Bundesgerichtshof:
Urteil vom 19. Mai 2010
Aktenzeichen: I ZR 177/07

(BGH: Urteil v. 19.05.2010, Az.: I ZR 177/07)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2007 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich des Klageantrags zu 1 (Unterlassungsantrag) festgestellt worden ist und die Beklagten jeweils zur Zahlung eines über 666,90 € hinausgehenden Betrages nebst Zinsen verurteilt worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Gießen - 2. Kammer für Handelssachen - vom 10. November 2006 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage mit dem Unterlassungsantrag insgesamt als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Sonnenschutzfolien und Folienrollos, die zur Vermeidung von Blendungs- und Wärmeeinwirkungen am Arbeitsplatz eingesetzt werden. Die Klägerin bietet ihre Produkte unter der Bezeichnung "Multifilm" an, die Beklagten verwenden die Bezeichnung "Glasgard".

Nach einer Ausschreibung vergab das Staatsbauamt Erfurt im Jahr 2005 den Auftrag für die Ausstattung eines Polizeigebäudes in Meiningen mit Folienrollos an ein Unternehmen, das die Produkte der Klägerin verwendet. Um den Auftrag hatte sich auch ein Unternehmen beworben, das Folienrollos der Beklagten vertreibt.

Der Beklagte zu 2 wandte sich wegen der Auftragsvergabe mit E-Mail vom 23. August 2005 an einen Mitarbeiter der für das Bauvorhaben zuständigen Planungsgesellschaft:

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Am 7. Oktober 2005 richtete die Beklagte zu 1 folgendes vom Beklagten zu 2 unterschriebenes Telefaxschreiben an das Staatsbauamt Erfurt:

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Die Klägerin beanstandete die Äußerungen in den beiden Schreiben der Beklagten als unlautere Werbung. Sie erwirkte mit Antrag vom 17. November 2005 wegen des Schreibens an das Staatsbauamt Erfurt eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Gießen, das den Beklagten mit Urteil vom 13. Januar 2006 (LG Gießen 8 O 148/05) antragsgemäß untersagte, im geschäftlichen Verkehr bei dem Vertrieb von Folienrollos staatliche Vergabestellen für die Vergabe von Bau- oder Werkaufträgen und/oder andere Abnehmer von Multifilm-Folienrollos über die angeblich überteuerten Multifilm-Produkte und/oder deren angebliche technischen Nachteile zu informieren, wenn dies geschieht wie in dem ... [in den Schriftsatz hineinkopierten, oben wiedergegebenen] Schreiben an das Staatsbauamt Erfurt.

Die Beklagten nahmen die von ihnen eingelegte Berufung gegen dieses Urteil zurück, gaben zunächst am 23. März 2006 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung und sodann mit Schreiben vom 30. März 2006, das den anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin am 31. März 2006 zuging, eine Abschlusserklärung ab.

Wegen der Äußerungen in der E-Mail vom 23. August 2005 ließ die Klägerin die Beklagten mit Schreiben ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten vom 25. November 2005 abmahnen und mit Fristsetzung bis zum 30. November 2005 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern. Zuvor hatte sie bereits eine auf dieses Schreiben bezogene Verbotsverfügung des Landgerichts Gießen mit Beschluss vom 11. November 2005 erwirkt, die den Beklagten am 5. Dezember 2005 zugestellt wurde. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 forderte die Klägerin die Beklagten auf, bis zum 4. Januar 2006 die einstweilige Verfügung wie ein in einem Hauptsacheverfahren ergangenes Urteil anzuerkennen. Die Beklagten gaben diese Erklärung nicht ab. Mit ihrer am 20. März 2006 eingereichten Klage im vorliegenden Hauptsacheverfahren, die den Beklagten am 12. Mai 2006 zugestellt worden ist, hat die Klägerin zunächst entsprechend der erlassenen Untersagungsverfügung beantragt, den Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr bei dem Vertrieb von Folienrollos sich zum Zwecke des Wettbewerbs gegenüber Architekten und/oder Planungsbüros über die angeblichen Vorteile von Folienrollos der Glasgard Rollosysteme GmbH & Co. KG und die angeblichen Nachteile von Folienrollos der Multifilm Sonnen- und Blendschutz GmbH zu äußern, wie in der Email des Beklagten zu 2 vom 23. August 2005 ... [in den Schriftsatz war die fragliche E-Mail hineinkopiert].

Ferner hat sie Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 2.667,60 € nebst Zinsen geltend gemacht.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, hinsichtlich eines Teils der beanstandeten Äußerungen sei sie unzulässig, weil insoweit mit dem Urteil des Landgerichts Gießen vom 13. Januar 2006 bereits ein vollstreckbarer Titel vorliege; hinsichtlich des anderen Teils sei die Klage unbegründet, weil diese Äußerungen nicht wettbewerbswidrig seien.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsverhandlung haben die Beklagten hinsichtlich folgender Äußerungen in Bezug auf die Folienführung der Produkte der Klägerin Wesentlicher Unterschied: Multifilm arbeitet noch wie vor 30 Jahren, als der Unterzeichner das Folienrollo in Deutschland einführte, mit 30 bis 40 mm breiten U-Profilen für die Folienführung, was manchem Architekten gar nicht gut gefällt und auch den Folien nicht immer gut bekommteine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben. Die Klägerin hat die Erklärung angenommen und den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen und außerdem geltend gemacht, das Unterlassungsbegehren sei unzulässig.

Das Berufungsgericht hat auf Antrag der Klägerin festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens in der Hauptsache erledigt ist, und hat die Beklagten zur Zahlung verurteilt. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin begehrt.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, hinsichtlich des ursprünglich zulässigen und begründeten Unterlassungsantrags der Klägerin sei infolge der Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten, die die Wiederholungsgefahr beseitigt habe, die Erledigung der Hauptsache eingetreten; für die durch die Abmahnung und die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung entstandenen Aufwendungen hafteten die Beklagten als Teilschuldner. Zur näheren Begründung hat es ausgeführt:

Die Klägerin habe ihren Unterlassungsantrag ohne Abstrahierung auf die konkrete Verletzungsform bezogen. Sie habe ihre einzelnen Beanstandungen nicht gesondert zum Gegenstand ihres Verbotsantrags gemacht, sondern die in der E-Mail vom 23. August 2005 enthaltene Werbung als Ganzes angegriffen. Ein solcher Antrag sei schon dann in vollem Umfang begründet, wenn die konkrete Verletzungsform eine einzige konkrete Wettbewerbswidrigkeit enthalte. Die Äußerung zur Frage der Gleichwertigkeit der Produkte der Parteien in Bezug auf die Folienführung stelle in ihrer konkreten Form eine nach §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 2 und 5 UWG unzulässige vergleichende Werbung dar. Schon deshalb sei der Unterlassungsantrag der Klägerin in vollem Umfang begründet gewesen. Die auf diese Äußerung bezogene Unterwerfungserklärung der Beklagten in der Berufungsverhandlung habe die Wiederholungsgefahr hinsichtlich dieser Äußerung und damit zugleich hinsichtlich der angegriffenen Werbemaßnahme in ihrer Gesamtheit beseitigt.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende landgerichtliche Entscheidung, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens die Erledigung der Hauptsache festgestellt und die Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 1.333,80 € (jeweils 666,90 €) verurteilt hat; im Übrigen (Verurteilung zur Zahlung der Kosten des Abschlussschreibens ebenfalls in Höhe von 1.333,80 €) ist die Revision unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat sich der Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsantrags durch die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten nicht in der Hauptsache erledigt, weil die Klage insoweit von Anfang an unzulässig war. Wegen der Abschlusserklärung der Beklagten auf die im Verfahren LG Gießen 8 O 148/05 ergangene Verbotsverfügung durch Urteil vom 13. Januar 2006 bestand für das Unterlassungsbegehren der Klägerin im vorliegenden Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis.

a) Erkennt der Unterlassungsschuldner durch eine Abschlusserklärung eine gegen ihn ergangene Unterlassungsverfügung als nach Bestandskraft und Wirkung einem entsprechenden Hauptsachetitel gleichwertig an, wird dadurch das Rechtsschutzinteresse für eine Hauptsacheklage beseitigt, weil sie einen dem Unterlassungstitel gleichwertigen Vollstreckungstitel entstehen lässt (vgl. BGHZ 181, 373 Tz. 14 - Mescher weis, m.w.N.; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl, § 12 Rdn. 170; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rdn. 2.16; Retzer in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 12 Rdn. 647; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 51 Rdn. 58).

b) Diese Wirkung der Abschlusserklärung reicht so weit wie der Verbotsumfang der Unterlassungsverfügung, die der Schuldner als endgültige Regelung anerkannt hat. Das Verbot eines Unterlassungstitels umfasst über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2009 - I ZR 46/07, GRUR 2010, 253 Tz. 30 = WRP 2010, 241 - Fischdosendeckel, m.w.N., zum Abdruck in BGHZ vorgesehen; Teplitzky aaO Kap. 57 Rdn. 12 m.w.N.). Die Reichweite eines Unterlassungstitels ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der gesamten Entscheidung, gegebenenfalls auch unter Heranziehung der Klage- oder Antragsbegründung, zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 37 = WRP 2008, 1104 - Internet-Versteigerung III; Fezer/Büscher aaO § 12 Rdn. 365; Teplitzky aaO Kap. 57 Rdn. 5). Bei einem Unterlassungstenor, der auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist, haben die neben der in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlung abstrakt formulierten Merkmale die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen (vgl. BGH, Urt. v. 2.6.2005 - I ZR 252/02, GRUR 2006, 165 Tz. 14 = WRP 2006, 84 - Aktivierungskosten II).

c) Das mit Urteil vom 13. Januar 2006 im Verfahren LG Gießen 8 O 148/05 ausgesprochene Verbot erfasst schon nach dem Wortlaut der Urteilsformel unterschiedliche Varianten. Das Verbot, beim Vertrieb von Folienrollos in bestimmter Weise zu informieren, ist sowohl hinsichtlich der Empfänger als auch hinsichtlich des Inhalts der verbotenen Information durch die Verwendung der Formulierung "und/oder" auf alternative Verletzungsformen gerichtet. Den Beklagten ist verboten worden, staatliche Vergabestellen "und/oder andere Abnehmer" von Multifilm-Folienrollos in der beanstandeten Art und Weise zu informieren. Hinsichtlich des Inhalts der Information wird unterschieden zwischen der Information über die angeblich überteuerten Multifilm-Produkte "und/oder deren angebliche technische Nachteile". Der Tenor erfasst demnach auch das isolierte Verbot der Information von anderen Abnehmern (lediglich) über angeblich technische Nachteile.

Der Inhalt der beanstandeten Information wird durch das in die Urteilsformel aufgenommene Schreiben an das Staatsbauamt Erfurt sowie durch die Urteilsgründe und die zur Auslegung heranzuziehende Antragsbegründung näher umschrieben. Danach geht es - soweit nicht der Vorwurf der Überteuerung, sondern der Vorwurf angeblicher technischer Nachteile als Gegenstand der (auch) gesonderten Verurteilung betroffen ist - ausweislich der Antragsschrift der Klägerin, auf die im Tatbestand des Urteils vom 13. Januar 2006 verwiesen wird, um die Behauptung der Beklagten, bei flächengeprägten Folien sei mit größerer Blasenbildung zu rechnen, der Erwerber solcher Folien gehe Risiken ein, für deren Vermeidung die Klägerin 40 bis 50 mm breite Profile einsetzen müsse, sowie um die Behauptung der Beklagten, die bei den Produkten der Klägerin eingesetzten Reinigungsbürsten seien nutzlos. In der Antragsschrift werden hierzu folgende Aussagen aus dem Schreiben an das Staatsbauamt Erfurt angeführt:

Den Architekten wiesen wir im Vorfeld darauf hin, dass er wie ausgeschrieben bei den flächengeprägten Folien mit größerer Blasenbildung rechnen muss und Risiken eingeht, für deren Vermeidung Multifilm 40 bis 50 mm breite Führungsprofile einsetzen muss - siehe Ihr LV. Mögen sie solche ungetümen Profile wirklich am Fenster€

Damit kaufen Sie das Nutzloseste ein, was es für Rollos gibt.

Streuen Sie Mehl- oder Zuckerstaub auf Multifilmrollos und es wird Ihnen optisch begreiflich, dass die Reinigungsbürsten Unsinn sind.

Die Klägerin hat diese Behauptung der Beklagten, die Produkte der Klägerin wiesen die genannten Nachteile auf, als nach §§ 3, 5, 6 Abs. 2 Nr. 2 und 5 UWG unlautere vergleichende und irreführende Werbung beanstandet.

d) Mit ihrer Klage im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin Unterlassung von Äußerungen in der E-Mail des Beklagten zu 2 vom 23. August 2005 über angebliche Nachteile ihrer Produkte wegen unlauterer vergleichender und irreführender Werbung gleichfalls mit der Begründung begehrt, die Behauptungen, die Verwendung von 30 bis 40 mm breiten Profilen sei nachteilig, die Reinigungsbürsten seien "völlig witz- und nutzlos" und es bestehe ein höheres Risiko der Blasenbildung, seien falsch. Dass die Beklagten derartige Äußerungen dem Inhalt nach zu unterlassen haben, folgt schon aus der Verbotsverfügung vom 13. Januar 2006. In diesem Titel ist durch die alternative Formulierung im Tenor klargestellt, dass die angeführten Äußerungen in dem Schreiben an das Staatsbauamt Erfurt (auch) isoliert als einzelne, also auch unabhängig von den sonstigen Äußerungen in diesem Schreiben etwa hinsichtlich überteuerter Produkte, verboten sind. Im Hinblick auf den Erklärungsempfänger erfasst der Verbotstitel vom 13. Januar 2006 auch Äußerungen gegenüber "anderen Abnehmern".

Bereits aus diesem Grund wird die E-Mail vom 23. August 2005 vom Verbotsumfang der Unterlassungsverfügung vom 13. Januar 2006 und der sich darauf beziehenden Abschlusserklärung der Beklagten erfasst, die den anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin am 31. März 2006 zugegangen ist. Denn die E-Mail vom 23. August 2005 enthält die bereits durch Urteil vom 13. Januar 2006 verbotenen, jedenfalls der Sache nach entsprechenden und damit im Kern gleichen Äußerungen. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass bei einem eng auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Verbot einer erweiternden Auslegung im Hinblick auf kerngleiche Verletzungshandlungen enge Grenzen gesetzt sind (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2009 - I ZR 58/07, GRUR 2010, 454 Tz. 12 = WRP 2010, 640 - Klassenlotterie, m.w.N.). Soweit die Äußerungen Abweichungen im Wortlaut aufweisen, sind diese unbeachtlich, weil das Charakteristische der Verletzungsform nicht in einem bestimmten Wortlaut, sondern in dem - übereinstimmenden - Inhalt der Aussagen liegt. Mit der im Urteil vom 13. Januar 2006 enthaltenen Umschreibung "andere Abnehmer" von Multifilm-Folienrollos als staatliche Vergabestellen für die Vergabe von Bau- oder Werkverträgen soll der Kreis der in Betracht kommenden Erklärungsempfänger ersichtlich auf alle Personen erstreckt werden, denen bei der Entscheidung, ob bei der Ausführung von Bau- oder Werkverträgen Folienrollos der Klägerin oder anderer Unternehmen zum Einsatz kommen, ein zumindest mitbestimmender Einfluss zukommt. Dazu gehören auch die in dem Unterlassungsantrag des vorliegenden Verfahrens genannten Architekten und Planungsbüros.

Demzufolge bestand für die am 12. Mai 2006 erhobene Klage im vorliegenden Verfahren von Anfang an kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin hat, wovon das Berufungsgericht mit Recht und von der Klägerin unbeanstandet ausgegangen ist, die in der E-Mail vom 23. August 2005 enthaltene Werbung als Ganzes und nicht einzelne Äußerungen gesondert angegriffen. Nachteilige Äußerungen in Form eines Schreibens als Ganzes wie in der beanstandeten E-Mail vom 23. August 2005 waren den Beklagten jedoch bereits durch das Urteil vom 13. Januar 2006 untersagt. Ob in der E-Mail vom 23. August 2005 zusätzlich zu den bereits von der Verbotsverfügung vom 13. Januar 2006 erfassten Aussagen möglicherweise weitere unzulässige Behauptungen enthalten sind wie insbesondere die vom Berufungsgericht als unlautere vergleichende Werbung angesehene Äußerung, die Klägerin arbeite noch wie vor dreißig Jahren, ist ohne Belang, weil die Klägerin nicht die isolierte Untersagung dieser oder anderer einzelner Äußerungen als solche, sondern lediglich der E-Mail vom 23. August 2005 als Ganzes begehrt hat. Da die Klage somit zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (vgl. BGHZ 83, 12, 15 f.) unzulässig war, hat sich der Rechtsstreit durch die Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten in der Berufungsverhandlung nicht erledigt.

2. Hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.667,60 € ist die Revision nur hinsichtlich der Abmahnkosten (1.333,80 €) begründet; hinsichtlich der Kosten des Abschlussschreibens (ebenfalls 1.333,80 €) bleibt sie erfolglos.

a) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 1.333,80 € zu, weil sie zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 25. November 2005 bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte. Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass sich in einem solchen Fall ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten weder aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 Satz 1, §§ 677, 670 BGB ergibt (BGH, Urt. v. 7.10.2009 - I ZR 216/07, GRUR 2010, 257 Tz. 9, 13 = WRP 2010, 258 - Schubladenverfügung; Urt. v. 21.1.2010 - I ZR 47/09, GRUR 2010, 354 Tz. 8, 10 = WRP 2010, 525 - Kräutertee).

b) Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Abschlussschreibens besteht, wenn es zur Rechtsverfolgung erforderlich war (vgl. BGH, Urt. v. 2.3.1973 - I ZR 5/72, GRUR 1973, 384 - Goldene Armbänder; Urt. v. 4.3.2008 - VI ZR 176/07, GRUR-RR 2008, 368 = WRP 2008, 805; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 12 Rdn. 3.73; Teplitzky aaO Kap. 43 Rdn. 31). Das ist hier hinsichtlich des Abschlussschreibens der Klägerin vom 21. Dezember 2005 der Fall. Durch eine entsprechende Abschlusserklärung der Beklagten hätte die Klägerin einen einem in einem Hauptsacheverfahren ergangenen Urteil vergleichbaren Titel erlangt. Das später eingeleitete Verfahren LG Gießen 8 O 148/05, in dem das Verbot erst mit Urteil vom 13. Januar 2006 erging, war insoweit nicht vorrangig.

III. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens die Erledigung der Hauptsache festgestellt und die Beklagten über einen Betrag von 1.333,80 € (jeweils 666,90 €) hinaus zur Zahlung verurteilt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage mit dem Unterlassungsantrag insgesamt als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm Pokrant Schaffert Bergmann Koch Vorinstanzen:

LG Gießen, Entscheidung vom 10.11.2006 - 8 O 33/06 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 18.09.2007 - 6 U 165/06 -






BGH:
Urteil v. 19.05.2010
Az: I ZR 177/07


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