Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 20. Januar 2004
Aktenzeichen: 21 U 102/02

(OLG Hamm: Urteil v. 20.01.2004, Az.: 21 U 102/02)

1) Eine Haftung des Vertreters gemäß § 179 BGB kommt nicht in Betracht, wenn sich der

Geschäftsparner gemäß § 242 BGB so behandeln lassen muss, als hätte er das

Vertreterhandeln genehmigt.

2) Wenn der Vertreter eine Gesellschaft belgischen Rechts vertritt, die keine Scheinfirma

ist, haftet er auch nicht analog § 179 BGB.

3) Zu den Voraussetzungen für die Haftung eines Vertreters nach den Grundsätzen der

culpa in contrahendo und nach deliktsrechtlichen Vorschriften

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 16. Januar 2003 wird aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. Juli 2002 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten entstandenen Kosten, die zum Erlass des Voll-streckungsbescheides des Amtsgerichts Hagen vom 10. Oktober 2001 - 5 a B 684/01 a - und zum Erlass des Versäumnisurteils des Senats vom 16. Januar 2003 geführt haben. Die Kosten der Säumnis hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beitreibbaren Betrages lei-stet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Sachverhaltsdarstellung

Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Der Sachverhalt stellt sich nunmehr wie folgt dar:

Die Klägerin nimmt den Beklagten als (vermeindlichen) vollmachtlosen Vertreter in Anspruch.

Mit Werkvertrag vom 13./14.02.2001 (Bl. 55 d.A.) beauftragte die S.D. C die Klägerin mit Rohbau- Mauerwerk- und Betonarbeiten an den Bauvorhaben X-Straße und G-Sraße in N.

Die Auftraggeberin wurde bei Vertragsabschluss durch den Beklagten, der den Vertrag unter der Bezeichnung "S.D. Inc., Direktor G" unterzeichnete, vertreten. Als Firmenanschrift der Auftraggeberin gab der Beklagte in dem Vertrag die "T-Straße in P" an.

Die S.D. C ist als "Genossenschaft mit unbeschränkter Solidarhaftung" eine Gesellschaft belgischen Rechts, deren Gründung der Beklagte unter Mithilfe u.a. des belgischen Staatsbürgers C2 betrieb. C2 war Geschäftsführer zweier amerikanischen Geschellschaften mit dem Sitz in E, der Fa. N Inc. und der Fa. C3 Inc. Er veranlaßte die Gründung einer weiteren amerikanischen Gesellschaft mit dem Sitz in E, der Fa. S.D. D Inc. Diese drei Firmen vereinbarten im Juni 1996 die Gründung der S.D. C, die am 26.06.1996 mit der Anschrift "S-Straat, ......1 C4(Antwerpen)" im Handelsregister von Antwerpen eingetragen wurde. Die Gründer bestimmten die Gesellschafterin S.D. D Inc., die nach dem Gesellschaftsvertrag der S.D. C die Mehrheitsgesellschafterin mit 198 von 200 Anteilen war, zum Vorstandsmitglied. Ausweislich der Handelsregistereintragung setzten sie den Beklagten als "Direktor des täglichen Vorstandes" der S.D. C ein. Der Beklagte trat in der Folgezeit für die S.D. C auf, wobei er unter der Bezeichnung dieser Firma in Deutschland Bauaufträge übernahm und auch Subunternehmer beauftragte.

Die Klägerin führte die übernommenen Bauarbeiten aus. Ihre Arbeiten am Bauvorhaben X-Straße rechnete sie mit insgesamt brutto 22.140,58 DM ab, ihre Arbeiten am Bauvorhaben G-Straße mit insgesamt brutto 20.184,00 DM. Die Zahlung der sich hieraus ergebende Gesamtsumme von 42.324,58 DM (21.640,21 EUR) verlangt die Klägerin mit der vorliegenden Klage vom Beklagten.

Da weder die Fa. S.D. C noch der Beklagte die Rechnungen der Klägerin beglichen, ließ die Klägerin die Firmenverhältnisse der Fa. S.D. C durch den bei ihr angestellten Zeugen Dipl.-Ing. D2 ermitteln. Dieser brachte in Erfahrung, dass die Fa. S.D. D Inc. bereits 1998 als "void" (erloschen) registriert worden war. Er veranlasste sodann, erneut unter Mithilfe von Herrn C2, die Gründung einer neuen amerikanischen Gesellschaft, der Fa. T Inc, die im Januar 2002 anstelle der S.D. D Inc. der S.D. C beitrat und deren Geschäftsführung übernahm. Gleichzeitig erfolgte die Absetzung des Beklagten als Direktor des täglichen Vorstandes und die Übernahme dieser Funktion durch den Zeugen D2, was am 21.01.2002 im Handelsregister von Antwerpen eingetragen wurde.

Bereits im Juli 2001 hatte die Klägerin Mahnverfahren gegen die Fa. S.D. C (5 a B 684/01 b AG Hagen) und den Beklagten (5 a B 684/01 a AG Hagen) angestrengt. In beiden Verfahren sind im Oktober 2001 Vollstreckungsbescheide erlassen worden, nach denen die Fa. S. D. C und der Beklagte als Gesamtschuldner zur Zahlung von 42.324,58 DM nebst 22 % Zinsen aus 20.184,00 DM seit dem 06.02.2001 und aus 22.140,58 DM seit dem 08.02.2001 verurteilt wurden. Gegen diese Vollstreckungsbescheide hat der Beklagte, im eigenen Namen und als Vertreter der S. D. C, zunächst fristgerecht Einspruch eingelegt. Das gegen den Beklagten persönlich betriebene Verfahren ist in das vorliegende Klageverfahren übergegangen.

Nach dem Wechsel in der Geschäftsführung der Fa. S. D. C hat diese, nunmehr vertreten durch den Zeugen D2, der Klägerin mit Schreiben vom 20.01.2002 (Bl. 61 d. A.) mitgeteilt, dass der Beklagte beim Abschluss des Werkvertrages nicht mehr berechtigt gewesen sei, sie zu vertreten und dass sie eine Genehmigung des Vertrages ablehne. Danach hat sie, wiederum vertreten durch den Zeugen D2, mit Schreiben vom 30.01.2002 ihr Rechtsmittel gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen im Verfahren 5 a B 684/01 b AG Hagen zurückgenommen (Bl. 66 d.A.), so dass die Klägerin seitdem über einen rechtskräftigen Zahlungstitel gegen die Fa. S. D. C verfügt. Unter Ausnutzung dieses Titels erwirkte die Klägerin Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, mit denen sie (angebliche) Forderungen der Fa. S. D. C gegen deren Auftraggeber zu pfänden versuchte. Dem lagen unter Mitwirkung des Beklagten begründete vertragliche Beziehungen zwischen der Fa. S. D. C und ihren Auftraggebern zugrunde, die der Zeuge D2 nach der Übernahme der Geschäftsführung bei der Fa. S. D. C ermittelt hatte.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt habe und ihr gegenüber auch hafte, nachdem die S.D. C die Genehmigung des abgeschlossenen Bauvertrages verweigert habe. Das sei dem Beklagten bei Vertragsabschluss bekannt gewesen.

Sie hat beantragt,

den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt,

den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, dass er kein vollmachtloser Vertreter der Fa. S.D. C gewesen sei, weil er erst im Januar 2002 als Direktor des Vorstandes abgelöst worden sei. Im Übrigen habe die Fa. S.D. C sein vermeindlich vollmachtloses Handeln genehmigt. Sie habe die Arbeiten gegenüber dem Bauherrn abgerechnet und ihren Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurückgenommen.

Mit seinem Urteil vom 18.07.2002 hat das Landgericht die Klage gegen den Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen für den allein in Betracht kommenden Anspruch der Klägerin gem. § 179 I BGB seien nicht erfüllt. Anzuwenden sei deutsches Recht. Der Beklagte habe mit Vertretungsmacht gehandelt. Er sei als Direktor des täglichen Vorstandes zur Vertretung der Fa. S.D. C beim Abschluss des Bauvertrages befugt gewesen. Das Erlöschen des einzigen Vorstandsmitgliedes, der S.D. D Inc., führe nicht zum Erlöschen der Vertretungsmacht des Beklagten. Der Urkunde über die Handelsregisteranmeldung der S.D. C sei nicht zu entnehmen, dass der Beklagte seine Vertretungsmacht vom Vorstandsmitglied ableite, er sei vielmehr von den Gesellschaftern der S. D. C zum Direktor bestellt worden. Als Direktor dieser Gesellschaft sei er erst am 14.01.2002 abberufen worden.

Gegen diese Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, die sie im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Beklagte hafte als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Er habe die Fa. S. D. C nicht vertreten können. Zum Direktor des täglichen Vorstandes dieser Gesellschaft sei er nicht wirksam bestellt worden. Einen diesbezüglichen Beschluss der Gesellschafter der S. D. C gebe es nicht.

Beim Abschluss des Bauvertrages sei der Beklagte auch ausschließlich als Vertreter der Fa. S. D. D Inc. aufgetreten. Selbst wenn er ursprünglich zur Vertretung dieser Firma berechtigt gewesen sei, habe er beim Abschluss des Bauvertrages als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt, da die Fa. S.D. D Inc. bereits 1998 erloschen sei. Dies alles habe der Beklagte als alleiniger Gesellschafter der Fa. S.D. D Inc. auch gewußt.

Der Bauvertrag der Parteien sei von der Fa. S. D. C nicht genehmigt worden. Dass sich diese im Mahnverfahren nicht weiter verteidigt habe, beruhe allein darauf, dass in dem Verfahren keine weiteren Verfahrenskosten hätten entstehen sollen. Die Fa. S. D. C sei vermögenslos und die Forderung der Klägerin gegen sie nicht beitreibbar. Auch deswegen könne man in der Einspruchsrücknahme keine Genehmigung des Vertreterhandelns des Beklagten sehen.

Im Übrigen bestehe ein Anspruch aus culpa in contrahendo (c.i.c.) gegen den Beklagten. Der Beklagte habe es versäumt, die Klägerin über die Verhältnisse der Fa. S. D. C aufzuklären. Die Besonderheiten dieser Firma habe er ungefragt offenbaren müssen. Die Firma sei ein Konstrukt des Beklagten gewesen, mit dem er ausschließlich seine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt habe. Seine Vertreterhaftung ergebe sich aus seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse. Wenn ihr (der Klägerin) die Verhältnisse der Fa. S. D. C vor dem Abschluss des Bauvertrages bekannt gewesen seien, hätte sie den Vertrag nicht abgeschlossen.

Der Beklagte hafte auch nach deliktsrechtlichen Vorschriften (§ 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB, 826 BGB) und analog §§ 302,303 AktG, weil er einen sog. qualifizierten faktischen Konzern errichtet und betrieben habe, ohne seine verschiedenen Gesellschaften auseinander zu halten.

Die gegen die S.D. C titulierte Forderung der Klägerin sei nicht realisierbar, weil die S.D. C in Deutschland kein Vermögen habe und im Ausland kein pfändbares Vermögen der Gesellschaft erkennbar sei. Die S.D. C habe nur als vermögensloser Firmenmantel existiert, den der Beklagte zur Schädigung von Lieferanten und Subunternnehmern eingesetzt habe. Unter der im Bauvertrag angegebenen Anschrift in P (T-Straße) habe die Firma kein Geschäftslokal unterhalten. Mit dieser Anschrift hätten nur die Gläubiger der Gesellschaft getäuscht werden sollen. Die S.D. C sei zwar im Handelsregister in Antwerpen eingetragen gewesen, sie sei aber weder in Belgien noch in anderen Staaten geschäftlich tätig geworden. Der Beklagte habe außerdem eine Anschrift in Belgien (P2 Antwerpen) benutzt, unter der die Firma keine Büroräume unterhalten habe. Sie sei auch unter den von dem Beklagten benutzten Fax- und Telefonnummern nicht zu erreichen gewesen.

Der Beklagte sei der einzige Vertretungsberechtigte der S.D. C und der alleinige Gesellschafter der Mehrheitsgesellschafterin S.D. D Inc. gewesen. Er betätige sich außerdem als Einzelkaufmann sowie als Gesellschafter einer in der Gründung befindlichen GmbH (S mbH mit einer Anschrift in X und dem tatsächlichen Sitz in P). Außerdem habe er beim AG Essen die e.V. abgegeben. Die firmenrechtlichen Beteiligungen des Beklagten stellten einen sog. qualifizierten faktischen Konzern dar, wobei der Beklagte als Mehrheitsgesellschafter des herrschenden Unternehmens anzusehen sei und deswegen hafte.

Soweit sie nur das negative Interesse beanspruchen könne, rechtfertige dies keinen Abzug von dem Betrag der Klageforderung, weil das negative Interesse ihr positives Interesse übersteige. Die vom Beklagten gegen die Werklohnforderungen erhobenen Einwände seien unberechtigt. Die dargestellten Gegenforderungen bestünden nicht und seien zudem verjährt. Eine Abschlagszahlung auf die von ihr erbrachten Werkleistungen habe sie nie erhalten.

Gegen den im Senatstermin vom 16. Januar 2003 säumigen Beklagten hat der Senat - nach Ermäßigung der Zinsmehrforderung durch die Klägerin - ein dem Klageantrag entsprechendes Versäumnisurteil erlassen und den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 10.10.2001 - 5 a B 684/01 a - mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2001 aufrechterhalten.

Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Er beantragt,

die Berufung der Klägerin unter Aufhebung des Versäumnisurteils zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats vom 16.01.2003 aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte trägt vor:

Beim Abschluss des Werkvertrages der Parteien sei er zur Vertretung der Fa. S. D. C berechtigt gewesen. Er sei von den Gesellschaftern dieser Firma wirksam zum Direktor des täglichen Vorstandes bestimmt worden.

Die Fa. S. D. C sei kein vermögensloser Firmenmantel, den er (der Beklagte) zu betrügerischen Zwecken eingesetzt habe. Der Sitz der Firma habe sich zuletzt in Antwerpen und der Anschrift P2 befunden. Die Firma habe eine unselbständige Niederlassung in P (T-Straße) und später in C5 (K-Straße) unterhalten, die im Gewerberegister und in der Handwerksrolle eingetragen gewesen seien. Auch ihre Gesellschafter existierten. Dass die Fa. S. D. D Inc. 1998 erloschen sei, bestreite er.

Die Klägerin könne ihn (den Beklagten) auch deswegen nicht in Anspruch nehmen, weil sie ihre Forderung gegen die Fa. S. D. C tituliert habe. Das schließe seine Inanspruchnahme als vollmachtloser Vertreter aus, zumal die Klägerin ihre Ansprüche gegen die Fa. S. D. C nicht aufgegeben habe, wie ihre Vollstreckungsversuche zeigten. Im Übrigen liege in der Einspruchsrücknahme durch die Fa. S. D, C jedenfalls eine Genehmigung seines vermeidlich vollmachtlosen Handelns für diese Firma.

Die geltend gemachten Werklohnforderungen seien auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Die Klägerin berücksichtige nicht, dass ihr früherer Geschäftsführer, der Zeuge U, bereits auf der Baustelle eine Abschlagszahlung von 5.400,00 DM in bar erhalten habe. Mit der Fa. S. D. C zustehenden Gegenforderungen rechne er außerdem auf.

Der Senat hat den Beklagten angehört und durch die Vernehmung der Zeugen Q, N, U und D2 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle des vorbereitenden Einzelrichters vom 20. Mai 2003 und vom 15.Juli 2003 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bezeichneten Urkunden und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Einzelheiten zu den rechtlichen Verhältnissen der beteiligten ausländischen Firmen ergeben sich aus den in der Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 01.09.2003 vorgelegten Urkunden und ihren beglaubigten Übersetzungen, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

B. Begründung

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Der Klägerin steht der gegen den Beklagten geltend gemachte Klageanspruch bereits dem Grunde nach nicht zu.

Der Beklagte haftet weder als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß oder analog § 179 BGB (I.) noch nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (II.). Auch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung des Beklagten oder eine Haftung nach den Grundsätzen der Verlustübernahme im sog. qualifiziert faktischen Konzern liegen nicht vor (III.).

Der Senat hatte die im vorliegenden Fall zu entscheidenden Rechtsfragen nach deutschem materiellen Recht zu beurteilen.

Insoweit kann zunächst dahin stehen, ob die Haftung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht nach dem sog. Vollmachts- oder nach dem sog. Vertragsstatut zu beurteilen ist (vgl. Palandt-Heldrich, BGB-Kom., 63. Aufl. 2004, Anh. zu Art. 32 EGBGB, Rz. 3), da nach beiden Statuten vorliegend deutsches materielles Recht anzuwenden ist. Die vertraglichen Beziehungen der Klägerin und der Fa. S. D. C sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Die Parteien haben insoweit zwar keine ausdrückliche Rechtswahl nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB getroffen. Der auf die VOB/B zugeschnittene Bauvertrag läßt aber erkennen, dass die Parteien das deutsche Recht gewählt haben, Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Auch das sog. Vollmachtsstatut verweist auf das deutsche Recht, weil die Geschäftsbeziehungen der Klägerin und der Fa. S. D. C in Deutschland abgewickelt werden sollten (BGH NJW 1990, 3088).

Für die möglichen deliktsrechtlichen Ansprüche gilt das deutsche materielle Recht als das Recht des Tatortes (Art. 40 EGBGB), weil der Beklagte in Deutschland gehandelt hat und hier auch der denkbare deliktische Erfolg eingetreten ist.

Ob die Eigenhaftung des Vertreters aus c.i.c. nach dem Vertrags- oder dem Deliktsstatut zu beurteilen ist (vgl. Palandt-Heldrich, a.a.O. Art. 32 EGBGB Rz. 8), kann ebenfalls offenbleiben, weil beide Statute wiederum auf das deutsche materielle Recht verweisen.

I.

Der Beklagte haftet nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB.

Der Anspruch des Vertragspartners gegen den Vertreter entsteht erst dann, wenn der Vertretene die Genehmigung des vom Vertreter abgeschlossenen Vertrages verweigert.

Bereits an dieser Voraussetzung fehlt es, weil sich die Klägerin gem. § 242 BGB jedenfalls hinsichtlich der Klageforderung so behandeln lassen muss, als hätte die Fa. S. D. C das zugrunde liegende Vertreterhandeln des Beklagten genehmigt. Deswegen kann dahin stehen, ob der Beklagte die Fa. S. D. C beim Abschluss des Werkvertrages wirksam vertreten hat.

Nach dem Wechsel in ihrer Geschäftsführung hat die Fa. S. D. C der Klägerin zwar mit Schreiben vom 20.01.2002, das der nunmehr zur Vertretung der Firma berechtigte Zeuge D2 gefertigt hat, mitgeteilt, dass sie die Genehmigung des vom Beklagten - so das Schreiben - ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Werkvertrages verweigere. Wenige Tage später hat die Fa. S. D. C dann jedoch, mit einem wiederum vom Zeugen D2 verfassten Schreiben, den Einspruch in dem gegen sie anhängigen Mahnverfahren 5 a B 684/01 b AG Hagen zurückgenommen.

Mit der Einspruchsrücknahme hat der Zeuge D2 für die Fa. S. D. C einen Rechtszustand geschaffen, der die Firma der Klägerin gegenüber genau zu der Leistung verpflichtet, die die Klägerin vom Beklagten mit der Begründung verlangt, dass der Beklagte ohne Vertretungsmacht tätig geworden sei. Das ist widersprüchlich. Die gegenüber der Klägerin begründete Verpflichtung der Fa. S. D. C ist "endgültig", weil der gegen die Firma zuvor erlassene Vollstreckungsbescheid mit der Rücknahme des Einspruchs rechtskräftig wurde. Bei dieser Verfahrensweise ist es treuwidrig (§ 242 BGB), wenn sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten auf die zuvor von der Fa. S. D. C verweigerte Genehmigung beruft, zumal der seinerzeit auch für sie und in ihrem Interesse tätige Zeuge D2 die hier maßgeblichen rechtlichen Erklärungen der Fa. S. D. C abgegeben hat. In Bezug auf die gegen den Beklagten geltend gemachte Klageforderung muss sich die Klägerin vielmehr so behandeln lassen, als hätte die Fa. S. D. C den abgeschlossenen Werkvertrag genehmigt.

Dass der Zeuge D2 den Einspruch in dem Mahnverfahren 5 a B 684/01 b AG Hagen nur deswegen zurückgenommen hat, um dieses Verfahren möglichst schnell und kostengünstig abzuschließen und ohne hierbei die Fa. S. D. C aus dem so entstehenden Vollstreckungstitel in Anspruch nehmen zu wollen, kann der Senat nicht feststellen. Der Zeuge D2 hat sich zwar in diesem Sinne geäußert, aber zugleich eingeräumt, den gegen die Fa. S. D. C geschaffenen Vollstreckungstitel im Auftrage der Klägerin dazu verwandt zu haben, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu erwirken , mit denen die Klägerin angebliche Forderungen der Fa. S. D. C gegen deren Auftraggeber zu pfänden versuchte. Das läßt deutlich erkennen, dass die Klägerin den gegen die Fa. S. D. C erlangten Titel doch dazu eingesetzt hat, um auf (vermutete) Vermögenswerte der Fa. S. D. C zugreifen zu können. Hierfür spricht auch, dass es aus Sicht der Klägerin und des für sie und nunmehr auch die Fa. S. D. C handelnden Zeugen D2 naheliegender gewesen wäre, den von der Klägerin in dem gegen die Fa. S. D. C anhängigen Mahnverfahren gestellten Antrag zurückzunehmen, wenn sie der Auffassung waren, dass die Fa. S.D. C aufgrund der von ihr "versagten" Genehmigung gegenüber der Klägerin nicht hafte.

Der Beklagte haftet auch nicht in entsprechender Anwendung des § 179 BGB.

Die Inanspruchnahme des Vertreters analog § 179 BGB kommt in Betracht, wenn der Vertreter im Namen einer nicht bestehenden Scheinfirma auftritt, der Vertretene also zur Zeit der Vornahme des Geschäfts überhaupt nicht existiert (vgl. Schramm in Münchener Kom. zum BGB, 4. Aufl. 2001, § 179 Rz. 11 m.w. Nachw.).

Einen derartigen Sachverhalt kann der Senat nicht feststellen. Der Beklagte hat die Gründung der Fa. S.D. C und ihre Geschäftstätigkeit in Belgien und in Deutschland bei seiner Anhörung im Einzelnen dargestellt. Er hat zudem Schriftverkehr vorgelegt, nach dem die Fa. S. D. C mit einer Niederlassung in Deutschland behördlich registriert war. Außerdem hat der Zeuge Q bestätigt, dass die Firma unter der Leitung des Beklagten bei der als Geschäftsadresse angegebenen Anschrift "T-Straße" in P jedenfalls zeitweise zu erreichen war, mag ihr "Büro" auch nur aus einem Faxgerät und einem an der Wohnungstür angebrachten Hinweisschild bestanden haben. Der Zeuge Q hat zudem glaubhaft ausgesagt, dass er für die Fa. S. D. C auf zwei Baustellen geschäftlich tätig war. Ebenfalls glaubhaft ist die Aussage des Zeugen N, der nach eigenem Bekunden als Polier für die Fa. S. D. C gearbeitet hat. Dass es sich bei der Fa. S. D. C um keine Scheinfirma gehandelt hat, belegen auch die von der Klägerin vorgelegten Gründungsunterlagen, die zur Eintragung der Firma im Handelsregister von Antwerpen geführt haben. Hinzu kommt, dass der Zeuge D2 bei seinen für die Klägerin angestellten Ermittlungen in Belgien festgestellt hat, dass die Fa. S.D. C als tatsächlich existierend registriert war, wie er bei seiner Vernehmung bekundet hat. So konnte er bestehende Geschäftskonten der Firma mit einem wenn auch geringen Guthaben bei einer belgischen Bank ermitteln und den Vertreter der amerikanischen Mitgesellschafterfirmen, N Inc. und C3 Inc., Herrn C2 ausfindig machen. Mit dessen Hilfe hat der Zeuge D2 dann auch die Geschäftsführung der Fa. S. D. C übernommen. Auch das spricht dagegen, dass es sich bei der Fa. S. D. C um eine zuvor nicht bestehende Scheinfirma handelte, mag diese auch unter den vom Beklagten angegebenen Anschriften in Belgien kein eigenes Geschäftslokal unterhalten haben, weil es sich um die Büroanschriften des Herrn C2 gehandelt hat, wie der Beklagte bekundet hat und der Zeuge D2 für die Anschrift "P2" bestätigen konnte. Letztendlich hat der Zeuge D2 auch eine frühere Geschäftstätigkeit der Firma in Deutschland feststellen können, wie die von ihm ausgebrachten Pfändungen gegen frühere Auftraggeber der Fa. S. D. C zeigen.

War die Fa. S. D. C keine Scheinfirma, lässt sich eine Haftung des Beklagten analog § 179 BGB nicht mehr begründen, nachdem die Klägerin ihre Forderung gegen die Fa. S. D. C titulieren konnte. Auch dem steht, wie bereits dargestellt, der Einwand des § 242 BGB entgegen. Hierbei kann dahin stehen, ob die ursprüngliche Mehrheitsgesellschafterin der Fa. S. D. C, die Fa. S. D. D Inc., bereits 1998 erloschen war und ob dies zur zwischenzeitlichen Auflösung der Fa. S. D. C geführt hat. Die Fa. S. D. C verfügt jedenfalls seit dem Beitritt der auf Betreiben des Zeugen D2 gegründeten Fa. T Inc. wieder über eine ihrer Satzung genügende Anzahl von Gesellschaftern und ist seit der Übernahme der Geschäftsführung durch den Zeugen D2 (erneut) handlungsfähig. Dass sie nach dem für ihre Beurteilung maßgeblichen belgischen Gesellschaftsrecht derzeit rechtsfähig ist und ordnungsgemäß vertreten wird, steht nicht in Zweifel. Hiervon gehen auch die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits übereinstimmend aus.

II.

Der Beklagte haftet auch nicht nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo.

Die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis treffen grundsätzlich den Vertretenen (vorliegend die Fa. S. D. C) und nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen auch den Vertreter. Derartige Umstände liegen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. z.B. BGH ZfBR 2002, 681ff) dann vor, wenn der Vertreter ein besonderes persönliches Vertrauen des Geschäftspartners des Vertretenen in Anspruch genommen oder ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse am Vertragsschluss hat.

Der Beklagte hat beim Abschluss des Werkvertrages kein besonderes persönliches Vertrauen der Klägerin in Anspruch genommen. Hierzu müßte er eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts oder die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen geboten haben, die für den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam geworden ist. Einen derartigen Sachverhalt kann der Senat bereits nach den Angaben des früheren Geschäftsführers der Klägerin, des Zeugen U, nicht feststellen. Der Zeuge U hat den in Frage stehenden Werkvertrag für die Klägerin abgeschlossen. Er hat sich hierbei - so seine Aussage - beim Beklagten nicht näher über die rechtlichen und finanziellen Verhältnisse der Fa. S. D. C erkundigt, sondern sich auf die diesbezüglichen Angaben des ihm zuvor bekannten Zeugen N verlassen, der ihm im Grunde nur erklärte, dass er (der Zeuge N) bereits seit längerem für die belgische Fa. S. D. C arbeite und dass die Firma gut bezahle. Hiernach hat der für die Klägerin seinerzeit tätige Zeuge U dem Beklagten beim Abschluss des Werkvertrages kein besonderes Vertrauen entgegengebracht.

Eine Haftungserstreckung auf den Vertreter wegen seines besonderen wirtschaftlichen Eigeninteresses setzt voraus, dass der Vertreter eine so enge Beziehung zum Vertragsgegenstand hat, dass er wirtschaftlich gleichsam in eigener Sache handelnd erscheint. Dazu reicht seine Beteiligung als Geschäftsführer und/oder Gesellschafter an der von ihm vertretenen Gesellschaft nicht aus. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Vertreter als Geschäftsführer oder Gesellschafter beherrschenden Einfluss auf die vertretene Firma ausübt.

Eine im vorstehenden Sinne enge Beziehung des Beklagten zu den Bauvorhaben, bei deren Errichtung die Klägerin im Auftrag der Fa. S. D. C tätig war, kann der Senat ebenfalls nicht feststellen. Es handelte sich nicht um Bauvorhaben, hinter denen sich letztendlich der Beklagte persönlich als Auftraggeber "verbarg". Er war weder Eigentümer der zu bebauenden Grundstücke noch bediente er sich - wie bereits ausgeführt - der Fa. S. D. C nur zum Schein.

III.

Auch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung des Beklagten oder seine Haftung nach den Grundsätzen der Verlustübernahme im sog. qualifiziert faktischen Konzern liegen nicht vor.

Den für einen deliktischen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder § 826 BGB erforderlichen Betrugs- oder Schädigungsvorsatz des Beklagten hat die Klägerin nicht nachweisen können. Dass der Beklagte der Klägerin vorsätzlich Schaden zugefügt hat, ist nicht ersichtlich. Es steht nicht fest, dass er die von der Klägerin zu erbringenden Werkleistungen von Anfang an nicht entlohnen wollte oder konnte, weil die seinerzeit noch von ihm geleitete Fa. S.D. C über keinerlei finanzielle Mittel verfügte. Dies konnte keiner der vernommenen Zeugen bestätigen. Weitere Beweismittel hat die Klägerin insoweit nicht benannt.

Gegen den von der Klägerin behaupteten Schädigungsvorsatz des Beklagten spricht auch die Abschlagszahlung, die der Beklagte namens der Fa. S. D. C nach Vertragsabschluss an die Klägerin geleistet hat. Dass der Zeuge U vom Beklagten auf der Baustelle als Abschlag eine Bargeldzahlung von mehreren Tausend DM erhalten hat, hat der Zeuge N bei seiner Vernehmung glaubhaft bekundet. Der Zeuge N konnte den Zahlungsvorgang nachvollziehbar und lebensnah schildern. Der dies bestreitenden Aussage des Zeugen U folgt der Senat insoweit nicht. Der Zeuge U ist erst im Verlauf des Rechtsstreits aus der Geschäftsführung der Klägerin ausgeschieden und hatte zuvor ein erhebliches Interesse an einem für die Klägerin günstigen Verfahrensausgang. Demgegenüber ist der Zeuge N am Ausgang des Verfahrens ersichtlich nicht interessiert, weil er mit beiden Parteien und auch mit der Fa. S. D. C seit längerem nicht mehr zusammenarbeitet.

Dass der Beklagte für die Klageforderung nach den Grundsätzen der Verlustübernahme im Nichtvertragskonzern (sog. qualifiziert faktischer Konzern) anal. §§ 302, 303 AktG haften muss, hat die Klägerin nicht ausreichend vorgetragen. Ihrem Vorbringen ist weder ein faktischen Konzernverhältnis noch der Mißbrauch einer beherrschenden Gesellschafterstellung durch den Beklagten zu entnehmen. Bereits ihr Vortrag zu den verschiedenen Gesellschaften, an denen der Beklagte beteiligt ist bzw. beteiligt gewesen sein soll, ist unzureichend. So bleibt offen, ob und ggfls. welche Verbindungen diese zur Geschäftstätigkeit der Fa. S. D. C hatten. Auch fehlen nachvollziehbare Angaben dazu, wann und wie der Beklagte einen beherrschenden Einfluss ausgeübt haben sollte.

Auf ihren unzureichenden Tatsachenvortrag ist die Klägerin bereits im Senatstermin vom 27.03.2003 hingewiesen worden.

Nach alledem fehlt es bereits an einer Haftungsgrundlage für eine Inanspruchnahme des Beklagten, so dass die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben mußte.

C.

Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen, Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB.

D.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 344, 700 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Bundesgerichtshofes.






OLG Hamm:
Urteil v. 20.01.2004
Az: 21 U 102/02


Link zum Urteil:
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