Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. November 2010
Aktenzeichen: 21 W (pat) 42/08

(BPatG: Beschluss v. 18.11.2010, Az.: 21 W (pat) 42/08)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patentund Markenamts vom 12. März 2008 aufgehoben.

2.

Die Anmeldung wird auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2010 überreichten Ansprüche 1 bis 7 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde am 24. Juni 2002 unter der Bezeichnung "Digitale Röntgenbildaufnahme-Vorrichtung mit Rasterfunktion" beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 22. Mai 2003.

Im Prüfungsverfahren sind folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

D1 DE 199 33 537 A1 D2 DE 35 86 134T2 D3 DE 196 51 722 A1 und D4 DE 28 53 363 C2.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B hat mit Beschluss vom 12. März 2008 die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Hauptund Hilfsantrag vom 12. März 2008 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie verfolgt ihre Patentanmeldung weiter auf der Grundlage von neuen, in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2010 überreichten Patentansprüchen 1 bis 7.

Der danach geltende Patentanspruch 1 lautet (mit Merkmalsgliederung) (mit Behebung eines offensichtlichen Druckfehlers in M5):

M1 Digitale kephalometrische Abtast-Röntgenbildaufnahmevorrichtung mit M2 einem Röntgenstrahlerzeuger (1), M3 einer Objektfixiereinrichtung (6) zum Halten eines Objektes, und M4 einem Röntgenstrahldetektor (2), M5 wobei die Objektfixiereinrichtung (6) zwischen dem Röntgenstrahlerzeuger (1) und dem Röntgenstrahldetektor (2)

angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dassdie Vorrichtung so ausgebildet ist, dass M6 ein Röntgenstrahlenabtasten auf eine Weise durchgeführtwerden kann, dass der Röntgenstrahlerzeuger (1) einen Röntgenschlitzstrahl (B) zur Untersuchung eines Objekts (O), welches mittels der Objektfixiereinrichtung fixiertist, emittieren kann, M7 während der Röntgenschlitzstrahl (B) und der Röntgenstrahldetektor (2) synchron in derselben Richtung relativzum Objekt (O) bewegt werden, wodurch ein Röntgenbilddes Objektes erzeugt wird, M8 wobei die Vorrichtung eine Steuerung (80) mit einem Datenspeicher (83) zum Speichern von Steuerdaten aufweist, M9 sowie einen Pulsmotor (M1) zum Bewegen des Röntgenschlitzstrahles (B), M10 wobei der Datenspeicher (83) die Steuerdaten für die Pulsrate des Abtastens in Abhängigkeit von einer erwarteten durchgelassenen Röntgenstrahlenmenge speichert, M11 die im Voraus mittels eines Simulationsmodells definiert wird, welches dafür verwendet wird, die Steuerdaten für die kephalometrische Röntgenbildaufnahme für weiches und hartes Gewebe des Objektes (O) zu gewinnen, und wobei M12 die Abtastgeschwindigkeit des Röntgenschlitzstrahles (B) mittels der Steuerdaten steuerbar ist, M13 wobei die Pulsrate des Abtastens so geändert wird, dass die Abtastgeschwindigkeit für weiches Gewebe erhöht wird, um die pro Zeiteinheit transmittierte Röntgenstrahlung zu reduzieren, M14 während die Abtastgeschwindigkeit zum Abtasten von hartem Gewebe reduziert wird, um die pro Zeiteinheit transmittierte Röntgenstrahlung zu erhöhen, M15 sodass die im weichen und harten Gewebe transmittierte Röntgenstrahlung zwischen dem oberen und dem unteren Limit des Empfindlichkeitsbereichs des Röntgenstrahldetektors (2) liegt, wodurch die Dosis der durchgelassenen Röntgenstrahlen von weichem und hartem Gewebe einheitlicher wird und M16 wobei die Röntgenvorrichtung eine Positionsdetektionseinrichtung (7) zum Detektieren eines Bezugspunktes (P) eines Abstufungsprozesses für das Objekt aufweist, und die Abtastgeschwindigkeit des Röntgenschlitzstrahles in Abhängigkeit von dem von der Positionsdetektionseinrichtung detektierten Bezugspunkt gesteuert wird.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patentund Markenamts vom 12. März 2008 aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 7, im Übrigen mit der gegebenenfalls anzupassenden Beschreibung und der Zeichnung gemäß Offenlegungsschrift.

Der Senat hat noch folgende Druckschriften in das Verfahren eingeführt:

D5 EP 0 632 994 A1 und D6 DE 42 22 941 A1.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und hat nach Vorlage neuer Patentansprüche auch insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt führt, § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG.

1. Patentfähigkeit Patentanspruch 1 ist zulässig. Patentanspruch 1 umfasst die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 7 und 10 und Merkmale, die in der ursprünglichen Beschreibung offenbart sind.

Die Erfindung betrifft eine digitale kephalometrische Röntgenbildaufnahmevorrichtung, mit der Schädelaufnahmen gemacht werden.

Als Problem wird in der Beschreibungseinleitung die unterschiedliche Absorption der Röntgenstrahlen in weichem und hartem Gewebe genannt, wodurch die Einstellung der Röntgendosis in Abhängigkeit des durchstrahlten Gewebes im Hinblick auf eine gute Bildschärfe und eine möglichst geringe Dosisleistung am Patienten schwierig ist. Gemäß der Beschreibung Absatz [0007] ist es Aufgabe der Erfindung, eine digitale Röntgenbildaufnahmevorrichtung bereitzustellen, die den Dynamikbereich der Röntgenbilder vergrößert, wodurch verbesserte Röntgenbilder erhalten werden, die sowohl im Hartgewebebereich als auch im Weichgewebebereich scharf sind.

Gegenüber dem bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er sich für den Fachmann, einen Dipl.-Physiker mit entsprechender Berufserfahrung bei der Entwicklung von bildgebenden medizinischen Geräten aus diesem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise ergibt.

Aus der Druckschrift D5 (siehe insbesondere die Fig. 8 und die Beschreibung, Spalte 6, Zeilen 9 ff.) ist eine digitale kephalometrische Abtast-Röntgenbildaufnahmevorrichtung mit einem Röntgenstrahlerzeuger 3, der einen Röntgenschlitzstrahl (siehe Blenden 12 und 52) erzeugt, einer Objektfixierung (siehe Fig. 3), einem Röntgenstrahldetektor (Zeilenkammern 4 mit Sensor), und einer Steuerung mit Pulsmotoren (siehe Fig. 7) gemäß den Merkmalsgruppen M1 bis M9 bekannt.

Mit dem neu formulierten Patentanspruch 1 wird nun insbesondere eine Steuerung der Abtastgeschwindigkeit des Röntgenschlitzstrahles beansprucht, die mit Steuerdaten arbeitet, die im Voraus mittels eines Simulationsmodells für weiches und hartes Gewebe des zu röntgenden Objektes definiert werden (M11) und die in Abhängigkeit von einem durch einen Positionsdetektor detektierten Bezugspunkt des Objektes gesteuert wird (M16).

Zu diesen Merkmalen gibt es für den Fachmann keine Hinweise aus dem bekannten Stand der Technik.

Aus der Druckschrift D5 ist lediglich eine Steuerung für die Bewegung des Röntgenschlitzstrahles und des Detektors mit Motoren bekannt (siehe Fig. 7), wobei der Strahl und der Detektor lediglich synchron bewegt werden (siehe Anspruch 1). Eine Steuerung der Geschwindigkeit aufgrund eines Simulationsmodells und eines Positionsdetektors ist aus der Druckschrift D5 nicht bekannt.

Die Druckschrift D3 offenbart einen Panorama-Röntgenapparat (siehe Fig. 1) und einen Tomographie-Röntgeneinrichtung (siehe Fig. 3), bei der die Intensität der von der Röntgenröhre ausgesandten Strahlung oder die Geschwindigkeit der Apparatur aufgrund der gemessenen Strahlung mit hinter dem Objekt angeordneten Detektoren gesteuert wird (siehe Spalte 12, Zeilen 22 bis 62). Eine Steuerung der Geschwindigkeit aufgrund eines Simulationsmodells und eines Positionsdetektors ist somit aus der Druckschrift D3 ebenfalls nicht bekannt.

Aus der Druckschrift D6 ist ebenfalls ein Panorama-Röntgengerät bekannt (siehe Fig.), bei dem die Intensität der durch einen Patienten hindurchtretenden Strahlung gemessen wird (siehe Detektor 2) und die Röntgenröhre oder die Geschwindigkeit der Schrittmotoren 7 des Aufnahmeantriebs geregelt wird, um die Abschwächung der Röntgenstrahlen zwischen hartem und weichem Gewebe auszugleichen (siehe Spalte 2, Zeilen 23 bis 38). Neben der Messung der Intensität wird in der Druckschrift D6 bei der Schilderung des Standes der Technik in der Beschreibungseinleitung angesprochen, dass es ferner Möglichkeiten gäbe, die äquivalente Schädeldicke vorauszusagen, z. B. aufgrund des Gewichts des Patienten oder des Schädeldurchmessers (siehe Spalte 1, Zeilen 38 bis 50). Der Fachmann entnimmt daher der Druckschrift D6, dass es vor dem Anmeldetag der Anmeldung bekannt war, die Steuerung der Belichtung von Röntgengeräten bei der Untersuchung von Schädeln mit unterschiedlich hartem und weichem Gewebe auch patiententypenabhängig mit einem Modell zu realisieren, anstatt mit einer Messung der Röntgenstrahlen bei der Abtastung. Auch wenn damit die Steuerung der Geschwindigkeit aufgrund eines Simulationsmodells aus der Druckschrift D6 bekannt ist, trifft dies für die Steuerung der Geschwindigkeit zusätzlich noch mit einem von einem Positionsdetektor ermittelten Bezugspunkt aber aus der Druckschrift D6 ebenfalls nicht zu.

Die weiteren Druckschriften liegen weiter ab und liefern dem Fachmann auch keine Hinweise zu der beanspruchten Steuerung mit einem Positionsdetektor.

Somit ist aus den im Verfahren befindlichen Druckschriften zumindest keines der Merkmale der Merkmalsgruppe M16 des Anspruchs 1 bekannt, wonach die Röntgenvorrichtung eine Positionsdetektionseinrichtung zum Detektieren eines Bezugspunktes eines Abstufungsprozesses für das Objekt aufweist, und die Abtastgeschwindigkeit des Röntgenschlitzstrahles in Abhängigkeit von dem von der Positionsdetektionseinrichtung detektierten Bezugspunkt gesteuert wird.

Aus dem bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik ergeben sich somit für den Fachmann keine Hinweise auf eine entsprechende Ausgestaltung einer digitalen Röntgenvorrichtung, wie sie im geltenden Patentanspruch 1 beansprucht ist.

Somit lässt sich mit dem bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik eine Zurückweisung der Anmeldung nicht begründen.

2. Zurückverweisung Da das Verfahren jedoch noch nicht zur Entscheidung reif ist, ist die Anmeldung mit dem geltenden Anspruch 1 zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurückzuverweisen.

§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG bestimmt, dass das Patentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Gründe, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, nicht mehr bestehen und eine neue Sachprüfung erforderlich ist. Danach kann die Anmeldung an das Patentamt zurückverwiesen werden, wenn die Patentfähigkeit noch nicht oder nicht ausreichend Gegenstand der Prüfung war (vgl. Busse PatG, 6. Aufl. § 79 Rdn. 64 und 65; Schulte PatG, 8. Aufl. § 79 Rdn. 25 bis 27 -jeweils mit weiteren Hinweisen). Dies ist vorliegend der Fall, da die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in den nunmehr geltenden Patentanspruch 1 aufgenommenen zusätzlichen Merkmale ersichtlich im bisherigen Prüfungsverfahren noch keine Rolle gespielt haben und dementsprechend auch nicht recherchiert wurden. Da die Recherche insoweit lediglich als vorläufig anzusehen ist, ist nicht auszuschließen, dass bei einer somit erforderlichen Nachrecherche bezüglich der Merkmale im Anspruch 1 noch entscheidungserheblicher Stand der Technik ermittelt wird.

Angesichts der Notwendigkeit einer weiteren Prüfung auf Patentfähigkeit hat der Senat von einer Überarbeitung und Überprüfung der übrigen Unterlagen, insbesondere auch der Unteransprüche, abgesehen.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Bernhart Pü






BPatG:
Beschluss v. 18.11.2010
Az: 21 W (pat) 42/08


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