Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. September 2015
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 32/15
(BGH: Beschluss v. 17.09.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 32/15)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit dem 21. April 1972 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Von 1975 bis 2010 war er zugleich Notar. 28 Jahre lang war er Mitglied des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Beklagten. Am 29. November 1994 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland, am 10. September 2008 die Ehrenmedaille der Beklagten.
Mit Verfügung vom 15. September 2014 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3 m.w.N.). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (BGH, Beschluss vom 24. November 2014 - NotZ (Brfg) 7/14, WM 2015, 898 Rn. 8; vgl. auch BVerfGE 134, 106 = NJW 2013, 3506 Rn. 40).
a) Der Anwaltsgerichtshof hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines Vermögensverfalls des Klägers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO positiv festgestellt. Im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) hatte der Kläger auf eine titulierte Forderung der Sparkasse W. in Höhe von 279.167,52 € nebst 12.597,62 € Kosten nur einen Teilbetrag von 5.000 € gezahlt. Der Kläger hatte Steuerschulden in Höhe von 5.685,40 €; außerdem klagte der Verlag H. H. GmbH & Co. KG eine Forderung über 564,06 € gegen ihn ein.
b) Der Kläger beanstandet demgegenüber, er habe der Beklagten noch vor Erlass der Widerrufsverfügung den bevorstehenden Verkauf seines Privathauses zu einem Preis von 410.000 € mitgeteilt sowie erläutert, dass nach Abzug aller Verbindlichkeiten einschließlich der Forderung der Sparkasse ein Guthaben von mehr als 100.000 € verbleiben werde. Diesen Vortrag hat der Anwaltsgerichtshof jedoch zutreffend für unzureichend gehalten. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist Immobilienvermögen bei der Beurteilung der Vermögensverhältnisse dann von Bedeutung, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung stand (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, juris, Rn. 10 m.w.N.). Im Zeitpunkt des Widerrufs war noch nicht einmal der Kaufvertrag geschlossen worden. Aus dem im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof vorgelegten Kaufvertrag vom 28. November 2014 ergab sich zudem, dass der Kaufpreis erst mit dem Auszug des Klägers und seiner Ehefrau fällig werden sollte.
2. Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel, insbesondere keinen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 86 Abs. 1 VwGO) dargelegt, auf dem das Urteil des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 19; BVerwG, NJW 1997, 3328; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e BRAO Rn. 48).
b) Diesen Voraussetzungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht. Der Kläger zählt auf, welche Maßnahmen der Anwaltsgerichtshof seiner Ansicht nach hätte ergreifen müssen, um seine (des Klägers) Vermögensverhältnisse zu ermitteln, sagt aber nichts dazu, zu welchen Ergebnissen diese Maßnahmen gegebenenfalls geführt hätten. Außer dem Hinweis auf den seinerzeit in Aussicht genommenen, zwischenzeitlich notariell beurkundeten Kaufvertrag trägt er nichts zu seinen damaligen Vermögensverhältnissen vor.
3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft die Sache nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist.
b) Der Kläger meint, die Senatsrechtsprechung dazu, dass Immobilienvermögen ungeeignet sei, einen Vermögensverfall auszuschließen, sei in seinem Fall, in welchem bereits Verhandlungen über den freihändigen Verkauf geführt würden und die Tilgung aller Forderungen absehbar gewesen sei, nicht anwendbar. Das ist jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Vielmehr geht es um die Anwendbarkeit der vom Senat entwickelten Grundsätze in einem einzelnen Fall. Da der Kläger keine Auskunft darüber erteilt hat, welche Forderungen insgesamt im fraglichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung gegen ihn erhoben wurden, fehlt es überdies an den tatsächlichen Voraussetzungen der (vermeintlichen) Grundsatzfrage. Im Zeitpunkt des Widerrufs war gerade nicht "absehbar", dass alle offenen Forderungen beglichen werden würden. Gegen den Kläger wurden während des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof und auch während des Zulassungsverfahrens fortlaufend weitere Vollstreckungsverfahren betrieben. Gegen den Kläger ist wegen der Steuerrückstände, die zwischenzeitlich auf einen Betrag von 24.831,19 € nebst Kosten angewachsen sind, am 15. Juni 2015 Haftbefehl ergangen, nachdem er den Termin am 26. Mai 2015 zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht wahrgenommen hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser Roggenbuck Lohmann Martini Kau Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 23.01.2015 - 1 AGH 39/14 -
BGH:
Beschluss v. 17.09.2015
Az: AnwZ (Brfg) 32/15
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