Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 30. Juni 2010
Aktenzeichen: 7 W 25/10

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 30.06.2010, Az.: 7 W 25/10)

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens gegen die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung ist dann entsprechend Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 3335 VV RVG auf den Wert der Hauptsache festzusetzen, wenn sich die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage richtet.

Tenor

Der Gegenstandswert für das Verfahren der Beschwerde gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrages wird durch Beschluss des Landgerichts Stuttgarts vom 24.11.2009 (Bl. 63 ff. d. A.) auf den Antrag des Antragsteller-Vertreters vom 21.04.2010 (Bl. 146 d. A.) nach § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt auf 6.680,00 EUR .

Gründe

Der Antrag des Antragsteller-Vertreters ist nach § 33 Abs. 1, 2 RVG zulässig. Denn die Gebühren für das gerichtliche Verfahren richten sich nicht nach dem hierfür maßgebenden Wert, sondern betragen nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1812 KV GKG pauschal 50,00 EUR. Die Vergütung ist nach § 8 Abs. 1 RVG spätestens mit dem Zurückweisungsbeschluss des Senats vom 13.04.2010 (Bl. 140 ff. d. A.) fällig.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren gegen die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung ist nach § 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Danach war er dem Wert der Hauptsache entsprechend festzusetzen (so auch VGH München, NJW 2007, 861; OLG Frankfurt/M., JurBüro 1992, 98; BayOLG JurBüro 1990, 1640; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.07.1980, Az. 14 W 15/80; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, Nr. 335 VV RVG, Rn. 18; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Rn. 77; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rn. 4402 f.; Madert/v. Seltmann, Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 5. Aufl. 2008, Rn. 373 f.; aA.: OLG Koblenz, Beschluss vom 30.03.1990, Az. 14 W 108/90):

Eine ausdrückliche Regelung zur Bestimmung des Gegenstandswertes gibt es nicht. In Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 3335 VV RVG findet sich eine solche lediglich für die Verfahren der Bewilligung der Prozesskostenhilfe und deren Aufhebung nach § 124 Nr. 1 ZPO. Danach entspricht der Gegenstandswert dem für die Hauptsache geltenden Wert.

Obwohl Nr. 3500 VV RVG nicht auf die Anmerkung zu Nr. 3335 VV RVG verweist, ist der Gegenstandswert gleichermaßen zu bestimmen, da sich die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage gerichtet hat.

Entgegen der Auffassung des OLG Koblenz zur Vorgängervorschrift des § 51 Abs. 2 BRAGO (JurBüro 1991, 253) handelt es sich bei der Anmerkung zu Nr. 3335 VV RVG nicht um eine Spezialvorschrift, die die Anwendung auf das Beschwerdeverfahren verbietet. Denn zum einen soll mit der Bestimmung nach billigem Ermessen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 RVG) eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende Entscheidung gerade ermöglicht werden, die auch die Anwendung einer für wenige Fälle geltenden Norm nicht generell ausschließen kann. Dass Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 3335 VV RVG speziell auf das Bewilligungsverfahren und das Verfahren der Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Nr. 1 ZPO abstellt, schließt die Anwendung auf Beschwerdeverfahren nicht per se aus, da Nr. 3335 VV RVG nur für Prozesskostenhilfeentscheidungen des Prozessgerichts gilt. Denn Sonstige besondere Verfahren (Überschrift zu Unterabschnitt 6 des Abschnitts 3) erfasst die Beschwerdeverfahren (Überschrift Abschnitt 5) gerade nicht.

Zum anderen erfolgte mit der Benennung der Verfahren zur Bewilligung und zu ihrer Aufhebung wegen unrichtiger Angaben zur Sache offensichtlich insbesondere eine Abgrenzung zum Verfahren über die Ratenhöhe (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, Nr. 3335 VV RVG, Rn. 18) sowie zur Aufhebung der Bewilligung aus sonstigen Gründen nach § 124 Nrn. 2 - 4 ZPO (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 3335 VV RVG, Rn. 74 f.), also zu Verfahren, die regelmäßig keine vertiefte juristische Prüfung erfordern.

Daraus ist zu schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Gegenstandswert immer dann nach dem Wert der Hauptsache zu bestimmen ist, wenn eine - der Hauptsache entsprechende - sachliche Aufbereitung des bzw. Auseinandersetzung mit dem Streitstoff erfolgt. So begründete er auf S. 217 f. der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 15/1971) die Anmerkung zu Nr. 3335 VV RVG gerade damit, dass die Vorarbeiten des Prozesskostenantrages aufgrund des zum Antrag regelmäßig erforderlichen Klageentwurfs die eigentliche gedankliche Leistung des Rechtsanwalts darstellt. Wenn sich der Anwalt sachlich gegen die Ablehnung des mit dieser Leistung gestellten Antrages wendet und sich wieder entsprechend einarbeiten muss, kann nichts anderes gelten.

Das OLG Koblenz hat seine - abweichende - Entscheidung u. a. damit begründet, dass mit der Bestimmung einer dem Wert der Hauptsache entsprechenden Gegenstandswert für das Bewilligungsverfahren der Nachteil aus der niedrigen - gegenüber dem Hauptsacheverfahren halbierten - Gebühr nach § 51 Abs. 1 BRAGO ausgeglichen werden sollte, was jedoch für das Beschwerdeverfahren gerade nicht gelte. Für das Bewilligungsverfahren erhält der Rechtsanwalt nach Nr. 3335 VV RVG jedoch inzwischen grds. dieselbe Verfahrensgebühr wie im Hauptsacheverfahren, wenngleich diese auf 1,0 Gebühr beschränkt ist. Ein Ausgleich ist seit Inkrafttreten des RVG folglich nicht mehr erforderlich, so dass die Überlegung auch für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Beschwerdeverfahren nicht mehr heranzuziehen ist.

Letztlich hatte sich die Anwendung der für das Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren geltenden Vorschrift zur Bestimmung des Gegenstandswertes auf das Beschwerdeverfahren bereits vor der Schaffung des RVG als wohl herrschende Meinung herausgebildet (vgl. dazu nur die o. g. Entscheidungen, die vorwiegend schon zu § 51 BRAGO ergangen sind). Hätte der Gesetzgeber diese nicht gebilligt, hätte er sie durch eine entsprechende Klarstellung korrigiert.

Die von Hartmann in: Kostengesetze, Nr. 3500 VV RVG, Rn. 5 vertretene Auffassung, für das Beschwerdeverfahren (nur) 50 % des Hauptsachewertes festzusetzen, ist dementsprechend ebenfalls abzulehnen. Sie ließe sich allenfalls mit den Erwägungen begründen, dass zum einen der Bearbeitungsaufwand für das Beschwerdeverfahren regelmäßig sehr viel niedriger als für das Bewilligungsverfahren ist, und zum anderen dem Kosteninteresse der sozial schwachen Mandanten Rechnung zu tragen ist (ähnlich OLG Koblenz aaO). Dem hat der Gesetzgeber jedoch bereits dadurch Rechnung getragen, für das Beschwerdeverfahren - im Gegensatz zum Bewilligungsverfahren, dessen Gebühren schon im Interesse der sozialen Ausgewogenheit auf 1,0 Gebühren gedeckelt sind (so BT-Drucksache 15/1971, S. 218) - generell nur 0,5 Gebühren vorzusehen. Eine weitere Reduzierung ist nicht geboten.






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 30.06.2010
Az: 7 W 25/10


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