Bundesarbeitsgericht:
Beschluss vom 27. Oktober 2010
Aktenzeichen: 7 ABR 85/09
(BAG: Beschluss v. 27.10.2010, Az.: 7 ABR 85/09)
In sogenannten öffentlich-privatrechtlichen Mischkonzernen kann trotz der öffentlich-rechtlichen Organisation des herrschenden Unternehmens für die privatrechtlich organisierten beherrschten Unternehmen ein Konzernbetriebsrat errichtet werden.
Tenor
Die Rechtsbeschwerden der Arbeitgeberinnen gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. Januar 2009 - 4 TaBV 8/08 - werden zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob für einen Konzern unter Leitung eines öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmens ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann.
Die zu 1. beteiligte Antragstellerin ist das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bei ihr sind nach dem Hamburgischen Personalvertretungsgesetz Personalräte für das wissenschaftliche und das nichtwissenschaftliche Personal gebildet.
Die zu 2. bis 8. und 16. beteiligten Antragstellerinnen sind Tochterunternehmen des UKE, die im klinischen Bereich tätig sind und in der Rechtsform (gemeinnütziger) Gesellschaften mit beschränkter Haftung tätig werden. Das UKE hält Beteiligungen von 51 % bis 100 % an den Tochtergesellschaften. Das UKE beschäftigte im Juni 2007 5.435 Arbeitnehmer. Bei den zu 2. bis 8. und 16. beteiligten Arbeitgeberinnen waren damals insgesamt 1.911 Arbeitnehmer tätig. Davon entfielen auf die Beteiligten zu 2. bis. 8. 1.831 Arbeitnehmer. Das UKE trifft alle wesentlichen Entscheidungen in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten für sich und seine Tochterunternehmen.
Die Beteiligten zu 10. bis 15. und 17. sind die in den Tochtergesellschaften gebildeten Betriebsräte. Gesamtbetriebsräte sind nicht errichtet.
Die zu 10. bis 15. beteiligten Betriebsräte errichteten in der konstituierenden Sitzung vom 15. Juni 2007 erstmals einen Konzernbetriebsrat, den Beteiligten zu 9. Die dem Hamburgischen Personalvertretungsgesetz unterliegenden 5.435 Arbeitnehmer des UKE blieben unberücksichtigt. Seine beiden Personalräte waren an der Errichtung des Konzernbetriebsrats nicht beteiligt. Sie entsenden keine Mitglieder in den Konzernbetriebsrat.
Die zu 1. bis 8. und 16. beteiligten Arbeitgeberinnen haben in dem von ihnen eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, es könne kein Konzernbetriebsrat gebildet werden. Das ergebe die Auslegung der §§ 54 und 130 BetrVG. Das herrschende Unternehmen, das UKE, falle als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht in den Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Daher könne ebenso wenig ein Konzernbetriebsrat errichtet werden wie in Fällen, in denen eine inländische Konzernspitze fehle.
Die zu 1. bis 8. und 16. beteiligten Arbeitgeberinnen haben beantragt
festzustellen, dass die Errichtung eines Konzernbetriebsrats für den Konzern "UKE Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf" unwirksam ist.
Der Konzernbetriebsrat und die zu 10. bis 13., 15. und 17. beteiligten Betriebsräte haben die Ansicht geäußert, ein Konzernbetriebsrat könne auch für "gemischte" Konzerne errichtet werden, die sich aus öffentlich-rechtlich und privatrechtlich organisierten Unternehmen zusammensetzten. Bediene sich die öffentliche Hand der Organisationsformen des Privatrechts, gelte das Betriebsverfassungsgesetz. Die nötige Einschränkung, dass die Errichtung des Konzernbetriebsrats nur den (Gesamt-)Betriebsräten der privatrechtlich organisierten Konzernunternehmen obliege, sei beachtet worden.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerden der Beteiligten zu 9. bis 11., 13., 15. und 17. abgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden erstreben die Arbeitgeberinnen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der zu 9. beteiligte Konzernbetriebsrat und die zu 10. bis 13., 15. und 17. beteiligten Betriebsräte beantragen, die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerden sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu Recht abgewiesen.
I. Neben den antragstellenden Arbeitgeberinnen sind der Konzernbetriebsrat und die in den Unternehmen der Arbeitgeberinnen zu 2. bis 8. und 16. gebildeten Betriebsräte am Verfahren beteiligt.
1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 63/06 - Rn. 11 mwN, AP ArbGG 1979 § 96a Nr. 3; 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 39, BAGE 121, 212).
2. Danach ist neben den Arbeitgeberinnen nicht nur der Konzernbetriebsrat beteiligt. Vielmehr sind auch alle Betriebsräte, die in den Unternehmen der Arbeitgeberinnen gebildet sind, unmittelbar in ihrer Rechtsstellung betroffen und deshalb am Verfahren beteiligt (vgl. BAG 23. August 2006 - 7 ABR 51/05 - Rn. 33 mwN, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 54 Nr. 2). Sie sind nach § 54 Abs. 2 BetrVG berechtigt, Mitglieder in den Konzernbetriebsrat zu entsenden. Gesamtbetriebsräte sind nicht errichtet.
II. Der Antrag ist zulässig, muss allerdings ausgelegt werden.
1. Wie die Auslegung des Antrags ergibt, geht es den Arbeitgeberinnen nicht um die vergangenheitsbezogene Feststellung, dass der Konzernbetriebsrat 2007 nicht wirksam gebildet wurde. Gegenstand des Streits ist auch nicht die Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats. Die Arbeitgeberinnen wollen vielmehr allgemein und gegenwartsbezogen - auch über die Betriebsratsneuwahlen im Jahr 2010 hinaus - festgestellt wissen, dass in dem Konzern unter Leitung des UKE kein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann (vgl. zur Antragsauslegung bei Streit über die Errichtung des Konzernbetriebsrats auch BAG 23. August 2006 - 7 ABR 51/05 - Rn. 39 mwN, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 54 Nr. 2).
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Er genügt insbesondere den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO. Die Arbeitgeberinnen sind antragsbefugt.
a) Der Antrag erfüllt die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO.
aa) Er ist auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet.
(1) Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen (BAG 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 122, 121).
(2) Diesen Anforderungen wird der Antrag gerecht. Es geht den Arbeitgeberinnen darum zu klären, dass für den Konzern, den sie bilden, aufgrund seiner öffentlich-privatrechtlichen Mischstruktur nach §§ 54, 130 BetrVG kein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann. Die erstrebte negative Feststellung betrifft das Recht der beteiligten Betriebsräte, einen Konzernbetriebsrat zu errichten. Zugleich geht es um die Verpflichtung der Arbeitgeberinnen, die Errichtung eines Konzernbetriebsrats zu dulden.
bb) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige besondere Feststellungsinteresse für den Antrag der Arbeitgeberinnen folgt aus den verschiedenen Auffassungen der Beteiligten darüber, ob die Voraussetzungen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats erfüllt sind. Der Antrag der Arbeitgeberinnen führt diesen Streit einer umfassenden Klärung zu (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 63/06 - Rn. 16, AP ArbGG 1979 § 96a Nr. 3).
b) Die Arbeitgeberinnen sind antragsbefugt. Sie verfolgen mit ihrem negativen Feststellungsantrag ein eigenes betriebsverfassungsrechtliches Recht (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 63/06 - Rn. 14 mwN, AP ArbGG 1979 § 96a Nr. 3; 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 39, BAGE 121, 212). Sie sind von den Handlungen des Konzernbetriebsrats betroffen.
III. Der Antrag ist unbegründet. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, kann in dem vom UKE beherrschten Konzern ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Die zu 1. bis 8. und 16. beteiligten Arbeitgeberinnen bilden einen sog. Unterordnungskonzern iSv. § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 18 Abs. 1 AktG. Für die Unternehmen der zu 2. bis 8. und 16. beteiligten Arbeitgeberinnen kann ein Konzernbetriebsrat errichtet werden, obwohl herrschendes Unternehmen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Die errichtenden Betriebsräte haben die gebotene Einschränkung beachtet, dass ein Konzernbetriebsrat wegen § 130 BetrVG nur für die beherrschten Unternehmen errichtet werden kann, die privatrechtlich organisiert sind.
1. Die zu 1. bis 8. und 16. beteiligten Arbeitgeberinnen bilden einen Konzern iSv. § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 18 Abs. 1 AktG.
a) Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann für einen Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG) durch Beschlüsse der Gesamtbetriebsräte oder - unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 BetrVG - der Betriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Das Betriebsverfassungsgesetz bestimmt jedoch nicht selbst, wann ein Konzern besteht und welche Unternehmen dem Konzern angehören.
aa) § 54 Abs. 1 BetrVG verweist auf § 18 Abs. 1 AktG. Es gilt deshalb kein eigenständiger betriebsverfassungsrechtlicher Konzernbegriff. Maßgeblich sind vielmehr die Regelungen des Aktiengesetzes. Aufgrund der Verweisung auf § 18 Abs. 1 AktG kann ein Konzernbetriebsrat nur in einem sog. Unterordnungskonzern errichtet werden. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG bilden ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen einen sog. Unterordnungskonzern, wenn sie unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind. Von einem abhängigen Unternehmen wird nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Nach § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss hat. Nach § 17 Abs. 2 AktG wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Gehört die Mehrheit der Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen, ist das Unternehmen nach § 16 Abs. 1 AktG ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen. Für die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1 AktG ist es unerheblich, in welcher Rechtsform das herrschende und die abhängigen Unternehmen geführt werden. Der Unternehmensbegriff wird in §§ 15 ff. AktG rechtsformneutral verwendet (vgl. zu allem BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 63/06 - Rn. 23, AP ArbGG 1979 § 96a Nr. 3; 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 42, BAGE 121, 212). Körperschaften des öffentlichen Rechts sind bereits dann als Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn anzusehen, wenn sie lediglich ein in privater Rechtsform organisiertes Unternehmen beherrschen (BGH 17. März 1997 - II ZB 3/96 - zu III 3 der Gründe, BGHZ 135, 107; grundlegend 13. Oktober 1977 - II ZR 123/76 - [VEBA] zu II der Gründe, BGHZ 69, 334).
bb) Das Konzernverhältnis setzt neben der Abhängigkeit die tatsächliche Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf wesentliche Teile der Unternehmenspolitik der abhängigen Unternehmen voraus. Diese beherrschende Einflussnahme wird bei Abhängigkeit iSv. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG allerdings vermutet. Um die Vermutung zu widerlegen, ist der Nachweis erforderlich, dass trotz eines beherrschenden Einflusses keine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung besteht (vgl. BAG 22. November 1995 - 7 ABR 9/95 - zu B II 1 d der Gründe, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 54 Nr. 5).
b) Die zu 1. bis 8. und 16. beteiligten Arbeitgeberinnen bilden nach diesen Grundsätzen einen sog. Unterordnungskonzern iSv. § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 18 Abs. 1 AktG. Sie sind als abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des UKE zusammengefasst. Das UKE hält die Mehrheit der Anteile der rechtlich selbständigen zu 2. bis 8. und 16. beteiligten Gesellschaften. Die Beteiligten zu 2. bis 8. und 16. sind damit in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen (§ 16 Abs. 1 AktG). Von ihnen wird vermutet, dass sie vom UKE abhängig sind (§ 17 Abs. 2 AktG). Die beherrschende Einflussnahme im Sinne einer einheitlichen Leitung durch das UKE ergibt sich bereits aus der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG. Aus dem Vorbringen der Beteiligten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Konzernvermutung widerlegt ist. Das UKE übt seine einheitliche Leitungsmacht vielmehr tatsächlich aus. Es trifft nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts alle wesentlichen Entscheidungen in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten für die Beteiligten zu 2. bis 8. und 16.
2. § 130 BetrVG steht der Errichtung eines Konzernbetriebsrats nicht entgegen. Für den privatrechtlich organisierten Teil eines Unterordnungskonzerns mit öffentlich-rechtlich organisierter Konzernspitze kann ein Konzernbetriebsrat gebildet werden. Das entspricht der allgemeinen Auffassung im Schrifttum (Richardi/Annuß BetrVG 12. Aufl. § 54 Rn. 7; Fitting 25. Aufl. § 54 Rn. 12; MüArbR/Joost 3. Aufl. Bd. 2 § 227 Rn. 8; ErfK/Koch 11. Aufl. § 54 BetrVG Rn. 2; Kreutz/Franzen GK-BetrVG 9. Aufl. § 54 Rn. 23; Plander Mitbestimmung in öffentlich-privatrechtlichen Mischkonzernen S. 26 bis 36; Schwab AiB 2008, 87, 88; HaKo-BetrVG/Tautphäus 3. Aufl. § 54 Rn. 3; DKKW/Trittin 12. Aufl. Vor § 54 Rn. 11 und 96; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern S. 310 und 311 f.). Dieses Ergebnis folgt aus der an Wortlaut, Zusammenhang sowie Sinn und Zweck orientierten Auslegung der §§ 54 ff. und 130 BetrVG. Nach § 130 BetrVG kann die Belegschaft des herrschenden öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmens allerdings nicht bei der Errichtung des Konzernbetriebsrats berücksichtigt werden (vgl. Richardi/Annuß aaO; Fitting aaO; Plander S. 35 f.).
a) Bereits der Wortlaut der §§ 54 und 130 BetrVG legt die Möglichkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats in einem gemischten Konzern nahe, der von einem öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmen beherrscht wird.
aa) Nach § 54 BetrVG kann ein Konzernbetriebsrat für einen Konzern iSd. § 18 Abs. 1 AktG errichtet werden. Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nach dem Konzernbegriff des § 18 Abs. 1 AktG Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn, wenn sie ein in privater Rechtsform organisiertes Unternehmen beherrschen (vgl. BGH 17. März 1997 - II ZB 3/96 - zu III 3 der Gründe, BGHZ 135, 107; grundlegend 13. Oktober 1977 - II ZR 123/76 - [VEBA] zu II der Gründe, BGHZ 69, 334). Hinzu kommt, dass der Konzernbetriebsrat nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht im herrschenden Unternehmen errichtet wird, sondern für den Konzern (vgl. Plander S. 28 f.).
bb) Der Wortlaut des § 130 BetrVG steht dem nicht entgegen. Nach § 130 BetrVG findet das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung auf Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Vorschrift grenzt den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes gegenüber dem Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder ab. Sie nimmt Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts von der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes aus. Wird der Betrieb von einer Verwaltung geführt und ist er öffentlich-rechtlich organisiert, gilt das Personalvertretungsrecht (vgl. BAG 24. Januar 1996 - 7 ABR 10/95 - zu B 5 der Gründe mwN, BAGE 82, 112). Dagegen regelt die Vorschrift den Fall des sog. öffentlich-privatrechtlichen Mischkonzerns nicht. Ihrer Bereichsausnahme wird hinreichend Rechnung getragen, wenn das herrschende, öffentlich-rechtlich organisierte und damit dem Personalvertretungsrecht unterfallende Unternehmen nicht in die Errichtung des Konzernbetriebsrats einbezogen wird.
b) Der systematische Zusammenhang spricht für die Möglichkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats in einem sog. öffentlich-privatrechtlichen Mischkonzern. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird der Unternehmensbegriff in §§ 15 ff. AktG rechtsformneutral verwendet. Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn kann daher auch eine natürliche Person sein. Das gilt selbst dann, wenn sie kein eigenes Unternehmen betreibt, sondern ihre unternehmerischen Interessen auf der Grundlage maßgeblicher Beteiligung an mehreren anderen Unternehmen verfolgt (vgl. BAG 23. August 2006 - 7 ABR 51/05 - Rn. 44 mwN, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 54 Nr. 2). Der rechtsformneutral gebrauchte Unternehmensbegriff deutet darauf hin, die Errichtung eines Konzernbetriebsrats auch dann für zulässig zu halten, wenn das herrschende Unternehmen öffentlich-rechtlich organisiert ist.
c) Sinn und Zweck des § 54 BetrVG verlangen die Möglichkeit, in Konzernen mit öffentlich-rechtlich organisierter Konzernspitze Konzernbetriebsräte zu errichten. Sonst käme die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei Entscheidungen auf Konzernebene nicht ausreichend zur Geltung.
aa) Nach dem Schutzzweck des § 54 BetrVG soll eine Beteiligung der Arbeitnehmer an den die Einzelunternehmen bindenden Leitungsentscheidungen des Konzerns im sozialen, personellen und wirtschaftlichen Bereich sichergestellt werden. Mitbestimmung iSd. Betriebsverfassungsgesetzes soll dort ausgeübt werden, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird. Mit der möglichen Errichtung eines Konzernbetriebsrats wollte der Gesetzgeber einer Beeinträchtigung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte infolge konzernspezifischer Entscheidungsstrukturen und der dadurch eröffneten faktischen und rechtlichen Einflussmöglichkeiten des herrschenden Konzernunternehmens entgegenwirken (vgl. BAG 13. Oktober 2004 - 7 ABR 56/03 - zu B IV 1 e cc (1) der Gründe mwN, BAGE 112, 166; 12. November 1997 - 7 ABR 78/96 - zu B 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 58 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 58 Nr. 2).
bb) Der Konzernbetriebsrat ist nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte oder - im Fall des § 54 Abs. 2 BetrVG - durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. In derartigen Angelegenheiten ist ein einheitliches Vertretungsorgan für die Belegschaften der mehreren Konzernunternehmen zur Verwirklichung der Mitbestimmung erforderlich. Ohne ein solches Gremium ließen sich unternehmensübergreifende einheitliche Regelungen unter Beteiligung der Vertretungsorgane der Arbeitnehmer praktisch nicht sinnvoll verwirklichen. Die Gesamtbetriebsräte und/oder Betriebsräte in den mehreren betroffenen Unternehmen sprechen nicht notwendig "mit einer Stimme". Die Möglichkeit, ein unternehmensübergreifendes einheitliches Vertretungsorgan zu errichten, liegt nicht zuletzt im wohlverstandenen Eigeninteresse der im Konzern zusammengefassten Unternehmen.
cc) Die Errichtung eines Konzernbetriebsrats ist nicht etwa sinn- oder funktionslos, weil dem Konzernbetriebsrat in der öffentlich-rechtlich organisierten Konzernspitze kein Ansprechpartner zur Verfügung stünde.
(1) Die Leitungsmacht für den Konzern liegt bei der Konzernspitze. Sie erstreckt sich nicht nur auf das dem Personalvertretungsrecht unterliegende herrschende Unternehmen, sondern auch auf die von ihm beherrschten privatrechtlich organisierten Unternehmen, die in den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes fallen.
(2) Dieser Sachverhalt unterscheidet sich entgegen der Auffassung der Arbeitgeberinnen maßgeblich von den Fallgestaltungen, die den Beschlüssen des Senats vom 16. Mai 2007 und 14. Februar 2007 zugrunde lagen (BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 63/06 - AP ArbGG 1979 § 96a Nr. 3; 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - BAGE 121, 212). Nach diesen Entscheidungen kann ein Konzernbetriebsrat nur errichtet werden, wenn das herrschende Unternehmen seinen Sitz im Inland hat oder über eine im Inland ansässige Teilkonzernspitze verfügt (BAG 16. Mai 2007 - 7 ABR 63/06 - Rn. 33, aaO; 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 53, aaO). Anders als in den Fallgestaltungen, die den genannten Beschlüssen zugrunde lagen, hat das UKE als herrschendes Unternehmen seinen Sitz im Inland. Der Fall verlangt keine Entscheidung, ob an der Rechtsprechung des Senats zu einer im Ausland gelegenen Konzernspitze uneingeschränkt festzuhalten ist (vgl. zu den in Teilen des Schrifttums erhobenen Bedenken Fitting § 54 Rn. 34 mwN).
Linsenmaier
Schmidt
Gallner
Vorbau
Willms
BAG:
Beschluss v. 27.10.2010
Az: 7 ABR 85/09
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