Oberlandesgericht München:
Urteil vom 18. November 2010
Aktenzeichen: 29 U 3792/10

(OLG München: Urteil v. 18.11.2010, Az.: 29 U 3792/10)

Tenor

1. Die Berufung der Antragsgegner gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.07.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht am 20.05.2010 folgende einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegner, eine GmbH & Co. KG (Antragsgegnerin zu 1.), deren Komplementärin (Antragsgegnerin zu 2.) und den Geschäftsführer der Komplementärin (Antragsgegner zu 3.) erlassen:

Den Antragsgegnern wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten,

das Angebot der "s.tv" zu unterstützen, wenn im Rahmen des Angebots "s.tv" Sendungen aus dem Programm "R" gespeichert und/oder verbreitet werden.

Die Antragsgegner haben gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt.

Mit Urteil vom 28.07.2010 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 20.05.2010 mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass den Antragsgegnern verboten wird, das Angebot "S.TV" zu unterstützen, wenn im Rahmen des Angebotes "S.TV" Sendungen aus dem Programm R gespeichert werden und das entsprechende Fernsehsignal von einer Empfangseinrichtung an ein Speichermedium weitergeleitet wird.

Auf dieses Urteil wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Antragsgegner.

Die Antragsgegner beantragen in der Berufungsinstanz,

das Verfügungsurteil des Landgerichts München I vom 28.07.2010 zu dem Aktenzeichen Az. 21 O 9040/10 aufzuheben und den Antrag auf dessen Erlass zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt in der Berufungsinstanz,

die Berufung der Antragsgegner zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2010 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegner ist nicht begründet.

1. Die Antragsgegner stellen in der Berufungsinstanz in Abrede, dass der Antragstellerin ein Verfügungsanspruch zur Seite steht. Hiermit haben die Antragsgegner keinen Erfolg.

Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegner ein Verfügungsanspruch nach § 97 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 20 UrhG zur Seite steht. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil einen derartigen Verfügungsanspruch der Antragstellerin mit der Begründung bejaht, die von den Antragsgegnern unterstützte S. Ltd. habe das Weitersenderecht der Antragstellerin verletzt. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt, die hiesige Sachverhaltskonstellation entspreche der zweiten im Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.04.2009 € I ZR 175/07 erläuterten Variante, bei der die Sendungen der Antragstellerin an die Online-Videorecorder so vieler Kunden weitergeleitet werden, dass das Recht der Antragstellerin zur Weitersendung verletzt ist (Tz. 42 des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 22.04.2009 € I ZR 175/07). Gegen diese Ausführungen, die keine Rechtsfehler erkennen lassen, werden von den Antragsgegnern in der Berufungsinstanz insoweit Einwendungen erhoben, als diese geltend machen, die Antragstellerin sei im Hinblick darauf nicht aktivlegitimiert, dass sie das zum Betrieb eines Online-Videorecorders erforderliche Weitersenderecht an die V Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen mbH (im Folgenden: V) übertragen habe; infolge der unwiderruflichen Hinterlegung eines Betrags in Höhe von 10.000,00 Euro seitens der S. Ltd. gälten außerdem die von der V gehaltenen Nutzungsrechte als eingeräumt im Sinne des § 11 Abs. 2 UrhWG. Hiermit haben die Antragsgegner keinen Erfolg.

16Jedenfalls bezüglich des hier relevanten Zeitraums ab Mai 2010 € die Antragstellerin stellt auf eine Verletzungshandlung vom Mai 2010 nach Zugang des Abmahnungsschreibens vom 10.05.2010 ab (vgl. Anlagen ASt 9, ASt 10) € kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin der V die zum Betrieb eines Online-Videorecorders erforderlichen Weitersenderechte übertragen bzw. eingeräumt hat. Es kann hier dahinstehen, ob eine solche Übertragung bzw. Einräumung ursprünglich durch den Wahrnehmungsvertrag Fernsehen (Stand: September 2008) zwischen der Antragstellerin und der V (Anlage AG 5) erfolgt war (verneinend: Schreiben des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10.09.2010 (Anlage zum Protokoll des Termins vom 18.11.2010); bejahend: undatiertes Gutachten von Prof. Dr. H. (Anlage Bk 5)). Denn die Antragstellerin und die V haben mit der Vereinbarung vom November 2009 (Anlage ASt 14) jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft ausdrücklich klargestellt, dass das Recht der Antragstellerin zum Angebot des Fernsehprogramms "R" im Rahmen von Online-Videorecordern von dem genannten Wahrnehmungsvertrag nicht erfasst wird, sondern bei der Antragstellerin verblieben ist. Gegen die Wirksamkeit dieser Vereinbarung vom November 2009 bestehen keine Bedenken, selbst wenn die zum Betrieb eines Online-Videorecorders erforderlichen Weitersenderechte durch den genannten Wahrnehmungsvertrag ursprünglich der V übertragen bzw. eingeräumt worden sein sollten. Denn bei dem Betrieb eines Online-Videorecorders handelt es sich um eine selbständige Nutzungsart, die von einer weitergehenden Rechtsübertragung bzw. Nutzungsrechtseinräumung gemäß § 87 Abs. 2 UrhG ausgeklammert werden kann. Unter Nutzungsart ist jede übliche, technisch und wirtschaftlich eigenständige und damit klar abgrenzbare Verwendungsform eines Werkes zu verstehen (vgl. BGH, Urt. v. 10.06.2009 € I ZR 226/06, Tz. 18, juris € Musik für Werbezwecke ). Maßgebend ist insoweit, ob es sich um eine nach der Verkehrsauffassung als solche hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungsart handelt (vgl. BGH GRUR 1992, 310, 311 € Taschenbuchlizenz m.w.N.). Das ist bei dem Betrieb eines Online-Videorecorders der Fall. Auch wenn Online-Videorecorder teilweise dieselben Funktionen erfüllen, die bisher stationäre Videorecorder erfüllt haben, stellt sich der Betrieb von Online-Videorecordern unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung, nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Auffassung der Endnutzer als selbständige Nutzungsart dar (vgl. Schreiben des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10.09.2010, S. 5 f.; vgl. ferner Jan Bernd Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 31, Rdn. 78 zur Sendung per Internet-TV als selbständig abspaltbarer Nutzungsart). Insoweit ist der Sachverhalt des Streitfalles signifikant anders gelagert als der Sachverhalt, der dem Urteil des Senats vom 29.04.2010 € 29 U 3698/09 = MMR 2010, 704, 706 zugrunde liegt. Dort ging es um die anders gelagerte Frage, ob es sich, was der Senat bejaht hat, nach der Verkehrsauffassung bei der Vervielfältigung im Rahmen des Heraufladens (Upload) auf einen Server zum Zwecke der Online-Nutzung um eine untergeordnete Vorbereitungshandlung zur Vorbereitung der öffentlichen Zugänglichmachung, nicht hingegen um eine um ihrer selbst willen vorgenommene wirtschaftliche Nutzungsart handelt. In dem genannten Urteil vom 29.04.2010 war hingegen nicht entscheidungserheblich, ob eine Online-Nutzung als solche eine selbständige Nutzungsart darstellt.

Aufgrund der durch die Vereinbarung gemäß Anlage K 14 spätestens im November 2009 erzielten Einigung ist davon auszugehen, dass die zum Betrieb eines Online-Videorecorders erforderlichen Senderechte € jedenfalls bezüglich des Zeitraums ab Mai 2010 € bei der Antragstellerin verblieben sind. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf die Hinterlegung eines Betrags von 10.000,-- Euro, die die S. Ltd. zu Gunsten der V (vgl. Anlagenkonvolut AG 10) vorgenommen hat, nicht an.

2. Gegen die Bejahung eines Verfügungsgrundes seitens des Landgerichts erheben die Antragsgegner in der Berufungsinstanz keine Einwendungen. Insoweit sind auch keine Rechtsfehler erkennbar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG München:
Urteil v. 18.11.2010
Az: 29 U 3792/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/490a10c53328/OLG-Muenchen_Urteil_vom_18-November-2010_Az_29-U-3792-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share