Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Februar 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 103/00
(BPatG: Beschluss v. 05.02.2001, Az.: 30 W (pat) 103/00)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 30. April 1994 angemeldete Bezeichnung Cilidonsoll nach Beschränkung des Warenverzeichnisses im Beschwerdeverfahren noch für "verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung von cardiovasculären Erkrankungen" eingetragen werden. Die Bekanntmachung der Anmeldung erfolgte am 30. September 1994.
Widerspruch erhoben hat unter anderem die Inhaberin der am 23. Mai 1992 angemeldeten und am 19. November 1998 für "pharmazeutische Erzeugnisse, ausgenommen Arzneimittel zur Behandlung von Erkrankungen der Atemwege und/oder Antitussiva und/oder Expektorantien; veterinärmedzinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Pflaster, Verbandsmaterial" eingetragenen Marke 2 105 199 Cidon.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 8. Februar 2000 unter anderem den Widerspruch zurückgewiesen und ausgeführt, dass zwar Warenidentität möglich sei, eine Verwechslungsgefahr gleichwohl aber ausscheide, da die Silbenzahl Marken differiere und sich daraus eine andere Vokalfolge sowie ein anderer Sprech- und Betonungsrhythmus ergebe. Auch wenn sich die entscheidende Silbe "li" in der unbetonten Wortmitte befinde, seien die Worte nicht so lang, dass dieser Unterschied überhört werde; zudem klinge die Anmeldemarke durch die zusätzliche Silbe heller.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, die Marken könnten sich wegen der weit gefassten Warenverzeichnisse auf identischen Waren begegnen, weshalb ein großer Markenabstand zu fordern sei, der aber nicht eingehalten werde. Sowohl in schriftbildlicher als auch in klanglicher Hinsicht ergäben sich so erhebliche Gemeinsamkeiten, dass Verwechslungsgefahr bestehe. Die Marken stimmten sowohl am besonders beachteten Wortanfang als auch bei der Endsilbe überein, weshalb die Zwischensilbe "li" gerade bei undeutlicher Aussprache nicht ausreiche, den erforderlichen Abstand herzustellen. Auch schriftbildlich genügten die Unterschiede nicht dem zu fordernden Abstand.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Februar 2000 aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Marke 2 105 199 zurückgewiesen wurde.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 S 1, Abs 2 MarkenG.
Die Anmelderin ist zudem die richtige Verfahrensbeteiligte. Zwar hat die Strathmann GmbH am 9. Januar 2001 mitgeteilt, dass sie Rechtsnachfolgerin der Anmelderin sei. Ein Antrag auf Übertragung des Rechtsübergangs ist jedoch nicht zur Akte gelangt (vgl § 28 Abs 2 MarkenG).
Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet, da - jedenfalls unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren erfolgten Beschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke - keine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht, der nach §§ 152, 158 Abs 2 Satz 2, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG Anwendung findet. Der Widerspruch wurde daher zu Recht zurückgewiesen, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 S 2 MarkenG.
In Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen.
Hinsichtlich der Waren ist wegen des, auf der Seite der Widerspruchsmarke weit gefassten Warenverzeichnisses auch nach der wirksamen Einschränkung des Warenverzeichnisses für die angemeldete Marke auf nunmehr "verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung von cardiovasculären Erkrankungen" von Identität auszugehen. Allerdings wirkt sich die im Beschwerdeverfahren in das Warenverzeichnis der jüngeren Marke aufgenommene Verschreibungspflicht kollisionsmindernd aus, denn bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist, zwar nicht ausschließlich, aber doch maßgeblich, auf das Unterscheidungsvermögen von Ärzten und Apothekern abzustellen, die aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln sehr sorgfältig sind und daher Markenverwechslungen weniger unterliegen als Endverbraucher (BGH GRUR 1983, 118 - Corvaton/Corvasal; GRUR 1995, 50 - Indorektal/Indohexal; MarkenR 2000, 138 - Ketof/ETOP), was in gewissem Umfang auch bei nur einseitiger Rezeptpflicht gelten muss (BGH WRP 1999, 530 - Cefallone). Auch wenn hierdurch weder mündliche Markenbenennungen noch die Einschaltung medizinischer oder pharmazeutischer Hilfskräfte auszuschließen sind, steht doch für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr die schriftliche Verordnung und das Unterscheidungsvermögen der Fachkreise im Vordergrund, weshalb die Anforderungen an den Markenabstand zu reduzieren sind. Im Übrigen ist auch hinsichtlich der, in eingeschränktem Umfang zu berücksichtigenden allgemeinen Verkehrskreise in diesem Bereich grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beimisst (BGH GRUR 1995, 50 - Indorektal/Indohexal).
Der danach zu fordernde Markenabstand wird hier eingehalten.
Die sich gegenüberstehenden Markenwörter "Cilidon" und "Cidon" unterscheiden sich klanglich in einem ausreichenden Maß. Die angemeldete Marke ist dreisilbig, die Widerspruchsmarke zweisilbig, was schon zu einem anderen Sprech- und Betonungsrhythmus führt; der Klang der angemeldeten Marke ist infolge der eher schwachen Betonung der Endsilbe "-don" insgesamt heller als der der Widerspruchsmarke. Dies beruht auf den markanten Lauten "li" der Zwischensilbe der jüngeren Marke, die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finden. Diese deutlichen Silben- und Lautunterschiede bleiben deshalb selbst bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen oder undeutlicher Aussprache der Wörter gut vernehmbar und gewährleisten eine hinreichend sichere Unterscheidung der nicht sehr langen und überschaubaren Markenwörter, auch wenn im allgemeinen dem Wortanfang eine größere Bedeutung beigemessen wird als den weiteren Wortbestandteilen (BGH aaO - Indorektal/Indohexal; NJW-RR 1998, 1655 - salvent/Salventerol) und die Verkehrsauffassung eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st. Rspr., vgl EuGH, MarkenR 236, 239 - Lloyd/Loints). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Endung "-on" im Arzneimittelbereich häufig anzutreffen ist und ihr daher keine besondere Beachtung beigelegt werden wird.
Im schriftbildlichen Markenvergleich, der im Hinblick auf die Rezeptpflicht im Vordergrund steht, unterscheiden sich die beiden Markenwörter in jeder üblichen Schreibweise ausreichend. Sie weisen nicht nur in der Wortlänge, sondern auch durch die zusätzliche Oberlänge des "L/l" der angemeldeten Marke, die in Normalschrift wie in handschriftlicher Wiedergabe eine abweichende Umrisscharakteristik zeigt, deutliche Unterscheidungsmerkmale auf. Zudem gestattet das Schriftbild erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung als das gesprochene Wort.
Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.
Winter Schramm Voit Hu
BPatG:
Beschluss v. 05.02.2001
Az: 30 W (pat) 103/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/484b5cf767d0/BPatG_Beschluss_vom_5-Februar-2001_Az_30-W-pat-103-00