Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Februar 2006
Aktenzeichen: 21 W (pat) 7/04
(BPatG: Beschluss v. 09.02.2006, Az.: 21 W (pat) 7/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Auf die am 23. Oktober 1997 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 197 46 786 mit der Bezeichnung "Optischer Flammenwächter" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Erteilung ist am 26. Oktober 2000 erfolgt.
Die Patentabteilung 43 hat das Streitpatent nach Prüfung des für zulässig erklärten Einspruchs mit Beschluss vom 5. Dezember 2003 widerrufen. Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber der Druckschrift E1: DE 195 09 704 A1 die erforderliche Neuheit fehle.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie verteidigt das angegriffene Patent gemäß Hauptantrag auf der Grundlage des erteilten Patentanspruchs 1, hilfsweise auf der Grundlage neuer Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3. Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht patenthindernd entgegenstehe. Dies gelte insbesondere auch für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3.
Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent aufrecht zu erhalten, hilfsweise mit den in der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2006 eingereichten Patentansprüchen 1 bis 4 gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3.
Der Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er macht weiterhin geltend, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 durch den Stand der Technik gemäß Druckschrift E1 neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Auch den Patentansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 stünde diese Entgegenhaltung patenthindernd entgegen.
Der erteilte, mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 lautet:
M1 Optischer Flammenwächter für einen Öl oder Gas mit blauer Flamme verbrennenden Brenner, M2 mit einem das Vorhandensein der Flamme überwachenden Halbleiterdetektor (10) mit einer spektralen Empfindlichkeit im nahen Ultraviolett, M3 der an einen Auswertekreis (14 bis 21) angeschlossen ist, der ein Warnsignal liefert, wenn die Frequenz des Detektorausgangssignals unter einen Schwellenwert fällt, M4 wobei die Verbrennung über einen Regler (38) für das Luft-Brennstoff-Verhältnis aufgrund der Flammenüberwachung beeinflussbar ist, dadurch gekennzeichnet, M5 dass ein IST-Wertdetektor (24) vorgesehen ist, der ein für die spektrale Verteilung der von der Flamme ausgehenden Strahlung repräsentatives Ausgangssignal liefert M6 und mit einer mit dem Regler (38) gekoppelten Auswerteschaltung (30 bis 34) für das Ausgangssignal zum Erzeugen eines IST-Wertsignals verbunden ist.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst die Merkmale M1 bis M6 des erteilten Patentanspruchs 1, an welche sich das Merkmal M7.1 anschließt, welches lautet:
M7.1 wobei der IST-Wertdetektor (24) eine UV-enhanced Siliziumdiode umfasst.
Gemäß Hilfsantrag 2 wird der erteilte Patentanspruch 1 durch das Merkmal M7.2 ergänzt, welches lautet:
M7.2 wobei das repräsentative Ausgangssignal die spektrale Verteilung selbst ist.
Gemäß Hilfsantrag 3 schließt sich an den erteilten Patentanspruch 1 das Merkmal M7.3 an, welches lautet:
M7.3 wobei ein Sollwertgeber (36) vorgesehen ist, der Werte liefert, die mit Istwerten der Intensität der spektralen Verteilung im Regler (38) verglichen werden.
Hinsichtlich der erteilten Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift, hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist nicht begründet, da sich weder der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1, noch der der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als patentfähig erweist.
1.) Die seitens des Senats von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung des Einspruchsvorbringens hat ergeben, dass der Einspruch zulässigerweise erhoben worden ist. Denn der auf mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes gestützte Einspruch ist innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin im Übrigen nicht bestritten worden.
2.) Das Streitpatent betrifft einen optischen Flammenwächter für Öl- und Gasbrenner, die den Brennstoff mit blauer Flamme verbrennen (Streitpatentschrift Spalte 1, Zeilen 3 bis 5). Wie in der Streitpatentschrift (Spalte 1, 2. Absatz) weiter ausgeführt ist, besteht in Deutschland die Vorschrift, dass optische Flammenwächter für solche Brenner in einem Spektralbereich außerhalb des Spektrums des sichtbaren Lichtes ansprechen sollen. Ausgewertet werde der Strahlungsdruck und der auf das Flackern der Flamme zurückgehende Wechselanteil, um eine Diskriminierung gegenüber statischer Hintergrundstrahlung, etwa von Kesselwänden, zu erreichen.
Dem Streitpatent (Spalte 1, Zeilen 34 bis 37) liegt die Aufgabe zugrunde, einen optischen Flammenwächter zu schaffen, der ein Steuersignal abgibt, das von der spektralen Verteilung der Flamme abhängig ist.
3.) Der hier zuständige Fachmann ist ein mit der Entwicklung von Öl- und Gasbrennern befasster, berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Energie- und Heizungstechnik mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der optischen Überwachung sowie der Steuerung und Regelung von Verbrennungsprozessen.
4.) Dem - zweifelsohne gewerblich anwendbaren - Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 fehlt im Hinblick auf die Druckschrift E1 die erforderliche Neuheit.
In dieser Entgegenhaltung (vgl. Spalte 1, 1. Absatz) ist ein optischer Flammenwächter für einen Öl oder Gas verbrennenden Brenner beschrieben. Es wird in der Druckschrift zwar nicht explizit erwähnt, dass der Brennstoff in diesem Brenner mit blauer Flamme verbrennt, doch bedarf es eines entsprechenden Hinweises für den Fachmann nicht. Denn ihm ist schon aufgrund seiner täglichen Lebenserfahrung bekannt, dass eine blaue Flamme eine hohe Verbrennungstemperatur und demzufolge einen günstigen Wirkungsgrad signalisiert, welchen es immer anzustreben gilt. Insofern geht für den zuständigen Fachmann das Merkmal M1 des erteilten Patentanspruchs 1 aus der Entgegenhaltung E1 hervor.
Denn durch eine zum Stand der Technik gehörende Schrift ist für den Fachmann alles offenbart und damit als neuheitsschädlich vorweggenommen anzusehen, was für den Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerlässlich zu ergänzen ist oder was er bei deren aufmerksamer Lektüre ohne Weiteres erkennt und in Gedanken gleich mitliest (vgl. BGH GRUR 1995, 330, Ls. 2 - "Elektrische Steckverbindung").
Auch das Merkmal M2 des erteilten Patentanspruchs 1 kann der Druckschrift E1 als bekannt entnommen werden. Gemäß dieser Entgegenhaltung (vgl. den Anspruch 4) ist nämlich ein Halbleiterdetektor vorgesehen, der anhand des Flackersignals (Spalte 4, Zeilen 11 bis 13) das Vorhandensein der Flamme überwacht (Anspruch 8). In der Druckschrift E1 ist nun zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dass der besagte Detektor eine spektrale Empfindlichkeit im nahen Ultraviolett aufweist. Jedoch ergibt sich dieses Merkmal für den Fachmann zwangsläufig daraus, dass gemäß diesem Stand der Technik unter anderem auch eine Überwachung dieses Spektralbereichs vorgesehen ist (vgl. in der E1 beispielsweise den Anspruch 2), was offensichtlich - wie vorstehend erwähnt - den gesetzlichen Erfordernissen in Deutschland entspricht.
Die Überwachung eines Flammensignals macht nach dem Verständnis des zuständigen Fachmanns natürlich nur dann Sinn, wenn im Falle irgendwelcher Störungen zumindest Warnsignale abgegeben werden, die auf diese Störungen aufmerksam machen. Deshalb liest der Fachmann bei der Durchsicht der E1 auch das Merkmal M3 des erteilten Patentanspruchs 1 ohne Weiteres mit.
Des Weiteren ist beim Stand der Technik gemäß der E1 (vgl. die Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 4, Zeilen 1 bis 26 sowie den Patentanspruch 9) auch ein Regler (6) für das Brennstoff-Luft-Verhältnis aufgrund der Flammenüberwachung entsprechend dem Merkmal M4 vorhanden. Zu diesem Zweck ist - wie im Merkmal M5 des erteilten Patentanspruchs 1 angegeben - ein IST-Wertdetektor (3) vorgesehen, der ein für die spektrale Verteilung der von der Flamme ausgehenden Strahlung repräsentatives Ausgangssignal liefert (Ansprüche 1 und 2 sowie die Figur 1 und die Beschreibung Spalte 4, Zeilen 1 bis 10), wobei dieser Detektor (3) gemäß Merkmal M6 mit einer mit dem Regler (6) zusammenwirkenden Auswerteschaltung (Signalverarbeitungseinheit 5) in Verbindung steht.
Somit gehen alle Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 unmittelbar aus der Druckschrift E1 hervor oder werden vom Fachmann bei der Durchsicht dieser Entgegenhaltung in Gedanken als selbstverständlich oder unerlässlich ergänzt. Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung demgegenüber die Auffassung vertreten, dass nach der Lehre der E1 lediglich ein Zweibereichsspektralsensor vorhanden sei, mit dem zwei gesonderte Spektralbereiche detektiert würden. Erfindungsgemäß sei hingegen ein IST-Wertdetektor vorgesehen, der ein für die spektrale Verteilung der von der Flamme ausgehenden Strahlung repräsentatives Ausgangssignal liefere. Insofern sei zumindest das Merkmal M5 des erteilten Patentanspruchs 1 nicht aus der Entgegenhaltung E1 bekannt.
Dieser Beurteilung des Standes der Technik vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn gemäß der E1 (vgl. die Ansprüche 1 und 2) werden mindestens zwei, beispielsweise vier Spektralbereiche für die Überwachung des Verbrennungsprozesses herangezogen. Geht man davon aus, dass einer dieser vier Spektralbereiche (vgl. Anspruch 8) nicht für Regelungszwecke, sondern - entsprechend Merkmal M2 des erteilten Patentanspruchs 1 - nur zur Flammenüberwachung im nahen Ultraviolett verwendet wird bzw. verwendet werden muss, dann bleiben drei Sensoren übrig, die das restliche Flammenspektrum, beispielsweise also den Bereich von 420 bis 5000 nm, abdecken. Damit wird aber auch schon beim Stand der Technik die spektrale Verteilung der von der Flamme ausgehenden Strahlung im Sinne des Streitpatents erfasst, wenngleich nicht in Form eines kontinuierlichen, sondern in Form dreier diskreter Spektren. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin darf das Merkmal M5 des erteilten Patentanspruchs 1 nicht so verstanden werden, dass das Flammenspektrum sozusagen "nahtlos" erfasst werden müsste, denn dafür findet sich keine Stütze im Patent.
Eine solche einengende Auslegung des angegriffenen Patentanspruchs, mit welcher zugegebenermaßen die Schutzfähigkeit seines Gegenstandes eher bejaht werden könnte, darf auch im Einspruchsverfahren nicht zugrunde gelegt werden (vgl. für das Nichtigkeitsverfahren BGH GRUR 2004, 47, 4a - "Blasenfreie Gummibahn I").
5.) Es kann dahinstehen, ob der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt ist und ob sein Gegenstand den Schutzbereich des Streitpatents erweitert. Ebenso braucht nicht geklärt zu werden, ob dieser Gegenstand neu ist, denn er beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
So ist auch beim Stand der Technik gemäß Druckschrift E1 (vgl. Spalte 3, Zeilen 45 bis 48) vorgesehen, das Flammensignal des bekannten Brenners mittels UV-Silizium-Sensoren zu überwachen. Es bietet sich für den Fachmann unmittelbar an, diese Sensoren durch Dioden zu realisieren, die bezüglich des hier interessierenden ultravioletten Spektrums eine besonders hohe Empfindlichkeit aufweisen, welche also - entsprechend dem Merkmal M7.1 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 - als "UV-enhanced" zu bezeichnen sind.
6.) Das zusätzliche Merkmal M7.2 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2, wonach das repräsentative Ausgangsignal des IST-Wertdetektors die spektrale Verteilung selbst sein soll, ist durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht gedeckt und deshalb unzulässig erweitert (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
Es ist zwar im ursprünglichen Patentanspruch 8 angegeben, dass der IST-Wertdetektor ein Ausgangssignal liefert, das die spektrale Verteilung der von der Flamme ausgehenden Strahlung repräsentiert, wie dies insoweit jetzt auch im Merkmal M5 des erteilten Patentanspruchs 1 beansprucht wird. Gemäß der zugehörigen Beschreibung (Offenlegungsschrift Spalte 3, 2. Absatz), die zur Auslegung des Anspruchswortlauts heranzuziehen ist (vgl. § 14 Satz 2 PatG), muss das besagte Merkmal aber in der Weise verstanden werden, dass der IST-Wertdetektor durch eine Diodenzeile mit vorgeschaltetem optischem Element zur Zerlegung der auftreffenden Strahlung in ihre Spektralanteile gebildet wird. Die Einzeldioden werden im Zeitmultiplex ausgelesen und die entsprechenden Signale verstärkt und gespeichert. Durch einen geeigneten Algorithmus werden die gespeicherten Werte sodann in einem Komparator miteinander verglichen. Dieses Vergleichsergebnis - mitnichten jedoch die spektrale Verteilung selbst - ergibt sodann den zur Regelung des Brenners erforderlichen IST-Wert. Auch in den übrigen Anmeldungsunterlagen findet sich keine Stütze für den im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchten Gegenstand. Insofern stellt das Merkmal M7.2 des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 eine unzulässige Erweiterung der ursprünglichen Offenbarung dar.
7.) Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 fehlt es an der erforderlichen Neuheit. Denn gemäß der Lehre der Druckschrift E1 (vgl. die Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 4, Zeilen 1 bis 26) ist über die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 hinaus bei dem bekannten optischen Flammenwächter auch schon ein Sollwertgeber (Brennersteuerung 7) vorgesehen, der die Sollwerte für den Regler (6) liefert, was nach dem Verständnis des zuständigen Fachmanns sinnvoll nur in der Weise geschehen kann, dass die Werte des Sollwertgebers (7) mit den Istwerten der Intensität der spektralen Verteilung im Regler (6) verglichen werden, wie dies insoweit im Merkmal M7.3 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 beansprucht wird.
8.) Nach alledem liegt ein gewährbarer Hauptanspruch nicht vor. Die Beschwerde der Patentinhaberin war deshalb zurückzuweisen.
BPatG:
Beschluss v. 09.02.2006
Az: 21 W (pat) 7/04
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