Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 15. Januar 1993
Aktenzeichen: 6 U 88/92
(OLG Köln: Urteil v. 15.01.1993, Az.: 6 U 88/92)
1. Für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG kommt es bei einem klagenden Verband grundsätzlich allein auf den Zeitpunkt an, in dem dieser von dem Wettbewerbsverstoß Kenntnis erlangt hat. Ist die Eilbedürftigkeit für den Antrag eines Wettbewerbers wegen Zeitablaufs entfallen, muß sich der antragstellende Verband dies jedoch zurechnen lassen, wenn der Wettbewerber mit Hilfe des Verbandes die Dringlichkeit "wieder aufleben" lassen will. Die Darlegungs- und Beweislast für solche dringlichkeitsschädlichen Umstände liegen beim Antragsgegner.
2. Redaktionelle Beiträge, in denen Arzneimittel namentlich genannt, herausgestellt, abgebildet und u.a. als "Spezialwaffen" gegen bzw. als "bewährt" bei bestimmten Erkrankungen dargestellt werden, können als getarnte redaktionelle Werbung unzulässig sein. Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer solchen unzulässigen Werbung in Presseorganen.
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin ge gen das am 31. März 1992 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Land-gerichts Köln - 31 O 648/91 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache
ohne Erfolg.
Dem Antragsteller stehen auch nach dem Berufungs- vorbringen der
Parteien die geltendgemachten Un- terlassungsansprüche in der im
Tenor der angefoch- tenen Entscheidung ausgesprochenen Fassung
gegen- über der Antragsgegnerin zu.
1.) Soweit die Antragsgegnerin durch Bezugnahme auf ihr
erstinstanzliches Vorbringen die in der ersten Instanz erhobene
Rüge aufrechterhält, der Verfü- gungsantrag sei zu unbestimmt, wird
auf die zu- treffenden Ausführungen in der angefochtenen Ent-
scheidung Bezug genommen.
Der Antragsteller hat hinsichtlich beider Unter- lassungsanträge
durch Wiedergabe der entsprechen- den Seiten 50 bis 52 und 108 bis
110 der Zeit- schrift "B." Nr. 45/91 auf die konkrete Ver-
letzungsform Bezug genommen und ein Verbot dieser beiden Artikel in
der konkreten Gesamtgestaltung, die sie durch die Antragsgegnerin
erfahren haben, begehrt. Soweit darüber hinaus in dem Verfügungs-
antrag und ihm folgend im Tenor der angefochtenen Entscheidung die
in den Artikeln erwähnten Prä- parate zusammenfassend wiedergegeben
sind, dient dies nur der Erläuterung des Verbotskerns. Dadurch wird
die Benennung und die Abbildung dieser Prä- parate nicht generell
untersagt, sondern nur in der konkreten Gestaltung der
angegriffenen Artikel verboten.
2.) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt es auch
nicht an dem Verfügungsgrund der Dring- lichkeit, da die
Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG nicht widerlegt ist. Der
Antragsteller ist innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis von
dem streitgegenständlichen Wettbewerbsverstoß gegen die Verletzerin
vorgegangen. Er hat durch die von ihm vorgelegten eidesstattlichen
Versiche- rungen hinreichend glaubhaft gemacht, daß er erst am
06.12.1991 von den streitbefangenen Artikeln in der Zeitschrift
"B." Nr. 45/91 durch einen Be- schwerdeführer Kenntnis erlangt hat.
Da er die An- tragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 09.12.1991
abgemahnt hat, hat er nicht zögerlich gehandelt, so daß hierin kein
Dringlichkeitsverlust gesehen werden kann. Allein die Tatsache, daß
der Antrag- steller in seiner Antragsschrift vom 20.12.1991 in sich
widersprüchliche Daten und u.a. als Datum der ersten Kenntnisnahme
den 09.12.1991 angegeben hat, führt nicht dazu - wie die
Antragsgegnerin meint -, daß aufgrund der Widersprüchlichkeit der
geschilderten zeitlichen Reihenfolge von einer Kenntnisnahme am
09.11.1991 ausgegangen werden müsse. Der Antragsteller hat seine
Angaben inso- weit rechtzeitig korrigiert und durch die Vorlage der
eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft ge- macht.
Ein Dringlichkeitsverlust ist auch nicht dadurch eingetreten,
daß der Beschwerdeführer längere Zeit untätig zugewartet oder eine
Rechtsverfolgung nur schleppend betrieben hätte. Ausnahmsweise
könnte es allerdings nicht auf den Zeitpunkt der Kennt- nisnahme
durch den Antragsteller, sondern auf den Zeitpunkt ankommen, in dem
der beschwerdeführende Dritte Kenntnis erlangt hat (vgl. OLG
Frankfurt GRUR 1991, 471 - vorgeschobener Verband), wenn die
Eilbedürftigkeit für den Antrag eines Wettbewer- bers wegen
Zeitablaufs entfallen ist und dieser nur mit Hilfe des
antragstellenden Verbandes, der bislang keine Kenntnis von dem
Wettbewerbsverstoß erlangt hat, die Dringlichkeit wieder aufleben
lassen will. Die Antragsgegnerin hat hierzu aber weder
substantiiert vorgetragen, daß es sich bei dem Beschwerdeführer um
einen Mitbewerber han- delt, noch dargelegt, zu welchem Zeitpunkt
dieser Kenntnis erlangt hat. Soweit die Antragstellerin aus der zum
Teil wenig präzisen eidesstattlichen Versicherung vom 8. Oktober
1992 folgert, bei dem Beschwerdeführer müsse es sich um einen ihrer
Wettbewerber oder um einen Wettbewerber der Her- steller oder
Vertreiber der in den streitbefange- nen Artikeln genannten
Produkte handeln, dem eine Marktbeobachtungspflicht obliege, so
handelt es sich lediglich um Mutmaßungen, die den Anforde- rungen
an ein substantiiertes Vorbringen nicht genügen. Hierzu bedurfte es
auch keines besonderen Hinweises durch den Senat, da die
Antragsgegnerin selbst vorträgt, ohne nähere Informationen durch
den Antragsteller dieses Vorbringen nicht präzi- sieren zu können.
Für die von der Antragsgegnerin aufgestellten Mutmaßungen spricht
auch nicht eine Lebenserfahrung, da durchaus die Möglichkeit be-
steht, daß auch andere Personen - so ein Leser, der mit den in den
Artikeln empfohlenen Präparaten schlechte Erfahrungen gemacht hat -
sich als Be- schwerdeführer an den Antragsteller gewandt haben.
Der Antragsgegnerin ist es somit nicht gelungen, die
Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG zu wider- legen.
3.) Der Unterlassungsanspruch hinsichtlich beider Ar- tikel
ergibt sich aus §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Das Landgericht hat zu
Recht beide im Unterlas- sungsantrag wiedergegebenen
Veröffentlichungen in ihrer konkreten Form als unter dem
Gesichtspunkt getarnter Werbung unzulässig angesehen.
Die Publikation der beiden beanstandeten redaktio- nellen
Beiträge, in denen bestimmte Arzneimittel und andere Produkte
namentlich erwähnt und/oder abgebildet und als "Spezialwaffen"
gegen Erkran- kungen und/oder als "bewährt" hervorgehoben sind,
stellt sich als ein Handeln im geschäftlichen Ver- kehr zu Zwecken
des Wettbewerbs dar.
a) Soweit in dem Artikel "Erste Hilfe Hatschi" kon- krete
Ratschläge zur Vorbeugung und Bekämpfung be- stimmter, gerade
akuter Krankheiten erteilt werden und zur Vorbeugung oder
Behandlung dieser Krank- heiten bestimmte Präparate benannt oder
abgebildet werden, ist der Artikel objektiv geeignet, den
Wettbewerb der Hersteller der auf den Seiten 50 bis 52 der
Zeitschrift "B." 45/91 angekündig- ten Produkte zu Lasten der
Hersteller von nicht genannten oder nicht abgebildeten
Konkurrenzpro- dukten gleicher oder ähnlicher Wirkungsweise und
Zusammensetzung zu fördern. Der Leser des Arti- kels, der sich über
Behandlungsmöglichkeiten der typischen Erkältungs- und
Grippesymptome oder über Vorbeugemaßnahmen informieren will, wird
die beispielhafte Aufzählung von Produkten - sei es im Text selbst,
sei es in Klammerzusätzen - oder die Abbildungen dieser Produkte
als eine besondere Empfehlung dieser Erzeugnisse verstehen. Dies
gilt insbesondere im Zusammenhang mit den jeweiligen Óberschriften
der einzelnen Rubriken, in denen "Spezialwaffen" gegen die
einzelnen Erkältungs- symptome angepriesen werden. Verstärkt wird
der empfehlende Charakter auch durch den Kontext, in denen diese
Präparate als "bewährte" oder "natür- liche" Mittel oder gar als
"Hatschi-Killer", "An- ti-Schnupfenmittel", "Schluckwaffen" oder
"leichte Waffen" gegen die jeweiligen Erkältungssymptome
angepriesen werden. Leser dieses Artikels, die bereits unter
Erkältungskrankheiten leiden oder diesen wirksam vorbeugen wollen,
werden geneigt sein, den so unter ihrem Handelsnamen oder in ihrer
handelsüblichen Ausstattung angepriesenen Produkten im besonderen
Maße Aufmerksamkeit und Vertrauen entgegenbringen, weil die
Empfehlung aus ihrer Sicht von einer unabhängigen Zeitung und damit
von neutraler Seite stammen. Diese objektive Eignung des Artikels,
zu Zwecken des Wettbewerbs zu dienen, ist auch nicht dadurch
ausgeschlossen, daß als "Waffen" gegen bestimmte Erkältungssympto-
me mehrere Präparate gleichzeitig benannt werden, da weiterhin eine
Vielzahl von Konkurrenzprodukten nicht benannt oder abgebildet
worden sind. Diese Feststellungen kann der Senat, dessen Mitglieder
zu den angesprochenen Verbraucherkreisen gehören, in
Óbereinstimmung mit dem Landgericht aus eigener Sachkunde und
Lebenserfahrung treffen.
Die subjektiven Voraussetzungen eines Handelns zu
Wettbewerbszwecken sind ebenfalls erfüllt, da die Antragsgegnerin
auch in der Absicht handelte, ei- genen oder fremden Wettbewerb zum
Nachteil anderer zu fördern, und diese Absicht nicht völlig hinter
anderen Beweggründen zurücktritt (BGH WRP 1990, 270, 271 -
"Schönheits-Chirurgie" m.w.N.). Zwar besteht bei Presseberichten
allein aufgrund der objektiven Eignung zur Wettbewerbsförderung und
des Bewußtseins des Verfassers, daß eine solche Wirkung eintreten
kann, noch keine Vermutung für das Bestehen einer subjektiven
Wettbewerbsabsicht, weil Grund für die Àußerung auch das besondere
Anliegen der Presse sein kann, die Àffentlichkeit über Vorgänge von
allgemeiner Bedeutung zu unter- richten oder zur öffentlichen
Meinungsbildung bei- zutragen. Wie die Antragsgegnerin unter
Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Verfassers des
Artikels "Erste Hilfe Hatschi" vorgetragen und glaubhaft gemacht
hat, ist es Absicht gewesen, eine anschauliche und lebendige
Berichterstattung über die jahreszeitlich bedingten
Erkältungskrank- heiten und deren Bekämpfung zu geben, zumal die
Zeitschrift "B." auf diesem Gebiet traditionell sehr aktiv sei und
ein hohes Interesse und Infor- mationsbedürfnis der Leser bestehen.
Daneben kann jedoch gleichwohl auch die Absicht der Antrags-
gegnerin zur Förderung des Wettbewerbs bestehen, die nicht völlig
hinter den dargelegten Beweggrün- den zurücktritt. Eine solche
Absicht ist unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls
festzustellen (BGH GRUR 1986, 812, 813 - "Gast- rokritiker"). Ein
nicht unbedeutendes Indiz für eine Wettbewerbsabsicht der
Antragsgegnerin ist darin zu sehen, daß keine Notwendigkeit
bestand, einzelne Produkte lobend zu erwähnen und in ihrer
handelsüblichen Packung abzubilden, obwohl es eine Vielzahl
gleichwirkender Präparate gibt. Das Land- gericht hat hierzu zu
Recht ausgeführt, daß der Informationswert des Artikels nicht
dadurch gelit- ten hätte, wenn anstelle der einzelnen Präparate
lediglich die Gattungsbezeichnung wie Nasentropfen und Nasenspray
oder Hustentropfen und Hustensaft oder eventuell nur deren
Wirkstoffe mit dem Hin- weis genannt worden wären, sich insoweit
von einem Arzt oder Apotheker beraten zu lassen. Schließlich
verweist der Artikel auch nicht auf Südfrüchte bestimmter Herkunft
wie "Jaffa", "Outspan" oder "Maroc" hin, sondern empfiehlt Vitamin
C-haltige Zitronen, Orangen oder Pampelmusen. Erst Recht bedurfte
es nicht der Abbildung bestimmter Prä- parate in ihrer
Originalpackung, da der Artikel - wie andere Beispiele zeigen -
durch unverfäng- liche Abbildung von Kräutern, Obst oder Gemüse
eine hinreichende, einer Publikumszeitschrift ent- sprechende
Auflockerung erfahren kann, ohne in den Wettbewerb verschiedener
miteinander konkur- rierender Produkte einzugreifen. Dieses Indiz
wird auch nicht durch die Behauptung der Antragsgegne- rin, die sie
durch eidesstattliche Versicherung des Verfassers des Artikels
glaubhaft gemacht hat, entkräftet. Gerade aus der eidesstattlichen
Versicherung ergibt sich, daß der Verfasser des Artikels die aus
seiner Sicht und seiner Erfahrung als Medizinjournalist gängigen
und bewährten Mit- tel den Lesern empfehlen wollte, da der Artikel
sonst nicht hinreichend informativ sei und durch die Benennung
einzelner Produkte eine Flut an Nachfragen verhindert werden könne.
Da sich die Antragsgegnerin diese Ausführungen des Verfassers zu
eigen macht, hat sie in dem von ihr veröffent- lichten Artikel
absichtlich bestimmte Produkte als "Spezialwaffen" gegen
Erkältungskrankheiten emp- fohlen und/oder abgebildet, damit die
Leser einen Anhaltspunkt haben, welche Produkte sie kaufen sollen.
Da der Antragsgegnerin - wie sie selbst vorträgt - auch bewußt war,
daß es eine Vielzahl von Produkten gegen Erkältungskrankheiten
gibt, die in diesem Artikel nicht erwähnt sind, hat sie durch die
Veröffentlichung der auf bestimmte Produkte beschränkten
Empfehlungen bewußt in den Wettbewerb eingegriffen und absichtlich
den Wett- bewerb der Hersteller der Produkte, die in dem Artikel
benannt sind, zu Lasten anderer Hersteller von Konkurrenzprodukten
gefördert. Die Antragsgeg- nerin kann sich auch nicht mit Erfolg
darauf beru- fen, daß es sich bei dem Verfasser des Artikels um
einen anerkannten Medizinjournalisten handele, der durch zahlreiche
Veröffentlichungen und Publika- tionen bekannt sei, denn in dem
angegriffenen Ar- tikel ist der Verfasser noch nicht einmal
benannt, so daß sich die Empfehlungen bestimmter Produkte auch
nicht als eine subjektive Auffassung eines einzelnen
Medizinjournalisten darstellen.
Insofern kommt es nicht darauf an, daß weder die Antragsgegnerin
noch der Verfasser des Artikels mit den Herstellern und/oder
Vertreibern der in dem Artikel beworbenen Produkte Kontakt
aufgenom- men oder von diesen gar Gegenleistungen erhalten
haben.
b) Auch der Artikel "Kräuter und Enzyme. Der neue Jungbrunnen
für Menschen über 60" ist in der konkreten Gestaltung der Seiten
108 bis 110 der Zeitschrift "B." 45/91 objektiv geeignet, den
Wettbewerb der Hersteller der in diesem Artikel genannten Präparate
zum Nachteil der Hersteller und/oder Vertreiber von
Konkurrenzprodukten zu fördern. Hierbei hatte der Senat nicht
darüber zu befinden, ob der Artikel auf Seite 108 dieser
Zeitschrift als solcher allein schon unter dem Gesichtspunkt der
getarnten Werbung als unzulässig anzusehen ist, denn der
Antragsteller hat (ledig- lich) beantragt, einen redaktionellen
Beitrag, in dem die Produkte Craton oder Ilja Rogoff oder Kwai
namentlich benannt werden, in der Fassung der Sei- ten 108 bis 110
der Zeitschrift "B." Nr. 45/91 zu verbieten. Da auf den Seiten 109
und 110 dieser Zeitschrift Werbeanzeigen von zwei der in dem
Artikel auf Seite 108 benannten Produkte veröf- fentlicht worden
sind, ist der Antrag des Antrag- stellers ebenso zwanglos wie
zwangsläufig dahin zu verstehen, daß der streitgegenständliche
Artikel auf Seite 108 nur in Verbindung mit der auf den beiden
folgenden Seiten veröffentlichten Werbungen und in der sich hieraus
ergebenden konkreten Er- scheinungsform beanstandet wird.
Wenn in dem angegriffenen Artikel auf Seite 108 der Zeitschrift
"B." 45/91 ausgeführt wird "Neben den klassischen Mitteln Ginkgo
(Craton) und Knoblauch (Ilja Rogoff, Kwai) regen auch Kräuter wie
Ginseng, Weißdorn und Teufelskralle in Verbin- dung mit Enzymen die
Zellteilung an. Der Organis- mus bleibt länger vital.", so ist
Zielrichtung des Artikels, in erster Linie über neue Entdeckungen
der Wissenschaft und die Wirkung ein Verbindung von Kräutern und
Enzymen zu berichten. Gleichzei- tig kommt aber zum Ausdruck, daß
diese neue Ent- deckung die gleiche Wirkung habe, wie die bereits
bekannten klassischen Mittel Ginkgo und Knoblauch. Da diese
sogenannten "klassischen Mittel" im Klam- merzusatz als Präparate
unter ihrem Handelsnamen ausdrücklich namentlich benannt werden,
wird der Leser, der über das 60. Lebensjahr hinaus geistig und
körperlich jugendlich sein will, geneigt sein, der Empfehlung zu
folgen und diese Präparate, die ohnehin als einzige namentlich
benannt werden, in der Apotheke oder Drogerie zu verlangen. Da
diese namentlich benannten Präparate auch als die "klas- sischen
Mittel" bezeichnet werden, wird ein nicht unbeachtlicher Teil der
Leser dieses Artikels davon ausgehen, daß es sich hierbei gerade um
die bewährten und erprobten Präparate handelt und sie anderen
Konkurrenzprodukten vorziehen. Dies gilt umsomehr, als auf den
beiden folgenden Seiten der Zeitschrift zwei der drei namentlich
benannten Produkte in Werbeanzeigen bildlich vorgestellt und
nahegebracht werden. Schließlich besteht die Gefahr, daß der
durchschnittliche Leser den in dem redaktionellen Artikel
angepriesenen Produkten viel eher Vertrauen schenkt als
Konkurrenzproduk- ten, weil er von einer journalistisch gestalte-
ten Veröffentlichung eine objektive, unabhängige redaktionelle
Stellungnahme, nicht aber eine sub- jektiv gefärbte Werbung für
Produkte bestimmter Unternehmen erwartet. Er mißt daher
Zeitungsbei- trägen regelmäßig ein größeres Gewicht bei als
anpreisenden Angaben des Werbenden über seine Wa- re. Diese
(vermutliche) Objektivität des Artikels wird noch dadurch
verstärkt, daß er suggeriert, die besondere Wirkung auch der
namentlich benann- ten "klassischen Mittel" beruhe auf
Erkenntnissen von Wissenschaftlern und amerikanischen Altersfor-
schern.
Der Senat ist wie das Landgericht auch davon überzeugt, daß die
Antragsgegnerin mit dem streit- befangenen Beitrag ihre Leser nicht
nur über neue- re Erkenntnisse aus der Wissenschaft unterrichten
wollte, sondern zugleich beabsichtigte, den Wett- bewerb der
benannten Produkte zu fördern, ohne daß diese Zielsetzung völlig
hinter den anderen Beweg- gründen der Antragsgegnerin
zurücktritt.
Bei der Prüfung, ob ein Presseorgan mit einem redaktionellen
Bericht zu Gunsten einzelner Unter- nehmen oder Präparate in den
Wettbewerb eingreifen wollte, stellt im Rahmen der gebotenen
Gesamtwür- digung der Veröffentlichung und aller sonstigen Umstände
des konkreten Falls das Vorhandensein oder das Fehlen eines
Anlasses für die Erwähnung bestimmter Produkte ein maßgebliches
Indiz für und gegen das Vorliegen einer derartigen Wettbe-
werbsabsicht dar (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 16. Aufl., § 1 UWG
Rdnr. 35 m.w.N.).
Nach der Ankündigung des streitbefangenen Artikels sollte der
Leser über neue Wirkstoffkombinatio- nen informiert werden. Wenn
gleichwohl in der Einleitung dieses Artikels die bereits bekannten
Substanzen Ginkgo und Knoblauch als "klassische Mittel" lobend
hervorgehoben werden, so hat dies zwar schon mit dem eigentlichen
Anliegen des Berichts wenig zu tun, es läßt sich jedoch als
Anknüpfungspunkt und Óberleitung zu den neuen Wirkstoffen erklären.
Dafür, daß die Antragsgegne- rin in Klammerzusätzen zu diesen
Substanzen die Präparate Craton, Ilja Rogoff und Kwai namentlich
aufführt, fehlt jedoch jeder Anlaß, da der Leser, der sich für
diesen Bericht interessiert, etwas über neue Wirkstoffkombinationen
erfahren will. Für Produkthinweise bezüglich anderer, schon län-
ger auf dem Markt angebotener und damit relativ bekannter
Präparate, von denen zwei Produkte auch noch in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem redak- tionellen Teil in Werbeanzeigen
angeboten werden, besteht kein Informationsbedürfnis des Lesers.
Die sich aus diesen Umständen ergebende Wettbewerbsab- sicht der
Antragsgegnerin wird durch die von ihr vorgelegten eidesstattlichen
Versicherung des Ver- fassers des Artikels, die sie sich zu eigen
macht, bestärkt. In dieser eidesstattlichen Versicherung wird
ausgeführt, daß es dem Verfasser darum ging, die gängigsten
bewährten Präparate zu benennen, weil diese für den Leser
verständlich und leicht erhältlich seien. Damit wird deutlich
gemacht, daß bei der Veröffentlichung dieses Artikels durch die
Antragsgegnerin nicht nur die Absicht bestand, über
Gesundheitsthemen aufzuklären, sondern auch diejenige, den Lesern
durch die Benennung bestimm- ter Präparate Hinweise zum Kauf zu
geben. Damit wird bewußt der Wettbewerb der benannten Artikel zum
Nachteil anderer Konkurrenzprodukte gefördert. Soweit die
Antragsgegnerin auch hierzu einwendet, daß es sich lediglich um die
Empfehlungen eines bekannten Medizinjournalisten handelt, die
dieser aus seiner persönlichen Erfahrung gewonnen habe, so ist dies
dem Artikel selbst nicht zu entnehmen, da der Verfasser des
Artikels nicht einmal nament- lich benannt wird.
Ist somit von einem Handeln der Antragsgegnerin zu Zwecken des
Wettbewerbs auszugehen, so ist der angegriffene Artikel, der sich
als redaktioneller Beitrag darstellt und vom Leser nicht als
Werbung erkannt wird, mit § 1 UWG nicht zu vereinbaren.
Aus diesem Grund kann es offenbleiben, ob in der
Veröffentlichung der Seiten 108 bis 110 der Zeit- schrift "B." Nr.
45/91 zugleich auch ein Ver- stoß gegen § 1 Abs. 1 ZugabeVO
liegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist mit der Verkündung rechtskräftig, § 545 Abs. 2
ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 15.01.1993
Az: 6 U 88/92
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