Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. April 2008
Aktenzeichen: 9 W (pat) 346/04

(BPatG: Beschluss v. 23.04.2008, Az.: 9 W (pat) 346/04)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentanspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. September 2004,

- Patentansprüche 2 bis 9, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das am 30. November 2001 angemeldete und am 29. Januar 2004 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Mehrteiliges Hardtop-Fahrzeugdach"

ist Einspruch eingelegt worden. Die Einsprechende vertritt die Auffassung, dass die Gegenstände der Patentansprüche des Streitpatents nicht mehr neu seien oder durch den Stand der Technik zumindest nahegelegt seien. Zur Stützung ihres Vorbringens verweist sie auf die Druckschriften:

DE 42 03 229 C2 DE 44 35 222 C1 US 2,704,225 DE 199 62 070 A1 DE 43 16 485 A1 DE 199 34 673 C1 DE 101 08 493 A1.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentanspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. September 2004,

- Patentansprüche 2 bis 9 sowie - Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt;

hilfsweise:

- Patentanspruch 1, als Hilfsantrag überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- im Übrigen wie Hauptantrag.

Sie meint, dass der Gegenstand, für den mit Patentanspruch 1 Schutz begehrt wird, durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt sei.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Mehrteiliges Hardtop-Fahrzeugdach, mit mindestens zwei starren Dachteilen (2, 3), die mittels einer Dachkinematik zwischen einer Schließposition, in der die Dachteile eine gemeinsame, durchgehende Dachaußenhaut bilden, und einer geöffneten Ablageposition zu verstellen sind, wobei in Ablageposition die Dachteile (2, 3) übereinander liegend angeordnet sind und ein Dachteilpaket bilden, dadurch gekennzeichnet, dass benachbarte Dachteile (2, 3) an einem gemeinsamen Grundrahmen (6) gehalten und jedes dieser Dachteile (2, 3) über jeweils eine Dachteilkinematik (7, 8) relativ zu dem Grundrahmen (6) in eine angehobene Position verstellbar ist, wobei der Grundrahmen (6) als Dachbauteil ausgeführt ist und zum Öffnen des Fahrzeugdaches (1) der Grundrahmen (6) einschließlich der Dachteile (2, 3) in einen Ablageraum im Fahrzeug zu versetzen ist.

Zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag sowie zu den für Haupt- und Hilfsantrag gleichlautenden Unteransprüchen 2 bis 9 wird auf die Akte verwiesen.

Im Erteilungsverfahren wurden noch folgende, von der Einsprechenden nicht aufgegriffene Druckschriften berücksichtigt:

DE 196 43 225 C1 DE 196 35 536 C1 DE 196 42 152 A1.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG a. F. begründet.

Der Einspruch ist zulässig. In der Sache hat er insoweit Erfolg, als er zur Beschränkung des Patents führt.

Als Fachmann legt der Senat seiner Entscheidung einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Fachhochschulabschluss zugrunde, der bei einem Kraftfahrzeughersteller oder Zulieferer mit der Entwicklung und Konstruktion von öffnungsfähigen Fahrzeugdächern betraut ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Erfahrung verfügt.

1. Das geltende Patentbegehren nach Hauptantrag ist zulässig. Gegenteiliges hat auch die Einsprechende nicht vorgetragen.

Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf den erteilten Patentanspruch 1 zurück i. V. m. der Beschreibung der Patentschrift S. 3, Abs. 0022, Fig. 2 und 3 sowie S. 5, Abs. 0025. Die Patentansprüche 2 bis 9 stimmen mit den erteilten Patentansprüchen 2 bis 9 überein. Der erteilte Patentanspruch 1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Patentanspruch 1 unter Einbeziehung von Angaben aus der ursprünglichen Beschreibung S. 2, letzter Absatz und S. 5, vorletzter Absatz. Die erteilten Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 9. Die Beschreibung der Patentschrift entspricht der ursprünglichen Beschreibung mit ergänzenden Angaben zum Stand der Technik. Die Figuren 1 bis 5 wurden ursprünglich eingereicht.

2. Das Streitpatent betrifft ein mehrteiliges Hardtop-Fahrzeugdach, bei dem mindestens zwei starre Dachteile in einer Schließposition eine gemeinsame, durchgehende Dachaußenhaut bilden und die Dachteile in eine geöffnete Ablageposition zu verstellen sind. In der Ablageposition sind die Dachteile übereinander liegend angeordnet und bilden ein Dachteilpaket. Nach der Beschreibung hängen beim Stand der Technik bei derartigen Fahrzeugdächern die Dachteile an einer kinematischen Kette. Die Absenkung der Dachteile relativ zueinander erfolge mit Hilfe von Viergelenkkinematiken, wobei das vordere Dachteil über jeweils eine Viergelenkkinematik mit dem jeweils folgenden Dachteil gekoppelt sei. Das hintere Dachteil sei kinematisch an die Karosserie gekoppelt. Die Dachteile könnten jedoch auch unabhängig voneinander über jeweils eine Verstellkinematik an die Karosserie gekoppelt sein. Dadurch werde das optische Erscheinungsbild im Sichtbereich des Innenraums beeinträchtigt, ein hoher konstruktiver Aufwand und Einbauraum erforderlich sowie die Dachstabilität nicht verbessert. Das zugrunde liegende Problem sei daher, ein mehrteiliges Hardtop-Fahrzeugdach zu schaffen, welches sich in Schließposition durch ein ansprechendes optisches Erscheinungsbild auszeichne und dessen Stabilität mit einfachen Mitteln verbessert sei. Zur Lösung ist vorgesehen, benachbarte Dachteile an einem gemeinsamen Grundrahmen zu halten, der als Dachbauteil ausgeführt ist. Jedes der Dachteile ist über jeweils eine Dachteilkinematik relativ zu dem Grundrahmen in eine angehobene Position verstellbar, und zum Öffnen des Fahrzeugdaches ist der Grundrahmen einschließlich der Dachteile in einen Ablageraum zu versetzen. Durch die Angabe, dass die Dachteile eine durchgehende Dachaußenhaut bilden, ist festgelegt, dass Dachteile und Grundrahmen als Dachbauteil zwei unterschiedliche nicht gleichzusetzende Gegenstände bilden. Insbesondere kann der Grundrahmen nicht Bestandteil der durchgehenden Außenhaut sein. Der Begriff "Grundrahmen" ist für diesen Hintergrund ganz allgemein als ein Teil der Dachkonstruktion zu verstehen, der benachbarte Dachteile hält. Seine körperliche Ausgestaltung bleibt offen. Er ist als ein in sich starres Gebilde aufzufassen, das von einzelnen Lenkern, Hebeln oder Koppeln von Dachteilkinematiken zu unterscheiden ist.

3. Das so dem Streitpatent zu entnehmende, zweifellos gewerblich anwendbare mehrteilige Hardtop-Fahrzeugdach ist neu.

Aus der DE 42 03 229 C2 ist die Konstruktion eines mehrteiligen Hardtop-Fahrzeugdaches, mit einem vorderen 4 und einem hinteren 5 starren (vgl. Sp. 2, Z. 16 bis 25) Deckel bekannt, die zwischen einer Schließposition, in der die Dachteile eine gemeinsame, durchgehende Dachaußenhaut bilden (vgl. Fig. 1), und einer geöffneten Ablageposition zu verstellen sind (vgl. Fig. 9). Die Deckel 4 und 5 sind in Ablageposition übereinander liegend angeordnet (vgl. Fig. 7) und bilden mit einem hinteren Dachteil 7 sowie mit seitlichen Dachteilen 6a und 6b ein Paket. Die Deckel 4 und 5 können dabei unter (vgl. Fig. 7) oder über (vgl. Sp. 7, Z. 9 bis 15) das hintere Dachteil 7 verfahren werden. Über die Angabe hinaus, dass für die Deckel 4 und 5 Führungsschienen vorgesehen sind, bleibt offen, wie der Antriebsmechanismus gestaltet sein könnte.

Somit unterscheidet sich dieses Fahrzeugdach vom beanspruchten dadurch, dass bei ihm ein gemeinsamer Grundrahmen für die starren Dachteile 4, 5, 7, 6a, 6b als Dachbauteil nicht vorgesehen ist und dass für jedes dieser Dachteile oder jedes benachbarte Paar dieser Dachteile jeweils eine Dachteilkinematik, die das Verstellen in eine relativ zu dem Grundrahmen angehobene Position ermöglicht, auch nicht vorgesehen ist. Insbesondere kann der Auffassung der Einsprechenden nicht gefolgt werden, dass das hintere Dachteil 7 einen Grundrahmen im Sinne des Streitpatents darstellen würde. Vielmehr ist dieses Dachteil 7 Bestandteil einer gemeinsamen durchgehenden Dachaußenhaut in einer Schließposition des Daches. Zudem ist bei dem bekannten Fahrzeugdach nicht beschrieben, dass zum Verfahren jeder der Deckel 4 und 5 jeweils eine (separate) wie auch immer ausgestaltete Dachteilkinematik vorgesehen ist oder dass es darauf ankommen könnte.

Diese Unterschiede sind auch bei dem aus der DE 44 35 222 C1 bekannten mehrteiligen Hardtop-Fahrzeugdach vorhanden. Nach Auffassung der Einsprechenden wird der Grundrahmen dort durch das hintere Dachteil 7 gebildet und die mindestens zwei starren Dachteile durch mehrere Deckel 6, die sich in Öffnungsposition unter oder über das hintere Dachteil legen (vgl. Fig. 4 i. V. m. Sp. 4, Z. 43 bis 48). Dieser Auffassung kann aus vorstehend genannten Gründen nicht gefolgt werden.

Die weiteren von der Einsprechenden genannten Druckschriften US 2,704,225 (vgl. insb. Fig. 2), DE 199 62 070 A1 (vgl. Fig. 3), DE 43 16 485 A1 (vgl. Fig. 3), DE 199 34 673 C1 (vgl. Fig. 8), DE 101 08 493 A1 (vgl. Fig. 2) sowie die bereits im Streitpatent zitierte DE 196 42 152 A1 (vgl. Fig. 5) zeigen jeweils ein Klappverdeck für Fahrzeuge mit drei oder vier starren Dachteilen. Unterhalb der Dachteile ist ein Hebelgetriebe in Form einer kinematischen Kette und ggf. eines Hauptlenkergetriebes vorgesehen. Die Getriebe haben die Aufgabe, den Ablauf einer Zwangssteuerung beim Öffnen und Schließen des Daches zu gewährleisten, wobei die vorderen Dachteile mit dem jeweils folgenden Dachteil über eine Vielgelenkkinematik, insbesondere Viergelenkkinematik, gekoppelt sind. Durch den Aufbau der Kette aus seriell gekoppelten Vielgelenken sowie aus einem evtl. angeschlossenen Hauptlenkergetriebe ergibt sich beim Öffnen und Schließen des Klappverdecks eine bestimmte Kinematik. Die Dachteile bilden in der Schließposition eine gemeinsame, durchgehende Dachaußenhaut und in der Ablageposition ein Dachteilpaket und sind dabei übereinander liegend angeordnet. Einen Grundrahmen im Sinne des Streitpatents bilden die hinteren Dachteile dabei nicht. Auch ist für jedes der Dachteile jeweils eine eigene Dachteilkinematik zum Verstellen der Dachteile in eine angehobene Position nicht vorhanden.

In den beiden weiteren im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften sind Hardtop-Fahrzeugdächer beschrieben, die noch geringere Gemeinsamkeiten mit dem beanspruchten Fahrzeugdach aufweisen. Aus der DE 196 43 225 C1 ist ein Einbaumodul für ein Kraftfahrzeugverdeck bekannt, für das der Aufbau des Verdecks nicht beschrieben ist. Bei der Dachkonstruktion nach der DE 196 35 536 C1 ist jedes der starren Dachteile über jeweils einen eigenen Antriebsmechanismus unmittelbar an der Karosserie gelagert (vgl. Patentanspruch 1 und Sp. 3, Z. 19 bis 32).

Demnach unterscheiden sich sämtliche aus dem angeführten Stand der Technik bekannten Fahrzeugdächer durch zumindest ein Merkmal von dem beanspruchten Hardtop-Fahrzeugdach. Insbesondere ist bei keinem der bekannten Fahrzeugdächer ein beweglicher Grundrahmen im Sinne des Streitpatents vorgesehen, zu dem jedes der Dachteile über jeweils eine Dachteilkinematik relativ verstellbar ist. Das beanspruchte Hardtop-Fahrzeugdach ist daher neu.

4. Das mehrteilige Hardtop-Fahrzeugdach nach dem geltenden Patentanspruch 1 des Hauptantrags ergibt sich für einen Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Eine Zusammenschau der bekannten Fahrzeugdächer liefert keine über die Einzelbetrachtung hinausgehende Erkenntnisse. Die Konstruktionen nach der DE 42 03 229 C2 oder der DE 44 35 222 C1 einerseits und die nach den US 2,704,225, DE 199 62 070 A1, DE 43 16 485 A1, DE 199 34 673 C1, DE 101 08 493 A1 und DE 196 42 152 A1 andererseits sind nicht kompatibel. Sie veranlassen den Fachmann allenfalls, das eine Konstruktionsprinzip mit in Führungsschienen geführten Deckeln durch ein anderes mit an einem Hebelgetriebe gehaltenen Deckeln zu ersetzen oder umgekehrt vorzugehen. Die Anregung, einen beweglichen gemeinsamen Grundrahmen für die starren Dachteile des Daches als Dachbauteil vorzusehen und für jedes der Dachteile oder für (zwei) benachbarte Dachteile jeweils eine Dachteilkinematik vorzusehen, können sie jedoch nicht bieten. Zwar kennt der Fachmann Fahrzeugdächer, bei denen jeweils ein getrennter Antriebsmechanismus für jedes Dachteil vorgesehen ist (vgl. DE 196 35 536 C1 a. a. O.). Dort sind die Dachteile an der Karosserie gehalten, die einem Rahmen entspricht. Ein bewegter Grundrahmen im Sinne des Streitpatents, der die getrennten Antriebsmechanismen für die Dachteile halten könnte, ist im Stand der Technik jedoch nicht vorgesehen. Zudem bleibt offen, wie die an der Karosserie getrennt vorgesehenen Antriebsmechanismen in eine der beiden anderen grundlegenden Konstruktionen eingebracht werden könnten. Zu der beanspruchten Lösung führt der Stand der Technik demnach nicht.

Die Hardtop-Fahrzeugdach nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags ist demnach patentfähig, und mit ihm sind es auch die Gegenstände der weiteren Patentansprüche 2 bis 9, die sämtlich auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar bezogen sind. Bei dieser Sachlage erübrigen sich Erörterungen zum Hilfsantrag.

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BPatG:
Beschluss v. 23.04.2008
Az: 9 W (pat) 346/04


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