Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Oktober 2002
Aktenzeichen: 24 W (pat) 214/01

(BPatG: Beschluss v. 15.10.2002, Az.: 24 W (pat) 214/01)

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung der Ersten Richtlinie des Rates 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (ABl Nr L 40/1 vom 11. Februar 1989) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stellt der Einzelhandel mit Waren eine Dienstleistung im Sinne von Art 2 der Richtlinie dar€

Falls diese Frage bejaht wird:

2. Inwieweit sind derartige Dienstleistungen eines Einzelhändlers inhaltlich zu konkretisieren, um die Bestimmtheit des Gegenstandes des Markenschutzes zu gewährleisten, welche erforderlich ista) für die in Art 2 der Richtlinie geregelte Funktion der Marke, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, b) für die Abgrenzung des Schutzbereichs einer solchen Marke im Kollisionsfall€

3. Inwieweit ist der Bereich der Ähnlichkeit (Art 4 Abs 1 Buchstabe b und Art 5 Abs 1 Buchstabe b der Richtlinie) zwischen derartigen Dienstleistungen eines Einzelhändlers unda) sonstigen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Waren erbrachten Dienstleistungen oderb) den vom jeweiligen Einzelhändler vertriebenen Waren abzugrenzen€

Gründe

I. Sachverhalt Die graphisch und farbig ausgestaltete Marke "Praktiker" ist ua für

"Einzelhandel mit Bau-, Heimwerker- und Gartenartikeln und anderen Verbrauchsgütern für den Doityourself-Bereich"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung hinsichtlich dieser Angabe zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie insbesondere ausgeführt, der beanspruchte Begriff "Einzelhandel" bezeichne keine selbständigen Dienstleistungen von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung. Vielmehr betreffe er nur den Vertrieb von Waren als solchen. Die den Kernbereich des Warenvertriebs ausmachenden wirtschaftlichen Tätigkeiten, insbesondere der An- und Verkauf von Waren, seien keine Dienstleistungen, für welche die Eintragung einer Marke in Betracht komme. Vielmehr könne insoweit Markenschutz nur durch die Anmeldung einer für die jeweils vertriebenen Waren bestimmten Marke erlangt werden.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.

Zu deren Begründung macht sie vor allem geltend, daß der wirtschaftliche Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft eine andere Beurteilung des Einzelhandels als Dienstleistung erfordere. Für den Verbraucher flössen neben der Verfügbarkeit und dem Preis einer Ware in zunehmendem Maße weitere Gesichtspunkte bei seiner Kaufentscheidung ein, wie zB die Auswahl und Zusammenstellung der Waren, deren Präsentation, der vom Personal erbrachte Service, die Werbung, das Erscheinungsbild und die Lage des Geschäfts usw. Derartige über die reine Verkaufshandlung hinausreichenden Einzelhandelsdienstleistungen ermöglichten den jeweiligen Einzelhändlern, sich von ihren Wettbewerbern zu unterscheiden. Für diese betriebskennzeichnenden Leistungen müsse demnach der Schutz einer Dienstleistungsmarke eröffnet sein. Dementsprechend werde der Markenschutz für die Dienstleistungen eines Einzelhändlers mittlerweile nicht nur vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt, sondern auch von den meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anerkannt. Eine einheitliche Beurteilung dieser Frage innerhalb der Europäischen Union sei dringend erforderlich.

Insoweit beantragt die Anmelderin (sinngemäß), das Beschwerdeverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Frage der Eintragungsfähigkeit von Marken für die Dienstleistung "Einzelhandel mit Waren" zur Vorabentscheidung vorzulegen.

II. Rechtliche Würdigung 1. Maßgebliche Rechtsvorschriften Der Erfolg der Beschwerde hängt von der Auslegung der Ersten Richtlinie des Rates 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl EG Nr L 40 vom 11. Februar 1989, S 1) - im folgenden Richtlinie - ab. Vor der Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art 234 Abs 1 Buchst b; Abs 2 EG eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu den im Beschlußtenor gestellten Fragen einzuholen.

In diesem Zusammenhang erachtet der Senat folgende Vorschriften als entscheidungserheblich:

Art 2 der Richtlinie lautet (in deutscher Fassung):

"Marken können alle Zeichen sein, die sich graphisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden."

Art 4 Abs 1 der Richtlinie lautet (auszugsweise):

"Eine Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegt im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung, a)...

b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

..."

Art 5 Abs 1 der Richtlinie lautet (auszugsweise):

"Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehra)...

b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

..."

Diesen Vorschriften entsprechen inhaltlich die Bestimmungen des § 3 Abs 1, des § 9 Abs 1 Nr 2 und des § 14 Abs 2 Nr 2 des deutschen Markengesetzes vom 25. Oktober 1994 (im folgenden MarkenG).

2. Zur ersten Frage: Einzelhandel mit Waren als mögliche Dienstleistung im Sinne von Art 2 der Richtlinie 2.1. Grundsätzliche Unterscheidung zwischen Warenmarken und Dienstleistungsmarken Art 2 der Richtlinie (und § 3 Abs 1 MarkenG) enthält keine gesetzliche Definition der dort verwendeten Begriffe "Waren" und "Dienstleistungen". Zu dem Begriff der "Dienstleistung" kann lediglich auf die in Art 50 EG enthaltene Definition von Dienstleistungen als "Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden ..." zurückgegriffen werden. Der Richtlinie (und dem deutschen Markengesetz) kann indessen keine klare Unterscheidung der Bereiche wirtschaftlicher Betätigung entnommen werden, für die einerseits der Schutz einer für Waren eingetragenen Marke (Warenmarke) und andererseits der Schutz einer für Dienstleistungen geschützten Marke (Dienstleistungsmarke) in Betracht kommt. Eine derartige Unterscheidung ist jedoch nach Ansicht des Senats im Einzelfall unabdingbar. Sie ist zunächst für die Feststellung erforderlich, ob der Markenschutz für selbständige Waren bzw für Dienstleistungen von eigenständiger Bedeutung beansprucht wird oder nur für Hilfswaren bzw Hilfsdienstleistungen, die lediglich zur Herstellung oder zum Vertrieb der eigentlichen Waren bzw zur Erbringung der eigentlichen Dienstleistungen ergänzend eingesetzt werden, ohne dabei eine selbständige Bedeutung im Wettbewerb zu erlangen. Im weiteren ist eine Abgrenzung zwischen Waren- und Dienstleistungsmarken für die Bestimmung des Schutzumfangs gegenüber anderen Marken unerläßlich, weil der Schutzbereich einer für bestimmte Waren eingetragenen Marke sich nicht ohne weiteres mit dem einer entsprechenden Dienstleistungsmarke deckt.

2.2. Besondere Problematik der Unterscheidung zwischen Waren- und Dienstleistungsmarken bei der Tätigkeit eines Einzelhändlers 2.2.1. Hinsichtlich des Vertriebs von Waren als solchem unterscheidet sich ein Warenhändler nicht grundsätzlich von einem Warenhersteller. Wer Waren verkauft, tritt mit dieser wirtschaftlichen Betätigung in Wettbewerb zu den Produzenten entsprechender Waren, die diese Produkte ebenfalls bestimmungsgemäß verkaufen oder anderweitig vertreiben. In diesem Wettbewerb kann er sich durch eine für die fraglichen Waren eingetragene Warenmarke von seinen Konkurrenten abgrenzen und gegenüber den Verbrauchern die Ursprungsidentität seiner Waren garantieren (vgl EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 - Nr 22 - "Bravo"). Eine Notwendigkeit und damit auch Rechtfertigung für ein über den Bereich der vertriebenen Waren hinausreichendes Monopolrecht einer Dienstleistungsmarke ist für diesen Betätigungsbereich nicht ersichtlich.

2.2.2. Kein grundsätzlicher Unterschied besteht auch zwischen Warenhersteller und Händler im Bereich der wirtschaftlichen Betätigungen, die notwendigerweise mit dem Vertrieb von Waren zusammenhängen, wobei unerheblich ist, ob eigene oder fremde Produkte verkauft werden. Hierzu zählen vertriebstypische Leistungen, wie etwa die Beratung der Kunden beim Einkauf, Informations- und Werbemaßnahmen für die angebotenen Produkte usw. Derartige Leistungen treten gegenüber dem Abnehmer nicht als eigenständige Dienstleistungen in Erscheinung, soweit sie in Verbindung mit dem Vertrieb von Waren erbracht werden. Für sie kommt demnach nicht der Schutz einer selbständigen Dienstleistungsmarke in Betracht; vielmehr werden sie vom Schutz einer für die jeweils vertriebenen Waren eingetragenen Warenmarke umfaßt (s 2.2.1.).

2.2.3. Die Notwendigkeit eines speziellen Markenschutzes für Dienstleistungen eines Einzelhändlers ist schließlich auch bei sonstigen Aktivitäten eines Einzelhändlers nicht festzustellen, die dem Kunden neben dem eigentlichen Warenvertrieb erkennbar als davon unabhängige Dienstleistungen offeriert werden. Das gilt zB für die von einem Großkaufhaus angebotenen Finanzdienstleistungen, Wartungs- oder Versicherungsverträge, Reisevermittlung, Eintrittskartenverkauf, Unterhaltung, Verköstigung usw. Mit diesen Leistungen tritt ein Einzelhändler in erster Linie in Konkurrenz zu Banken, Versicherungen, Reisebüros, Unterhaltungsbetrieben, Gaststätten usw. Insoweit werden Dienstleistungen wie "Finanzwesen", "Versicherungswesen", "Unterhaltung", "Verpflegung von Gästen" usw erbracht, für die nach der Klasseneinteilung des "Nizzaer Klassifikationsabkommens" (s dazu im einzelnen nachfolgend 2.3.1.) jeweils ein eigenständiger Markenschutz vorgesehen ist.

2.2.4. Als Kernbereich der wirtschaftlich und rechtlich selbständigen Betätigung eines Einzelhändlers, mit der er in direkten Wettbewerb zu anderen Händlern tritt und für die sich insoweit die Notwendigkeit eines eigenständigen Schutzes einer Dienstleistungsmarke ergeben könnte, verbleiben somit die spezifischen Händlertätigkeiten, die einen Warenvertrieb ermöglichen, ohne sich auf dessen Abwicklung zu beschränken. Hierbei handelt es sich um die Zusammenstellung von Waren verschiedener betrieblicher Herkunft zu einem Sortiment und dessen Angebot im Bereich einer einheitlichen Vertriebsstätte, sei es im stationären Einzelhandel, im Versandhandel oder im elektronischen Handelsverkehr. Diese Beurteilung der Dienstleistung eines Einzelhändlers steht in Einklang mit der Definition des Art 50 EG. Zwar werden solche Leistungen gegenüber dem einzelnen Kunden nicht gesondert abgerechnet, können aber gleichwohl als entgeltlich angesehen werden, weil sie über die jeweilige Handelsspanne von den Abnehmern bezahlt werden.

2.3. Unterschiedliche rechtliche Beurteilung von Dienstleistungen eines Einzelhändlers Die rechtliche Bewertung der Dienstleistung eines Einzelhändlers in Berücksichtigung der erforderlichen Abgrenzung zwischen Waren- und Dienstleistungsmarken ist im deutschen und europäischen Recht umstritten.

2.3.1. Gemeinsamer Ausgangspunkt der unterschiedlichen Beurteilung ist hierbei das "Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken" vom 15. Juni 1959 (im folgenden NKA). Deutschland ist - wie alle anderen Staaten der Europäischen Union - als Mitglied dieses Abkommens verpflichtet, die im NKA vorgesehene Klassifikation als Haupt- oder Nebenklassifikation anzuwenden (Art 2 Abs 2 NKA). Auch das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) - im folgenden HABM - wendet die Klassifikation des NKA bei der Eintragung von Gemeinschaftsmarken an (Regel 2 der Verordnung (EG) Nr 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke). Das NKA stellt ein Sonderabkommen im Sinne von Art 19 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (im folgenden PVÜ) dar. Nach dem zwölften Erwägungsgrund zur Richtlinie sind die Vorschriften der Richtlinie in vollständiger Übereinstimmung mit der PVÜ auszulegen, wobei insbesondere die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den internationalen Abkommen unberührt bleiben müssen.

Gemäß Art 1 Abs 2 NKA besteht die insoweit verbindliche Klassifikation aus der Klasseneinteilung mit erläuternden Anmerkungen und einer alphabetischen Liste. Die erläuternde Anmerkung zur Klasse 35 der Klasseneinteilung lautet auszugsweise:

"Diese Klasse enthält insbesondere:

- Das Zusammenstellen verschiedener Waren (ausgenommen deren Transport) für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern;

- ...

Diese Klasse enthält insbesondere nicht:

- Tätigkeiten eines Unternehmens, deren Hauptaufgabe der Verkauf von Waren ist, d.h. eines sogenannten Handelsunternehmens;

- ..."

Nach dem Wortlaut dieser erläuternden Anmerkung ist somit als Dienstleistung der Klasse 35 nur das Zusammenstellen verschiedener Waren, nicht dagegen die im Warenvertrieb bestehende Tätigkeit eines Handelsunternehmens zu verstehen.

2.3.2. Nicht zuletzt im Hinblick auf die genannte erläuternde Anmerkung zu Klasse 35 der Klasseneinteilung des NKA hat das Deutsche Patent- und Markenamt bisher die Eintragbarkeit von Marken für Einzelhandelsdienstleistungen grundsätzlich verneint, weil es sich hierbei ausschließlich um den Vertrieb von Waren (im Wege des Kaufvertrags), nicht um eine selbständige Dienstleistung handle (vgl BPatG GRUR 1985, 50, 51 f "Lodenfrey"). Bezüglich dieser wirtschaftlichen Betätigung ist dementsprechend nur die Eintragung einer Marke für die jeweils vertriebenen Waren in Erwägung gezogen worden. Der Schutz einer Dienstleistungsmarke ist lediglich anerkannt worden, wenn ein Handelsunternehmen Leistungen erbrachte, die über den Kernbereich des Vertriebs von Waren hinausgingen und nicht ausschließlich unselbständige Hilfsdienstleistungen darstellten, sondern auch Dritten gegenüber als selbständige Leistungen abgeboten werden konnten (eine zusammenfassende Darstellung dieser Spruchpraxis findet sich bei Grabrucker, GRUR 2001, 623, 624 ff).

2.3.3. Das HABM hatte ursprünglich eine der deutschen Praxis entsprechende Auffassung vertreten und den Einzelhandel mit Waren nicht als Dienstleistung erachtet, für die eine Gemeinschaftsmarke eingetragen werden konnte (vgl Nr 4.3.j. der ursprünglichen Prüfungsrichtlinien, HABM-Abl 1996, 1300, 1304). Hierbei war es von einer entsprechenden Aussage in Nr 2 der "Gemeinsamen Erklärungen des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Protokoll des Rates anläßlich der Annahme der Verordnung des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke" (HABM-ABl 1996, 612) ausgegangen. Demgegenüber hat die 2. Beschwerdekammer des HABM in der Entscheidung vom 17. Dezember 1999 - R 46/1998-2 "GIACOMELLI SPORT" (HABM-ABl 2000, 730) die grundsätzliche Zulässigkeit der Eintragung von Gemeinschaftsmarken für Einzelhandelsdienstleistungen anerkannt, jedoch deren nähere Präzisierung verlangt. Im Anschluß an diese Entscheidung hat der Präsident des HABM mit Mitteilung Nr 3/01 vom 12. März 2001 (HABM-ABl 2001, 1222) festgestellt, daß die von Einzelhandelsunternehmen erbrachten Dienstleistungen als solche Gegenstand von Gemeinschaftsmarken sein könnten. Abweichend von den Ausführungen der 2. Beschwerdekammer des HABM (HABM-ABl 2000, 730, 750 - Nr 27) erachtet der Präsident des HABM nähere Spezifizierungen dieser - in Klasse 35 der Klasseneinteilung des NKA einzuordnenden - Dienstleistungen für die Markeneintragung als nicht erforderlich. Hinsichtlich möglicher Konflikte zwischen Dienstleistungs- und Warenmarken schließt er eine Ähnlichkeit zwischen im Einzelhandel verkauften Waren und Einzelhandelsdienstleistungen zwar nicht aus, bewertet diese aber grundsätzlich als gering, so daß nur unter besonderen Voraussetzungen (zB Identität der Marken) die Verwechslungsgefahr zu bejahen sei.

2.3.4. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bejahen zwischenzeitlich weitgehend die grundsätzliche Möglichkeit einer Markeneintragung für Dienstleistungen eines Einzelhändlers in Klasse 35 der Klasseneinteilung des NKA. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch in der Frage, ob und inwieweit derartige Dienstleistungen durch konkretisierende Zusätze hinsichtlich der Art oder des Einsatzbereichs der Leistungen näher bestimmt werden müssen. Hiermit in unlösbarem Zusammenhang steht die weitere Frage, ob und inwieweit Einzelhandelsdienstleistungen mit anderen Dienstleistungen und vor allem mit den jeweils vertriebenen Waren in der Weise als ähnlich anzusehen sind, daß eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist. Auch in dieser Frage ist - soweit ersichtlich - die Spruchpraxis der einzelnen Mitgliedstaaten und des HABM nicht einheitlich.

2.4. Klärungsbedürftige Rechtsfragen 2.4.1. Vor allem im Hinblick darauf, daß nationale Marken und Gemeinschaftsmarken sowohl in Verfahren vor dem HABM als auch in Verfahren vor den nationalen Behörden und Gerichten aufeinandertreffen, ist eine verbindliche Klärung der gestellten Fragen durch eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften erforderlich. Da Gemeinschaftsmarken in den Mitgliedstaaten ihrem Inhaber die gleichen Rechte verleihen wie nationale Marken, kann eine unterschiedliche Eintragungspraxis unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht hingenommen werden. Dasselbe gilt für die im folgenden noch auszuführenden Probleme einer Ähnlichkeit von Dienstleistungen eines Einzelhändlers mit den dabei vertriebenen Waren. Eine divergierende Behandlung dieser Rechtsfragen in den Mitgliedstaaten könnte zu einer erheblichen Verzerrung des Wettbewerbs innerhalb der Europäischen Union führen.

2.4.2. Der Senat geht davon aus, daß seine erste Frage, ob für den Einzelhandel mit Waren die Eintragung von Dienstleistungsmarken grundsätzlich möglich ist, nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit den weiteren Fragen zu beantworten ist. Die Zulässigkeit einer dahingehenden Erweiterung markenrechtlicher Ausschließlichkeitsrechte hängt vor allem davon ab, ob und inwieweit ein derartiger Markenschutz im Rahmen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs inhaltlich zu bestimmen und gegebenenfalls zu begrenzen ist. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei, daß trotz möglicher tatsächlicher Überschneidungen eine eindeutige rechtliche Unterscheidung zwischen einerseits den Dienstleistungen eines Einzelhändlers als solchen und andererseits den im Rahmen des Einzelhandels vertriebenen Waren sowie weiteren dabei erbrachten Leistungen gewährleistet sein muß. Die Erlangung einer Marke für "Einzelhandelsdienstleistungen" (in Klasse 35 der Klasseneinteilung) darf nach Ansicht des Senats keinesfalls zu einer unkontrollierten Erweiterung des Markenschutzes führen, der sowohl alle vom Einzelhändler im Gesamtzusammenhang seiner wirtschaftlichen Betätigung erbrachten Leistungen als auch alle im Einzelhandel vertriebenen Waren und damit einen Bereich umfaßt, für den ansonsten die Eintragung und Benutzung von Marken für eine Vielzahl einzelner Waren- und Dienstleistungsklassen erforderlich wäre. Insoweit kommt nach Ansicht des Senats eine Eintragung von Marken für die Dienstleistungen eines Einzelhändlers nur in Betracht, sofern eine praktikable Bestimmung des Gegenstands dieses Markenschutzes gewährleistet ist (s dazu die zweite Frage). Diese Begrenzung muß auch bei der Beurteilung des Verteidigungsbereichs einer für derartige Dienstleistungen eingetragenen Marke berücksichtigt werden, was insbesondere die Problematik der Ähnlichkeit der fraglichen Dienstleistung mit den im Einzelhandel vertriebenen Waren sowie weiteren im Zusammenhang mit dem Warenvertrieb erbrachten selbständigen Leistungen betrifft (s dazu die dritte Frage).

3. Zur zweiten Frage: Notwendigkeit einer inhaltlichen Konkretisierung der Dienstleistung eines Einzelhändlers 3.1. Grundsätzliches Erfordernis der Bestimmtheit des Markenschutzes zur Erfüllung der Herkunftsfunktion im Sinne von Art 2 der Richtlinie Die Frage, ob ein Markenschutz für die Dienstleistungen eines Einzelhändlers eröffnet werden soll, beinhaltet zwangsläufig die weitere Frage nach dem Gegenstand des beantragten und erteilten Schutzes. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften besteht die hauptsächliche Funktion der Marke im Sinne von Art 2 der Richtlinie darin, dem Verbraucher die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden (vgl zB EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 - Nr 22, 23 - "Bravo"; GRUR 2002, 804, 806 - Nr 30 - "Philips"). Nur soweit ein Zeichen eine solche Herkunftsfunktion zu erfüllen vermag, darf es der freien Verwendbarkeit entzogen werden und Gegenstand eines Monopolrechts werden. Dieser Funktion kann eine Marke nur entsprechen, wenn der Gegenstand des markenrechtlichen Schutzes hinreichend deutlich bestimmt ist. Da das Markenrecht ein wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs ist (vgl EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 - Nr 21 - "Bravo"), müssen im Interesse eines freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs Inhalt und Grenzen des Ausschließlichkeitsrechts für den Markeninhaber und etwaige Mitbewerber eindeutig erkennbar sein. Das gilt vor allem für registrierte Rechte, deren Umfang sich zweifelsfrei aus dem Register ergeben muß, zumal die Verletzung registrierter Marken nach der Richtlinie schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

3.2. Erfordernis einer inhaltlichen Begrenzung des Begriffs der Dienstleistungen eines Einzelhändlers bereits bei der Eintragung von Marken 3.2.1. Allgemeine Begriffe wie "Einzelhandelsdienstleistungen", "Einzelhandel mit Waren", "Dienstleistungen eines Kaufhauses" usw genügen nach Ansicht des Senats diesem Gebot der Bestimmtheit von Ausschließlichkeitsrechten nicht, da sie eine hinreichende Abgrenzung des Schutzgegenstands der Marke nicht ermöglichen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß im Zusammenhang mit dem Einzelhandel häufig ein breites Spektrum von Tätigkeiten ausgeübt wird, das zB auch Vermittlung von Kreditverträgen, Verpackung und Lagerung von Waren, Transport usw umfassen kann. Insoweit ist die erforderliche Unterscheidung der Tätigkeit eines Einzelhändlers gegenüber dem Betätigungsfeld anderer, rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmen - wie zB Banken, Reisebüros, Dekorateuren, Malern, Raumpflegeunternehmen, Installateuren, Speditionen, Gaststätten usw - nicht von vorneherein gewährleistet. Zwar enthält die Klasseneinteilung nach dem NKA mehrere breit gefaßte und umfangreiche Dienstleistungsbegriffe. Die rechtliche Problematik des Begriffs "EinzelhandelsdienstIeistung" liegt aber nicht nur in der Breite des betreffenden Betätigungsfeldes, sondern vor allem darin, daß dieser Begriff inhaltlich unbestimmt und gegenüber anderen Dienstleistungen nicht hinreichend abgrenzbar ist. Das gilt um so mehr, als die betreffenden Leistungen als solche häufig für den Kunden nicht hinreichend eindeutig als eigenständige Dienstleistungen in Erscheinung treten.

3.2.2. Beschränkungen lediglich auf den Bereich der jeweils vertriebenen Waren (wie etwa im vorliegenden Fall "Bau-, Heimwerker- und Gartenartikel sowie andere Verbrauchsgüter für den Doityourself-Bereich") sind nach Ansicht des Senats in diesem Zusammenhang unbehelflich, weil sie die Unbestimmtheit der Angabe "Einzelhandel" in dem jeweiligen Einzelbereich nicht beseitigen. So läßt auch eine Angabe "Einzelhandel mit Bauwaren" offen, welche über den bloßen Verkauf dieser Waren hinausgehende Dienstleistungen davon umfaßt sein können.

3.2.3. Entsprechende Bedenken bestehen gegen Präzisierungen, die sich auf die Art der Vertriebsstätte (zB Kaufhaus, Supermarkt usw) beziehen. Erstens sind auch diese Begriffe wegen der großen Vielzahl unterschiedlicher Dienstleistungen, die in solchen Vertriebsstätten erbracht werden können, nicht hinreichend bestimmbar. Zweitens beschränkt sich der Unterschied in der Größe und in der organisatorischen Struktur zwischen einzelnen Erbringungsstätten der Dienstleistung von Einzelhändlern häufig darauf, ob dieselben Leistungen durch betriebsinterne Mitarbeiter oder durch außenstehende selbständige Dritte erbracht werden. Abgesehen davon, daß solche Auslagerungen je nach Wirtschaftslage laufend erfolgen und wieder rückgängig gemacht werden können, wird dadurch der Charakter der jeweiligen Dienstleistung in keiner Weise verändert, insbesondere für die markenrechtliche Beurteilung nicht konkreter bestimmt.

3.2.4. Vielmehr hält der Senat in Übereinstimmung mit der Spruchpraxis mehrerer europäischer Staaten inhaltliche Begrenzungen des beanspruchten Markenschutzes für unverzichtbar. Ausgehend von der bereits oben angeführten erläuternden Anmerkung zu Klasse 35 der Klasseneinteilung des NKA und in Abgrenzung zu weiteren selbständigen Dienstleistungen (anderer Klassen) kommen insoweit nur Formulierungen in Betracht, die das Zusammenstellen von Waren verschiedener betrieblicher Herkunft (ausgenommen deren Transport) für Dritte zur Ermöglichung oder Erleichterung des Erwerbs dieser Waren beinhalten.

3.3. Erfordernis einer inhaltlichen Begrenzung des Begriffs der Dienstleistungen eines Einzelhändlers als Voraussetzung einer sachgerechten Bestimmung des Schutzumfangs im Kollisionsfall Die oben (unter 3.2.) erörterte Notwendigkeit einer inhaltlichen Begrenzung des Begriffs der Dienstleistungen eines Einzelhändlers bei der Eintragung von Marken ergibt sich in noch stärkerem Maße bei der in nachfolgenden Kollisionsverfahren vorzunehmenden Auslegung des Begriffs der Verwechslungsgefahr in Art 4 Abs 1 Buchstabe b und Art 5 Abs 1 Buchstabe b der Richtlinie. Eine für den Begriff "Einzelhandel mit Waren" eingetragene Marke könnte nämlich zu einem praktisch unübersehbaren Monopol für alle etwa im Geschäftsbereich eines Großkaufhauses oder einer überregionalen Handelskette erbrachten Leistungen und gegebenenfalls dabei verwendeten oder vertriebenen Waren führen. Ein solcher unüberschaubarer Schutzbereich einer Marke ist nach Ansicht des Senats nicht nur unter dem Gesichtspunkt seiner Unbestimmtheit und Unkalkulierbarkeit ungerechtfertigt, sondern berücksichtigt auch die Belange des freien Wettbewerbs nicht in angemessener Weise.

4. Zur dritten Frage: Bewertung einer Marke für Dienstleistungen eines Einzelhändlers bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen 4.1. Notwendigkeit einer Begrenzung des Bereichs der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen 4.1.1. Auch eine angemessene inhaltliche Konkretisierung des Begriffs der Dienstleistungen eines Einzelhändlers im Eintragungsverfahren würde sich letztlich als unzureichend erweisen, wenn in nachfolgenden Kollisionsverfahren solchen Dienstleistungsmarken durch eine weite Auslegung des Begriffs der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen (Art 4 Abs 1 Buchstabe b und Art 5 Abs 1 Buchstabe b der Richtlinie) ein unkontrollierbarer Schutzbereich zugesprochen werden müßte.

4.1.2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften kommt es für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen im Sinne von Art 4 Abs 1 Buchstabe b und Art 5 Abs 1 Buchstabe b der Richtlinie grundsätzlich darauf an, ob in Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Umstände die beteiligten Verkehrskreise der Auffassung sein können, die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 924 - Nr 28 - "Canon"; GRUR 2002, 804, 806 - Nr 30 - "Philips"). Zu den insoweit maßgeblichen Faktoren zählen insbesondere Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie eine mögliche Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Nr 23 - "Canon").

Diese sehr weit gehaltene Definition der Ähnlichkeit, die eine gemeinsame Qualitätskontrolle im Bereich funktionell zusammenhängender Waren oder Dienstleistungen für ausreichend erachtet, bedarf nach Ansicht des Senats im Bereich des Einzelhandels mit Waren einer engen Auslegung. Die durch einen Einzelhändler möglicherweise ausgeübte wirtschaftliche und rechtliche Kontrolle über die jeweils vertriebenen Waren (zB in Form von Qualitätskontrollen) sowie über zahlreiche im Zusammenhang mit dem Einzelhandel erbrachte Leistungen darf nach Ansicht des Senats nicht dazu führen, daß alle diese Waren und Leistungen als ähnlich mit den Dienstleistungen eines Einzelhändlers zu behandeln sind.

4.2. Dienstleistungen eines Einzelhändlers und sonstige Dienstleistungen Die erforderliche Beschränkung der Ähnlichkeit gilt zunächst für die im Gesamtzusammenhang mit dem Einzelhandel erbrachten Dienstleistungen. Da - wie bereits unter 2.2.3. ausgeführt - die Dienstleistung eines Einzelhändlers nicht alle möglicherweise aus Anlaß des Warenvertriebs erbrachten weiteren selbständigen Leistungen abdeckt, müssen zu deren markenrechtlichen Absicherung die entsprechenden zusätzlichen Dienstleistungsmarken angemeldet werden. So stellen etwa die von einem Großkaufhaus im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Waren angebotenen Finanzdienstleistungen, Wartungs- oder Versicherungsverträge, Verköstigungen usw keine Dienstleistungen eines Einzelhändlers (im Sinne der Klasse 35 der Klasseneinteilung) dar, sondern sind als gesonderte Dienstleistungen im Bereich "Finanzwesen" und "Versicherungswesen" (jeweils Klasse 36), "Reparaturwesen" (Klasse 37) oder "Verpflegung von Gästen" (Klasse 43) zu bewerten, für die ein eigenständiger Markenschutz in Betracht kommt. Diese notwendige Trennung der lediglich in Verbindung mit dem Einzelhandel erbrachten unterschiedlichen Leistungen würde illusorisch, wenn sich der Schutz einer für die Dienstleistungen eines Einzelhändlers eingetragenen Marke im Wege der Ähnlichkeit gleichwohl auf alle im weiteren Zusammenhang mit dem Warenvertrieb erbrachten Dienstleistungen erstrecken würde.

4.3. Dienstleistungen eines Einzelhändlers und vertriebene Waren 4.3.1. Bei dem Vergleich von Waren und Dienstleistungen geht die deutsche Spruchpraxis grundsätzlich davon aus, daß Dienstleistungen mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und den durch sie erzielten Ergebnissen (soweit sie Waren hervorbringen) nicht ohne weiteres ähnlich sind. Der Eindruck einer die Ähnlichkeit begründenden gemeinsamen betrieblichen Kontrolle wird jedoch dann angenommen, wenn Dienstleistungsunternehmen sich selbständig mit der Herstellung bzw dem Vertrieb von Waren befassen oder Warenhersteller bzw -händler sich auch auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig betätigen (vgl zB BGH GRUR 1999, 731, 733 "Canon II"). So wird zB die Ähnlichkeit der Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" mit den Waren "alkoholische Getränke" bejaht, da diese Waren entweder bereits in den Herstellungsbetrieben zum unmittelbaren Genuß angeboten oder von Gaststätten nicht nur im Rahmen der Bewirtung ausgeschenkt, sondern auch im "Straßenverkauf" vertrieben werden (vgl BGH GRUR 1999, 586, 587 "White LION"; GRUR 2000, 883, 884 "PAPPAGALLO").

4.3.2. Wenn diese allgemeinen Grundsätze, insbesondere die Maßgeblichkeit der gemeinsamen Qualitätskontrolle, im Verhältnis der Dienstleistungen eines Einzelhändlers zu den von diesem vertriebenen Waren herangezogen werden, ergibt sich die Gefahr eines unkontrollierbaren Ähnlichkeitsbereichs der für Dienstleistungen eines Einzelhändlers eingetragenen Marke, welcher grundsätzlich alle im Einzelhandel vertriebenen Waren umfassen könnte. Da zahlreiche Handelsunternehmen auch eine betriebliche Kontrolle der von ihnen verkauften Waren vornehmen, könnte sich der Schutzbereich ihrer Dienstleistungsmarke auf praktisch sämtliche vom Einzelhandel betroffenen Waren und damit auf einen Bereich erstrecken, für den ansonsten der Erwerb von Warenmarken für eine Vielzahl einzelner Waren sowie die jeweils funktionsgemäße Benutzung dieser Marken erforderlich wäre.

In Übereinstimmung mit der Spruchpraxis verschiedener europäischer Staaten sowie Stimmen in der Literatur (vgl zB Grabrucker, GRUR 2001, 623, 627 ff) ist der Senat der Ansicht, daß ein solcher unkontrollierter Ähnlichkeitsbereich ungerechtfertigt ist. Trotz möglicher tatsächlicher Überschneidungen muß eine rechtliche Unterscheidung zwischen den Dienstleistungen eines Einzelhändlers und den beim Einzelhandel vertriebenen Waren gewährleistet bleiben. Wer Waren verkauft, tritt mit dieser Betätigung in Wettbewerb zu Warenherstellern und kann insoweit nur den Schutz einer für die jeweiligen Waren angemeldeten Warenmarke erlangen. Das betrifft auch speziell für bestimmte Handelsketten hergestellte Waren, die unter einer entsprechenden Handelsmarke vertrieben werden können. Die Berechtigung eines zusätzlichen Markenschutzes für die Dienstleistungen eines Einzelhändlers kann nur in dem Bereich bestehen, in dem der Einzelhändler mit anderen Einzelhändlern - nicht mit Warenherstellern - konkurriert. Bezüglich der von ihm vertriebenen Waren selbst steht dem Einzelhändler dagegen der Schutz entsprechender Warenmarken offen, ohne daß er auf den zusätzlichen Schutz einer Dienstleistungsmarke für den Einzelhandel mit Waren angewiesen ist. Insoweit besteht keine Rechtfertigung dafür, den Schutzbereich einer für die Dienstleistungen eines Einzelhändlers eingetragenen Marke dadurch auch auf die vertriebenen Waren zu erstrecken, daß eine Ähnlichkeit im Sinne von Art 4 Abs 1 Buchstabe b und Art 5 Abs 1 Buchstabe b der Richtlinie bejaht wird.

Dr. Ströbele Dr. Hacker Guth Bb






BPatG:
Beschluss v. 15.10.2002
Az: 24 W (pat) 214/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/491226726d3e/BPatG_Beschluss_vom_15-Oktober-2002_Az_24-W-pat-214-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share