig war und der Entscheidung zugrunde gelegt wurde. Insgesamt ist nicht nachvollziehbar, welche Erwägungen Gegenstand der im Protokoll nicht näher erläuterten Diskussion über eine mögliche Entwicklungsbeeinträchtigung und welche Gründe danach tragend für die Beschlussfassung waren ("Nach Diskussion vertreten die Mitglieder mehrheitlich die Auffassung, dass die Sendung entwicklungsbeeinträchtigend €...€ ist"). Inhaltlich in Ansätzen wiedergegeben ist allein die Diskussion zur Frage, ob die Sendung unter das Berichterstattungsprivileg gemäß § 5 Abs. 6 JMStV fällt. Dies hat indes keine Aussagekraft zu der von der KJM festgestellten entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung des Angebots.
Soweit die Beklagte vorträgt, bei der Entscheidung der KJM hätten alle Argumente auf dem Tisch gelegen und die KJM habe sich mit knapper, aber präziser Begründung einer Ansicht angeschlossen, kann dem nicht gefolgt werden. Dem Protokoll ist keine Begründung zur Feststellung der entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung der Sendung zu entnehmen.
Ein Rückgriff auf die Begründung der im vorangehenden Verwaltungsverfahren verfassten Beschlussvorlage der Beklagten vom 2. Dezember 2010 oder des Berichts der Prüfgruppe vom 5. Mai 2010 kommt nicht in Betracht. Ein entsprechender ausdrücklicher Verweis ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Aber auch eine etwaige konkludente Bezugnahme
ungeachtet der Frage, ob dieses als ausreichend angesehen wird, vgl. hierzu Verwaltungsgericht (VG) München, Urteil vom 11. Oktober 2012 - M 17 K 10.6273 -, Juris, Rn. 70, das bei Vorliegen einer einzigen und eindeutigen Prüfvorlage eine explizite Bezugnahme auf deren Inhalt für entbehrlich hält; aufgehoben durch Urteil des BayVGH vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, Juris, Rn. 23 ff.
scheidet aus, da die Beschlussvorlage der Beklagten gerade keine Beanstandung empfahl und der Prüfgruppenbericht keine Auseinandersetzung mit der erst im späteren Anhörungsverfahren abgegebenen Stellungnahme der Klägerin vom 30. August 2010 enthielt. Die KJM war daher gehalten, in Ansehung der ausführlichen Stellungnahme der Klägerin und der vom Prüfgruppenbericht abweichenden Beschlussvorlage der Beklagten die für eine Beanstandung maßgeblichen Gründe selbst in der Beschlussbegründung mitzuteilen.
Durch die im anschließend erlassenen Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 enthaltenen Ausführungen zum beanstandeten Inhalt der Sendung wird den Anforderungen aus § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV nicht genügt, da nach dieser Vorschrift die Erfüllung des Begründungserfordernisses explizit der KJM selbst auferlegt ist.
Vgl. BayVGH, Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, Juris, Rn. 28.
II. Der dem Beschluss der KJM vom 19. Januar 2011 anhaftende Begründungsmangel wurde nicht durch den weiteren Beschluss der KJM vom 13. November 2013 geheilt. Zwar ist es grundsätzlich möglich, den Begründungsmangel einer Entscheidung der KJM durch einen die Begründung nachholenden Beschluss der KJM entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 2 des VwVfG NRW zu heilen (1.). Der Beschluss vom 13. November 2013 leidet aber an einem Verfahrensfehler (2.): Zweifelhaft erscheint schon, ob die von der KJM bei der Abstimmung herangezogene Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben aus §§ 14 ff., 17 Abs. 1 Satz 2 JMStV steht, soweit abwesende Mitglieder zur Feststellung der Stimmengleichheit als Ablehnung gezählt werden (a.) und die Vorschrift die Möglichkeit vorsieht, dass die Mitglieder der KJM sich ihrer Stimme enthalten können (b.). Jedenfalls liegt ein Verfahrensfehler vor, weil das Mitglied Frau N. , die hinsichtlich der Entscheidung über die streitgegenständliche Sendung als befangen anzusehen ist, rechtsfehlerhaft als Gegenstimme gezählt wurde und dies kausal für die Beschlussfassung war (c.). Darüber hinaus enthält der Beschluss vom 13. November 2013 erneut keine den Anforderungen nach § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV genügende Begründung (d.).
1. Die Beklagte und die KJM als ihr Organ sind rechtlich nicht gehindert, mögliche Verfahrensfehler durch Wiederholung des Verfahrensabschnittes zu korrigieren und eine entsprechende neue Entscheidung zu treffen. Die KJM war befugt, durch den neuen Beschluss vom 13. November 2013 die bislang fehlende Begründung nachzuholen und die Beklagte war aufgrund jenes weiteren Beschlusses der KJM berechtigt, den von ihr erlassenen Bescheid vom 11. Februar 2011 - wie durch die im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. November 2014 abgegebene Erklärung - abzuändern und zu ergänzen.
So auch VG München, Urteil vom 17. Juni 2009 - M 17 K 05.599 -, Juris, Rn. 89; vgl. auch zum nachfolgenden Berufungsverfahren BayVGH, Urteil vom 23. März 2011 - 7 BV 09.2512, 7 BV 09.2513 -, Juris, Rn. 27 (frei von Verfahrensfehlern); von einer Heilungsmöglichkeit ausgehend wohl auch VG Hannover, Urteil vom 27. Januar 2011 - 7 A 5630/08 -, Juris, Rn. 28 betreffend die ZAK; Schuler-Harms, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2012, § 35 RStV, Rn. 83 betreffend die KEK.
Die Möglichkeit einer solchen Heilung ergibt sich aus § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW, welcher hinsichtlich der Beschlüsse der KJM aufgrund des Umstandes, dass diese mangels Außenwirkung keine Verwaltungsaktqualität im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW besitzen, lediglich entsprechende Anwendung findet. Der Heilung steht nicht entgegen, dass - wie die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin vorträgt - das Verfahren bei der KJM mit der Entscheidung vom 19. Januar 2011 abgeschlossen gewesen und die KJM als Organ der Beklagten im gerichtlichen Verfahren nicht beteiligtenfähig ist.
Vgl. VG Berlin, Urteile vom 3. Mai 2012 - 27 K 341.06 -, Juris, Rn. 36 und - 27 K 19.07 -, Juris, Rn. 50.
Nach § 9 VwVfG NRW endet das Verwaltungsverfahren frühestens mit dem Erlass des Verwaltungsaktes. Überdies stellt selbst der Erlass des Beanstandungsbescheides vom 11. Februar 2011 nicht die zeitliche Grenze für die Möglichkeit einer Heilung von Verfahrens- und Formfehlern dar. Denn nach § 45 Abs. 2 VwVfG NRW kann die erforderliche Begründung in zeitlicher Hinsicht über die Dauer des Verwaltungsverfahrens hinaus bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
Für eine Heilungsmöglichkeit bis zu diesem Zeitpunkt auch Schuler-Harms, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Auflage 2012, § 35 RStV, Rn. 83 betreffend die KEK.
Dass die KJM als Organ der Beklagten am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt ist, steht einer Heilung entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW ebenfalls nicht entgegen. Dieser Umstand führt lediglich dazu, dass die den Verfahrensfehler korrigierende Entscheidung der KJM noch durch die Beklagte mit Außenwirkung gegenüber dem Rundfunkveranstalter vollzogen werden muss. Dies kann idealtypisch und regelmäßig durch den Erlass eines Ergänzungsbescheides oder spätestens - wie hier - durch Abgabe einer entsprechenden Protokollerklärung im Termin zur mündlichen Verhandlung geschehen. Eine Beeinträchtigung der Rechte der Klägerin ist dabei nicht zu besorgen: Werden durch die Korrektur des ursprünglichen Mangels die mit der Klage geltend gemachten Einwände gegen die angegriffenen Maßnahmen ausgeräumt, kann die Klägerseite eine Hauptsachenerledigungserklärung abgeben mit der Folge, dass der Beklagtenseite regelmäßig aufgrund der erfolgten Klaglosstellung im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind. Wird das Verfahren fortgesetzt, so besteht für die Klägerseite die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des geänderten Bescheides und damit inzident der weiteren Entscheidung der KJM in das laufende Klageverfahren einzubeziehen und so zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen.
Vgl. VG München, Urteil vom 17. Juni 2009 - M 17 K 05.599 -, Juris, Rn. 89.
Für eine Möglichkeit der Heilung eines Verfahrens- oder Formfehlers der KJM spricht schließlich auch die Regelung in § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG NRW, wonach der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass eines Verwaltungsaktes erforderlich ist - wie hier der notwendigerweise der Aufsichtsmaßnahme der Beklagten vorangehende Beschluss der KJM -,
vgl. zur Einordnung der KJM als Ausschuss im Sinne des § 88 VwVfG NRW: VG München, Urteil vom 17. Juni 2009 - M 17 K 05.599 -, Juris, Rn. 81,
innerhalb der von Absatz 2 der Vorschrift gezogenen zeitlichen Grenze noch nachträglich gefasst werden kann.
2. Der Begründungsmangel des Beschlusses der KJM vom 19. Januar 2011 wurde nicht durch den Beschluss vom 13. November 2013 geheilt, weil dieser verfahrensfehlerhaft ist.
a. Es bestehen nach Auffassung der Kammer schon erhebliche Zweifel, ob die bei der Beschlussfassung am 13. November 2013 angewandte Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM mit den gesetzlichen Vorgaben zur Mehrheitsentscheidung der KJM in § 17 Abs. 1 Satz 2 JMStV in Einklang steht, soweit danach abwesende Mitglieder für die Feststellung der Stimmengleichheit als Ablehnung mitgezählt werden.
Die Regelungsbefugnis der KJM bei der Ausgestaltung ihrer Geschäfts- und Verfahrensordnung als Binnenrecht zur Regelung der inneren Ordnung und des Ablaufs der Meinungs- und Willensbildung findet ihre Grenze dort, wo das übergeordnete Gesetz selbst diesbezügliche Vorgaben trifft.
Vgl. zur Rechtsnatur von Geschäftsordnungen als Binnenrecht Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Band 5, § 102, Rn. 3. Auch wenn sich keine ausdrückliche Ermächtigung im JMStV für die Schaffung einer Geschäftsordnung findet, ist sie in § 14 Abs. 5 Satz 5 JMStV erwähnt, welcher bestimmt, dass "das Nähere €zur Entscheidung durch Prüfausschüsse€ in der Geschäftsordnung der KJM festzulegen €ist€" und somit die mögliche Existenz einer Geschäftsordnung voraussetzt.
Für die hier relevante Beschlussfassung bei der KJM bestimmt § 17 Abs. 1 Satz 2 JMStV in seinem ersten Halbsatz, dass die KJM ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder fasst und in seinem zweiten Halbsatz, dass bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden entscheidet. Die Norm geht im Grundsatz von einer Gleichrangigkeit aller Stimmen der Mitglieder der KJM aus und sieht nur in einem - eigens gesetzlich geregelten - Ausnahmefall, nämlich bei Stimmengleichheit, ein herausgehobenes Gewicht der Stimme des Vorsitzenden vor, welche in diesem Fall auschlaggebend ist und die übrigen Stimmen an Bedeutung überwiegt.
Voraussetzung nach § 17 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz JMStV für das ausnahmsweise entscheidende Stimmengewicht des Vorsitzenden ist das Vorliegen einer Stimmengleichheit. Stimmengleichheit bedeutet Gleichstand der abgegebenen Stimmen. Hierfür streitet bereits der Wortlaut Norm. Der Begriff "Stimmengleichheit" setzt das Vorhandensein von Stimmen voraus. An einer Stimme fehlt es aber, wenn ein Mitglied gar nicht anwesend ist.
Weiterhin spricht auch Vieles dafür, dass § 17 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz JMStV nur dann zur Anwendung gelangt, wenn eine Stimmengleichheit von sechs Ja- und sechs Nein-Stimmen bei Anwesenheit aller zwölf Mitglieder vorliegt, insbesondere weil für eine Beschlussfassung an sich stets sieben Ja-Stimmen erforderlich ist. Entsteht z. B. eine Stimmengleichheit bei fünf zu fünf Stimmen, weil zwei Mitglieder nicht anwesend sind, kann auch mit der entscheidenden Stimme des Vorsitzenden keine Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder in Form des Quorums von sieben Stimmen erreicht werden.
So auch Harstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole, Kommentar zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, Stand: September 2014, § 17, Rn. 3; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Auflage 2011, § 35 RStV, Rn. 23.
Kommt es sonach für die Feststellung der Stimmengleichheit nach den gesetzlichen Vorgaben auf die Stimmen der anwesenden Mitglieder an, dürfte § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM diesen Rahmen überschreiten, wenn danach abwesende Mitglieder für die Feststellung der Stimmengleichheit als Ablehnung mitgezählt werden. Dadurch dürfte es zu einer Verschiebung des Stimmengewichts zugunsten des Vorsitzenden kommen, die von der gesetzlichen Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz JMStV nicht mehr gedeckt ist. Denn § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM hat zur Konsequenz, dass bei Vorliegen von sechs Ja-Stimmen einschließlich der des Vorsitzenden immer dessen Stimme entscheidend ist und es stets zu einer Beanstandung zu Lasten des Veranstalters kommt, und zwar unabhängig davon, wie viele Mitglieder abwesend sind, solange die KJM nur nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GVO-KJM mit sieben anwesenden Mitgliedern beschlussfähig ist: Bei einer Gegenstimme und fünf Abwesenden, zwei Gegenstimmen und vier Abwesenden, drei Gegenstimmen und drei Abwesenden, vier Gegenstimmen und zwei Abwesenden sowie bei der hier bei der Beschlussfassung am 13. November 2013 gegebenen Konstellation von fünf Gegenstimmen und einem abwesenden Mitglied wird über die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM immer eine Stimmengleichheit fingiert. Eine solche Akkumulation der Fälle, in denen die Stimme des Vorsitzenden entscheidend ist, dürfte in Widerspruch zu der vom Gesetz in § 17 Abs. 1 Satz 2 JMStV grundsätzlich vorgesehenen Gleichrangigkeit der Stimmen und der Beschränkung des entscheidenden Stimmengewichts auf den oben beschriebenen, eng eingegrenzten Ausnahmefall der Stimmengleichheit unter den anwesenden Mitgliedern stehen. Die Bewertung der Abwesenden als Ablehnung wird zudem der Bedeutung der Entscheidungsfindung durch die KJM als ein mit zwölf Sachverständigen besetztes Kollegialorgan nicht gerecht. Denn sie übersieht, dass das Mitglied, dessen Stimme als Ablehnung fingiert wird, bei unterstellter Anwesenheit nicht nur gegen die Aufsichtsmaßnahme hätte stimmen können, sondern mit seinen sachverständigen Erwägungen auch die Meinungsbildung des gesamten Gremiums hätte beeinflussen können. Die Bewertung der abwesenden Mitglieder als Ablehnung wirkt sich auch nicht ausschließlich günstig für den Rundfunkveranstalter aus, indem es zur Ablehnung der in Rede stehenden medienrechtlichen Maßnahme kommt, sondern weist die Entscheidung hierüber allein dem Vorsitzenden der KJM zu. Stimmt dieser - wie hier - für die Maßnahme, kommt ein entsprechender Beschluss zustande und bindet die zuständige Landesmedienanstalt, welche ihn mit Außenwirkung gegenüber dem Veranstalter zu vollziehen hat.
b. Soweit nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM Enthaltungen zur Feststellung der Stimmengleichheit als Ablehnung gezählt werden, erscheint es darüber hinaus zweifelhaft, ob die Mitglieder der KJM überhaupt berechtigt sind, sich der Stimme zu enthalten. Zwar werden Stimmenthaltungen in Kollegialorganen grundsätzlich als zulässig erachtet.
Zur Zulässigkeit des Zählens von Stimmenthaltungen als Nein-Stimmen vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. Oktober 1996 - 2 C 34/95 -, Juris, Rn. 21; vgl. allgemein zum Meinungsstand Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 91, Rn. 5 und Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 91, Rn. 4 jeweils m. w. N.
Dies gilt aber nicht, wenn sich aus den Regelungen über die Zusammensetzung des Gremiums oder über den Zweck der Teilnahme etwas anderes ergibt.
Vgl. Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 91, Rn. 5 und Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 91, Rn. 4
So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (heute Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien) Stimmenthaltungen nicht zulässig: Die Bundesprüfstelle sei zwar kein Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde; nach ihrem Aufbau und ihren Funktionen ähnele sie jedoch so stark einem Gericht und das Verfahren der Bundesprüfstelle sei so weitgehend einem gerichtlichen Verfahren angeglichen, dass für die Frage der Stimmenthaltung unbedenklich auf die Grundsätze der Prozessgesetze zurückzugreifen sei. Diese stimmten ausnahmslos darin überein, dass eine Stimmenthaltung unzulässig sei.
Urteil vom 10. November 1967 - V C 47.67 -, Juris, Rn. 13.
Diese Erwägungen dürften auf die KJM übertragbar sein. Sie ist kraft Gesetzes für die abschließende Beurteilung von Angeboten nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zuständig (§ 16 Satz 1 JMStV), ist hierfür mit zwölf Sachverständigen besetzt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 JMStV), ihre Entscheidungen haben Bindungswirkung gegenüber der jeweiligen Landesmedienanstalt und sind von dieser bei deren Entscheidung zugrunde zu legen (§ 17 Abs. 1 Satz 5 und 6 JMStV). Kompetenzen und Befugnisse der KJM sind denen eines Gerichts demnach angenähert. Auch das Verfahren bei der KJM, die in regelmäßig stattfindenden Sitzungen über die Prüffälle als Gremium mit der Mehrheit der (gesetzlichen) Mitglieder entscheidet, ist mit dem bei gerichtlichen Kollegialspruchkörpern vergleichbar. Zudem sind die Mitglieder der KJM bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 14 Abs. 6 Satz 1 JMStV an Weisungen nicht gebunden, wodurch ihnen die für richterliche Tätigkeit typische Unabhängigkeit eingeräumt wird.
Darüber hinaus spricht auch die Funktion der KJM für den Ausschluss von Enthaltungen. Als sachverständiges Gremium hat sie Angebote nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag im Hinblick auf jugendgefährdende Inhalte abschließend zu beurteilen. Durch eine Stimmenthaltung würde sich hingegen das betreffende Mitglied der KJM seinem gesetzlichen Auftrag als Sachverständiger letztlich entziehen können. Räumt das Gesetz einem sachverständigen Gremium aber derart weitreichende Befugnisse ein, lässt sich daraus für die Mitglieder eine korrelierende Mitwirkungspflicht dergestalt herleiten, dem gesetzlichen Auftrag als Sachverständiger tatsächlich nachzukommen, indem er seine sachverständige Expertise effektiv einsetzt und ihr bei der Abstimmung durch ein eindeutiges Votum Ausdruck verleiht.
Aus ähnlichen Gründen wird im Prüfungsrecht für Mitglieder von Prüfungsausschüssen eine Unzulässigkeit von Stimmenthaltungen anerkannt und eine Pflicht zur Abgabe eines Votums angenommen: Es entspreche dem grundsätzlichen Auftrag des Prüfers, eine Prüfentscheidung zu treffen und dabei die Leistung des Prüflings zu beurteilen; jedes einzelne Mitglied eines Prüfungsausschusses habe an der Meinungsbildung nach Kräften mitzuwirken und dürfe sich der Stimme nicht enthalten.
Vgl. Oberverwaltungsgericht Schleswig, Urteil vom 9. Februar 1996 - 3 L 79/95 -, Juris, Rn. 35 f.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 8. September 2005 - 14 A 3934/03 -, Juris, Rn. 48 ff.
c. Jedenfalls liegt der Beschlussfassung der KJM vom 13. November 2013 ein Verfahrensfehler in Form eines Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 4 Satz 3 VwVfG NRW zugrunde. Denn die Stimme von Frau N. wurde rechtsfehlerhaft in Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM zur Feststellung der Stimmengleichheit als Ablehnung gezählt, obwohl sie hinsichtlich der Entscheidung über die streitgegenständliche Sendung als befangen anzusehen war; dies war kausal für die - wegen der dann entscheidenden Stimme des Vorsitzenden - zu Lasten der Klägerin ausgegangene Beschlussfassung.
Befangenheit im Sinne § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung eines Amtsträgers zu rechtfertigen. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen die subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden.
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 21, Rn. 13 m w. N.
Erforderlich ist ein benennbarer, rationaler Grund, der an Tatsachen anknüpft, die nach objektiven und vernünftigen Erwägungen geeignet sind, Zweifel an der unparteiischen Tätigkeit des Bediensteten zu wecken.
Bonk/Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 21, Rn. 10.
Für Mitglieder eines Ausschusses im Sinne von § 88 VwVfG NRW, wie ihn die KJM darstellt, gilt gemäß § 21 Abs. 2 VwVfG NRW die Vorschrift des § 20 Abs. 4 Satz 3 VwVfG NRW entsprechend, wonach der Betroffene an der Entscheidung nicht mitwirken darf.
Vgl. zur Einordnung der KJM als Ausschuss im Sinne des § 88 VwVfG NRW: VG München, Urteil vom 17. Juni 2009 - M 17 K 05.599 -, Juris, Rn. 81.
Das Mitglied Frau N. war hinsichtlich der Klägerin und der streitgegenständlichen Sendung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW als befangen anzusehen. Sie war die Verfasserin der Zuschauerbeschwerde vom 15. März 2010, aufgrund derer das medienrechtliche Verfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde. In dieser Beschwerde führte Frau N. aus, dass die Reportage "für diese Sendezeit €um 20:15 Uhr€ problematisch erscheint", "die Gestaltung der Reportage €...€ oft sehr voyeuristisch und reißerisch gehalten €war€" und sie "diese Reportage aufgrund ihrer Thematik und besonders aufgrund ihrer Gestaltung eher zu einer Sendezeit nach 22:00 Uhr erwartet habe...". Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass Frau N. bereits vor Einleitung des Beanstandungsverfahrens dazu neigte, die Sendung als voyeuristisch und reißerisch gehalten zu qualifizieren und aufgrund der Platzierung der Reportage zur Sendezeit um 20:15 Uhr einen Verstoß gegen Jugendschutzbestimmungen zu bejahen. Angesichts dieses Umstandes war jedenfalls die Besorgnis nicht auszuschließen, dass Frau N. nicht unvoreingenommen über die streitbefangene Sendung entscheidet. In diesem Sinne ging auch die KJM sowohl in der Sitzung vom 19. Januar 2011 als auch in derjenigen vom 13. November 2013 von einer Besorgnis der Befangenheit von Frau N. aus: Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 19. Januar 2011 stellten die Mitglieder der KJM
zu Beginn der Befassung mit der streitbefangenen Sendung die mögliche Befangenheit von Frau N. fest, welche daraufhin für die Entscheidung über den zu beurteilenden Fall den Raum verließ. Laut Sitzungsprotokoll vom 13. November 2013 war Frau N. bei der Abstimmung über den Prüffall wegen möglicher Befangenheit nicht anwesend.
Demnach durfte Frau N. an der Entscheidung zur streitbefangenen Sendung nach §§ 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 20 Abs. 4 Satz 3 VwVfG NRW nicht mitwirken und war mithin nicht stimmberechtigt.
Vgl. zum Ausschluss eines Gremiumsmitglieds von der Stimmberechtigung als Rechtsfolge eines Ausschlusses wegen Befangenheit Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 91, Rn. 3 m. w. N.; so auch Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 91, Rn. 5.
War Frau N. wegen des Mitwirkungsverbots nicht stimmberechtigt, durfte ihre Stimme auch nicht über die Regelung nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GVO-KJM zur Feststellung der Stimmengleichheit als Ablehnung gezählt werden. Dies war ausschlagegebend für die Fassung des Beanstandungsbeschlusses: Ohne die Zählung als Ablehnung wäre das Abstimmungsergebnis - wie protokolliert - 6:0:5 ausgefallen. Mangels Erreichens der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder hätte in der Sitzung kein Beschluss gefasst werden können. Erst durch die ablehnende Stimme von Frau N. kam es zu einer fiktiven Stimmengleichheit von 6:0:6 mit der Folge, dass die Stimme des Vorsitzenden, welcher der Beschlussempfehlung zugestimmt hatte, entscheidend war und der Beanstandungsbeschluss zustande kommen konnte.
Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 GVO-KJM wird das befangene Mitglied durch den Vertreter vertreten. Da Frau N. aber laut der im Vorgang der KJM befindlichen Anwesenheitsliste ihrerseits stellvertretend an der Sitzung am 13. November 2013 teilnahm, kam eine Vertretung ihrer Person nicht in Frage.
Auch nach der GVO-KJM hätte diese Vorgehensweise nicht gewählt werden dürfen: § 5 Abs. 4 Satz 3 bestimmt, dass, wenn ein ausgeschlossenes Mitglied an einer Entscheidung mitgewirkt hat, diese gültig ist, sofern seine Stimme - anders als hier - nicht den Ausschlag gegeben hat.
Unabhängig davon dürfte der Beschluss der KJM vom 13. November 2013 an einem weiteren Verfahrensfehler leiden. Denn laut Protokoll war Frau N. bei der Abstimmung wegen möglicher Befangenheit nicht anwesend. Stand der Grund für ihre Befangenheit aber schon von vorherein fest und war durch die KJM die Besorgnis der Befangenheit bereits in der Sitzung vom 19. Januar 2011 festgestellt, hätte sie nach §§ 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 20 Abs. 4 Satz 4 VwVfG NRW bereits vor der Beratung über die Sache, insbesondere bei der im Protokoll erwähnten Diskussion, und nicht erst vor der anschließenden Abstimmung den Raum verlassen müssen. Denn nur so ist gewährleistet, dass das befangene Mitglied keinen Einfluss auf die inhaltliche Befassung oder auf andere Mitglieder nehmen kann.
Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 20, Rn.51 und § 91, Rn. 5.
Der Frage, ob Frau N. eventuell nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 VwVfG NRW i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 GVO-KJM ausgeschlossen ist, weil sie durch Einreichung der Zuschauerbeschwerde bei der Beklagten außerhalb ihrer amtlichen Eigenschaft in der Angelegenheit tätig geworden ist, muss hier angesichts der nach den obigen Ausführungen feststehenden Besorgnis der Befangenheit nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW nicht weiter nachgegangen werden.
d. Der Beschluss der KJM vom 13. November 2013 vermag den dem Beschluss vom 19. Januar 2011 anhaftenden Begründungsmangel ferner deswegen nicht zu heilen, weil er erneut keine ordnungsgemäße Begründung enthält. Die im Beschluss der KJM vom 13. November 2013 gegebene Begründung in Form der Bezugnahme auf Ziffer II.2. der Vorlage der Beklagten vom 23. Oktober 2013 genügt nicht den Vorgaben aus § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV.
Eine Verweisung oder Bezugnahme auf eine Beschlussvorlage der zuständigen Landesmedienanstalt oder eine andere im Verwaltungsverfahren erstellte Unterlage kann grundsätzlich der Begründungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV genügen. Folgt die KJM einer Beschlussvorlage, ist es grundsätzlich nicht erforderlich, den kompletten Inhalt der Beschlussvorlage im Sitzungsprotokoll der KJM erneut wiederzugeben. Die KJM kann sich den Inhalt der Vorlage durch eine Verweisung oder Bezugnahme zu eigen machen. Voraussetzung ist aber, dass eine solche Verweisung und der Wille, sich die Begründung zu eigen zu machen, aus der Niederschrift klar und unmissverständlich hervorgehen.
Vgl. BayVGH, Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, Juris, Rn. 27; VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2007 - 7 A 4679/12 -, Juris, Rn. 58.
Die anzulegenden hohen Anforderungen an die Klarheit und Eindeutigkeit der Begründung resultieren vor allem aus der Grundrechtsrelevanz der medienrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen und der nur eingeschränkten Möglichkeit des Rundfunkveranstalters, die sachverständige Einschätzung der KJM gerichtlich überprüfen zu lassen. Hierzu hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 - (Juris, Rn. 28 ff.) nach Auffassung der Kammer überzeugend ausgeführt:
"Es handelt sich bei der Begründungspflicht nicht um eine nur "wünschenswerte Vorgehensweise" und "unnötige Förmelei". Die Vertragsparteien des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags und der Gesetzgeber haben ihre Erfüllung explizit der KJM selbst auferlegt. Allein diese ist dazu berufen, die von ihr getroffene Entscheidung aufgrund ihrer sachverständigen Bewertung zu begründen. Auch die Begründung der Prüfgruppe oder der Begründungsvorschlag der Beklagten ersetzen die Begründung der KJM nicht, sofern nicht die KJM darauf ausdrücklich Bezug nimmt und hierdurch zu erkennen gibt, dass sie sich die Auffassung der Prüfgruppe oder der Beklagten zu eigen macht.
An die Allgemeinheit gerichtete Telemedien wie die hier inmitten stehenden Teletextangebote werden im Hinblick auf die Dynamik des Rundfunkbegriffs vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst (vgl. Starck in von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Band 1, 6. Auflage 2010, Art. 5 Rn. 163; Holznagel/Kibele in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Auflage 2011, § 2 RStV Rn. 13 ff. [insbes. Rn. 21 a.E.]; Held in Beck€scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Auflage 2012, § 11d RStV Rn. 18 und § 54 RStV Rn. 12). Die Begründungspflicht des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV ist Teil der vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung geforderten gesetzlichen Rundfunkordnung zum Schutz der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geforderten Rundfunkfreiheit, die anders als Grundrechte sonst ihrem Träger nicht nur zum Zweck der Persönlichkeitsentfaltung und Interessenverfolgung eingeräumt ist, sondern auch der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient (z.B. BVerfG, B.v. 6.10.1992 - 1 BvR 1586/89 und 1 BvR 487/92 - BVerfGE 87, 181/198; B.v. 20.2.1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298/313 f. und U.v. 12.3.2008 - 2 BvF 4/03 - BVerfGE 121, 30/50 ff.). Sie soll zum einen die KJM dazu anhalten, den von ihr zu beurteilenden Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln und diesen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Anbieters in jugendschutzrechtlicher Hinsicht selbst sachverständig zu bewerten. Des Weiteren dient sie der Klarheit für die anderen Organe der zuständigen Landesmedienanstalt, denen gegenüber die Beschlüsse der KJM bindend sind und die sie einschließlich der Begründung ihren Entscheidungen zu Grunde zu legen haben (§ 17 Abs. 1 Sätze 5 und 6 JMStV).
Neben diesen objektivrechtlichen Funktionen dient die Begründung aber vor allem auch den Rechten der betroffenen Rundfunkveranstalter und der Anbieter von Telemedien. Die Pflicht der KJM, ihre Entscheidungen zu begründen und dabei die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, wurde ausdrücklich "mit Blick auf die Rechte der Betroffenen", die eventuell gegen eine abschließende Entscheidung Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen, in die Regelung aufgenommen (LT-Drs. 14/10246, S. 23; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, Stand März 2013, § 17 JMStV Rn. 3). Die Betroffenen können die Einschätzung der KJM als sachverständige Aussage im gerichtlichen Verfahren nur mit dem gleichen Aufwand in Frage stellen, der notwendig ist, um die Tragfähigkeit fachgutachtlicher Äußerungen zu erschüttern. Ist die Bewertung der KJM in diesem Sinn nicht entkräftet, so ist es dem Gericht verwehrt, seine eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung der KJM zu setzen (BayVGH, U.v. 23.3.2011 - 7 BV 09.2512 u.a. - NJW 2011, 2678/2682). Ohne Kenntnis der Gründe, auf die die KJM ihre Entscheidung stützt, kann der Betroffene diese jedoch nicht erschüttern. Er ist daher darauf angewiesen, zu erfahren, welche Gründe die KJM als sachverständiges Gremium zu ihrer Entscheidung bewogen haben.
Die objektivrechtliche Begründungspflicht der KJM dient damit zugleich der Sicherung der grundrechtlichen Positionen der betroffenen Rundfunkveranstalter und Telemedienanbieter. Sie haben Anspruch darauf, dass die KJM ihren Beschluss nach ausreichender Kenntnisnahme des zu beurteilenden Angebots unter Bekanntgabe ihrer wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen begründet (ebenso VG Berlin, U.v. 3.5.2012 - 27 A 19.07 - juris Rn. 43 ff. u.v. 19.6.2012 - 27 A 71.08 - ZUM 2013, 236/238 ff.; vgl. auch VG Hannover, U.v. 27.1.2011 - 7 A 5630.08 - ZUM 2011, 517 ff.)."
Diese Vorgaben erfüllt die Bezugnahme im Sitzungsprotokoll vom 13. November 2013 nicht. Denn die insoweit allein in Bezug genommene Ziffer II.2. der Vorlage der Beklagten vom 23. Oktober 2013 genügt ihrerseits nicht den Anforderungen aus § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV. Es fehlt an der nach § 17 Abs. 1 Satz 4 JMStV erforderlichen Mitteilung der tatsächlichen Gründe für die Entscheidung. In Ziffer II.2. der Vorlage befindet sich ab dem dritten Absatz die - wortgleich aus dem angefochtenen Bescheid vom 11. Februar 2011 ab Seite 5, letzter Absatz bis Seite 8, erster Absatz übernommene - rechtliche Bewertung der Beklagten. Aus dieser von der KJM allein zu eigen gemachten Begründung ergibt sich indes nicht, welchen Sachverhalt die KJM bei ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Sie gibt keinen Aufschluss darüber, welche Tatsachengrundlage bei der rechtlichen
Würdigung subsumiert wurde und welche Inhalte der streitbefangenen Sendung als entwicklungsbeeinträchtigend erachtet wurden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche Szenen der fast vierstündigen Reportage als problematisch empfunden wurden. Den Ausführungen unter Ziffer II.2. der Beschlussvorlage der Beklagten vom 23. Oktober 2013 ist lediglich pauschal zu entnehmen, dass sich die beanstandete entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung "zunächst aus den zum Teil drastischen Gewaltdarstellungen in Bild und Ton" ergebe. Welche Darstellungen damit gemeint sind, wird nicht ausgeführt. Nur an einer Stelle in Ziffer II.2. der Beschlussvorlage (Seite 4, letzter Absatz) ist konkret von "der beschriebenen Szene um 20:19 Uhr" die Rede, ohne jedoch zu erläutern, was Inhalt dieser Szene ist. Im Übrigen ist unter Ziffer II.2. der Vorlage mehrfach von "oben beispielhaft beschriebenen Szenen" (Seite 4, vorletzter Absatz), den "gezeigten Bildern" (Seite 5, zweiter Absatz), den "hier beispielhaft thematisierten Gewaltszenen" oder "den konkret benannten, gewalthaltigen Beispielen" (jeweils Seite 5, dritter Absatz) die Rede. Die betreffenden Bezüge gehen jedoch allesamt ins Leere, da unter Ziffer II.2. der Vorlage entsprechende Beispiele für solche Bilder und Darstellungen nicht benannt werden. Hier zeigt sich, dass die rechtliche Bewertung aus dem angegriffenen Bescheid wortgleich übernommen wurde; in diesem ging der rechtlichen Bewertung allerdings eine ausführliche Sachverhaltsschilderung voraus, in der die herausgestellten problematischen (fünf) Szenen im Einzelnen beschrieben wurden und die in die Beschlussvorlage vom 23. Oktober 2013 zu übernehmen die Beklagte versäumt hat.
Aber auch dann, wenn die im Beschluss vom 13. November 2013 erfolgte Verweisung über die ausdrücklich nur in Bezug genommene Ziffer II.2. der Beschlussvorlage vom 23. Oktober 2013 auf die gesamte Vorlage ausgedehnt würde, entbehrte sie einer ordnungsgemäßen Begründung. Auch in diesem Fall fehlte es an der Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen Gründe. Diese können nicht dem unter Ziffer II.1. befindlichen Bericht zum Sachstand entnommen werden. Auch dort werden keine problematischen Inhalte der Sendung benannt und beschrieben. Eine Einbeziehung ist auch nicht durch den am Ende des ersten Absatzes befindlichen Klammerzusatz "vgl. zum gesamten Verfahren die mit der Beschlussvorlage an den KJM-Prüfausschuss vom 02.12.2010 übersandten Anlagen" erfolgt. Ein klares und unmissverständliches Zueigenmachen eines fremden Inhalts als Voraussetzung für eine wirksame Bezugnahme kann in dieser unspezifischen Formulierung nicht gesehen werden. Im Übrigen enthält jene Beschlussvorlage der Beklagten an den Prüfausschuss der KJM vom 2. Dezember 2010 selbst keine Angaben zum Sachverhalt und keine Beschreibung der Inhalte der Sendung, sondern verweist ihrerseits insoweit jeweils auf die Prüfvorlage der Beklagten an die Prüfgruppe der KJM vom 6. April 2010. Dort sind zwar der Inhalt der Reportage und die als problematisch erachteten Szenen beschrieben. Diese Unterlagen wurden aber sämtlich vor der Anhörung der Klägerin verfasst und konnten dementsprechend deren Stellungnahme vom 30. August 2010 nicht berücksichtigen. Gleiches gilt für den Bericht der Prüfgruppe vom 5. Mai 2010. Zudem würde es sich bei einer Erstreckung der Verweisung auf Anlagen zu anderen Vorlagen um eine Kettenverweisung handeln, der es an der nötigen Klarheit und Unmissverständlichkeit fehlt.
So zur Kettenverweisung auch BayVGH, Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, Juris, Rn. 27; a. A. VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2007 - 7 A 4679/12 -, Juris, Rn. 58.
Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, der Sachverhalt einschließlich der beanstandeten einzelnen Szenen sei im gesamten, dem Beschluss vom 13. November 2013 vorangehenden Verfahren aufbereitet worden, so dass alle relevanten Tatsachen auf dem Tisch gelegen hätten und allen Beteiligten bekannt gewesen seien.
III. Entbehrt der Beschluss der KJM vom 19. Januar 2011 einer den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV entsprechenden Begründung und wurde dieser Mangel nicht durch den weiteren Beschluss vom 13. November 2013 geheilt, schlägt dies auf die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Beanstandung und Unterlassensanordnung durch und verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf fehlerfreie Gestaltung des Verwaltungsverfahrens.
Vgl. BayVGH, Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, Juris, Rn. 31 f.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 5 und 6 JMStV sind die Beschlüsse der KJM gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidung zugrunde zu legen. Dies stellt das rechtliche Junktim zwischen der Entscheidung der KJM und dem diese Entscheidung mit Außenwirkung gegenüber dem Rundfunkveranstalter vollziehenden Bescheid dar, über den sich der der Entscheidung der KJM anhaftende Mangel auf den insoweit akzessorischen Bescheid der Beklagten überträgt.
B. Die Gebührenfestsetzung ist in gleicher Weise rechtswidrig.
Die Rechtsgrundlage einer Gebührenfestsetzung im Zusammenhang mit einer Beanstandung findet sich in § 35 Abs. 11 RStV i.V.m. § 116 Abs. 2 LMG NRW i. V. m. § 2 Abs. 1 Kostensatzung i. V. m. Ziffer IV. 8. des zugehörigen Kostenverzeichnisses.
Auf Grund der Rechtswidrigkeit der Beanstandung und Unterlassensanordnung erweist sich zugleich die Gebührenfestsetzung als rechtswidrig. Die Kostenpflicht setzt eine rechtmäßige Amtshandlung voraus. Für eine rechtswidrige Amtshandlung können keine Kosten gefordert werden.
Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 23. März 2010 - 27 K 4657/08 -, Juris, Rn.65 f. m. w. N.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind der Beklagten nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeit aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und somit kein Risiko einer eigenen Kostenpflicht (§ 154 Abs. 3 VwGO) übernommen hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 und 709 ZPO.
VG Düsseldorf:
Urteil v. 11.11.2014
Az: 27 K 1801/11
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