Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 24. April 1992
Aktenzeichen: 6 U 171/91
(OLG Köln: Urteil v. 24.04.1992, Az.: 6 U 171/91)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Juli 1991 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 147/91 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,-- DM und hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor seinerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können von beiden Parteien auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden. Die Beschwer der Beklagten wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter
Verband im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.
Die Beklagte stellt Z. aus Ton und Lehm
her und vertreibt diese Produkte auch. In der Zeitschrift "b."
Ausgabe warb sie mit der im nachfolgenden Klageantrag in
Ablichtung wiedergegebenen Werbeanzeige. Dort war unter anderem
angekündigt:
"u.
Der Kläger greift die vorzitierte
Werbeaussage als übermäßig gefühlsbetonte Ansprache des
Verbrauchers und zudem als irreführend an.
Er hat behauptet, von den Z., die die
Beklagte herstelle und vertreibe, gingen gesundheitliche
Beeinträchtigungen aus, unter anderem werde - in geringem Umfang -
Radioaktivität ausgestrahlt. Die Aussage "B. für eine gesunde Welt"
vermittele den unzutreffenden Eindruck, mit den Z. seien keinerlei
Nachteile für die Umwelt verbunden. Zum anderen sei nicht
nachvollziehbar, welche positive Wirkung die Verwendung von "u."-Z.
für die Welt haben solle.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
es bei Vermeidung eines vom Gericht für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis
zur Höhe von 500.000,-- DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von
Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu
Wettbewerbszwekken, wie nachstehend wiedergegeben, für u. -Z.
anzukündigen:
"B. für eine gesunde Welt":
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die
angegriffene Ankündigung verstoße weder gegen § 1 UWG noch gegen §
3 UWG. Die Beklagte hat sich darauf berufen, daß von ihren Z.
keinerlei gesundheits- oder umweltbelastende Beeinträchtigungen
ausgingen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt
der beiderseitigen Schriftsätze verwiesen.
Durch Urteil vom 16. Juli 1991 hat die
31. Zivilkammer des Landgerichts Köln der Klage stattgegeben. Die
Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet, der Verkehr
erwarte, daß diejenigen B., die der Schaffung einer gesunden Welt
dienlich sein sollten, nicht ihrerseits in umweltbelastender Weise
gewonnen würden. Dies sei aber hier der Fall, da der Rohstoff für
die Z. nur durch den Grubenabbau gewonnen werden könnten. Dies sei
mit einem erheblichen Eingriff in den Lebensraum von Pflanzen und
Tieren verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihr am 5. August 1991
zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 5. September 1991
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diesen nach
entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist mit einem am 16.
Dezember 1991 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht insbesondere geltend,
die Gleichsetzung von "u."-Z. mit "B. für eine gesunde Welt" besage
bei natürlicher Betrachtungsweise nichts anderes, als daß "u."-Z.
ein gesundes Ba. ermöglichten. Kein beachtlicher Teil der
Verkehrskreise komme auf den Gedanken, die Beklagte bezwecke
hiermit eine "Weltverbesserung", wie auch immer diese aussehen
möge. Vielmehr sei die Werbung, wie die unmittelbare Bezugnahme auf
das Produkt "u."-Z. zeige, eindeutig und ausschließlich
produktbezogen zu verstehen. Es gehe um eine gesunde "Wohn-" Welt.
Im übrigen besage die Gewinnung eines Rohstoffs mittels
möglicherweise umweltbelastender Eingriffe in den Lebensraum von
Pflanzen und Tieren nichts über die Bedeutung des daraus
hergestellten Endprodukts für die menschliche Gesundheit. Außerdem
gebe die Beklagte in ihrer Anzeige unmißverständlich an, worauf sie
ihr Urteil "B. für eine gesunde Welt" gründe. Es seien dies zum
Beispiel eine natürliche Z.bauweise, die natürlichen Komponenten
Ton und Lehm und die Verbesserung von Wärmedämmung und
Austrocknungsverhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründugsschrift
vom 16. Dezember 1991 nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage in Abänderung des
landgerichtlichen Urteils abzuweisen,
ihr nachzulassen, eine
Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft
einer deutschen Bank oder Sparkasse zu erbringen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten
zurückzuweisen;
hilfsweise dem Kläger nachzulassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch
in Form der selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen
Großbank und/oder öffentlichrechtlichen Sparkasse erbracht werden
kann.
Der Kläger wiederholt und ergänzt sein
erstinstanzliches Vorbringen. Er verteidigt das angefochtene
Urteil und meint, wenn im Zusammenhang mit "u. "-Z. mit dem Hinweis
"B. für eine gesunde Welt" geworben werde, dränge sich ein
Verständnis dahingehend, daß derartige der Schaffung einer gesunden
Welt dienende B. nicht ihrerseits in einer umweltbelastenden Art
und Weise hergestellt würden, geradezu auf. Entgegen der Auffassung
der Beklagten werde ein solches Verständnis auch nicht durch die
weiteren Elemente der Werbeanzeige richtiggestellt. Wegen der
Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsrechtszug wird
auf die Berufungserwiderungsschrift vom 30. Januar 1992 nebst
Anlage verwiesen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber
in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu
Recht verurteilt, die vom Kläger beanstandete Werbeaussage zu
unterlassen.
Das Unterlassungsbegehren des Klägers
ist gemäß § 3 UWG gerechtfertigt. Die Ankündigung
" B. für eine gesunde Welt"
in bezug auf die von der Beklagten
hergestellten und vertriebenen Z. ist in dem Zusammenhang, in dem
sie in der Werbung der Beklagten konkret erscheint,
irreführend.
Die beanstandete Werbeaussage enthält
schon vom Wortverständnis her einen zweifachen Bezug: Zum einen
wird ein Zusammenhang mit dem hergestellt, für dessen Errichtung
die beschriebenen Z. primär "B. " sind, nämlich mit dem
Wohngebäude. Zum anderen liegt, wenn von "B. für eine gesunde Welt"
die Rede ist, die gedankliche Verbindung mit der (gesunden) Umwelt
nahe. In beiden Zusammenhängen ist die Gefahr einer Irreführung
nicht von der Hand zu weisen. Jedenfalls hinsichtlich des
Umweltbezuges ist der Senat davon überzeugt, daß zumindest ein
nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise einer
wettbewerblich relevanten Täuschung unterliegt. Der Senat sieht
keine Bedenken, hierüber aufgrund eigener Sachkunde und Erfahrung
zu entscheiden, da seine Mitglieder zu den durch die Werbeaussage
der Beklagten angesprochenen (End-) Verbrauchern gehören. Im
einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:
Entgegen der Ansicht der Beklagten
liegt ein Verständnis der beanstandeten Werbeankündigung in einem
über das Schaffen einer gesunden "Wohnwelt" hinausgehenden Sinne
keineswegs fern. Schon die Wortbedeutung des Begriffs "Welt" geht
zunächst über das mit Z. errichtete Eigenheim hinaus und erfaßt die
Umgebung des so Angesprochenen in einem globalen Sinne. Nicht
unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang aber vor
allem, daß sich mit der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als
eines wertvollen und schutzbedürftigen Gutes in den letzten Jahren
zunehmend ein verstärktes Umweltbewußtsein entwickelt hat. Aus
diesem Grunde ist davon auszugehen, daß nach dem Verständnis eines
nicht unbeträchtlichen Teils des Publikums zu einer "gesunden Welt"
heute nicht nur das zu Wohnzwecken benutzte Haus, sondern auch eine
"gesunde U m -Welt" gehört.
Ist von einem "B." für eine gesunde
Umwelt die Rede, so legt dies weiter die Annahme nahe, die so
beworbenen Z. trügen zur Schaffung einer gesunden Umwelt bei. Damit
wird als Ergebnis ihrer Produktion und Verwendung eine "gesunde"
oder zumindest eine "gesündere" Umwelt in das Verständnis der
Werbungsadressaten gerückt. Ein nicht unerheblicher Teil der Leser
wird deswegen davon ausgehen, die Verwendung derartiger Z. werde
sich positiv auf die Umwelt auswirken. Zumindest aber wird
angenommen werden, einem "B. für eine gesunde (Um-) Welt" seien
keinerlei negative Einflüsse auf Natur und Umwelt beizumessen, und
zwar weder bei der Verwertung des so beworbenen Produkts noch bei
dessen Gewinnung bzw. Herstellung.
Àhnlich wie die Gesundheitswerbung ist
auch die Werbung mit Umweltschutzgesichtspunkten nach strengen
Maßstäben zu beurteilen (vgl. BGHZ 105, 277 "Umwelt- engel";
zuletzt BGH GRUR 1991, 550, 551 m.w.N.). Das oben angesprochene
verstärkte Umweltbewußtsein der Bevölkerung hat dazu geführt, daß
der Verkehr vielfach Waren bevorzugt, auf deren besondere
Umweltverträglichkeit hingewiesen wird. Gefördert wird ein solches
Kaufverhalten auch durch den Umstand, daß sich Werbemaßnahmen, die
an den Umweltschutz anknüpfen, als besonders geeignet erweisen,
emotionale Bereiche im Menschen anzusprechen.
Die Beklagte appelliert mit ihrer
Ankündigung "B. für eine gesunde (Um-) Welt", wenn ihr ein
Verständnis in dem oben beschriebenen Sinne beigelegt wird, an ein
umweltschutzbewußtes Verhalten der so Angesprochenen, ohne
eindeutig klarzustellen, aus welchen Gründen der Verbraucher sich
umweltbewußt verhält, wenn er "u."-Z. verwendet. Ein nicht
unerheblicher Teil der Verbraucher wird den Hinweis, es handele
sich um einen "B. für eine gesunde Welt" im Zusammenhang mit der
Werbung für Z. dahin verstehen, daß diese umweltschonend seien und
ihre Verwendung zumindest im Vergleich zu anderen Materialien von
erheblichem Vorteil für die Umwelt sei. Darüber, in welchem Ausmaß
und Umfang die Verwendung dieser Z. umweltfreundlich ist, dürften
hingegen unklare und unterschiedliche Vorstellungen bestehen. Auch
wenn der Verbraucher keine absolute Umweltfreundlichkeit des
Produktes erwartet, so wird er nach der Óberzeugung des Senats von
einem "B. für eine gesunde Welt" doch jedenfalls annehmen, daß
dieser auch bei seiner Herstellung keine Eingriffe in die Natur
erforderlich macht, die diese schädigen oder zumindest schä-digen
können.
Die Beklagte macht geltend, ein solches
umweltbezogenes Verständnis sei mit dem Gesamtzusammenhang der
Werbeanzeige nicht zu vereinbaren. Aus ihrem Kontext und den in ihr
enthaltenen Erläuterungen gehe nämlich hervor, daß sich der Slogan
"B. für eine gesunde Welt" allein auf "gesundes Ba." beziehe. Dies
vermag nicht zu überzeugen. Zum einen bildet das Logo der Beklagten
mit dem beanstandeten Hinweis einen Blickfang innerhalb der
Gesamtanzeige. Davon, daß der flüchtige Verbraucher neben den
besonders herausgestellten und blickfangmäßig hervorgehobenen
Teilen der Anzeige auch alle übrigen Erklärungen im Text zur
Kenntnis nimmt, kann aber nicht ausgegangen werden. Zudem finden
sich auch im übrigen Text der Anzeige, und zwar insbesondere auch
im hervorgehobenen Teil, Elemente, die ein umweltbezogenes
Verständnis der Anzeige zusätzlich unterstützen. Wenn es dort
heißt,
"Das u.-Z.-System
nimmt die Natur zum Partner"
ergibt sich auch hieraus
unmißverständlich ein Natur- und Umweltbezug. Ein nicht
unerheblicher Teil der Verbraucher wird das dahin verstehen, daß
die Verwendung derartiger Z. die Natur und damit die Umwelt nicht
belaste. Von einer hinreichend deutlichen Erklärung dahingehend,
daß sich die streitgegenständliche Aussage allein auf "gesundes
Ba." bzw. auf die für die Gesundheit des Menschen zuträglichen
Produkteigenschaften beziehe, kann unter diesen Umständen
jedenfalls nicht ausgegangen werden.
Entgegen dem vorbeschriebenen durch die
Werbeankündigung hervorgerufenen Verständnis ist jedenfalls die
Herstellung der von der Beklagten angebotenen Z. mit einem
schwerwiegenden Eingriff in Natur und Umwelt verbunden. Die für die
Produktion unabdingbar erforderlichen Rohstoffe können nämlich nur
durch den Abbau in Gruben, der mit gravierenden Eingriffen in den
Lebensraum von Pflanzen und Tieren verbunden ist, gewonnen werden.
Daß dies die Natur in erheblicher Weise belastet, ist nicht
zuletzt dem von der Beklagten vorgelegten Artikel aus der
Fachzeitschrift "Z. i.i." zu entnehmen. Dort wird im Eingangssatz
ausgeführt, daß "der T., wie jede Gewinnung von mineralischen
Rohstoffen, der Landschaft, der Fauna und Flora Wunden schlägt...".
Damit ist deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sich die für die
Herstellung der beworbenen Z. erforderliche T.-gewinnung nicht nur
nicht positiv auf Natur und Umwelt auswirkt und diese "gesunden"
läßt, sondern sie in erheblicher Weise beschädigt.
Dem steht auch der Hinweis der
Beklagten auf spätere Rekultivierungs- oder Renaturierungsmaßnahmen
oder das natürliche Entstehen von Biotopen nicht entgegen. Hierbei
handelt es sich vielmehr um lediglich mögliche Korrekturen oder
natürliche Ausgleichsmaß-nahmen. Sie treten weder zwangsläufig ein
noch können sie einen vollständigen Ausgleich für die zuvor
vorgenommenen Eingriffe in die Tier- und Pflanzenwelt
darstellen.
Verbraucher, die die Werbung für "B.
für eine gesunde Welt" in dem oben beschriebenen Sinne auch auf
Umweltaspekte und in diesem Zusammenhang auch auf den Prozeß der
Produktherstellung beziehen, rechnen nicht damit, daß für die
Herstellung eines solchen B.s für eine gesunde Welt zunächst der
Natur "Wunden geschlagen" werden müssen. Sie werden vielmehr in
ihrer Erwartung deutlich enttäuscht.
Die Kostenentscheidung für das
Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach den §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO. Die nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der
Beklagten entspricht dem Wert ihres Unterliegens im
Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 24.04.1992
Az: 6 U 171/91
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