Bundesgerichtshof:
Urteil vom 19. Januar 2006
Aktenzeichen: I ZR 5/03
(BGH: Urteil v. 19.01.2006, Az.: I ZR 5/03)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit sich die Klageanträge auf die Herstellung und Verbreitung von DVD-Videos mit der Filmaufzeichnung der "Alpensinfonie" (op. 64) von Richard Strauss unter dem Label A. Nr. beziehen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts München I, 7. Zivilkammer, vom 21. März 2002 abgeändert.
Die Klage wird insoweit abgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Musikverlag, hat am 13./16. Januar 1970 mit der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) einen Berechtigungsvertrag in der Fassung vom 19./20. Juni 1968 geschlossen. In der Fassung vom 9./10. Juli 1996 enthält § 1 des Berechtigungsvertrags (im Folgenden: BV) u.a. folgende Regelungen:
"Der Berechtigte überträgt hiermit der GEMA als Treuhänderin für alle Länder alle ihm gegenwärtig zustehenden und während der Vertragsdauer noch zuwachsenden, zufallenden, wieder zufallenden oder sonst erworbenen Urheberrechte in folgendem Umfang zur Wahrnehmung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:
a) Die Aufführungsrechte an Werken der Tonkunst mit oder ohne Text, jedoch unter Ausschluß der bühnenmäßigen Aufführung dramatischmusikalischer Werke, sei es vollständig, als Querschnitt oder in größeren Teilen. ...
b) ...
d) Die Rechte der Fernseh-Sendung mit Ausnahme von dramatischmusikalischen Werken, sei es vollständig, als Querschnitt oder in größeren Teilen.
e) ...
h) Die Rechte der Aufnahme auf Ton-, Bildton-, Multimedia- und andere Datenträger sowie die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an diesen Trägern. ... Die Rechtsübertragung erfolgt jeweils vorbehaltlich der Regelung nach Abs. i). ...
i) (1) Die Rechte zur Benutzung eines Werkes (mit oder ohne Text) zur Herstellung von Filmwerken oder jeder anderen Art von Aufnahmen auf Bildtonträger sowie jeder anderen Verbindung von Werken der Tonkunst (mit oder ohne Text) mit Werken anderer Gattungen auf Multimedia- und andere Datenträger oder in Datenbanken, Dokumentationssystemen oder in Speichern ähnlicher Art, u.a. mit der Möglichkeit interaktiver Nutzung, mit der Maßgabe, daß GEMA und Berechtigter sich gegenseitig von allen bekanntwerdenden Fällen benachrichtigen. Der GEMA werden diese Rechte unter einer auflösenden Bedingung übertragen.
Die Bedingung tritt ein, wenn der Berechtigte der GEMA schriftlich mitteilt, daß er die Rechte im eigenen Namen wahrnehmen möchte. Diese Mitteilung muß innerhalb einer Frist von vier Wochen erfolgen; bei subverlegten Werken beträgt die Frist drei Monate. Die Frist wird von dem Zeitpunkt an berechnet, zu dem der Berechtigte im Einzelfall Kenntnis erlangt hat. In der Mitteilung des Berechtigten an die GEMA über einen ihm selbst bekanntgewordenen Einzelfall muß die Erklärung enthalten sein, ob er die Rechte im eigenen Namen wahrnehmen möchte. Der Rückfall tritt nur ein, soweit es sich um die Benutzung zur Herstellung eines bestimmten Filmwerkes oder sonstigen Bildtonträgers oder Multimedia- oder anderen Datenträgers oder die Verbindung mit Werken anderer Gattungen in einer bestimmten Datenbank, einem bestimmten Dokumentationssystem oder einem bestimmten Speicher ähnlicher Art handelt. Bei Filmwerken schließt der Rückfall das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung ein, soweit es sich um Werke handelt, die zur öffentlichen Vorführung in Lichtspieltheatern oder zur Sendung bestimmt sind. Bei sonstigen Aufnahmen auf Bildtonträger beschränkt sich der Rückfall auf die Befugnis, die Zustimmung zur Werkverbindung und zur Herstellung von 50 gesondert zu kennzeichnenden Vervielfältigungsstücken für Einführungszwecke zu erteilen. Unberührt bleiben die Rechte für Fernsehproduktionen im Sinne von Abs. (3).
(2) ...
(3) Bei Fernsehproduktionen vergibt die GEMA die Herstellungsrechte an Fernsehanstalten und deren eigene Werbegesellschaften insoweit, als es sich um Eigen- oder Auftragsproduktionen für eigene Sendezwecke und Übernahmesendungen handelt. Die Einwilligung des Berechtigten ist jedoch erforderlich, wenn Dritte an der Herstellung beteiligt sind oder wenn die Fernsehproduktionen von Dritten genutzt werden sollen. Das gilt insbesondere für Coproduktionen."
Der von der Klägerin geschlossene Berechtigungsvertrag bezieht sich auch auf die Wahrnehmung von Urheberrechten an der "Alpensinfonie" (op. 64) des Komponisten Richard Strauss.
Die Sächsische Staatskapelle Dresden feierte am 22. September 1998 ihr 450-jähriges Bestehen mit einem Festkonzert in der Semperoper. Dabei wurde u.a. die "Alpensinfonie" aufgeführt. Das Konzert wurde unter der Federführung des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) live im Programm 3sat übertragen und zugleich aufgezeichnet. Die Postproduktion im Hinblick auf Sendefassungen für spätere Ausstrahlungen des Konzerts oblag der Beklagten. Grundlage der Zusammenarbeit des MDR und der Beklagten war ein mit "Coproduktionsvertrag" überschriebener Vertrag vom 5./10. Oktober 1998. Die Beklagte wird darin durchgängig als "Coproduzent" bezeichnet; § 3 des Vertrags regelt die "Coproduktionsleistungen" der Vertragsparteien.
Die K. GmbH stell- te als Lizenznehmerin der Beklagten mit dem Film eine DVD her, meldete die davon gefertigten Bildtonträger bei der GEMA an und brachte sie auf den Markt.
Die DVD enthält einen Live-Mitschnitt des Festkonzerts auf der Grundlage des Filmmaterials mehrerer Kameras. Gezeigt werden in gestalteter Schnittfolge Blicke auf das Publikum, den Dirigenten, einzelne Musikergruppen oder Musiker des Orchesters, den Konzertsaal usw. Der so hergestellte Konzertfilm wurde am 29. April 2001 im ORF ausgestrahlt; an mehrere Fernsehanstalten wurden Senderechte vergeben.
Die Klägerin erfuhr im Jahre 2001 von der DVD-Herstellung. Die Herstellung des Films und der DVD sowie deren Verwertung genehmigte sie nicht.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Auskunft. Sie trägt vor, die Rechtsnachfolger des Komponisten Richard Strauss hätten ihr diese Ansprüche abgetreten. Durch die rechtswidrige Herstellung und Auswertung des Konzertfilms sei ihr ein Mindestschaden von 70.200 DM entstanden.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welcher Art und in welchem Umfang sie die Filmaufzeichnung der "Alpensinfonie" (op. 64) von Richard Strauss vom 22. September 1998, dargeboten von der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Guiseppe Sinopoli, verwertet hat oder verwerten ließ, insbesondere über die Herstellung und Verbreitung von DVD-Videos dieser Aufzeichnung, wie sie unter dem Label A. Nr. geschehen ist, sowie über Sendungen der Filmaufzeichnung im Fernsehen. Insbesondere sind anzugeben:
a) Sämtliche Fernsehausstrahlungen der Filmaufzeichnung im In- und Ausland unter Angabe der vollständigen Namen und Anschriften der Sender, des Sendedatums und der Sendezeit sowie des jeweils hierfür erhaltenen Entgelts;
b) die Anzahl der hergestellten, verbreiteten und der noch auf dem Lager befindlichen Exemplare des DVD-Videos mit dem Label A. Nr. sowie des Verbrei- tungsgebiets, des Ladenpreises und der Vergütung, welche die Beklagte von ihrem Lizenznehmer für die Herstellung und Verbreitung von DVD-Videos der Aufzeichnung erhalten hat und laufend erhält;
c) weitere Nutzungen der Filmaufzeichnung durch die Beklagte oder deren Lizenznehmer unter Vorlage von Belegexemplaren und Lizenzverträgen sowie unter Angabe der vollständigen Namen und Anschriften der Lizenznehmer, der jeweiligen Stückzahl, des jeweiligen Verbreitungsgebiets, der jeweiligen Ladenpreise, der jeweiligen Ausstrahlungen und der jeweiligen Einnahmen;
d) die erzielten Bruttoumsätze und der erzielte Gewinn.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 35.892,69 € nebst 8 % Zinsen hieraus seit dem 24. Mai 2001 zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Antrag 1 genannten Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Sie habe die erforderlichen Nutzungsrechte von der GEMA erworben. Weiter hat die Beklagte die Höhe des geltend gemachten Mindestschadens bestritten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG München I ZUM 2003, 69).
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG München GRUR 2003, 420).
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage als begründet angesehen. Dazu hat es - teilweise durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil - ausgeführt:
Die Klägerin sei aktivlegitimiert, weil die Rechtsnachfolger des Komponisten Richard Strauss ihr sämtliche streitgegenständlichen Rechte und daraus folgenden Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatz abgetreten hätten.
Für die Verfilmung der Konzertaufführung der "Alpensinfonie" sei die Zustimmung der Rechteinhaber erforderlich gewesen. Das Musikwerk sei dabei jedoch nicht bearbeitet, sondern lediglich vervielfältigt worden. Die "originalgetreue" Wiedergabe der Sinfonie sei unverändert auf der Tonspur der Aufzeichnung und später des DVD-Videos festgehalten und nur "bebildert" worden.
Die Klägerin habe die Vervielfältigung des Musikwerkes nicht genehmigt. Aber auch von der GEMA habe die Beklagte das Recht zur Vervielfältigung nicht erworben. Die Klägerin habe der GEMA zwar durch den Berechtigungsvertrag Rechte eingeräumt. Sie habe aber die Vergabe der Herstellungsrechte für Fernsehproduktionen gemäß § 1i Abs. 3 BV - insbesondere bei Koproduktionen - von ihrer Einwilligung abhängig gemacht, "wenn Dritte an der Herstellung beteiligt sind oder wenn die Fernsehproduktionen von Dritten genutzt werden sollen". Der Vertrag zwischen der Beklagten und dem MDR vom 5./10. Oktober 1998 sei nach seiner Überschrift und seinem Inhalt ein Koproduktionsvertrag. Dementsprechend sei die Herstellung des Fernsehfilms unter Beteiligung der Beklagten und erst recht die spätere Auswertung der DVD und deren Vertrieb ohne die Zustimmung der Rechteinhaber rechtswidrig gewesen.
Da die Beklagte schuldhaft gehandelt habe, sei sie zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadensersatz sei jedenfalls in Höhe des als angemessene Lizenzgebühr verlangten Betrags begründet. Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch sei als Nebenanspruch zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs gegeben.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Klägerin begründet ihre Klageanträge damit, dass die Herstellung des Films über die Aufführung der "Alpensinfonie" am 22. September 1998 mithilfe des Konzertmitschnitts sowie die Vervielfältigung und Verbreitung des Films auf DVD und dessen Fernsehausstrahlung die Nutzungsrechte der Klägerin an der "Alpensinfonie" verletzt hätten. Die Klägerin beantragt, die Beklagte wegen dieser Handlungen zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie zur Zahlung von Schadensersatz zu verurteilen und ihre Verpflichtung zum Ersatz des weiteren aus der Verwertung der Filmaufzeichnung entstandenen Schadens festzustellen.
1. Nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens kann nicht angenommen werden, dass die Vervielfältigung und Verbreitung der "Alpensinfonie" auf DVD in Nutzungsrechte der Klägerin eingegriffen hat und diese deshalb von der Beklagten Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung sowie Auskunftserteilung und Rechnungslegung zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs verlangen kann (§ 97 Abs. 1 i.V. mit §§ 16, 17 UrhG).
a) Im Revisionsverfahren ist allerdings das Vorbringen der Klägerin zu unterstellen, dass die Erben des Komponisten Richard Strauss am 24. Januar/18. April 1986 mit der GEMA eine - weiterhin wirksame - Ergänzung des bestehenden Berechtigungsvertrags vereinbart haben. Danach sollten das Recht "zur Herstellung von Film- oder Videoaufzeichnungen von Darbietungen der ... Werke" sowie die Rechte "zur Nutzung von Filmaufzeichnungen für die Herstellung von Bildplatten, Videobändern oder sonstigen Bildtonträgern" nicht von der Rechtseinräumung an die GEMA erfasst werden. Wird davon ausgegangen, hätten die Erben des Urhebers die entsprechenden Nutzungsrechte zur Vervielfältigung und Verbreitung wirksam der Klägerin einräumen können. Das Berufungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Falls nicht von der Wirksamkeit der behaupteten Vereinbarung zwischen den Erben des Komponisten und der GEMA auszugehen sein sollte, sind die Rechte an der Vervielfältigung und Verbreitung der "Alpensinfonie" - wie nachstehend dargelegt - durch den Berechtigungsvertrag der GEMA eingeräumt worden und konnten dementsprechend nicht mehr von der Klägerin erworben werden.
b) Wird unterstellt, dass allein der Berechtigungsvertrag in der vom Berufungsgericht unbeanstandet zugrunde gelegten Fassung vom 9./10. Juli 1996 anzuwenden ist, stehen die Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der auf der Grundlage des Konzertmitschnitts der "Alpensinfonie" hergestellten DVDs der GEMA zu.
aa) Der Senat kann den Berechtigungsvertrag auch als Revisionsgericht ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts selbst auslegen, weil die Regelungen des Berechtigungsvertrags bundesweit angewandte Allgemeine Geschäftsbedingungen sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2001 - I ZR 41/99, GRUR 2002, 332, 333 = WRP 2002, 442 - Klausurerfordernis; Urt. v. 19.5.2005 - I ZR 299/02, GRUR 2005, 757, 759 = WRP 2005, 1177 - PRO-Verfahren, für BGHZ 163, 119 vorgesehen).
bb) Nach § 1h Satz 1 BV räumt der Berechtigte der GEMA die Rechte zur Aufnahme des Werkes auf Ton- und Bildtonträger sowie die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte hinsichtlich dieser Träger ein. Die Rechtseinräumung durch den Berechtigungsvertrag bezieht sich in dessen Fassung vom 9./10. Juli 1996 - ungeachtet des § 31 Abs. 4 UrhG - auch auf die Vervielfältigung und Verbreitung des Musikwerkes auf DVD. Die Vorschrift des § 31 Abs. 4 UrhG gilt zwar auch für Wahrnehmungsverträge mit Verwertungsgesellschaften (vgl. BGHZ 95, 274, 282 f. - GEMA-Vermutung I; BGH, Urt. v. 15.10.1987 - I ZR 96/85, GRUR 1988, 296, 298 - GEMA-Vermutung IV); die Verwendung von DVDs ist aber im Hinblick auf die seit Jahren bekannte Videokassettennutzung keine unbekannte Nutzungsart im Sinne dieser Vorschrift (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2005 - I ZR 285/02, GRUR 2005, 937, 939 = WRP 2005, 1542 - Der Zauberberg, für BGHZ 163, 109 vorgesehen).
cc) Entgegen der Ansicht der Revision greift auch die (erstmalige) Herstellung eines Films über die Aufführung eines Musikwerkes in urheberrechtliche Befugnisse ein. Sie ist jedenfalls eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1993 - I ZR 196/91, GRUR 1994, 41, 42 f. - Videozweitauswertung II; vgl. auch Ventroni, Das Filmherstellungsrecht, 2001, S. 90 f.) und bedarf schon deshalb der Zustimmung des Berechtigten. Dabei ist es unerheblich, dass die Aufzeichnung lediglich die spätere Filmauswertung vorbereitet, weil die Verwertungsrechte dem Urheber grundsätzlich die Kontrolle darüber geben sollen, ob, wann und wie sein Werk verwendet wird (vgl. BGHZ 152, 317, 325 - Sender Felsberg; BGH, Urt. v. 3.7.1981 - I ZR 106/79, GRUR 1982, 102, 103 - Masterbänder; vgl. weiter Schricker/v. Ungern-Sternberg, Urheberrecht, 2. Aufl., § 15 UrhG Rdn. 1, 6).
dd) Die Einräumung von Nutzungsrechten zur Vervielfältigung nach § 1h Satz 1 BV steht allerdings gemäß § 1h Satz 4 BV unter dem Vorbehalt der Regelung des § 1i BV. Davon betroffen ist u.a. die Rechtseinräumung hinsichtlich der (erstmaligen) Herstellung eines Films über die Aufführung eines Musikwerkes, soweit sie in das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) eingreift. Von der Herstellung eines Films über die Aufführung eines Musikwerkes unterscheidet der Berechtigungsvertrag aber die Einräumung der Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung des hergestellten Films auf Bildtonträgern (vgl. dazu - zu § 1i Abs. 1 BV i.d.F. vom 1./2.7.1986 - BGH GRUR 1994, 41, 44 - Videozweitauswertung II; vgl. weiter Staudt in Kreile/Becker/Riesenhuber, Recht und Praxis der GEMA, 2005, Kap. 10 Rdn. 253, 257). Diese werden bei Fernsehproduktionen durch die in § 1h Satz 4 BV vorbehaltene Regelung des § 1i BV nicht von der Rechtseinräumung nach § 1h Satz 1 BV ausgenommen.
Wird ein Film über die Konzertaufführung eines Werkes der Musik als Fernsehproduktion hergestellt, ist § 1i Abs. 3 BV anwendbar. Diese Bestimmung regelt jedoch nur die Einräumung der für die Filmherstellung erforderlichen Rechte an die GEMA, nicht auch die Einräumung der Rechte an der Vervielfältigung und Verbreitung des hergestellten Films auf Bildtonträgern. Insoweit bleibt es bei der Regelung des § 1h Satz 1 BV, nach der diese Rechte von der GEMA wahrgenommen werden sollen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1i Abs. 3 BV und dessen Zusammenhang mit dem sonstigen Inhalt des § 1i BV.
Nach § 1i Absatz 1 Satz 1 BV räumt der Berechtigte der GEMA die Rechte zur Benutzung eines Werkes "zur Herstellung von Filmwerken oder jeder anderen Art von Aufnahmen auf Bildtonträger", das sog. Filmherstellungsrecht, (unter einer auflösenden Bedingung) ein (vgl. BGH GRUR 1994, 41, 43 f. - Videozweitauswertung II). Die Bestimmung des § 1i Abs. 3 BV über die Einräumung der "Herstellungsrechte" für Fernsehproduktionen enthält dazu eine Sonderregelung (§ 1i Abs. 1 Satz 10 BV) und bezieht sich dementsprechend wie § 1i Abs. 1 Satz 1 BV nicht auf die Einräumung der Rechte an der Vervielfältigung und Verbreitung des hergestellten Films auf Bildtonträgern.
2. Ansprüche wegen der Vervielfältigung und Verbreitung der Bildtonträger mit der Aufführung der "Alpensinfonie" können auch nicht aus § 97 Abs. 1, § 23 UrhG hergeleitet werden. Die Frage, wem gegebenenfalls entsprechende Rechte zustehen würden, muss deshalb nicht erörtert werden. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die "Alpensinfonie" als Werk der Musik für die Herstellung der Bildtonträger nicht im Sinne des § 23 Satz 1 UrhG bearbeitet worden ist, da sie "notengetreu" aufgeführt und in dieser Form auch unverändert bei der Herstellung der DVD vervielfältigt wurde.
Die Verbindung eines Musikwerkes mit dem Bildteil eines Films ist als solche bei unveränderter Übernahme der Musik nur eine Vervielfältigung (vgl. BGH GRUR 1994, 41, 42 f. - Videozweitauswertung II; Loewenheim/Castendyk, Handbuch des Urheberrechts, § 75 Rdn. 298; Ventroni aaO S. 119 ff.; Siebert, Die Auslegung der Wahrnehmungsverträge unter Berücksichtigung der digitalen Technik, 2002, S. 49 ff.; a.A. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 23 UrhG Rdn. 21). Das Werk der Musik wird dadurch zwar im ästhetischen Sinn Teil des "Gesamtkunstwerkes" Film, die Bildfolgen des Films können das Musikwerk aber nicht "verfilmen". Auch bei einem Film über eine Konzertaufführung des Werkes kann lediglich dessen Darbietung gezeigt werden.
Eine Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil das Musikwerk durch die Verbindung mit Bildfolgen in einen neuen Zusammenhang gestellt wird. Musik und Bildfolgen gehören verschiedenen Kunstformen an und erscheinen deshalb auch nach ihrer Verbindung nicht in der Weise als Teil desselben Werkes, wie das etwa bei Zutaten zu einem Werk der bildenden Kunst der Fall sein kann (vgl. dazu BGHZ 150, 32, 41 - Unikatrahmen).
3. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob der Klägerin Ansprüche aus § 97 Abs. 1 i.V. mit § 96 Abs. 1 UrhG wegen der Verbreitung der DVDs zustehen. Falls insoweit nur auf den Berechtigungsvertrag abzustellen sein sollte, wäre Inhaber solcher Ansprüche die GEMA. Die rechtswidrige Vervielfältigung einer DVD, die auf der Grundlage eines Konzertmitschnitts hergestellt worden ist, greift in die Nutzungsrechte zur Vervielfältigung ein, die der GEMA durch den Berechtigungsvertrag eingeräumt worden sind. Die Vorschrift des § 96 Abs. 1 UrhG schützt den Inhaber des Vervielfältigungsrechts, indem sie ihm ein Verbotsrecht hinsichtlich andersartiger Werknutzungen (öffentliche Wiedergabe und Verbreitung) gibt, die mithilfe des rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücks vorgenommen werden (vgl. Schricker/Wild aaO § 96 UrhG Rdn. 3; Möhring/Nicolini/Lütje, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 96 UrhG Rdn. 3; Meckel in HK-UrhR, § 96 UrhG Rdn. 3; Bungeroth, GRUR 1976, 454, 456 f.; a.A. Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 96 UrhG Rdn. 11 f.). Auch unter dem Gesichtspunkt von Ansprüchen aus § 97 Abs. 1 i.V. mit § 96 Abs. 1 UrhG kommt es deshalb auf das Vorbringen der Klägerin an, wonach die Erben des Komponisten das Recht, Filmaufzeichnungen von Aufführungen der "Alpensinfonie" herzustellen und auf Bildtonträgern zu vervielfältigen, nicht der GEMA zur Wahrnehmung eingeräumt haben.
4. Wegen der Vervielfältigung und Verbreitung der "Alpensinfonie" auf DVDs stehen der Klägerin Ansprüche aus § 97 Abs. 1 i.V. mit § 96 Abs. 1 UrhG auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu, dass die - ohne ihre Einwilligung vorgenommene - (erstmalige) Herstellung des Konzertfilms als Fernsehproduktion ein Vervielfältigungsrecht verletzt hat, das ihr auch dann verblieben ist, wenn die Nutzungsrechte zur Vervielfältigung von Bildtonträgern - mangels einer besonderen Abrede (vgl. dazu oben I. 1. a)) - von der GEMA wahrgenommen werden sollten.
Die (erstmalige) Festlegung der "Alpensinfonie" bei der Herstellung des Konzertfilms als Fernsehproduktion verletzte das sog. Filmherstellungsrecht, das nach dem Berechtigungsvertrag weiterhin der Klägerin zustand. Nach § 1i Abs. 3 Satz 2 BV verbleibt das Herstellungsrecht bei Fernsehproduktionen, die - wie hier - als Koproduktion hergestellt werden, dem Berechtigten. Der Berechtigungsvertrag formuliert dies als Hinweis darauf, dass in solchen Fällen die Einwilligung des Berechtigten erforderlich ist (vgl. Staudt aaO Kap. 10 Rdn. 270). Die Revision vertritt allerdings die Ansicht, nach dem Berechtigungsvertrag werde bei Fernsehproduktionen die GEMA Inhaberin der Herstellungsrechte; diese sei unter den Voraussetzungen des § 1i Abs. 3 Satz 2 BV lediglich im Innenverhältnis zum Berechtigten verpflichtet, dessen Einwilligung zur Rechtevergabe einzuholen. Eine solche Auslegung widerspricht jedoch Sinn und Zweck des Berechtigungsvertrags. Die Rechtseinräumung durch den Berechtigungsvertrag soll der GEMA eine verwaltungstechnisch einfache Wahrnehmung von Nutzungsrechten als Treuhänderin des Berechtigten ermöglichen. Damit wäre es unvereinbar, wenn die GEMA, die nach § 11 UrhWG dem Abschlusszwang unterliegt, zwar das Herstellungsrecht erwerben würde, aber aufgrund schuldrechtlicher Verpflichtung Herstellungsrechte nur nach Einwilligung des Berechtigten vergeben dürfte.
Die Vorschrift des § 96 Abs. 1 UrhG stellt jedoch kein Verbot auf, Vervielfältigungsstücke gerade mithilfe eines rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücks zu fertigen. Sie erfasst nach ihrem Wortlaut solche Fälle nicht. Es besteht insoweit auch keine Gesetzeslücke, die durch eine analoge Anwendung der Vorschrift zu schließen wäre (vgl. dazu auch Dreier in Dreier/Schulze aaO § 96 UrhG Rdn. 9). Die Vorschrift des § 96 Abs. 1 UrhG schützt - wie vorstehend dargelegt - das Vervielfältigungsrecht des Berechtigten durch ein Verwertungsverbot, das sich gegen andersartige Werknutzungen (öffentliche Wiedergabe und Verbreitung) richtet, für die ein rechtswidrig hergestelltes Vervielfältigungsstück benutzt wird. Gegen eine rechtswidrige Vervielfältigung rechtswidrig hergestellter Vervielfältigungsstücke kann bereits aus dem Vervielfältigungsrecht vorgegangen werden (§ 97 Abs. 1 i.V. mit § 16 UrhG). Wird durch die rechtswidrige Vervielfältigung eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Urhebers vertieft (etwa bei Vervielfältigung einer unbefugten Aufzeichnung musikalischer Improvisationen), folgen daraus die aus diesen Rechten hergeleiteten Ansprüche.
5. Ansprüche wegen der Verletzung des Senderechts aus § 97 Abs. 1 i.V. mit § 20 UrhG kann die Klägerin schon deshalb nicht gegen die Beklagte geltend machen, weil das Senderecht gemäß § 1d BV von der GEMA wahrgenommen wird. Die behauptete Sondervereinbarung zwischen den Erben des Komponisten und der GEMA vom 24. Januar/18. April 1986 bezieht sich nicht auf das Senderecht.
6. Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (Klageantrag zu 3 i.V. mit Klageantrag zu 1) ist schon jetzt als unbegründet abzuweisen, soweit er auf andere Werknutzungen bezogen ist als auf die Vervielfältigung und Verbreitung der DVDs, die unter dem Label A. Nr. herge- stellt worden sind. Die Klägerin kann auch dann, wenn ihr Schadensersatzansprüche wegen der Vervielfältigung und Verbreitung dieser DVDs zustehen sollten, nicht verlangen, dass auch die Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen nicht näher dargelegter anderer Nutzungen der Filmaufzeichnung der "Alpensinfonie" festgestellt wird.
7. Der Antrag der Klägerin, die Beklagte zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung zu verurteilen, ist ebenfalls teilweise als unbegründet abzuweisen. Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand könnte die Beklagte der Klägerin allenfalls zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sie durch die Lizenzerteilung an die K. GmbH dazu beigetragen hat, dass die DVDs unter dem Label A. Nr. rechtswidrig hergestellt worden sind. Der Nachweis einer solchen Teilnahme an der Rechtsverletzung eines Dritten (vgl. dazu BGHZ 136, 380, 389 - Spielbankaffaire; BGH, Urt. v. 23.6.2005 - I ZR 227/02, GRUR 2005, 854, 856 f. = WRP 2005, 1173 - Karten-Grundsubstanz) könnte aber lediglich einen Anspruch darauf begründen, dass die Beklagte Auskunft erteilt und Rechnung legt, soweit dies erforderlich ist, um den auf eine solche Rechtsverletzung bezogenen Schadensersatzanspruch durchzusetzen. Auch wenn sich im weiteren Verfahren ergeben sollte, dass die Beklagte durch die Lizenzerteilung an die K. GmbH eine Verletzung von Rechten der Klägerin veranlasst hat, könnte dies jedoch nicht genügen, die Beklagte zu verpflichten, über alle möglichen anderen Verletzungshandlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Denn dies liefe darauf hinaus, einen rechtlich nicht bestehenden allgemeinen Auskunftsanspruch anzuerkennen und der Ausforschung unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweislastregeln Tür und Tor zu öffnen (vgl. BGHZ 148, 26, 35 - Entfernung der Herstellungsnummer II).
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm Pokrant Schaffert Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 21.03.2002 - 7 O 15929/01 -
OLG München, Entscheidung vom 05.12.2002 - 29 U 3069/02 -
BGH:
Urteil v. 19.01.2006
Az: I ZR 5/03
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