Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 13. August 1996
Aktenzeichen: 2 Ws 391/96
(OLG Köln: Beschluss v. 13.08.1996, Az.: 2 Ws 391/96)
Tenor
Der angefochtene Beschluß sowie der Beschluß der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen (63 KLs 18/94) vom 28. Juni 1996 werden wie folgt abgeändert:Die dem früheren Angeschuldigten aus der Staatskasse zu ersetzenden notwendigen Auslagen werden auf 1.876,34 DM (in Worten: Eintausendachthundertsechsundsiebzig Deutsche Mark und 34 Pfennige) nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Juni 1995 festgesetzt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem früheren Angeschuldigten hierin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 202,51 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der spätere Angeschuldigte M. wurde am
8. Oktober 1993 vorläufig festgenommen und befand sich seit dem 9.
Oktober 1993 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Geilenkirchen,
in dem ihm Geldfälschung zur Last gelegt worden war, in
Untersuchungshaft in der JVA Aachen. Unter Vorlage einer
Strafprozeßvollmacht vom 15. Oktober 1993 bestellte sich
Rechtsanwalt H. unter dem 18. Oktober 1993 als Verteidiger.
M. wurde mit zwei weiteren
Mitangeschuldigten unter dem 17. Mai 1994 bei der Strafkammer wegen
gemeinschaftlicher Geldfälschung angeklagt. Durch Beschluß vom 5.
Mai 1995 lehnte die 3. große Strafkammer des Landgerichts Aachen
die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ab und legte die
insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens nebst den notwendigen
Auslagen des Angeschuldigten M. der Staatskasse auf.
Mit Anwaltschriftsatz vom 1. Juni 1996
hat der frühere Angeschuldigte die Festsetzung von Auslagen in Höhe
von 1.876,34 DM beantragt. Gegenstand des Antrags waren u.a. die
Fertigung von 50 Ablichtungen à 1,00 DM und von 397 Ablichtungen à
0,30 DM durch den Verteidiger (insgesamt: 169,10 DM) sowie
Terminsauslagen für drei Verteidigerbesprechungen in der JVA
Aachen am 15., 20. und 29. Oktober 1993 (insgesamt 115,50 DM),
jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer.
Durch Beschluß vom 10. August 1995 hat
die Rechtspflegerin die aus der Staatskasse zu erstattenden
notwendigen Auslagen auf 1.665,55 DM festgesetzt.
Die Absetzung von 210,79 DM beruht zum
einen darauf, daß nicht sämtliche der geltend gemachten
Fotokopiekosten als erstattungsfähig angesehen worden sind, zum
anderen, daß die Verteidigerbesuche in der JVA Aachen nicht
erstattungsfähig seien, weil der frühere Angeschuldigte gehalten
gewesen sei, einen ortsansässigen Aachener Rechtsanwalt mit der
Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen.
Gegen diese Verteidiger am 17. August
1995 zugestellte Entscheidung ist mit Schriftsatz vom 23. August
1995, eingegangen am 25. August 1995, Erinnerung eingelegt
worden.
Durch Beschluß vom 28. Juni 1996 hat
die Strafkammer der Erinnerung insoweit abgeholfen, als die zu
erstattenden und festzusetzenden Auslagen wegen weiterer 24
Ablichtungen um (einschl. MWSt) 8,28 DM erhöht worden sind; im
übrigen hat die Strafkammer der Erinnerung nicht abgeholfen und die
somit als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 2 S. 5, 21 Abs. 1
Nr. 1 RpflG, 104 Abs. 1 ZPO, 464 b S. 3 StPO als sofortige
Beschwerde geltende Erinnerung ist in formeller Hinsicht nicht zu
beanstanden. Der Beschwerdewert ist erreicht (§§ 567 Abs. 2 ZPO,
464 b S. 3 StPO).
In der Sache hat das Rechtsmittel
Erfolg. Der Kostenfestsetzungsantrag vom 1. Juni 1995 erweist sich
in voller Höhe als gerechtfertigt.
Hinsichtlich der Fotokopiekosten als
gemäß § 464 b StPO erstattungsfähige Schreibauslagen i.S.d. § 27
BRAGO darf zwar der Rechtsanwalt nicht in jedem Falle kurzerhand
die gesamte Gerichtsakte von einer juristisch nicht geschulten
Kanzleikraft ablichten lassen (vgl. von Eicken in Gerold/Schmidt -
von Eicken-Madert, BRAGO, 12. Aufl., § 27 Rdnr. 15 m.w.N.).
Andererseits ist aber bei der Beurteilung, ob alle gefertigten
Ablichtungen objektiv notwendig waren, jede kleinliche Handhabung
zu vermeiden, wie dies die Strafkammer in ihrem Beschluß vom 28.
Juni 1996 (unter Bezugnahme auf OLG Hamm JurBüro 78, 705) selbst
annimmt. Eine eher großzügige Handhabung bei der Beurteilung der
Notwendigkeit der Fertigung der Kopien ist insbesondere dann
geboten, wenn - wie hier - nur ein insgesamt vergleichsweise
geringfügiger Betrag als Fotokopiekosten asngemeldet wird und
schon von daher abzusehen ist, daß allenfalls ein geringer
Differenzbetrag in Rede stehen kann, so daß der Arbeitsaufwand für
alle Beteiligten (vom Festsetzungsbeamten über den Bezirksrevisor
und die Strafkammer bis zum Senat) außer Verhältnis zu dem
Auslagenfestsetzungsbegehren steht.
Der Senat vermag nicht festzustellen,
aus welchen Gründen im einzelnen der Bezirksrevisor und ihm (mit
Abweichungen) folgend die Rechtspflegerin gerade nur diejenigen
Ablichtungen aus der Strafakte 63 KLs 18/94 als erstattungsfähig
angesehen haben, die auf S. 2 Mitte des Beschlusses vom 10. August
1995 im einzelnen aufgelistet sind. In der vorliegenden Sache ist
zudem zu beachten, daß die - abgelichteten - Akten nicht nur das
Ermittlungsverfahren betrafen, sondern daß es zur Anklageerhebung
kam. Ohne daß eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der
zwischen der 3. Strafkammer und der 1. großen Jugendkammer des
Landgerichts Aachen streitigen Frage erforderlich wäre, ob
vorbehaltslos die Auslagen für die Anfertigung einer
durchfoliierten Akte zu erstatten sind, erweist sich jedenfalls
vorliegend die Fertigung einer vollständigen Ablichtung der Akte
als gerechtfertigt: Der Verteidiger mußte mit der Möglichkeit der
Eröffnung des Hauptverfahrens und damit mit der Notwendigkeit der
Verwendung der Akte in einer Hauptverhandlung rechnen; da die Akte
umfangreich war und mehrere Angeschuldigte betraf, mußte sich die
Verteidigung auf Vorhaltungen aus der Akte in der Hauptverhandlung
einrichten, die aufgrund der Nennung von Blattzahlen erfolgten.
Daher ist es auch - entgegen dem Beschluß der Strafkammer -
unschädlich, daß im einzelnen auch einige doppelt gefertigte
Ablichtungen anfielen, wie sie die Strafkammer in ihrem Beschluß
vom 28. Juni 1996 anführt; wenn etwa Bl. 61 und Bl. 159 der Akte
identisch sind, so mußte der Anwalt bei einem etwaigen Vorhalt
entweder von Bl. 61 oder von Bl. 159 die jeweilige Stelle in seinem
Aktendoppel auffinden können. Keinen Bedenken begegnet schließlich
auch die Fertigung des - schon von dem Bezirksrevisor beanstandeten
- Aktenauszugs von 47 Blatt aus der Beiakte 10 Js 791/93 StA
Aachen. Diese Beiakte wurde dem Senat nicht mitübermittelt; sie
wurde aber anscheinend von der Staatsanwaltschaft Aachen für das
hier in Rede stehende Verfahren 99 Js 331/94 für bedeutsam
erachtet, so daß hinreichende Gründe für einen entsprechenden Abzug
nicht erkennbar sind.
Erstattungsfähig sind auch die
Terminsauslagen für die drei Besuche in der JVA Aachen vom 15., 20.
und 29. Oktober 1993 (ebenso wie die Terminsauslagen für den
Haftprüfungstermin vor dem AG Geilenkirchen am 4. November 1993,
die schon in dem Kostenfestsetzungsbeschluß nicht in Abzug
gebracht worden sind).
Zwar ist der Grundsatz zutreffend, daß
zu den einem Beteiligten zu erstattenden notwendigen Auslagen die
Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht am Ort des
Prozeßgerichts wohnt, nur insoweit gehören, als die Zuziehung zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war (vgl. SenE
vom 11. Februar 1992, 2 Ws 27/92). In Ansehung von § 464 a Abs. 2
Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 ZPO soll die Erstattung von
Reisekosten und Abwesenheitsgeldern eines auswärtigen Rechtsanwalts
die Ausnahme darstellen.
Ungeachtet der Frage, inwieweit sich
der frühere Angeschuldigte M. etwa des Rechtsanwalts H. als
Verteidiger als eines Anwalts seines besonderen Vertrauens
bedienen durfte, ist hier schon zu berücksichtigen, daß
Rechtsanwalt H. im Landgerichtsbezirk Aachen zugelassen und in
Eschweiler ansässig ist. Zum Zeitpunkt der Verhaftung des damaligen
Beschuldigten im Oktober 1993 war noch nicht abzusehen, ob es zu
einer Anklageerhebung vor dem Landgericht (nämlich Aachen) oder vor
dem Schöffengericht kommen würde. Im letzteren Falle wäre für im
Amtsgerichtsbezirk Geilenkirchen begangene Taten die
Zuständigkeit des Schöffengerichts bei dem AG Heinsberg begründet
gewesen. Die Ortsentfernung nach Heinsberg ist aber von Aachen aus
ungefähr die gleiche wie von Eschweiler aus. Somit hindert die
Beauftragung des in Eschweiler ansässigen Rechtsanwalts H. die
Erstattung der geltend gemachten Terminsauslagen nicht.
Nach alledem beläuft sich der
festzusetzende Betrag entsprechend dem Antrag vom 1. Juni 1995 auf
(einschl. MWSt) 1.876,34 DM. Der Betrag ist antragsgemäß ab
Eingang des Kostenfestsetzungsgesuchs zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung ergeht in
entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO. Die Festsetzung des
Beschwerdewerts ergibt sich aus der Differenz zwischen dem in dem
Beschluß vom 10. August 1995 in Abzug gebrachten Betrag (210,79 DM)
und dem in dem Beschluß vom 28. Juni 1996 zusätzlich zuerkannten
Betrag (8,28 DM).
OLG Köln:
Beschluss v. 13.08.1996
Az: 2 Ws 391/96
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