Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. März 1999
Aktenzeichen: 6 U 133/98

(OLG Köln: Urteil v. 26.03.1999, Az.: 6 U 133/98)

1. Die Werbung eines privaten Münzkontors für eine "EUROMedaille" im Gewand einer individuellen Information ist irreführend, wenn sie bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den unzutreffenden Eindruck hervorruft, es würden gleichsam im Vorgriff auf das künftige neue Zahlungsmittel von offizieller Seite Gedenkprägungen herausgegeben und nur einem ausgesuchten Personenkreis angeboten.

2. Zur Frage der Verjährung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs und der Frage der Erstbegehungsgefahr durch Berühmung.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 04.09.1998 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 0 81/98 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat dem Verfügungsbegehren der Antragstellerin zu Recht aus § 3 UWG stattgegeben. Auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung schließt sich der Senat an. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt er die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil in vollem Umfang in Bezug und sieht insoweit auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

Ihre Rüge, das Landgericht sei örtlich unzuständig gewesen und habe deshalb über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nicht entscheiden dürfen, hat die Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 26.02.1999 nicht aufrechterhalten. Auch ihrer Auffassung, die gestellten Verfügungsanträge verstießen gegen das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die sich an der konkreten Verletzungsform orientierenden Anträge sind der Auslegung fähig. Nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kapitel 51 Rdn. 10) ist für diese Auslegung unter anderem auch der Sachvortrag des Klägers bzw. Antragstellers heranziehen. Hieraus ergibt sich im Streitfall eindeutig, was die Antragstellerin verboten wissen will, nämlich das Bewerben von Münzen oder Medaillen, wenn dabei entweder der unzutreffende Eindruck erweckt wird, es werde eine amtliche Gedenkprägung angeboten, oder wenn über die Exklusivität des Angebots getäuscht wird, und zwar in der konkreten Verletzungsform.

In der Sache hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, die Ausgabe Nr. 01/98 des von der Antragsgegnerin vertriebenen sog. "Münz-Report" enthalte wegen ihrer konkreten inhaltlichen Ausgestaltung im Sinne des § 3 UWG irreführende und folglich zu unterlassende Angaben. Denn der Inhalt des "Münz-Report" erweckt beim angesprochenen Verkehr den unzutreffenden Eindruck, gleichsam im Vorgriff auf das Erscheinen des erst demnächst gültigen Zahlungsmittels "Euro" würden jetzt schon von allerdings nicht näher bezeichneter "offizieller" Stelle Gedenkprägungen herausgegeben, während es sich in Wirklichkeit um das Angebot eines privaten Anbieters solcher Medaillen handelt. Das können die Mitglieder des Senats als Teil der von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise ebenso wie die Mitglieder der Kammer aufgrund eigener Sachkunde und Erfahrung beurteilen. Der Hinweis auf Ludwig Erhard als "Vater der europäischen Währung" in dem Münz-Report sowie der weitere Text, namentlich die Aussage, Münzsammler hätten jetzt die Gelegenheit, sich anläßlich des Euro-Starts eine der ersten Gedenkprägungen zu sichern, die Chance, schon jetzt einen Vorboten der kommenden Währung zu besitzen, könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, suggerieren dem angesprochenen Leser, der Anbieter dieser Prägung habe irgend etwas mit der Stelle zutun, die demnächst den Euro herausgibt. Das wird zwar an keiner Stelle ausdrücklich gesagt. Diese Vorstellung wird jedoch durch die Gesamtaufmachung des Münz-Report und seiner Werbeaussagen erzeugt, indem unter der fettgedruckten und optisch hervorgehobenen Überschrift "Wann kommt der Euro€" ein Bild Ludwig Erhards wiedergegeben wird, und zwar unter der Überschrift "Der Rückblick - so fing es an:". Ludwig Erhard wird dann in optisch hervorgehobener Weise als "Vater der europäischen Währung" bezeichnet. Auf der zweiten Seite des "Münz-Report" wird unter der optisch ebenfalls hervorgehobenen Überschrift "Die ersten Euro-Vorboten sind da!" die Vorder- und Rückseite einer Münze abgebildet, die das Prägedatum "1998" trägt und auf der das Wort "Europa" in verschiedenen Sprachen wiedergegeben ist. Der Fließtext informiert dann darüber, die neue europäische Währung werfe "bereits heute ihre Schatten voraus", "Münzsammler (hätten) jetzt die Gelegenheit, sich eine der ersten Gedenkprägungen anläßlich des "EURO-STARTS zu sichern - die EUROPA Ehrenprägung 1998." An anderer Stelle heißt es, Sammler in aller Welt seien sich einig, "die Chance, schon jetzt einen Vorboten der kommenden Währung zu besitzen, (könne) nicht hoch genug eingeschätzt werden!", die "Ehrenprägung EUROPA 1998" werde zum Erstausgabepreis von nur 10,00 DM angeboten, es handele sich um die "Erste deutsche EUROPA-Ehrenprägung".

Wird damit aber suggeriert, im Vorgriff auf das baldige Erscheinen des Zahlungsmittels "Euro" würden Vorboten dieses Zahlungsmittels in Form von Medaillen von offizieller Stelle angeboten, liegt die wettbewerbliche Relevanz dieser Irreführung auf der Hand: In der irrigen Annahme, es handele sich um eine "offizielle" Prägung, wird sich der potentielle Kaufinteressent nicht mehr mit vergleichbaren Angeboten anderer privater Unternehmen, sondern sogleich mit dem Angebot befassen, das von vermeintlich offizieller Seite kommt.

Evident ist die Irreführung des angesprochenen Verkehrs, soweit der Inhalt der dem streitgegenständlichen Münz-Report beigefügten sog. "Leser-Info" in Rede steht. Denn dem Empfänger der Leser-Info wird wahrheitswidrig vorgespiegelt, er gehöre zu einem ausgewählten Kreis weniger Adressaten, dem man ein außergewöhnliches Angebot mache, dieses müsse schnell angenommen werden, bevor ein anderer es nutze. In Wirklichkeit handelt es sich unstreitig um eine an einen unbestimmten Adressatenkreis gerichtete Postwurfsendung. Die Irreführung des angesprochenen Verkehrs folgt wiederum aus der Gesamtinhalt der Leser-Info, indem dem Leser dort zunächst eine angebliche (bei allen Werbeaussendungen gleich verwendete) "Persönliche Euro-Information Nr. 2518" zugeteilt wird, und es dann heißt, der Empfänger gehöre "unter der obigen Abruf-Nummer zu diesem bevorzugten Leser-Kreis". Auch das Empfängerfeld vermittelt mit seiner Angabe "Exklusiv nur an ausgewählte Empfänger des Münz-Reports - PERSÖNLICHE ZUSTELLUNG!" den unzutreffenden Eindruck, der Umworbene gehöre einem auserwählten Kreis von Personen an. Das setzt sich in vielfältiger Hinsicht fort, indem es im weiteren Text zum Beispiel heißt, einem "kleinen Teil der Leserinnen und Leser des Münz-Reports" könne die "besondere Gelegenheit" geboten werden, eine außergewöhnliche Rarität zu erwerben, er - der Empfänger - gehöre unter der obigen "Abruf-Nr." zu diesem "bevorzugten Leser-Kreis", er könne die Ehrenprägung zum Erstausgabepreis von nur 10,00 DM erwerben, die Europa-Ehrenprägungen würden "streng limitiert herausgegeben", weltweit existierten nur 5.555 Komplett-Editionen, im Rahmen dieser Leser-Info sei aber sichergestellt, daß die "begehrten Exemplare der ersten Gedenkprägung 'Europa 1998' nur an einen eng begrenzten und interessierten Kreis" gelangten, der Empfänger der Sendung solle deshalb auf allen Zuschriften die "persönliche Abruf-Nr." angeben und spätestens innerhalb von 10 Tagen antworten, sonst entfalle sein verbürgter Anspruch auf die Gedenkprägung. Die hierdurch bewirkte Irreführung des angesprochenen Verkehrs und auch die wettbewerbliche Relevanz dieser Irreführung liegen auf der Hand: In der irrigen Annahme, es handele sich nicht um ein Angebot, das sich an jedermann, sondern an einen exklusiven Kreis von nur wenigen Empfängern richte, deshalb werde die Leser-Info auch persönlich zugestellt, wird sich ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs vorstellen (und entsprechend handeln), er müsse diese - vermeintlich - einmalige Chance wahrnehmen und eine der weltweit auf nur 5.555 limitierten Komplett-Editionen erwerben, bevor ein anderer Kaufinteressent ihm zuvorkommt und er seine "verbürgten Anspruch" auf die Gedenkprägung verliert.

Die hiernach gegebenen Unterlassungsansprüche der Antragstellerin sind entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht verjährt. Nach § 21 Abs. 1 UWG verjähren Unterlassungsansprüche grundsätzlich in 6 Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem der Anspruchsberechtigte von der Handlung und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt hat. Dieser Zeitraum ist hier zwar überschritten. Denn der Münz-Report nebst Leser-Info ist, soweit bekannt, zuletzt im März 1998 verteilt worden, die Klageerhebung im Hauptsacheverfahren erfolgte erst im November 1998. Gleichwohl ist die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 21 UWG durch diese Klageerhebung gemäß § 209 BGB rechtzeitig unterbrochen worden. Denn mit Rücksicht darauf, daß die Antragsgegnerin die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung verweigert und statt dessen darauf beharrt hat, ihre Werbung sei unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, stand eine erneute Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin jederzeit bevor.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, daß eine Erstbegehungsgefahr begründet, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen (vgl. BGH GRUR 1987, 125, 126 - "Berühmung" - m.w.N. und Baumbach/Hefermehl, UWG, 20. Auflage 1998, § 21 UWG Rndr. 11 und Einleitung UWG Rndr. 264 und 299 ff. m.w.N.). Zwar reicht allein die aufgrund eines begangenen Wettbewerbsverstoßes begründete Vermutung für die Wiederholungsgefahr nicht für Annahme einer neuen Begehungsgefahr aus. Dazu müssen vielmehr zusätzliche neue Umstände vorliegen, die auf einen weiteren, unmittelbar bevorstehenden Eingriff hindeuten (Baumbach/Hefermehl a.a.O., § 21 UWG Rnr. 11 m.w.N.). Solche Umstände können sich aber namentlich aus dem Verhalten des Verletzers im Rechtsstreit über seine Zuwiderhandlung ergeben, z.B. aus dem Festhalten an dem Standpunkt, nicht wettbewerbswidrig gehandelt zu haben (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., und BGH GRUR 1988, 313 - "Auto F GmbH"). Berühmt sich der Verletzer nach einer Verletzungshandlung weiterhin, zu ihrer erneuten Begehung berechtigt zu sein, so wird dadurch nicht nur eine bestehende Wiederholungsgefahr bekräftigt, sondern eine zusätzliche Erstbegehungsgefahr begründet. Diese ist - anders als die vermutete Wiederholungsgefahr - vom Ablauf der Verjährungsfrist für den auf der Verletzung beruhenden Unterlassungsanspruch unabhängig (vgl. BGH GRUR 1987, 125, 126 - "Berühmung" - und Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einleitung UWG Rndr. 264 a.E. und § 21 Rdnr. 11). Erfolgt eine solche Berühmung im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem Prozeß, spricht die Lebenserfahrung dafür, daß die Verteidigung einer bestimmten Handlungsweise jedenfalls auch den Weg zu ihrer künftigen Fortsetzung eröffnen soll. Besteht eine solche Absicht nicht und soll die Verteidigung des vergangenen Verhaltens als rechtmäßig ausschließlich zum Zweck des Obsiegens im laufenden Prozeß dienen, so ist es Sache des Verletzers, diese ausschließliche Zielsetzung zweifelsfrei deutlich zu machen (vgl. BGH GRUR 1992, 404, 405 - "Systemunterschiede" -).

Im Streitfall hat die Antragsgegnerin im Verlauf des erstinstanzlichen Verfügungsverfahrens stets die Auffassung vertreten, sie sei zur Vornahme der angegriffenen Wettbewerbshandlung berechtigt. Nach dem Vorgesagten begründet das zwangsläufig eine entsprechende Begehungsgefahr, es sei denn, die Antragsgegnerin hätte unmißverständlich klargestellt, daß ihre Ausführungen zur angeblich mangelnden Irreführungsgefahr ausschließlich Zwecken der Rechtsverteidigung und nicht dazu dienten, die Grundlage für eine Wiederholung der angegriffenen Wettbewerbshandlung zu schaffen. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr hat die Antragsgegnerin erstmals im Verlaufe des beim Landgericht Köln anhängigen Hauptsacheverfahrens, und zwar in der Klageerwiderung vom 14.12.1998 (Blatt 39 der beigezogenen Akten 81 O 167/98 LG Köln unter Ziffer 4) vorgetragen, ihre Ausführungen zur Irreführungsgefahr dienten lediglich der Rechtsverteidigung. Für den Zeitraum davor fehlt es dagegen an der notwendigen eindeutigen Klarstellung, daß die Antragsgegnerin nicht beabsichtigte, die angegriffene Wettbewerbshandlung zu wiederholen. Deshalb bestand Begehungsgefahr im vorbezeichneten Sinne zumindest noch am 25.06.1998, dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in dieser Sache. Die Klageerhebung hat die Verjährung demgemäß rechtzeitig unterbrochen, § 209 Abs. 1 BGB.

Bringt aber auch die erhobene Verjährungseinrede den Unterlassungsanspruch nicht zu Fall, war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 26.03.1999
Az: 6 U 133/98


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