Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Beschluss vom 27. April 2016
Aktenzeichen: 5 Ta 118/15
(LAG Baden-Württemberg: Beschluss v. 27.04.2016, Az.: 5 Ta 118/15)
1. Die Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert beträgt auch dann gemäß Nr. 1000 VV RVG 1,5, wenn Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert beantragt ist und das Gericht über die bloße Protokollierung hinaus am Zustandekommen des Mehrvergleichs mitgewirkt hat (Anschluss an LAG Düsseldorf 25. September 2014 - 5 Sa 273/14 - und 13. Oktober 2014 - 13 Ta 342/14 unter Aufgabe der bisher entgegenstehenden Rechtsprechung der erkennenden Kammer )
2. In diesem Fall kann der beigeordnete Rechtsanwalt auch die Erstattung einer 0,8-fachen Differenzverfahrensgebühr und einer 1,2-fachen Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert gegenüber der Staatskasse verlangen (wie OLG Koblenz 10. September 2015 - 9 WF 931/15 - und gegen LAG Hamm 16. September 2015 - 6 Ta 419/15 - jeweils juris).
Tenor
Auf die Beschwerde der der Klägerin beigeordneten Rechtsanwältin wird die Vergütungsfestsetzung des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 18.05.2015 - 8 Ca 74/15 - dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung der im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe der Klägerin im ersten Rechtszug beigeordneten Rechtsanwältin L. auf 1.975,82 EUR festgesetzt wird.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Frage, ob im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe für einen Vergleichsmehrwert eine 1,5-fache oder eine 1,0-fache Einigungsgebühr sowie eine 0,8-fache Differenzverfahrensgebühr und eine 1,2-fache Terminsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten sind.
Im Ausgangsverfahren beantragte die Klägerin für die Klageanträge und einen etwaigen Vergleichsmehrwert Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten. Im Gütetermin schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich, der auch nicht rechtshängige Gegenstände regelte. Das Arbeitsgericht entsprach dem Prozesskostenhilfegesuch in vollem Umfang.
Unter Zugrundelegung der gerichtlichen Streitwertfestsetzung beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung in Höhe von 1.975,82 EUR, die sie folgendermaßen berechnet hat:
1,3 Verfahrensgebühr §§ 2, 49 RVG, Nr. 3100 VV 399,10 Euro (Wert: 9.177,16 Euro) 0,8 Differenzverfahrensgebühr §§ 2, 49 RVG, Nr. 3101 299,60 Euro Nr. 2 VV (Wert: 7.822,71 Euro) Angleich gem. § 15 II RVG- 175,00 Euro1,2 Terminsgebühr §§ 2, 49 RVG, Nr. 3104 VV 418,80 Euro (Wert: 16.999,87 Euro) 1,0 Einigungsgebühr §§ 2, 49 RVG, Nrn. 1003, 307,00 Euro 1000 VV (Wert: 9.177,16 Euro) 1,5 Einigungsgebühr §§ 2, 49 RVG, Nr. 1000 VV 430,50 Euro (Wert: 7.822,71 Euro) Fahrtkosten (eigenes KFZ) (12,00 km à 0,30 Euro) 3,60 EuroFahrtkosten (sonst) 1,75 EuroAbwesenheitsgeld (1,25 Stunden 25,00 EuroPost- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV 20,00 Euro ____________ Zwischensumme 1.660,35 EuroUmsatzsteuer (MwSt) Nr. 7008 VV (19,00 %) 315,47 Euro ____________ Endsumme 1.975,82 Euro ============
Das Arbeitsgericht hat die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 1.513,50 EUR festgesetzt. Die Differenz beruht auf der Kürzung der geltend gemachten 1,5-fachen Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert auf 1,0.
Nach Zurückweisung der gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin eingelegten Erinnerung durch den Vorsitzenden des Arbeitsgerichts verfolgt die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihr Begehren mit der Beschwerde weiter. Dieser hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen, sondern sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist statthaft (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und auch im Übrigen zulässig und begründet. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht gegen die Staatskasse nicht nur eine 1,0-fache Einigungsgebühr nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, 2. Alt. VV RVG, sondern eine 1,5-fache Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG aus dem Vergleichsmehrwert zu (1.). Die 0,8-fache Differenzverfahrensgebühr und die 1,2-fache Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert hat das Arbeitsgericht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu Recht zugesprochen (2.).
1. 1,5-fache Einigungsgebühr
a) Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die 1,5-fache Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Nach Nr. 1003 VV RVG betragen die Gebühren nach Nr. 1000 bis 1002 VV RVG 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV RVG gilt dies auch, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbstständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 erstreckt (§ 48 Abs. 3 RVG). Dabei stehen die Nrn. 1000, 1003 Eingangssatz iVm. 1003 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und 1003 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 1 - 3 VV RVG in einem Verhältnis: Grundsatz (1,5-fach) - Ausnahme (1,0-fach) - Rückausnahme (1,5-fach).
b) Hier liegen die Voraussetzungen der von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin begehrten 2. Alt. der Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VV RVG vor.
aa) Diese hat die erkennende Kammer - und ihr folgend das Arbeitsgericht - in dem von den Beteiligten im Vergütungsfestsetzungsverfahren diskutierten Beschluss vom 7. September 2010 - 5 Ta 132/10 - bislang wie folgt beschrieben:
€Die 2. Alternative in Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV RVG erfasst dabei ... nur solche Fallgestaltungen, in denen das Gericht lediglich für die Protokollierung eines bereits vollständig ausgehandelten Vergleichs in Anspruch genommen wird. Sie greift schon dann nicht mehr ein, wenn sich das Gericht inhaltlich mit den nicht rechtshängigen Gegenständen befassen ... muss. ... Wenn das Gericht, wie im Ausgangsfall, letztlich im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Parteien überhaupt erst die notwendigen Anstöße für die gütliche Einigung gerade des nicht rechtshängigen Gegenstands gibt, kann von einer reinen Beurkundungsfunktion des Gerichts nicht mehr die Rede sein€ (II 1b der Gründe).
bb) Daran wird nach erneuter Überprüfung nicht länger festgehalten. Richtigerweise führt ein Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auch auf einen Vergleichsmehrwert nicht zu einer Anhängigkeit eines Verfahrens über die Prozesskostenhilfe im Sinne der Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Hs 1 VV RVG. Dies haben zwei Kammern des LAG Düsseldorf mit jeweils separater Argumentation überzeugend begründet.
(1) Die 5. Kammer des LAG Düsseldorf hat in ihrem Beschluss vom 25. September 2014 - 5 Sa 273/14 - juris ausgeführt:
€(9) Die Ausnahme der Nr. 1003 VV RVG ist ebenso wie die Rückausnahme im letzten Halbsatz des Abs. 1 an den Tatbestand eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens geknüpft. Einziges Unterscheidungskriterium für die Rückausnahme ist, dass sich bei ihr der Antrag und damit das Verfahren lediglich auf die Protokollierung des Vergleichs beziehen dürfen. Das Wort "lediglich" bezieht sich nicht auf die Tätigkeit des Gerichts (Protokollierung), sondern auf den Antrag. Demgegenüber führt ein Antrag, der für den Gegenstand des Mehrvergleichs Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines streitigen Verfahrens begehrt, zu einer Kürzung der Gebühr. In einem solchen Verfahren bedarf es der Prüfung der Erfolgsaussichten des Klagebegehrens, während Prozesskostenhilfe für die Protokollierung eines Vergleichs schon zu bewilligen ist, wenn zu erwarten ist, dass über den Gegenstand der Mehrvergleichs ein Vergleich zustande kommt (BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390).
(10) Unerheblich ist es demnach, ob und in welchem Umfang das Gericht außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens über den Gegenstand des Vergleichs tatsächlich an dessen Zustandekommen mitgewirkt hat. Das zeigt sich deutlich in dem Fall, dass kein Prozesskostenhilfeantrag gestellt wird: Hier besteht keine Grundlage für eine Kürzung der Gebühr, selbst wenn das Gericht intensiv am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat (allg. M.). Hätte der Gesetzgeber das Ausmaß der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs für maßgeblich erachtet, hätte er dies konsequenterweise auch außerhalb von Prozesskostenhilfeanträgen zum Kürzungsgrund erhoben. Die formale Anknüpfung der Gebührenkürzung an ein anhängiges Verfahren und dessen Gegenstand und nicht an die konkrete Mühewaltung des Gerichts oder Rechtsanwalts im Einzelfall entspricht demgegenüber der vorherrschenden Regelungstechnik des RVG.
(11) Es kann daher nur fraglich sein, ob der hier gegebene Antrag, Prozesskostenhilfe auch auf den Vergleichsmehrwert zu erstrecken, einen anderen Verfahrensgegenstand hat als der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des gerichtlichen (Mehr-)Vergleichs. Das ist nicht der Fall. Die Anträge sind auf ein identisches Ziel gerichtet. Ein Prozesskostenhilfeantrag "für die Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs" macht keinen Sinn. Die bloße Mühewaltung des Gerichts löst hier keine Kosten aus, für deren Bestreitung Hilfe beantragt werden könnte. Die Kosten für die Protokollierung des Mehrvergleichs werden vielmehr durch die Mitwirkung des Gerichts an seinem Zustandekommen nicht beeinflusst. Deshalb sind die Anträge auf Prozesskostenhilfe in beiden Fällen auf dasselbe Ziel gerichtet, nämlich lediglich auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs.
(12) Bei der Mitwirkung des Anwalts an der Protokollierung des Vergleichs werden somit unabhängig von der Beteiligung des Gerichts an dessen Zustandekommen für den Gegenstand des Mehrvergleichs stets die Gebühr aus Nr. 1000 VV RVG sowie - falls der Anwalt in Bezug auf diese Gegenstände bereits zuvor mit der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren beauftragt war - eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach (im Berufungsverfahren) Nr. 3201 VV RVG (dort gem. Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs.) fällig. Weitere Gebührentatbestände fallen nicht an. Die beantragte Erstreckung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich ist damit für die Höhe der Einigungsgebühr unschädlich.
(13) Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen der herrschenden Meinung zu der Vorgängerregelung in § 23 BRAGO (vgl. Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rn. 40b m.w.N.). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die bereits damals streitige Frage entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Neuregelung im Sinne der damaligen Mindermeinung hätte entscheiden wollen.€
(2) Die 13. Kammer des LAG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 - 13 Ta 342/14 - juris erkannt:
(7) a) Dafür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Bereits unter der Geltung der BRAGO war umstritten, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich zu einer Reduzierung der Gebühr führte (dagegen die h. M. in Literatur und Rechtsprechung, insbesondere LAG Düsseldorf 10.06.1997 - 7 Ta 3/97 - JurBüro 1997, 585; zum Streitstand Hess. LAG 15.02.1999 - 9 Ta 12/99 - NZA-RR 1999, 380; Gerold/Schmidt-von Eicken BRAGO 15. Aufl. § 23 RN 40b mit umfangreichen Nachweisen). Nach einer weiteren Mindermeinung (OLG Nürnberg 18.08.1997 - 7 WF 2281/97 -JurBüro 1998, 137) sollte zu unterscheiden sein, ob der beabsichtigte Vergleich erst durch das Gericht mit den Parteien erarbeitet werden muss oder ob dies bereits außergerichtlich geschehen ist und der schriftliche Entwurf dem Gericht fertig ausformuliert vorgelegt wird. § 23 Abs. 1 BRAGO lautete wie folgt:
(8)Für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erhält der Rechtsanwalt fünfzehn Zehntel der vollen Gebühr (Vergleichsgebühr). Der Rechtsanwalt erhält die Vergleichsgebühr auch dann, wenn er nur bei den Vergleichsverhandlungen mitgewirkt hat, es sei denn, dass seine Mitwirkung für den Abschluss des Vergleichs nicht ursächlich war. Soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr; das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist.
(9) Die Regelung in VV RVG 1003 entspricht dem weitgehend, allerdings enthält sie die Rückausnahme, dass €nicht lediglich Prozesskostenhilfe ... für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird". Die Formulierung geht zurück auf den bereits am 29.08.2001 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) der von der damaligen Justizministerin eingesetzten Expertenkommission BRAGO-Strukturreform, der zu VV RVG 1003 im fraglichen Teil der Gesetz gewordenen Formulierung entspricht. Nach der Begründung des späteren Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vom 11.11.2003 sollte der Vorschlag der (Vorgänger-) Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO entsprechen, er €soll zu einer Vermeidung des streitigen Verfahrens beitragen" (Drucks. 15/1971 Seite 204). Zielrichtung der Neugestaltung sei es, €die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken". Es spricht aus Sicht der Beschwerdekammer alles dafür, dass die Rückausnahme aufgenommen wurde, um den zu § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO bestehenden Streit über die gebührenrechtlichen Folgen eines Prozesskostenhilfeantrags für einen Mehrvergleich im Sinne einer der damals vertretenen Auffassungen zu beenden. Wenn aber der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage bestätigen wollte, wird er sich insofern kaum an einer der damaligen Mindermeinungen orientiert haben.
(10) b) Auch im Übrigen sprechen zur Überzeugung der Beschwerdekammer die besseren Gründe dafür, das Gesetz dahingehend zu verstehen, dass es mit €anhängigen Prozesskostenhilfeverfahren" lediglich eigenständige Prozesskostenhilfeverfahren meint, in denen die Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung rechtshängiger oder rechtshängig zu machender Ansprüche begehrt wird (vgl. auch KG 31.07.2007 - 1 W 259/07 -Rpfleger 2007, 669 RN 3), während es mit der Rückausnahme der Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs gerade die fragliche Konstellation einer Erweiterung eines Prozesskostenhilfegesuchs auf einen Mehrvergleich erfassen will. Insoweit weist der Wortlaut der Rückausnahme darauf hin, dass für den Gegenstand des (Mehr-) Vergleichs die Prozesskostenhilfe eben nur für den Abschluss des Vergleichs beantragt wird, ohne dass für den Gegenstand des Mehrvergleichs bereits ein Prozesskostenhilfeverfahren für eine beabsichtigte Rechtswahrnehmung anhängig ist. Nur für die aus der Protokollierung des Vergleichs folgende Einigungsgebühr soll Prozesskostenhilfe beantragt sein, (bezogen auf den Mehrvergleich) nicht hingegen für das Verfahren selbst. Abs. 1 letzter Halbsatz der Anmerkung zu VV RVG 1003 stellt bereits seinem Wortlaut nach allein darauf ab, mit welcher Art von Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Gericht angegangen wird.
(11)Die wie erwähnt bereits in § 23 BRAGO enthaltene und durch das RVG übernommene Erhöhung der Einigungsgebühr für den Fall, dass über nicht anhängige Ansprüche ein Vergleich erzielt wird, dient wie dargestellt der Entlastung der Gerichte. Für die Rechtsanwälte sollte ein Anreiz geschaffen werden, Streitigkeiten einer Lösung zuzuführen, ohne gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine solche Entlastung ist in der Einbeziehung von weiteren Gegenständen in einen gerichtlichen Vergleich - anders als bei einem bereits anhängigen, im obigen Sinn eigenständigen Prozesskostenhilfeverfahrens - gerade gegeben:
(12) (1) Die richterlichen Aufgaben bei der Prüfung eines im oben genannten Sinn eigenständigen Prozesskostenhilfe-Antrags unterscheiden sich nämlich signifikant von denjenigen, die bei der Beantragung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich anfallen. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2012 (- 3 AZB 34/11 - NZA 2012, 1390; anders noch LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris) hat das Gericht bei Letzterem nämlich grundsätzlich nicht zu überprüfen, ob für die fraglichen Streitgegenstände hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des § 114 ZPO bestanden hätten, wenn sie zum Gegenstand eines Klageverfahrens gemacht worden wären. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt. Da die Partei die Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich nur unter der Voraussetzung beantragt, dass dieser auch zustande kommt, dürfte dies kaum abgelehnt werden können. Eine echte Prüfung wird dem Gericht demnach nicht abgefordert. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei hat das Gericht ohnehin bereits wegen der für den rechtshängigen Streitgegenstand beantragten Prozesskostenhilfe zu prüfen; der Antrag auf Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich führt hier nicht zu zusätzlichem Aufwand.
(13) (2) So stellen die Gegner der hier vertretenen Auffassung auch vielmehr darauf ab, dass das Gericht dadurch belastet werde, dass es sich im Rahmen der Vergleichsgespräche zu den bislang nicht rechtshängigen Ansprüchen verhalten müsse (so bereits zu § 23 BRAGO Hess. LAG 15.02.1999 - 9 Ta 12/99 -NZA-RR 1999, 380; zum RVG: LAG Hamm 31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - NZA-RR 2007, 601; LAG Nürnberg 25.06.2009 - 4 Ta 61/09 - NZA-RR 2009, 556; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10 - juris; Thüringer OLG 14.09.2009 - 1 Ws 343/09 - JurBüro 2010, 82; vgl. auch LAG München 17.03.2009 - 10 Ta 394/07 - juris). Dabei übersehen sie jedoch, dass diese Belastung nicht auf dem Prozesskostenhilfe-Antrag (für den Mehrvergleich) beruht, sondern ausschließlich auf der Einbeziehung prozessfremder Ansprüche. Wie dargelegt stellt Abs. 1 letzter Halbsatz der Anmerkung zu VV RVG 1003 jedoch allein darauf ab, mit welcher Art von Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Gericht angegangen wird. Eine Belastung des Gerichts, die ihren Grund nicht im Prozesskostenhilfeantrag hat, sondern unabhängig von diesem eintritt, ist als Unterscheidungskriterium zwischen Ausnahme und Rückausnahme in VV RVG 1003 Abs. 1 Satz 1 ungeeignet. Zutreffend weist die Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Rechtsanwalt die 1,5 Gebühr außerhalb von Prozesskostenhilfe-Sachverhalten fraglos verdient, obwohl hier das Gericht im Rahmen der Vergleichsverhandlungen genauso in die Erörterung der nicht bereits rechtshängigen Ansprüche mit einbezogen wird wie in den Prozesskostenhilfe-Sachverhalten. Der Gesetzgeber nimmt also in Kauf, dass dem Gericht die genannten Aufgaben im Rahmen von Vergleichsgesprächen zufallen, und honoriert, dass durch den Vergleich verhindert wird, dass diese Streitgegenstände noch gesondert geltend gemacht werden, im Ergebnis also eine weitere Belastung der Gerichte durch ein eigenständiges Verfahren entfällt. Der Prozesskostenhilfe-Anwalt könnte auf der Grundlage der hier abgelehnten Ansicht nie in den Genuss der erhöhten Gebühr kommen, obwohl er diesen vom Gesetz honorierten Beitrag zur Entlastung der Gerichte in gleicher Weise leistet wie der Prozessbevollmächtigte der selbstzahlenden Partei. Dies allein mit einer Schlechterstellung der anwaltlichen Vergütung im Fall eines Prozesskostenhilfeverfahrens zu erklären (so - noch zu § 23 BRAGO - LAG Nürnberg 04.11.1997 - 8 Ta 204/97 - LAGE § 23 BRAGO Nr. 6), hilft nicht weiter. Damit wird nämlich übersehen, dass auch für den Anwalt der gegnerischen, selbstzahlenden Partei VV RVG 1003 anwendbar ist. Auch für diesen reduzierte sich also bei der hier nicht vertretenen Auslegung die Einigungsgebühr auf 1,0 (vgl. Mayer/Kroiß RVG 6. Aufl. Nr. 1003 VVG RN 9).
(14)Dass das Gericht wie stets routinemäßig zu prüfen hat, ob es die Protokollierung des Vergleichs wegen Gesetzeswidrigkeit ablehnen muss, ändert entgegen der Auffassung des LAG Köln (11.12.2006 - 4 Ta 376/06 - juris) nichts. Auch diese Prüfung beruht nicht auf dem Prozesskostenhilfegesuch, sondern hat bei Mehrvergleichen außerhalb von Prozesskostenhilfe-Sachverhalten in gleicher Weise zu erfolgen.
(15) c) Die Gegenansicht führt auch zu kaum verständlichen Ergebnissen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Falle eines Mehrvergleichs ein Antrag auf Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung auch dann noch rechtzeitig, wenn er zwar erst nach Protokollierung des Vergleichs, jedoch noch vor Beendigung der mündlichen Verhandlung gestellt wurde (BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11 - NZA 2012, 1390). Bei einer solchen Verfahrensweise wäre daher im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs noch kein Prozesskostenhilfe-Antrag anhängig. Es erscheint der Beschwerdekammer wenig nachvollziehbar, die Höhe der anwaltlichen Vergütung davon abhängig zu machen, ob der Antrag, die Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrvergleich zu erstrecken, vor oder nach Vergleichsabschluss gestellt wird.
(16) d) Letztlich lässt sich die Gegenauffassung nur schwerlich mit dem Charakter des Vergütungsfestsetzungsverfahrens vereinbaren. Sie misst der Formulierung, dass €nicht lediglich Prozesskostenhilfe ... für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird", die Bedeutung zu, ein solcher Fall liege nur vor, wenn die Parteien die Einigung ohne Hilfe des Gerichts erzielt haben und dieses - €als Beurkundungsorgan" - lediglich noch die Protokollierung vornimmt (LAG Hamm 31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - NZA-RR 2007, 601 RN 20; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10 - juris; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10 - juris RN 21; Thüringer OLG 14.09.2009 - 1 Ws 343/09 - JurBüro 2010, 82 RN 24). Ein derartiges Kriterium erscheint der erkennenden Beschwerdekammer für das Verfahren auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im Prozesskostenhilfeverfahren wenig geeignet. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle müsste danach versuchen, aus der Akte, insbesondere aus dem gerichtlichen Protokoll, herauszulesen, ob das Gericht an der Einigung mitgewirkt hat oder ob die Parteien diese eigenständig erzielt haben. Da es nur um die Höhe der Gebühr für die Gegenstände des Mehrvergleichs geht, müsste sich diese Prüfung konsequenterweise auf diese Gegenstände beschränken. Entsprechende Umstände werden sich jedoch nur in wenigen Fällen aus der Akte entnehmen lassen. Nach welchen Maßstäben sollte der Urkundsbeamte beispielsweise die Unterscheidung treffen, wenn die Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag zunächst ablehnen, sodann jedoch einen zwar inhaltsgleichen, aber im Wortlaut unterschiedlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 1. Alt. ZPO feststellen lassen€
(3) Die erkennende Kammer schließt sich der Begründung der beiden vorgenannten Entscheidungen des LAG Düsseldorf vollinhaltlich an. Daraus folgt, dass der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine 1,5-fache Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert zu erstatten ist.
2. 0,8-fache Differenzverfahrensgebühr und 1,2-fache Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert
Im Beschwerdeverfahren gem. § 56 RVG gilt zwar das Verschlechterungsverbot. Dieses bezieht sich jedoch nicht auf einzelne Rechnungsposten, sondern auf den festgesetzten Gesamtbetrag (LSG Thüringen 9. Dezember 2015 - L 6 SF 1286/15 B - juris; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., § 56 RVG Rn. 9 und 5; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 22. Aufl., § 56 RVG Rn. 29). Der gegenteiligen Auffassung (vgl. LSG Bayern, 08.01.2013 - L 15 SF 232/12 B E - juris) folgt die erkennende Kammer nicht. Damit fällt dem Beschwerdegericht auch die Frage an, ob der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die vom Arbeitsgericht zuerkannte 0,8-fache Differenzverfahrensgebühr und die 1,2-fache Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert zu erstatten sind.
a) Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. etwa Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 22. Aufl. § 48 RVG Rn 152 ff.). Einheitliche Bewertungskriterien haben sich bis heute nicht durchsetzen können.
aa) Nach einer Auffassung (etwa LAG Hamm 16. September 2015 - 6 Ta 419/15 - juris; LAG Niedersachsen 10. August 2012 - 8 Ta 367/12 - juris) soll entsprechend den Grundsätzen des BGH (8. April 2004 - VI ZB 49/03 - juris) für das vorgeschaltete PKH-Bewilligungsverfahren gemäß § 118 ZPO nur die 1,5-fache Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert erstattungsfähig sein.
bb) Eine zweite Ansicht (etwa OLG München 18. März 2009 - 11 WF 812/09 - juris) hält neben der Einigungsgebühr auch die Differenzverfahrensgebühr für erstattungsfähig, weil ohne die letztere die erstere gar nicht habe entstehen können.
cc) Eine dritte Meinung (etwa OLG Koblenz 10. Dezember 2015 - 9 WF 931/15 - juris mwN) spricht sich für eine vollständige Erstattung der 1,5-fachen Einigungsgebühr, der 0,8-fachen Differenzverfahrensgebühr und der 1,2-fachen Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert aus. Die Entscheidung des BGH (8. April 2004 - VI ZB 49/03 - juris) zur Nichterstattbarkeit der Differenzverfahrensgebühr und der Terminsgebühr im vorgeschalteten PKH-Bewilligungsverfahren sei auf den Sachverhalt des Vergleichsmehrwerts im Rahmen eines rechtshängigen Verfahrens nicht anwendbar.
b) Die erkennende Kammer folgt der letztgenannten Auffassung.
aa) Die Erwägungen des BGH sind auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Die Entscheidung des BGH beruht auf der Besonderheit, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht möglich ist. Vorliegend geht es jedoch darum, dass in einem bereits rechtshängigen Verfahren von diesem nicht umfasste Gegenstände mitverglichen werden, für die kein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren anhängig ist.
bb) Dies übersieht etwa das LAG Hamm (16. September 2015 - 6 Ta 419/15 - juris Rn 8), wenn es, die Argumentation des BGH übernehmend, zur Begründung der Verneinung der Erstattungsfähigkeit der Differenzverfahrensgebühr und der Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert ausführt:
€bb) Nur für den Fall, dass bei der summarischen Prüfung oder Erörterung des Antrags auf Prozesskostenhilfe beide Seiten einigungsbereit sind, erlaubt das Gesetz aus Zweckmäßigkeitsgründen, nämlich zur Ermöglichung einer gütlichen vorprozessualen Regelung, dass im Prozesskostenhilfeverfahren über den Klageanspruch selbst eine Regelung im Wege eines Vergleichs erfolgt (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Hier sprengt das Gesetz den Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens; Gegenstand der Prüfung und Erörterung sind jetzt nicht mehr die Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers und die Erfolgsaussicht seines Begehrens, sondern jetzt geht es um die Sache selbst. Kommt es dabei zu einer Einigung der Parteien, ist aus denselben Zweckmäßigkeitsgründen, aus denen der Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeverfahren gestattet ist, auch eine Ausnahme von dem Grundsatz gerechtfertigt, dass im Bewilligungsverfahren selbst keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Ein Vergleichsabschluss ist keine Regelung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sondern über die Sache selbst. Der bisher vom Ausgang des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht unmittelbar betroffene Gegner bindet sich jetzt. Da er dabei - ebenso wie der Antragsteller - rechtliche Beratung benötigen kann, ist die Interessenlage beider Seiten nunmehr gleich. In diesem Sonderfall kann - unter den Voraussetzungen des § 114 ZPO - dem Antragsgegner ebenso wenig wie dem Antragsteller die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts auf Staatskosten verwehrt werden. Deshalb darf für den Abschluss eines Vergleichs in einem Erörterungstermin (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) gegebenenfalls beiden Parteien Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dabei kann einer Partei im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Prozesskostenhilfe aber nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 € VI ZB 49/03).€
Dabei wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Parteien sich nicht etwa erst in einem vorgeschalteten Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren befinden, an dem die Gegnerin der - dort noch gar nicht anhängigen - Hauptsache nicht einmal formell beteiligt ist (allgemeine Auffassung, vgl. hierzu Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 118 ZPO Rn 2-4 mwN), in dem es in erster Linie um die Hilfsbedürftigkeit der antragstellenden Partei geht und in dem der Gegner erst im Rahmen der Erörterungen zur Hauptsache rechtliche Beratung benötigen kann. Vielmehr findet zwischen den Parteien bereits ein Hauptsacheverfahren statt, in dem zum Zwecke der Erzielung eines Vergleichs über die rechtshängigen Ansprüche auch nicht rechtshängige Gegenstände in jenes Verfahren miteinbezogen werden sollen, ohne dass jene selbst anhängig würden oder bezüglich dieser ein vorgeschaltetes Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren anhängig gemacht worden wäre.
cc) Zwar wird, wie das LAG Hamm insoweit zutreffend bemerkt (16. September 2015 - 6 Ta 419/15 - juris Rn 11), durch den Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Vergleichsmehrwert insoweit ein neues oder weiteres Prozesskostenhilfeverfahren eingeleitet. Die dadurch eintretende Verfahrenslage unterscheidet sich jedoch wesentlich von derjenigen eines isolierten vorgeschalteten Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens. Geht es bei letzterem ausschließlich um die Gegenstände, derentwegen das Verfahren isoliert eingeleitet worden ist und hat insoweit eine volle inhaltliche Überprüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erfolgen, bilden die im Rahmen eines laufenden Hauptsacheverfahrens neben den streitgegenständlichen Punkten zur Sprache kommenden nichtrechtshängigen Gegenstände in der Regel nur ein Beiwerk. Des Weiteren findet eine Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht bezüglich der in den Vergleich einzubeziehenden zusätzlichen Gegenstände nur in höchst eingeschränkter Weise statt: Nach dem BAG (16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - juris Rn 21) kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht für den Mehrwert des Vergleichs nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Sache stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht bereits dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt.
dd) Dasselbe gilt im Übrigen auch für die Prüfung der Mutwilligkeit im Sinne des § 114 Abs. 3 ZPO. Diese soll nach dem BAG (16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - juris Rn 24) bezüglich der Positionen des Vergleichsmehrwerts nur vorliegen, wenn eine nichtbedürftige Partei in vergleichbarer Lage vernünftigerweise unter Berücksichtigung der Kostenfolgen von der Aufnahme der zusätzlichen Gegenstände in den Vergleich abgesehen hätte, was insbesondere dann der Fall sei, wenn lediglich aus Anlass eines Rechtsstreits und seiner Beendigung Regelungen in den Vergleich aufgenommen werden, die überflüssig sind, weil sie unstreitig sind und hinsichtlich derer auch kein Titulierungsinteresse besteht.
Abgesehen davon, dass bei Vorliegen der beiden letztgenannten Umstände ein Vergleichsmehrwert insgesamt ausscheiden dürfte, verbieten diese wesentlichen Unterschiede zwischen einem vorgeschalteten Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren einerseits und einem Prozesskostenhilfegesuch für einen Vergleichsmehrwert andererseits die Übertragung der Befunde für die erste auf die zweite Konstellation.
ee) Eine Gleichbehandlung wäre im Übrigen auch verfassungsrechtlich bedenklich. Das LAG Hamm (16. September 2015 - 6 Ta 419/15 - juris Rn 10) führt selbst aus:
€(10) Der Grundsatz, wonach keine Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe-verfahren gewährt wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn das Prozesskostenhilfe-Verfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG 2. Juli 2012 € 2 BvR 2377/10).€
Im Gegensatz zum eigenständigen vorgeschalteten Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren ginge es jedoch beim bereits rechtshängigen Rechtsstreit nicht mehr nur um das Zugänglichmachen, sondern um einen effektiven und von der Rechtsordnung auch geförderten Abschluss desselben (vergleiche die oben unter II 2 b dd genannten Erwägungen des BAG zur Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung betreffend einen Vergleichsmehrwert).
ff) Entgegen der Auffassung des LAG Hamm (16. September 2015 - 6 Ta 419/15 - juris Rn 15) kann auch nach der Änderung des § 48 Abs. 3 RVG zum 01.08.2013 außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift davon ausgegangen werden, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich auch die auf den Vergleichsmehrwert entfallenden Differenzverfahrens- und/oder Differenzterminsgebühren erfasst. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 48 RVG im Zuge des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I 2013 S. 2586 ff.) sich damit begnügt, in Abs. 3 dieser Vorschrift zu regeln, dass sich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in den dort enumerativ aufgeführten Fällen auf alle mit dem Mehrvergleich erforderlichen anwaltlichen Tätigkeiten erstreckt. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Mehrvergleiche über nicht von Amts wegen einzuleitende Folgesachen bei Anhängigkeit einer Ehesache. § 48 Abs. 3 RVG nF in Verbindung mit der dazu gelieferten Begründung hilft jedoch auch in zweierlei Hinsicht bei der Auslegung außerhalb dieser Bestimmung (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 22. Aufl. § 48 RVG Rn 168).
(1) Zum einen zeigt er, wie das Gesetz in der Vergangenheit die Formulierung €für den Abschluss eines Vergleichs€ verstanden hat.
§ 48 Abs. 3 RVG nF verwendet, anders als in der alten Fassung, nicht mehr die Formulierung €für den Abschluss eines Vertrags€ im Sinne von Nr. 1000 VV RVG, sondern bestimmt €im Falle eines Abschlusses eines Vertrages€ im Sinne von Nr. 1000 VV RVG. Dies stellt eine weitere Fassung dar und weist deutlicher darauf hin, dass alle Gebühren und nicht nur die Einigungsgebühr erfasst sein sollen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 22. Aufl. § 48 RVG Rn 169 f).
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 48 Abs. 3 RVG nF (BT-Drucks. 17/11471, S. 270) enthält folgende Begründung:
€Nach § 48 Absatz 3 RVG erstreckt sich die Beiordnung in einer Ehesache auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses, der den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten, den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander, die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, die Regelung des Umgangs mit einem Kind, die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen und die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht betrifft. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob diese Regelung dazu führt, dass nur die Einigungs- gebühr aus der Staatskasse zu erstatten ist, oder ob alle durch die Einigung und den Abschluss des Vertrags entstehenden Gebühren, also auch die Differenzverfahrens- und die Differenzterminsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten sind (zum Stand der unterschiedlichen Rechtsprechung siehe RVGreport 2010, 445, 447). Mit der nunmehr vorgeschlagenen Neufassung des Absatzes 3 Satz 1 soll klargestellt werden, dass im Falle eines Vertragsabschlusses alle in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren zu erstatten sind. Nur auf diese Weise erhalten Parteien mit geringem Einkommen die gleiche Möglichkeit, ihre Streitigkeiten möglichst umfangreich beizulegen, wie Parteien mit ausreichend hohem Einkommen.€
In Erwiderung zu einem abweichenden Vorschlag des Bundesrats, nach dem nur die Einigungsgebühr erfasst sein sollte, führt die Bundesregierung in einer Stellungnahme hierzu aus:
€Die Begrenzung auf einen Teil der durch die Einigung entstandenen Gebühren steht nicht im Einklang mit der Zielsetzung der Gesetzesregelung.
Die Beiordnung in einer Ehesache soll sich kraft Gesetzes auf den Abschluss eines Einigungsvertrages im Sinne der Nr. 1000 VV RVG (1,5 Einigungsgebühr) bezüglich der dort genannten Folgesachen erstrecken. Sowohl die geltende Regelung wie auch der klarstellende Änderungsvorschlag im Regierungsentwurf verfolgen das Ziel, eine umfassende Einigung in Familiensachen zu fördern. Nur durch eine Erstreckung auf alle Rechtsanwaltskosten, die im Zusammenhang mit einer Einigung anfallen können, erhalten auch bedürftige Verfahrensbeteiligte die Möglichkeit, ihre Streitigkeiten möglichst umfänglich beizulegen€ (vgl. hierzu Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 22. Aufl. § 48 RVG Rn 142, 168 ff.).
Daraus ergibt sich, dass die neue Formulierung in § 48 Abs. 3 RVG lediglich klarstellt, was schon unter der bisherigen Formulierung gegolten haben soll.
(2) § 48 Abs. 3 RVG nF ist zu entnehmen, dass das Gesetz jedenfalls beim Mehrvergleich in einem rechtshängigen Verfahren bereit ist, einen vom BGH (8. April 2004 - VI ZB 49/03 - juris) im Rahmen des Bewilligungsverfahrens nicht hingenommenen Wertungswiderspruch zugunsten einer umfassenden Einigung in Kauf zu nehmen.
Ausschlaggebend für seine Rechtsprechung, dass im Bewilligungsverfahren eine Beiordnung nur für die Einigungsgebühr erfolgen darf, ist für den BGH ein andernfalls seiner Meinung nach bestehender Wertungswiderspruch, den er als mit dem Sinn und Zweck des Instituts der Prozesskostenhilfe nicht vereinbar ansieht. Diesen Widerspruch sieht er darin, dass eine €gütliche Einigung€ auch dadurch erfolgen könne, dass ein Antrag zurückgenommen oder ein Anspruch vom Gegner akzeptiert werde, ohne dass in diesem Fall eine Erhebung der Beiordnung auf die Verfahrens- und die Terminsgebühr erfolge. Oder anders ausgedrückt: Es ist nach dem BGH nicht gerechtfertigt, dass die eine Partei die Verfahrens- und Terminsgebühr nur deshalb nicht selbst tragen müsse, weil sie einen Vergleich abschließe, während die andere, die zum Beispiel von ihrem Anspruch Abstand nehme, ohne einen Vergleich zu schließen, für diese selbst aufkommen müsse. Die PKH diene nicht dazu, eine Partei für ihre Vergleichsbereitschaft zu belohnen.
Dieser vom BGH angenommene Wertungswiderspruch entsteht auch bei der gesetzlichen Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe gemäß § 48 Abs. 3 RVG. Ähnlich - wie vom BGH im Rahmen der Nr. 3335 VV RVG festgestellt - kann es auch hier letztlich zu keiner Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG kommen, weil der Anspruchsteller überzeugt wird, dass ihm kein Anspruch zusteht, oder weil der Gegner den Anspruch unstreitig stellt. Die Folge ist dann, dass für die Gegenstände des zunächst angestrebten Mehrvergleichs keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, die Partei die inzwischen angefallene Verfahrens- und Terminsgebühr selbst tragen muss. Kommt es aber zu einer Einigung, dann erstreckt sich die Bewilligung nicht nur auf die Einigungsgebühr, sondern auch auf die Verfahrens- und Terminsgebühr. Der PKH-Berechtigte wird also mit den Worten des BGH in § 48 Abs. 3 RVG für seine Vergleichsbereitschaft belohnt. Hieran mag man mit dem BGH einen Wertungswiderspruch sehen. Diesen hält aber das Gesetz, falls es überhaupt einen solchen sieht, offensichtlich jedenfalls bei einem Mehrvergleich für erträglich und für mit dem Prozesskostenhilferecht vereinbar. Das Ziel, die Vergleichsbereitschaft dadurch zu fördern, dass nicht nur die Einigungsgebühr, sondern auch die Verfahrens- und Terminsgebühr von der Bewilligung erfasst werden, stellt es über einen etwaigen Wertungswiderspruch (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 22. Aufl. § 48 RVG Rn 173).
Gründe, warum im Fall von § 48 Abs. 3 RVG insoweit eine abweichende Handhabung als in anderen Fällen eines Mehrvergleichs in einem laufenden Verfahren gerechtfertigt sein sollten, sind nicht zu finden. Allein der Umstand, dass das Gesetz eine so starke Nähe der von § 48 Abs. 3 RVG erfassten Gegenstände sieht, dass die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf diese automatisch eintritt, rechtfertigt hinsichtlich der hier anstehenden Frage eines Wertungswiderspruchs keine unterschiedliche Handhabung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Begründung des Gesetzgebers für die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe zwar im Zusammenhang mit der Einigung in Ehesachen erfolgt ist. Sie ist aber so gefasst, dass sie auf jeden Mehrvergleich passt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 22. Aufl. § 48 RVG Rn 174).
Das Argument, dass eine Bewilligung auch deshalb ausscheide, weil bei nichtanhängigen Ansprüchen keine Prüfung der Erfolgsaussicht erfolge, geht schon deshalb fehl, weil, wenn es ausreichen würde, um keine PKH zu bewilligen, auch für die Einigungsgebühr keine Bewilligung erteilt werden dürfte (Gerold/Schmidt/ Müller-Rabe RVG 22. Aufl. § 48 RVG Rn 175; vgl. dazu auch oben unter II.2.b cc).
gg) Dem LAG Hamm (16. September 2015 - 6 Ta 419/15 - juris Rn 14) kann auch darin nicht beigetreten werden, dass ein nur formelhaft ausgefallener PKH-Beschluss betreffend den Vergleichsmehrwert regelmäßig nur die Deutung zulasse, dass die Entscheidung nur auf einen allein die Einigungsgebühr betreffenden Bewilligungsumfang angelegt sei. Dass das Arbeitsgericht dies selbst anders gesehen hat, ergibt sich daraus, dass es diese Frage gar nicht problematisiert, sondern die Differenzverfahrens- und Terminsgebühr ohne Weiteres zugesprochen hat.
3. Der Höhe nach ist der Vergütungsfestsetzungsantrag nicht zu beanstanden, weshalb die Vergütung der der Klägerin beigeordneten Rechtsanwältin gegen die Staatskasse auf 1.975,82 EUR anzuheben war.
III.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
LAG Baden-Württemberg:
Beschluss v. 27.04.2016
Az: 5 Ta 118/15
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/49b1b3455bfb/LAG-Baden-Wuerttemberg_Beschluss_vom_27-April-2016_Az_5-Ta-118-15