Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 2. Dezember 2009
Aktenzeichen: 4 U 109/09
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 02.12.2009, Az.: 4 U 109/09)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.05.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Limburg € 1. Zivilkammer € wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leisten.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten, die seinerzeit in der Rechtsform einer GbR Beratungsleistungen als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte anboten und erbrachten, Schadensersatzansprüche wegen eines anwaltlichen Beratungsfehlers des seinerzeit in ihrer Sozietät angestellten Rechtsanwalts A1 geltend.
Den Hintergrund des Rechtsstreites bildet eine steuerrechtliche Auseinandersetzung, bei der es um Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche der B1 KG (im Folgenden: KG) für das Jahr 1995 ging. Im Januar 1997 zeigte die KG dem Finanzamt ... die Abtretung ihrer Umsatzsteuererstattungsansprüche für das Jahr 1995 an die B2gesellschaft bR an (im Folgenden: GbR). Die GbR beauftragte den Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwalt Dr. C1 mit der Geltendmachung dieser Rückerstattungsansprüche. Die Ansprüche beruhten im Wesentlichen darauf, dass die KG als Organträger aus ...verkäufen der B3 GmbH 1995 Anzahlungen vereinnahmt und hierfür Umsatzsteuer abgeführt hatte. Nach Eröffnung von Vergleich und Anschlusskonkurs über das Vermögen der GmbH am ...1995 forderte der Konkursverwalter der seit Mai 1997 selbst in Konkurs befindlichen KG mit Schreiben vom 01.10.1997 das Finanzamt ..., dem bereits die Abtretung der Ansprüche an die GbR angezeigt war, auf, die gezahlte Umsatzsteuer wegen Beendigung des Organschaftsverhältnisses zurückzuzahlen. Darüber hinaus erklärte er gegenüber der GbR die Anfechtung der Abtretung durch die KG. In einem diesbezüglich geführten Rechtsstreit schlossen die GbR und der Konkursverwalter der KG am 26.03.1999 einen gerichtlichen Vergleich, der in Ziffer 1. wie folgt lautet:
€Die Parteien sind darin einig, dass der Umsatzsteuerrückerstattungsanspruch der B1 KG für das Jahr 1995, ... zu 40 % dem Kläger als Konkursverwalter und zu 60 % den Beklagten als Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusteht.€
Die Auseinandersetzung zwischen GbR/KG und Finanzamt zog sich über die Dauer von etwa 3 Jahren hin. Durch den Konkurs der B entstanden dem Fiskus Steuerausfälle von über 10 Mill. DM. Aus diesem Grund gab es im Finanzamt ... erhebliche Widerstände gegen die Auszahlung des Umsatzsteuererstattungsguthabens der KG. Unter anderem war der Zeitpunkt der Beendigung der Organschaft streitig und die Durchführung eines Musterprozesses stand im Raum. Dem Zeugen Dr. C1 gelang es, die zuständige Oberfinanzdirektion zu einer Änderung ihres Rechtsstandpunkts zu bewegen. Diese wies mit Schreiben vom 22.11.1999 das Finanzamt an, die Umsatzsteuerprüfung abzuschließen und vom Organträger KG versteuerte An- und Vorauszahlungen zu korrigieren (Bl. 91 in der GA des Verfahrens 2-18 O 542/06 LG Ffm). Im Anschluss an die Umsatzsteuersonderprüfung erkannte daraufhin das Finanzamt die bis dahin umstrittene Beendigung der Organschaft zum ...1995 an und änderte am 15.02. 2000 die Berechnung der Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum € 1995, so dass sich nunmehr ein Erstattungsanspruch der KG von insgesamt 3.071.584,00 DM errechnete. Am 17.02.2000 fand eine Besprechung in den Räumen des Finanzamts ... statt, an der u.a. die Zeugen Dr. C1 und für das Finanzamt der Sachgebietsleiter Vollstreckung, der Zeuge Z1, teilnahmen. In diesem Gespräch ging es um die Höhe eines Erstattungsanspruchs der KG, die Behandlung von Gegenansprüchen des Fiskus sowie die Frage, an wen ein Erstattungsbetrag seitens des Fiskus ausgekehrt werden sollte. Für dieses Gespräch war Dr. C1 sowohl von der GbR als auch vom Konkursverwalter der KG bevollmächtigt worden. In einem Aktenvermerk des Zeugen Z1 vom 17.02.2000 (Bl. 34 GA) wurde das wesentliche Gesprächsergebnis so zusammengefasst:
1. Dr. C1 ist berechtigt, über die Verwendung des aus 1995 entstandenen USt-Guthabens zu verhandeln.
2. Die USt-VA€en 1995-1997 wurden abgestimmt. Einigung wurde erzielt, dass aus 1995 nach vorliegenden und geprüften VA ein USt Guthaben i.H. von 2.825.297,00 DM verbleibt.
3. Nach Beachtung der vorliegenden Abtretung von B4 GmbH sind die bestehenden Rückstände April und Mai 97 aufzurechnen. Die Aufrechung ist gegenüber KV D1 vorzunehmen €.
In einem weiteren Vermerk des Zeugen Z1 vom selben Tag heißt es:
Anlässlich der heutigen Vorsprache von StB Dr. C1 wurde mit ihm besprochen, dass er aufgrund der ihm erteilten Vollmacht von B und KV D1 ein Schreiben herein gibt, nach dem die Abtretung nicht mehr zu beachten ist.
An diese Vereinbarung anknüpfend ließ die Kanzlei Dr. C1 mit Schreiben vom 21.02.2000 dem Finanzamt mitteilen:
€€ Wie besprochen, bestätigen wir Ihnen hiermit schriftlich, dass die Ihnen vorliegende Abtretungserklärung vom 03. Januar 1997 im Falle der Überweisung des Erstattungsanspruchs aus USt 1995 auf unser Notaranderkonto keine Beachtung finden soll ...€
Entsprechend diesen Absprachen gab der Konkursverwalter D1 am 09.03.2000 eine Umsatzsteuererklärung der KG ab, die einen Erstattungsanspruch in der Höhe von 2.825.297,30 DM auswies. Das Finanzamt stimmte dieser Erklärung zu und berechnete ein Guthaben bezüglich des Umsatzsteuererstattungsanspruchs 1995 zuzüglich Zinsen in Höhe von 3.319.707,35 DM. In Höhe von 187.250,90 DM erklärte das Finanzamt zuvor mit Schreiben an den Konkursverwalter vom 23.02.2000 die Aufrechnung mit Umsatzsteuervoranmeldungen der KG. Tatsächlich erfolgte indes nur eine Verrechnung in Höhe von 174.881,32 DM. Den danach verbleibenden Restbetrag in Höhe von 3.144.825,94 DM überwies das Finanzamt entsprechend Auszahlungsanordnung vom 21.03.2000 auf das angegebene Konto des Dr. C1, der dann den Betrag nach Abzug von Anwaltskosten zwischen dem Konkursverwalter der KG und der GbR nach dem zwischen diesen im gerichtlichen Vergleich vereinbarten Schlüssel verteilte.
In Höhe des wegen der Verrechnung des Finanzamtes nicht ausgezahlten Betrages von 174.881,32 DM trat die GbR in der Folgezeit die nach ihrer Auffassung weiter bestehenden Umsatzsteuererstattungsansprüche 1995 an die Klägerin ab und zeigte dies am 28.08.2001 beim Finanzamt an. Dabei gingen Zedent und Zessionarin € so die Behauptung der Klägerin € irrtümlich davon aus, dass der GbR der restliche Betrag aus dem Umsatzsteuerrückerstattungsanspruch 1995 in voller Höhe zustand; tatsächlich habe der GbR, so die Klägerin, aufgrund der mit dem Konkursverwalter der KG getroffenen Regelung nur ein Anteil von 60 %, also 104.926,79 DM (= 53.648,96 €) zugestanden. Die Klägerin beauftragte insoweit die Beklagten mit der Geltendmachung gegenüber dem Finanzamt ..., das das Zahlungsverlangen unter Hinweis auf die vorgenommene Aufrechnung zurückwies. In der Folge erhob die Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt A1, nach negativer Einspruchsentscheidung Klage vor dem Hessischen Finanzgericht. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens fragte die Klägerin mehrfach bei den Beklagten an, ob eine Verjährung etwaiger Ansprüche gegenüber dem früheren Berater Dr. C1 drohe. Der das Mandat bearbeitende Rechtsanwalt A1 teilte daraufhin mit, dass im Hinblick auf die sekundäre Verjährung von einer Verjährungsfrist von sechs Jahren auszugehen sei und im Übrigen die Verjährungsfrist frühestens mit endgültig ablehnender Bescheidung beginne. Mit Urteil vom 20.07.2006 wies das Hessische Finanzgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus, im Zeitpunkt der (zweiten) Abtretung vom 28.08.2001 sei die GbR nicht mehr Gläubigerin eines ihr von der KG abgetretenen Erstattungsanspruchs gewesen. Ursprünglich habe zwar die KG ihren Erstattungsanspruch an die Klägerin abgetreten und dies am 03.01. 1997 auch gegenüber dem Finanzamt angezeigt. Diese Abtretung habe indes die KG durch den von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. C1 im Rahmen der Besprechung vom 17.02.2000 in Übereinstimmung mit seiner schriftlichen Erklärung vom 21.02.1997 zurückgenommen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die Aussage des Zeugen Dr. C1 gegenüber dem Zeugen Z1 in der Besprechung vom 17.02.1997 nur dahin habe verstanden werden können, dass die Abtretungsanzeige zu Gunsten der GbR zurückgenommen werde.
Die in diesem finanzgerichtlichen Verfahrens entstandenen Kosten sowie die vermeintlich ihr entgangene Zahlung des restlichen Umsatzsteuerrückerstattungsanspruch der KG aus 1995 bilden den von der Klägerin auch vorliegend geltend gemachten Schaden.
Ersatz dieses Schadens begehrte sie zunächst in einem vor dem Landgericht Frankfurt am Main (2 € 18 O 542/06) gegen Dr. C1 geführten Rechtsstreits. Ihre Klage wurde indes mit Urteil vom 27. 09.2007 rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, ein Schadensersatzanspruch gegen Dr. C1 sei verjährt.
Die Klägerin ist der Auffassung, ohne die den Beklagten zuzurechnende Falschberatung des Rechtsanwalts A1 habe eine rechtzeitig erhobene Schadensersatzklage gegenüber Dr. C1 Erfolg gehabt. Sinngemäß hat sie die Pflichtverletzung des Dr. C1 erstinstanzlich damit begründet, zum einen habe dieser durch die Rücknahme der Abtretung, zu der er nicht bevollmächtigt gewesen sei, die Aufrechnungslage herbeigeführt; zum anderen habe er den ausgekehrten Betrag nicht wie vorgenommen verteilen dürfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme u.a. durch Vernehmung der Zeugen Dr. C1 und Z1 (Bd. I Bl. 168-181 GA) die Klage abgewiesen, weil die den Beklagten zuzurechnende Falschauskunft nicht kausal dafür geworden sei, dass die Klägerin mit ihrem Schadensersatzbegehren gegen den Zeugen Dr. C1 nicht durchgedrungen sei. Denn unabhängig von der eingetretenen Verjährung habe es schon an einem Anspruchsgrund gefehlt. Die Rücknahme der Abtretungserklärung habe einen Schaden nicht verursacht, weil nicht festgestellt werden könne, dass das Finanzamt ohne die entsprechende Erklärung des Dr. C1 einen höheren Betrag als den tatsächlich ausgekehrten überwiesen habe. Nach den Aussagen der Zeugen Dr. C1 und Z1 müsse davon ausgegangen werden, dass das Finanzamt den einvernehmlich festgelegten Betrag nicht ausgezahlt hätte, wenn Dr. C1 die geforderte Erklärung nicht abgegeben hätte. Die beweisbelastete Klägerin habe jedenfalls nicht den Beweis dafür erbracht, dass bei Nichtabgabe der Erklärung vom Finanzamt nicht nur der tatsächlich erstattete Betrag, sondern sogar ein höherer Guthabensbetrag ausgekehrt worden wäre. Dr. C1 habe bei der Aufteilung des Guthabens zwischen der GbR und dem Konkursverwalter der KG auch nicht von dem € ohne die vorgenommene Verrechnung € grundsätzlich anerkannten Umsatzsteuererstattungsbetrag 1995 ausgehen müssen. Vielmehr habe er nur den tatsächlich ausgekehrten Betrag verteilen können, zumal auch der Vergleich zwischen Konkursverwalter und GbR bei lebensnaher Auslegung in dem Sinne zu verstehen sei, dass eine Einigung hinsichtlich des tatsächlich zur Auszahlung kommenden Erstattungsbetrages gemeint gewesen sei.
Gegen dieses der Klägerin am 19.05.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. 05.2009 eingegangene und mit Schriftsatz vom 08.07.2009, eingegangen am 10.07.2009, begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlich abgewiesenen Anspruch weiter verfolgt. Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, ihr habe ohne Eintritt der Verjährung gegen Dr. C1 ein durchsetzbarer Schadensersatzanspruch zugestanden. Dieser sei seinerzeit von der GbR nur mandatiert gewesen, gegenüber dem Finanzamt den Umsatzsteuerrückerstattungsanspruch in voller Höhe geltend zu machen; ein Verzicht auf einen Teil des Anspruchs sei weder Gegenstand des Mandats gewesen, noch sei über diese Möglichkeit je debattiert worden. Dr. C1 habe die Erklärung vom 17.02.2000 gegenüber dem Finanzamt ... hinsichtlich der Nichtbeachtung der Abtretungserklärung vom 03.01.1997 nicht abgeben dürfen. Denn bei dieser Erklärung habe festgestanden, dass der vom Finanzamt zu erwartende Betrag lediglich 3.144.825,94 DM betragen würde, weil der Zeuge Dr. C1 sich mit dem Zeugen Z1 auf die Verrechnung der Differenz in Höhe von 174.881,32 DM mit Umsatzsteuerverbindlichkeiten der in Konkurs befindlichen KG verständigt habe. Die weitere Pflichtverletzung des Zeugen Dr. C1 habe darin bestanden, dass er im Zuge der Rücknahme der Abtretungsvereinbarung nicht vorab mit dem Insolvenzverwalter abgeklärt habe, dass die Verrechnung allein zu dessen Lasten zu erfolgen habe. Die Klägerin rügt es als fehlerhaft, dass das Landgericht über die hypothetische Frage Beweis erhoben habe, ob die Finanzverwaltung zur Auszahlung des Guthabens nur gegen Rücknahme der Abtretungserklärung bereit gewesen sei. Indem das Landgericht seine Entscheidung davon abhängig gemacht habe, ob ein Finanzbeamter gewillt sei, eine Auszahlung vorzunehmen oder nicht, habe es verkannt, dass die Auszahlung der Umsatzsteuer eine reine Rechtsfrage sei, und dass der Betrag, der zur Auszahlung anstand, der Höhe nach festgestanden habe, wie sich aus der Funktion des Zeugen Z1 als Leiter der Vollstreckungsstelle unzweifelhaft ergebe. Auf die Verständigung mit dem Finanzamt sei es aber gar nicht angekommen; diese habe allenfalls zu einer schnelleren Auszahlung führen können. Rechtlich entscheidend sei dagegen allein, dass der Auszahlungsanspruch in voller Höhe bestanden habe.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie legen nochmals dar, dass der Zeuge Z1 gegenüber dem Zeugen Dr. C1 bei dem Gespräch vom 17.02.2000 deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass eine Auszahlung des Umsatzsteuerguthabens nur dann möglich sei, wenn die Umsatzsteuerverbindlichkeiten der KG aus dem Jahre 1997 in Höhe von 174.881,41 DM mit dem Guthaben verrechnet werden könnten. Darüber hinaus habe er auf die Notwendigkeit einer Klärung hingewiesen, an wen ausgezahlt werden könne, weil dem Finanzamt seinerzeit Auszahlungsverlangen der GbR und des Konkursverwalters vorgelegen hätten. Die Beklagten rügen weiter, es fehle nach wie vor an einer substantiierten Darlegung einer Pflichtverletzung des Zeugen Dr. C1, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgetragen habe, welcher konkrete Auftrag Dr. C1 erteilt worden sei. Angesichts der jahrelangen Ungewissheit und wegen der Unsicherheit des Ausgangs eines Rechtsstreits habe es den anwaltlichen Pflichten des Zeugen C1 entsprochen, dass er in dem Gespräch mit dem Finanzamt den verhältnismäßig geringfügigen Forderungen des Finanzamts nachgekommen sei, um die Auszahlung des überwiegenden Betrages von rund 95% sicher zu stellen. Auf eine die Auszahlung verzögernde und damit gefährdende Abstimmung mit der GbR einerseits und dem Konkursverwalter andererseits zu verzichten, habe dem sichersten Weg entsprochen, zumal der zur Auszahlung gekommene Betrag die Erwartung der GbR bei Weitem überstiegen habe.
Unabhängig davon sei eine Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden nicht kausal geworden. Anders als die Klägerin meine, komme es für die Annahme eines kausalen Schadens nicht alleine darauf an, ob Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche bestanden hätten, sondern es komme entscheidend darauf an, wie sich der Sachverhalt mutmaßlich entwickelt hätte, wenn der Zeuge Dr. C1 die vom Finanzamt geforderte Erklärung nicht abgegeben hätte. Insoweit fehle es am notwendigen Vortrag der Klägerin und erst recht an der Beweisführung.
Der Senat hat die Akten des Hessischen Finanzgerichts (6 K 528/02) und des Landgerichts Frankfurt a.M. (2-8 O 542/06) zur Information beigezogen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 675 BGB wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung gegen die Beklagten als frühere Gesellschafter der Dr. E GbR nicht zu. Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die den Beklagten zuzurechnende Falschauskunft letztlich nicht kausal dafür geworden ist, dass die Klägerin mit ihrem Schadensersatzbegehren gegen Dr. C1 nicht durchdringen konnte.
251. Allerdings hat der in der seinerzeitigen Sozietät der Beklagten angestellte Rechtsanwalt A1 die dieser gegenüber der Klägerin obliegenden Pflichten aus dem anwaltlichen Beratungsvertrag verletzt. Er hat die Klägerin durch falsche rechtliche Hinweise zur Verjährung eines möglichen Schadensersatzanspruchs, der der Klägerin bzw. der B2gesellschaft bR (folgend: GbR) gegen den Zeugen Dr. C1 möglicherweise hätte zustehen können, an der Einleitung der notwendigen rechtlichen Schritte zur Unterbrechung der bereits laufenden Verjährungsfrist abgehalten.
1.1 Die von Rechtsanwalt A1 der Klägerin gegenüber erteilte Rechtsauskunft war falsch. Die für Schadensersatzansprüche gegen den Zeugen Dr. C1 einschlägige Verjährungsfrist richtete sich, je nachdem ob die seinerzeitige Tätigkeit von Dr. C1 als anwaltliche oder steuerberatende Tätigkeit eingeordnet werden musste, nach § 68 StBerG a. F. oder § 51 b BRAO a. F. und betrug daher in beiden Fällen jeweils drei Jahre. Der für den Verjährungsbeginn maßgebliche Zeitpunkt der Anspruchsentstehung lag € stellt man auf die von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen des Dr. C1 ab € bezüglich der Erklärungen gegenüber dem Finanzamt im Februar 2000, bezüglich der Verteilung des ausgekehrten Betrages im März 2000. Schadensersatzansprüche gegen Dr. C1 wären daher jedenfalls bereits mit Ablauf des Monats März 2003 verjährt gewesen. Das Problem einer Sekundärverjährung stellte sich schon deshalb nicht, weil die Klage gegen Dr. C1 erst im Dezember 2006 erhoben wurde.
1.2 Nach der zur Anwendung kommenden Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ist davon auszugehen, dass die Klägerin rechtlich zutreffend beraten die Verjährungsfrist eines Anspruchs gegen Dr. C1 rechtzeitig unterbrochen hätte.
Diese schuldhafte Pflichtverletzung müssen sich die Beklagten nach § 278 BGB zurechnen lassen.
2. Der Klägerin ist aus dieser Pflichtverletzung indes kein kausaler Schaden erwachsen.
30Die Pflichtverletzung des Rechtsanwalts A1 wäre für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nur dann kausal, wenn die Klägerin bei rechtzeitiger Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Zeugen Dr. C1 mit der Klage hätte Erfolg haben müssen. Diese Feststellung kann der Senat nicht treffen, weil ein adäquat kausaler Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Dr. C1 und dem vermeintlich schadensauslösenden Ereignis, dem Einbehalt von Umsatzsteuererstattungsansprüchen der KG aus 1995 in Höhe von 174.881,32 DM, nicht bewiesen ist. Der Klägerin stand daher unabhängig von der Frage der Verjährung schon dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch zu.
312.1 Allerdings ist Dr. C1 eine Verletzung der ihm gegenüber der GbR obliegenden Pflichten vorzuwerfen, indem er sich mit dem Finanzamt ohne Rücksprache mit ihr über die Auszahlung eines Betrages von 3.144.825,94 DM verständigt hat.
a) Beide Parteien gehen in zweiter Instanz übereinstimmend davon aus, dass es in der Besprechung zwischen dem Zeugen Dr. C1 und dem Zeugen Z1 am 17.02.2000 zu einer Vereinbarung gekommen ist, nach der der Erstattungsanspruch aus der Umsatzsteuer 1995 unter Verrechnung mit Umsatzsteuerverbindlichkeiten der in Konkurs befindlichen KG in Höhe von 174.881,32 DM zur Auszahlung kommen sollte. Dieses Verständnis von dem tatsächlichen Ablauf der Besprechung am 17.02.2000 im Finanzamt ... steht in Übereinstimmung mit dem Aktenvermerk des Zeugen Z1 vom gleichen Tag. Dort ist unter Ziffer 2 der Erstattungsanspruch mit 2.825.297,35 DM beziffert, entsprechend Ziffer 3 sollten Rückstände gegen den Erstattungsbetrag aufgerechnet werden. Zuzüglich der Zinsen in Höhe von 494.410,00 DM ergab sich ein Guthaben hinsichtlich der Umsatzsteuerrückerstattung 1995 von 3.319.707,35 DM. Davon hat das Finanzamt in Übereinstimmung mit der mit dem Zeugen Dr. C1 getroffenen Verrechnungsvereinbarung nach Aufrechnung gegenüber dem Konkursverwalter der KG einen um rund 174.000 DM geringeren Betrag zur Auszahlung gebracht.
b) Mit der getroffenen Vereinbarung hat Dr. C1 seine vertraglichen Pflichten gegenüber seiner Mandantschaft verletzt.
Insoweit kann dahinstehen, ob er bereits deshalb pflichtwidrig gehandelt hat, weil er € wie die Klägerin behauptet € nur zur Geltendmachung der Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche in voller Höhe mandatiert war und ein eventueller Verzicht auf einen Teil des Anspruchs im Rahmen einer möglichen Verständigung mit dem Finanzamt nicht Gegenstand des Mandats war. Selbst wenn die Klägerin die bestrittene Beschränkung des Mandats nicht beweisen könnte und Dr. C1 über ein Verhandlungsmandat verfügt hätte, hätte er sich vor einer Verständigung mit den Finanzbehörden mit seiner Mandantschaft abstimmen müssen. Ein Rechtsanwalt ebenso wie ein Steuerberater darf eine gütliche Einigung mit der Gegenseite unter Beachtung der Pflichten aus dem Mandatsverhältnis nur dann ohne Rücksprache mit dem Mandanten verbindlich eingehen, wenn die grundsätzliche Möglichkeit und ggf. eventuelle Modalitäten einer gütlichen Einigung zuvor mit dem Mandanten erörtert worden sind (für den RA BGH NJW 1993, 1325f; NJW-RR 1996, 567; WM 2009, 571 TZ 10f; Zugehör, Grundsätze der zivilrechtlichen Haftung der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, 2009, Rn. 36). Das ergibt sich daraus, dass der Steuerberater genauso wie der Anwalt verpflichtet ist, die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandates nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen. Er muss innerhalb der Grenzen des ihm erteilten Mandats seinen Auftraggeber umfassend und erschöpfend belehren, um ihm eine eigenverantwortliche, sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen, wie er seine Interessen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zur Geltung bringen will (BGHZ 171, 261, 263 f. Rn. 9 f.; BGH, Urteil vom 15.01.2009, NJW 2009, 1589 ff.). Dies gilt in besonderer Weise auch dann, wenn eine vorgerichtliche Einigung mit der Gegenseite erzielt werden soll. Eigenverantwortlich kann nämlich der Mandant die Entscheidung zur Zustimmung zu einer solchen Einigung nur treffen, wenn ihm die Chancen und Risiken verdeutlicht werden, also der Mandant über Inhalt und Tragweite der beabsichtigten Einigung informiert wird.
Die notwendige Absprache mit seinen Auftraggebern hat Dr. C1 unstreitig unterlassen. Dem können die Beklagten nicht überzeugend entgegenhalten, es habe dem Grundsatz des sichersten Weges entsprochen von einer die Auszahlung verzögernden und damit gefährdenden Abstimmung mit der GbR einerseits und dem Konkursverwalter der KG andererseits abzusehen. Denn auch wenn es sich bei dem zur Verrechnung kommenden Betrag um weniger als 5 % der Hauptsumme handelt, war dies schon angesichts der Höhe des Betrages keine ohne weiteres zu vernachlässigende Größe.
c) Demgegenüber kommt der von Dr. C1 in der Besprechung vom 17.02.2000 abgegebenen und in dem nachgereichten Schreiben vom 21.02.2000 wiederholten Erklärung, dass die Abtretungserklärung der KG an die GbR vom 03.01.1997 im Falle der Überweisung des Erstattungsbetrages auf sein Notaranderkonto nicht zu beachten sei, keine eigenständige Bedeutung unter dem Aspekt einer (zusätzlichen) Pflichtverletzung zu. Denn diese Erklärung war nur notwendige Folge der pflichtwidrig ohne Abstimmung mit den Auftraggebern mit dem Finanzamt getroffenen Einigung über die Verrechnung des Guthabens mit Steuerschulden der KG. Das Hessische Finanzgericht hat die Erklärungen des Zeugen Dr. C1 vom 17./21.02.2000 nach §§ 133, 157 BGB als Rücknahme der Abtretungsanzeige ausgelegt; ob man die Erklärung unter Berücksichtigung der Doppelbevollmächtigung von Dr. C1 auch als Rückabtretung der GbR an die KG würdigen kann, kann dahin stehen. Im Ergebnis änderte sich nichts, weil das Finanzamt in beiden Fällen nur den um die Gegenforderung geminderten Betrag ausgezahlt hätte. Die in der Besprechung vom 17.02.2000 erzielte Vereinbarung hinsichtlich der Auszahlung des Umsatzsteuererstattungsguthaben unter Verrechnung von Steuerschulden setzte aber grundsätzlich die Gegenseitigkeit der Forderungen voraus. Da die GbR infolge der Abtretung aus 1997 Gläubigerin des Rückerstattungsanspruchs war, während die Steuerschulden bei der insolventen KG bestanden, hatte das Finanzamt bis zu der Besprechung vom 17.02.2000 gegenüber dem abgetretenen Erstattungsanspruch keine Möglichkeit zur Aufrechnung oder Verrechnung mit einer Steuerschuld der KG. Zwar kann ein Schuldner gemäß § 406 BGB auch nach Abtretung des Anspruchs an einen neuen Gläubiger gegenüber dem neuen Gläubiger mit einem ihm gegenüber dem Altgläubiger zustehenden Anspruch aufrechnen; dies hätte seinerzeit aber vorausgesetzt, dass das Finanzamt bei Erwerb der Gegenforderung von der Abtretung keine Kenntnis hatte und dass die Gegenforderung fällig war, bevor der Erstattungsanspruch fällig gewesen und abgetreten worden war. Hier hatte indes das Finanzamt als Schuldner des Umsatzsteuerrückerstattungsanspruchs bei Erwerb der Gegenforderung aus den Umsatzsteuervorauszahlungen bis Mai 1997 infolge der Abtretungsanzeige vom 03.01.1997 bereits Kenntnis von der Abtretung des Erstattungsanspruchs aus 1995. Zu der vereinbarten Verrechnung konnte es mithin nur dann kommen, wenn die erfolgte Abtretungsanzeige vom Altgläubiger, der KG, mit Zustimmung des Neugläubigers, der GbR, gemäß § 409 Abs. 2 BGB zurückgenommen wurde. Die auf diesem Hintergrund abgegebene Erklärung des Dr. C1 bezüglich der Rücknahme der Abtretungsanzeige begründet jedoch keine eigenständige Pflichtverletzung, weil sie lediglich eine unselbständige notwendige Konsequenz aus der mangels Abstimmung mit den Auftraggebern pflichtwidrig mit dem Finanzamt getroffenen Einigung über die Verrechnung des Guthabens mit Steuerschulden der KG war. Der Senat legt seiner Kausalitätsprüfung daher eine einheitlich begangene Pflichtverletzung des Zeugen Dr. C1 zu Grunde.
c) Ebenso wenig begründet die von Dr. C1 vorgenommene Verteilung des vom Finanzamt auf sein Notaranderkonto gezahlten Betrages eine Pflichtverletzung. Der Zeuge Dr. C1 hat sich bei dieser Verteilung nämlich an die zwischen der GbR und dem Konkursverwalter der KG in dem gerichtlichen Vergleich zustande gekommene Einigung über die Aufteilung eines vom Finanzamt ausgeschütteten Guthabens gehalten. Die dort vereinbarte Aufteilung des Geldes bezieht sich zwar nach dem Wortlaut des Vergleichs auf den €Umsatzsteuererstattungsanspruch€ der KG; es kann auch unterstellt werden, dass die Parteien bei Abschluss des Vergleichs nur eine Aufteilung des vom Finanzamt anerkannten Erstattungsanspruchs im Auge hatten, ohne Vorstellungen darüber zu haben, ob der tatsächlich ausgekehrte Betrag infolge einer Verrechnung geringer sein könnte. Das Landgericht hat insofern jedoch zu Recht auf die Folgen der Verrechnungsvereinbarung vom 17.02.2000 hingewiesen. Nach Rücknahme der Abtretungserklärung aus 1997 bewirkte die vereinbarte und vorgenommene Aufrechnung, dass sich die Forderungen der in Konkurs befindlichen KG gegen den Fiskus und umgekehrt, soweit diese Forderungen sich deckten, nach § 389 BGB als in dem Zeitpunkt erloschen galten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Das war spätestens nach der Aufrechnungserklärung des Finanzamtes gegenüber dem Konkursverwalter der KG vom 23.02.2000 der Fall. Zum Zeitpunkt der vom Zeugen Dr. C1 vorgenommenen Verteilung im März 2000 bestand daher der Umsatzsteuererstattungsanspruch der KG für das Jahr 1995 eben nur noch in der tatsächlich ausgezahlten Höhe von 3.144.825,94 DM. Eine Pflichtverletzung kann daher nicht mit einer vom Zeugen missachteten Verteilungsquote begründet werden.
d) Soweit die Klägerin in zweiter Instanz rügt, der Zeuge C1 habe pflichtwidrig gehandelt, indem er €im Zuge der Rücknahme der Abtretungsvereinbarung nicht vorab mit dem Insolvenzverwalter D1 abgeklärt habe, dass die Verrechnung allein zu seinen Lasten zu erfolgen habe€, geht es wiederum nicht um eine eigenständige neue Pflichtverletzung des Dr. C1, sondern es bleibt im Kern nur der Vorwurf der nicht abgestimmten Verrechnungsvereinbarung.
Abgesehen davon ist weder aus dem Vortrag der Klägerin noch sonst ersichtlich, dass der Konkursverwalter einer allein zu Lasten der Konkursmasse gehenden Verrechnung zugestimmt hätte.
2.2 Zwischen der Pflichtverletzung des Dr. C1 und dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden fehlt es an der haftungsausfüllenden Kausalität.
a) Bei der haftungsausfüllenden Kausalität geht es um den notwendigen adäquaten Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast hat die Klägerin durchgehend verkannt; sie rügt in zweiter Instanz zu Unrecht, das Landgericht habe mit seiner Beweisaufnahme die Regeln der ZPO missachtet, weil über einen hypothetischen Sachverhalt Beweis erhoben worden sei.
42Im Rahmen der Haftpflicht eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Notars gilt zunächst der allgemeine Grundsatz, dass der Geschädigte den Kausalzusammenhang zwischen der geltend gemachten Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden darlegen und beweisen muss. Das bedeutet, dass immer geprüft werden muss, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters genommen hätten, insbesondere wie der Beratene bei zutreffender Beratung sich verhalten hätte und wie sich seine Vermögenslage bei Meidung des Pflichtenverstoßes darstellen würde (vgl. Zugehör aaO mwN in Fn. 238). Die pflichtwidrige Handlung oder unterlassene Handlung ist kausal, wenn sich feststellen lässt, dass der Schaden bei Vornahme der pflichtgemäßen Handlung nicht eingetreten wäre. Eine bloße Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts genügt nicht (BGH NJW 1984, 432, 434). Allerdings kommt dem Geschädigten insoweit eine Erleichterung der Beweislast durch die Anwendung des § 287 ZPO zu. Es geht daher bei den Fragen der haftungsausfüllenden Kausalität immer um die Beurteilung hypothetischer Geschehensabläufe. Der Geschädigte muss dabei nachweisen, dass eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Geschehensablauf besteht (BGH, st. Rspr., BGH NJW-RR 2006, 923; Zugehör, aaO, Rn. 66 mwN). Insoweit muss er die Anknüpfungstatsachen darlegen und ggf. beweisen, die auf der Grundlage von § 287 ZPO mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen des behaupteten Kausalzusammenhangs schließen lassen.
b) Besteht die Pflichtverletzung von Dr. C1 darin, dass er sich hinsichtlich der mit dem Finanzamt getroffenen Einigung nicht zuvor mit seiner Mandantschaft in Verbindung gesetzt und diese über Chancen und Risiken der beabsichtigten Vereinbarung aufgeklärt hat, kann es auf der Ebene der Kausalität zunächst nur darum gehen festzustellen, wie sich die GbR als Rechtsvorgängerin der Klägerin sowie der Konkursverwalter der KG von Dr. C1 umfassend aufgeklärt zu der ins Auge gefassten Vereinbarung eingelassen hätten. Der Ansatz des Landgerichts darauf abzustellen, ob es zu einer Auszahlung des Umsatzsteuerguthaben an die GbR auch dann gekommen wäre, wenn sich der Zeuge Dr. C1 bei der Besprechung im Finanzamt am 17.02.2000 anders verhalten hätte, hat damit nur mittelbar etwas zu tun, indem Dr. C1 diesbezüglich der Mandantschaft eine beratende Einschätzung schuldete. Eine solche Einschätzung seitens des Zeugen Dr. C1 hätte aber seinerzeit nach den Umständen nicht zum Inhalt haben können, dass er die Auszahlung des vollen Umsatzsteuererstattungsguthabens an die GbR auch für den Fall der Ablehnung der von dem Zeugen Z1 ins Gespräch gebrachten Verrechnung mit Steuerschulden der KG als sicher hätte darstellen dürfen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht und unter Berücksichtigung der Aussagen der vor dem Hessischen Finanzgericht vernommenen Zeugen stellte sich die Sachlage für den Zeugen Dr. C1 im maßgeblichen Zeitpunkt im Februar 2000 wie folgt dar:
Dem Gespräch im Finanzamt waren langwierige Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung vorausgegangen. Unstreitig weigerte sich diese, Umsatzsteuer zu erstatten und begründete dies u.a. mit der Unvollständigkeit der Buchhaltung der an der Organschaft beteiligten Gesellschaft und den unklaren Folgen nach der insolvenzbedingten Auflösung der Organschaft. Nur durch Einschaltung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main war es dem Zeugen Dr. C1 gelungen, den zunächst unstreitig beabsichtigten Musterprozess abzuwenden und ein Gespräch mit dem Ziel der Herbeiführung einer Einigung mit dem Finanzamt ... zu führen. In dem Zeitpunkt der Weisung der Oberfinanzdirektion an das Finanzamt ... stand ein Anspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach fest. Erst auf Grund der Sonderprüfung hatte das Finanzamt im Vorfeld des vereinbarten Gesprächs eine Berechnung vorgenommen; der Zeuge Z1 hatte seinerseits Kassenausdrucke erstellt, aus denen das €Vor-Soll der Jahre, für die noch keine Erklärungen abgegeben worden waren, ersichtlich waren€ (Aussage Z1 vor Hess. FG, Bl. 50 GA), an die Gegenansprüche des Fiskus anknüpfen konnten. Wenn es, wie die Klägerin geltend macht, nur noch um die Auszahlung eines bereits festgesetzten Erstattungsanspruchs gegangen wäre, machten die von den Zeugen vor dem Finanzgericht beschriebenen Verhandlungen keinen Sinn. Insbesondere die Aussagen des Zeugen Z1 vor dem Landgericht und vor dem Hessischen Finanzgericht rechtfertigen nicht die Annahme der Klägerin, die Auszahlung des Umsatzsteuererstattungsbetrages sei bereits von der entsprechenden dafür zuständigen Umsatzsteuerstelle freigegeben worden. Die Klägerin schlussfolgert das allein aus dem Umstand, dass der Zeuge Z1 Leiter der Vollstreckungsstelle und nicht Sachbearbeiter der Umsatzsteuerstelle war. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Auch in Kenntnis der Funktion des Zeugen Z1 wäre bei der gebotenen ex-post-Betrachtung eine Weigerung der GbR, den ausgehandelten €Vergleich€ abzuschließen, und eine entsprechende Weisung an den bevollmächtigten Zeugen Dr. C1 nur plausibel, wenn sie seinerzeit davon hätte ausgehen können, dass eine notfalls gerichtliche Durchsetzung der Forderung auf Auszahlung der Umsatzsteuerrückerstattung 1995 in voller Höhe ohne Weiteres möglich war und zeitnah Erfolg versprach. Eine solche Bewertung rechtfertigt sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den Umständen. Das Finanzamt ... hatte bestimmte Berechnungen im Vorfeld der Besprechung vom 17.02.2000 akzeptiert und auf dem Hintergrund der erzielten Vereinbarung dann auf weitere Sachverhaltsaufklärung verzichtet. Insoweit haben die Beklagten plausibel auf fortbestehende Unklarheiten hinsichtlich der steuerrechtlich relevanten tatsächlichen Verhältnisse hingewiesen. Denn die Finanzverwaltung hatte sich grundsätzlich geweigert, die Umsatzsteuer zu erstatten, weil aufgrund von Unvollständigkeiten in der Buchhaltung der an der Organschaft beteiligten Gesellschaften Unklarheiten bezüglich der Entstehung des Anspruchs und zu erstattender Beträge bestanden und zudem aufgrund der insolvenzbedingten Auflösung der Organschaft und der Anfechtung der Abtretungserklärung der KG seitens des Konkursverwalters sowie des diesbezüglich geschlossenen Vergleichs weitere Unklarheiten bezüglich des Anspruchsinhabers bestanden. Aus der Aussage des Zeugen Dr. C1 ergibt sich zwar, dass es nach der Intervention der OFD in dem Gespräch im Finanzamt nicht mehr um die umstrittene Frage der Organschaft ging; indes hat der Zeuge Z1 unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass es ihm jedenfalls auch um den Gegenanspruch des Fiskus ging. Schon vor dem Finanzgericht hatte der Zeuge bekundet, man habe in dem Gespräch vom 17.02.2000 den Erstattungsanspruch €festgeklopft€, gleichzeitig aber €vereinbart, dass von diesem Betrag noch Aufrechnungen im Hinblick auf das Vorsoll von Steueransprüchen aufgerechnet werden€ sollten (Bl. 50 GA). Die vernommene Assistentin des Dr. C1 hat bekundet, dass über die Höhe des Verrechnungsbetrages nicht gestritten worden sei, weil €es darum ging, den €großen€ Betrag von etwas über 3 Mio zu bekommen€ und deshalb seien gegen die Aufrechnung keine Einwendungen erhoben worden. Auch die Aussage des Zeugen Dr. C1 selbst ist insoweit eindeutig. Schon vor dem Hessischen Finanzgericht hat er bekundet, dass er die Verrechnung des Guthabens gegenüber bestehenden Steuerschulden der KG akzeptiert habe, um die Auszahlung des Hauptbetrages zu erreichen. Vor dem Landgericht hat er als Zeuge erklärt, dass ohne Rücknahme der Abtretungsanzeige eine schnelle Auszahlung des Betrages jedenfalls sehr gefährdet gewesen wäre. Für zutreffend hält der Senat nicht nur die Einschätzung des Zeugen, dass zumindest die Gefahr bestanden habe, dass die Behörde den Sachverhalt weiter geprüft hätte und dadurch eine Entscheidung hinausgezögert worden wäre. Sondern zu Recht hat der Zeuge darüber hinaus auf eine aus seiner Sicht bestehende objektive Gefährdung für die Realisierung des Rückerstattungsanspruchs deshalb hingewiesen, weil neue Tatsachen hätten bekannt werden können oder neue Rechtsstandpunkte, die eine Erstattung in Frage gestellt hätten. Der Zeuge durfte und konnte seinerzeit nämlich durchaus nicht sicher sein, dass die Oberfinanzdirektion die auf Intervention des Zeugen aufgegebene Rechtsposition auch dann nicht wieder aufgreifen würde, wenn es zu der von dem Finanzamt ... gewünschten Verrechnung mit Steuerschulden der KG nicht gekommen wäre. Ebenso offen war, ob sich bei einer finanzgerichtlichen Auseinandersetzung die Rechtsposition der GbR bzw. KG zu der umstrittenen Frage der Organschaft als gerichtsfest erweisen würde. Darüber hinaus hätte nach der Aussage des Zeugen Dr. C1 auch durch eine Intervention des Konkursverwalters der B GmbH eine Gefährdung eintreten können. Es sei ihm, dem Zeugen, daher letztlich darum gegangen, die Auszahlung des großen Betrages möglichst schnell herbeizuführen, bevor irgendwelche andere Umstände wieder auftauchten, die die Auszahlung hätten gefährden können.
Unabhängig davon, ob diese Einschätzungen von Dr. C1 in jeder Hinsicht zutrafen, gab es jedenfalls bei objektiver, sachlicher Bewertung der Situation eine Fülle von Unwägbarkeiten, die Dr. C1 seinen Auftraggebern hätte offenlegen müssen. Schon nach dem von ihm zu beachtenden Prinzip des €sichersten Weges€ wäre der Zeuge Dr. C1 gehalten gewesen, seinen Mandanten gegenüber ganz deutlich zu machen, dass bei Ablehnung der in Aussicht genommenen Vereinbarung nicht ausgeschlossen war, dass sich möglicherweise bei weiterem Zeitablauf weitere rechtliche Unwägbarkeiten hinsichtlich des Anspruchs und eventueller Gegenansprüche ergeben könnten. Umgekehrt konnte er darauf verweisen, dass die Billigung der Vereinbarung mit dem Finanzamt eine schnelle Erstattung des nach Verrechnung verbleibenden Guthabens von über 3.000.000 DM sicherstellte. Dass sich die GbR gleichwohl auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der zur Verrechnung kommende Teilbetrag nur zu einer Reduktion des Erstattungsguthabens um weniger als 4 % führen würde, dazu entschlossen hätte, die Vereinbarung mit dem Finanzamt nicht zu treffen, sondern ein seinerzeit nicht vollständig kalkulierbares Risiko mindestens hinsichtlich des Zeitpunkts und der Höhe der Auszahlung von Umsatzsteuerrückerstattungen in Kauf zu nehmen, erscheint wenig wahrscheinlich. Es kommt hinzu, dass die von Dr. C1 über Chancen und Risiken der in Aussicht genommenen Vereinbarung aufgeklärte GbR in Rechnung stellen musste, dass unabhängig von ihrer eigenen Willensentschließung der Konkursverwalter der KG eher an einer schnellen und sicheren Einigung mit den Finanzbehörden als an der Durchführung eines ungewissen finanzgerichtlichen Verfahrens interessiert sein könnte. Denn dass der Konkursverwalter der KG das Verhandlungsergebnis nicht gebilligt, sondern notfalls bereit gewesen wäre, es auf eine finanzgerichtliche Auseinandersetzung ankommen zu lassen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Unter Berücksichtigung dieser für eine rationale Willensbildung der GbR wesentlichen Umstände besteht nach Überzeugung des Senats keine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die GbR die von Dr. C1 ausgehandelte Vereinbarung abgelehnt hätte.
d) Zu keinem anderen Ergebnis kommt man, wenn man entgegen der Annahme des Senats eine Pflichtwidrigkeit darin sehen würde, dass der Zeuge Dr. C1 mit dem Konkursverwalter der KG nicht abgeklärt habe, dass die Verrechnung allein zu seinen Lasten erfolgen müsse. Nach der Aussage des Zeugen Dr. C1 hatte der Insolvenzverwalter ihm Vollmacht in der Weise erteilt, dass der tatsächlich erzielte Erstattungsbetrag auf Notaranderkonto fließen sollte und von dort nach Abzug der anwaltlichen Kosten der verbleibende Rest entsprechend der vereinbarten Quote verteilt werden sollte. Auf diesem Hintergrund gibt es keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Insolvenzverwalter damit hätte einverstanden erklärt hätte, dass die Verrechnung allein zu seinen Lasten erfolgte. Das Gegenteil hat die Klägerin weder behauptet noch unter Beweis gestellt.
48Insgesamt fehlt es dem Vortrag der Klägerin daher an der Darlegung und dem Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität. Denn die Klägerin wäre mit ihrem Schadensersatzbegehren gegen Dr. C1 auch bei in unverjährter Zeit erhobener Klage nicht durchgedrungen. Die Fehlberatung der Beklagten hat deshalb zu keinem Schaden geführt.
Als mit ihrem Rechtsmittel unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 543 Abs. 2 ZPO, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung fehlt.
Das Urteil ist nach §§ 708 Nr.10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 02.12.2009
Az: 4 U 109/09
Link zum Urteil:
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