Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. Mai 2015
Aktenzeichen: 6 W 16/15
(OLG Köln: Urteil v. 13.05.2015, Az.: 6 W 16/15)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 23.01.2015 - 84 O 235/14 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der
einstweiligen Verfügung
wird angeordnet:
Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)
zu unterlassen,
unter Bezugnahme auf die J B GmbH (bekannt als "MyTaxi") im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten und/oder zu verbreiten bzw. behaupten und/oder verbreiten zu lassen,
1. "Der Vertrag über die Nutzung der Taxi.eu App schließt jede Mitgliedschaft bei einem anderen überregionalen Anbieter, wie z. B. N Taxi, kategorisch aus!"
und/oder
2. "Aus vertraglichen Gründen werden wir später gezwungen sein, die N Taxi Teilnehmer von der Taxi.eu App Fahrtenvermittlung auszuschließen."
wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
(es folgt die bildliche Wiedergabe der "Mitglieder-Information 04/14" der Antragstellerin)
Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Herausgeberin der Smartphone-App " N Taxi", mittels derer Kunden unmittelbar beim Fahrer ein Taxi bestellen können.
Die Antragsgegnerin ist die Genossenschaft der L Taxiunternehmer. Sie hat in ihrer Mitglieder-Information XX/XX vom 27. Oktober 2014 mitgeteilt, eine Umstellung auf das Vermittlungssystem taxi.F der G T GmbH vornehmen zu wollen. Wer über die App taxi.F ein Taxi bestellt, steht in Verbindung mit der Zentrale, die dann die Bestellung an die Taxifahrer weiterleitet. In der Mitglieder-Information hat die Antragsgegnerin ferner erklärt:
"Wichtig für die N TAXI-Teilnehmer!
Der Vertrag über die Nutzung der Taxi.F App schließt jede Mitgliedschaft bei einem anderen überregionalen Anbieter, wie z.B. N Taxi, kategorisch aus!
... [Deshalb bitten wir eine Taximitglied ernsthaft nachzudenken ob sie uns oder unsere Konkurrenten weiter stärken wollen!]
Aus vertraglichen Gründen werden wir später gezwungen sein, die N Taxi Teilnehmer von der Taxi.F App Fahrtenvermittlung auszuschließen.
Wir möchten auch die N Taxi Teilnehmer ausdrücklich darauf hinweisen, dass die durch Taxi Ruf vermittelten Fahrten, den absoluten Vorrang haben!
Falls ein Kunde bei uns und N Taxi gleichzeitig ein Taxi bestellt, werden im Falle der Fahrtwegnahme durch das bei N Taxi bestellte Fahrzeug, disziplinarische Maßnahmen ergriffen wie bei jeder anderen Fahrtwegnahme".
Die Antragstellerin, die diese vier Aussagen als unwahr und geschäftsschädigend erachtet, hat nach erfolgloser Abmahnung beim Landgericht Köln eine Unterlassungsverfügung beantragt, wobei ihre Anträge zu Ziff. 1 bis 4 nacheinander die o.a. vier Äußerungen wiedergegeben haben. Als Mittel der Glaubhaftmachung hat sie eine E-Mail des Herrn X, eines der Geschäftsführers der G T GmbH / taxi.F vorgelegt, in der dieser erklärt, aus den taxi.F-Partnerverträgen könne eine Zentrale kein Verbot für ihre Taxiunternehmer ableiten, andere Vermittlungssysteme zu nutzen; was eine Taxizentrale im Einzelnen in ihren Verträgen mit Taxiunternehmen tue, habe nichts mit dem taxi.F-Partnervertrag zu tun.
Die Antragsgegnerin ist dem Unterlassungsbegehren der Antragsteller mit dem Einwand entgegengetreten, die angegriffenen Äußerungen seien tatsächlich zutreffend. Dies ergebe sich aus ihrem Vertrag mit taxi.F - aus dem sie auszugsweise zitiert - sowie aus ihrer Satzung und der Funk- und Fahrdienstordnung der Stadt L, die die Antragsgegnerin auszugsweise vorgelegt hat.
Das Landgericht Köln hat mit Beschluss vom 23.01.2015, auf den gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe ihr Vorbringen nicht hinreichend glaubhaft gemacht, da sie die Verträge der Antragsgegnerin mit der taxi.F nicht vorgelegt habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie zunächst ihr erstinstanzliches Begehren aufrechterhalten hat. Nach der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2015 hat sie ihre Anträge zu 3. und 4. zurückgenommen. Die Antragstellerin rügt, dass das Landgericht die Verteilung der Beweis-/Glaubhaftmachungslast im Rahmen der §§ 8, 3, 4 Nr. 8 UWG verkannt habe. Die von der Antragsgegnerin behauptete Vertragsklausel sei zudem nach der Taxigenossenschaft-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam.
Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Den Vertrag mit der G T GmbH / taxi. F können sie nicht vorlegen, ohne vertragsbrüchig zu werden.
II.
Die zulässige Berufung hat hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2., die nach der auch ohne Zustimmung der Gegenseite zulässigen (s. Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 936 Rn. 2, § 920 Rn. 13) Teilantragsrücknahme allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, Erfolg. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die gerügten Aussagen kumulativ und alternativ verfolgt werden sollen.
1.
Der Verfügungsgrund folgt aus der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG. Die Monatsfrist ist nicht überschritten.
2.
Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. § 3 UWG, § 4 Nr. 8 UWG. Nach § 8 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, von seinen Mitbewerbern bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie unlauter und geeignet ist, die Interessen des Mitbewerbers spürbar zu beeinträchtigen. Nach § 4 Nr. 8 UWG handelt insbesondere derjenige unlauter, der über Dienstleistungen eines Mitbewerbers öffentlich Tatsachen behauptet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind.
a) Die Beteiligten sind Mitbewerber auf dem Gebiet der Taxi-Auftragsvermittlung. Die öffentliche Äußerung der Antragsgegnerin, dass die Mitgliedschaft bei N Taxi gegen den von der Antragsgegnerin mit taxi.F / G T GmbH geschlossenen Vertrag stehe und dass sie, die Antragsgegnerin, daher aus vertraglichen Gründen später gezwungen sei, die N Taxi-Teilnehmer von ihrer Fahrtenvermittlung auszuschließen (Anträge zu 1. und 2) beinhaltet - auch - eine Tatsachenbehauptung über die Dienstleistung der Antragsgegnerin, nämlich dass diese Dienstleistung die Inanspruchnahme bestimmter anderer Dienstleistungen ausschließe. Die gerügten Äußerungen sind geeignet, den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin zu schädigen. Es steht zu erwarten, dass aufgrund dieser Äußerungen zahlreiche Mitglieder der Antragsgegnerin aus Sorge um Aufträge der Taxi-Zentrale auf eine Nutzung des Angebots der Antragstellerin verzichten.
b) Aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 8 UWG folgt, dass nicht der Verletzte die Unwahrheit der Tatsachen zu beweisen hat, sondern es dem Verletzer obliegt, die Wahrheit zu beweisen, um seine Haftung auszuschließen (Köhler-Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 8.20). Dass sich aus dem zwischen ihr und der G T GmbH geschlossenen Vertrag tatsächlich die behauptete Tatsache ergibt, hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht: Den Vertrag hat die Antragsgegnerin auch in zweiter Instanz, trotz des Hinweises in der Ladungsverfügung auf die Beweislastverteilung im Rahmen des § 4 Nr. 8 UWG, nicht vorgelegt, nicht einmal auszugsweise, beschränkt auf die Regelungen mit den von der Antragsgegnerin zitierten Passagen:
"neben der taxi.F-App keinen anderen überregionalen Vermittlungssysteme (siehe Definition in Punkt 6.2) zu betreiben oder an solchen teilzunehmen."
6.2: "die nicht unter der Marke einer Taxizentrale betrieben werden und/oder den räumlichen Bereich einer Stadt oder eines Bundeslandes/Kantons hinausgehen."
Gemäß § 423 ZPO ist im Übrigen der Gegner auch zur Vorlage der in seinen Händen befindlichen Urkunden verpflichtet, auf die er im Prozess zur Beweisführung schriftsätzlich Bezug nimmt.
Die von der Antragsgegnerin für die Richtigkeit der o.a. tatsächlichen Angaben eingereichte eidesstattliche Versicherung ihres Vorstandes Herr E ist zum einen als Mittel der Glaubhaftmachung unzureichend, da sie keine eigene Sachdarstellung enthält, eine solche jedoch grundsätzlich erforderlich ist (s. BGH NJW 1988, 2045, juris-Tz. 10 f.). Herr E bestätigt lediglich, dass die Ausführungen im Rechtsanwaltsschriftsatz vom 06.01.2015, zu 2.a, Blatt 2, "in tatsächlicher Hinsicht richtig" seien, wobei diese Ausführungen die o.a. Zitate beinhalten, ohne dass zu dem für das Verständnis der Zitate erforderlichen Gesamtkontext vorgetragen wird.
Zum anderen steht die eidesstattliche Versicherung des Herr E in Widerspruch zu der von der Antragstellerin eingereichten Urkunde, der E-Mail des Herrn X, in der dieser auf die Anfrage, ob er bestätigen könne, dass taxi.F-Verträge die Nutzung von N Taxi kategorisch ausschlössen, geantwortet hat:
"ich kenne so ein Zitat nicht und habe auch so etwas Ähnliches nie gesagt. Aus den taxi-F Partnerverträgen kann eine Zentrale kein Verbot für ihre Taxiunternehmer ableiten, andere Vermittlungssysteme zu nutzen. Was eine Taxizentrale im Einzelnen in ihren Verträgen mit Taxiunternehmern tut, hat Nichts mit dem taxi.F Partnervertrag zu tun. .."
Die Echtheit dieser E-Mail ist unbestritten. Ihr Inhalt steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (GRUR 1993, 502 - Taxigenossenschaft II), wonach eine Taxigenossenschaft nicht berechtigt ist, ihren Mitgliedern die Mitgliedschaft in einer weiteren (Konkurrenz-)Vereinigung oder die Nutzung eines weiteren Fahrtenvermittlungsdienstes zu untersagen.
Die mithin verbleibenden Zweifel hinsichtlich der Wahrheit der streitgegenständlichen Äußerungen gehen zu Lasten der Antragsgegnerin.
c) Eine Überschreitung der Spürbarkeitsschwelle des § 3 UWG ist dem Unlauterkeitstabestand des § 4 Nr. 8 UWG immanent (s. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 8.4).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
III.
Der Gegenstandswert für das Verfahren in beiden Instanzen wird wie folgt festgesetzt:
bis zum 06.05.2015 20.000,00 €,
danach 10.000,00 €.
OLG Köln:
Urteil v. 13.05.2015
Az: 6 W 16/15
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