Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 14. Januar 2004
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 22/03
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 14.01.2004, Az.: VI-U (Kart) 22/03)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. November 2002 ver-kündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wird, das Fakturierungs- und Inkassover-fahren (Fakturierung und Forderungsersteinzug) gemäß den Bedin-gungen "D. T. - Allgemeine Geschäftsbedingungen und Preise - Fakturierung und Inkasso", Stand März 2001 (Anlage K 3) oder 10.8.2001, und der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkas-so", Stand März 2001 (Anlage K 4), auch für den Dienst "R-T." der Klägerin zu erbringen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten aufer-legt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 270.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstre-ckung in derselben Höhe Sicherheit erbringt.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Telekommunikationsnetz ohne Teilnehmeranschlüsse (Verbindungsnetz i.S.v. § 3 Nr. 23 TKG). Sie hat mit der Klage von der Beklagten die Durchführung der Fakturierung und des Inkasso (Fakturierung und Forderungsersteinzug) von Verbindungsentgelten für die von ihr unter der Bezeichnung "R-T." als sog. R-Gespräch im Verkehr angebotene Dienstleistung verlangt. Bei dieser Gesprächsart stellt die Klägerin auf einen (über eine entgeltfreie 0.-Zugangsnummer getätigten) Kontaktanruf dritter Personen eine automatische Verbindung zu einem Festnetzanschluss her, wobei der Inhaber des Festnetzanschlusses die Verbindungskosten trägt. Gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sind Sonderdienste und insbesondere Premium-Rate-Dienste (0./0., 0.-Rufnummern) für diese Gesprächsart nicht zugelassen (vgl. Anl. K 12, Ziff. 2.3) und wird das jeweils aktuelle Verbindungsentgelt vor Beginn des R-Gesprächs angesagt (Ziff. 2.5).
Durch den Beschluss der Regulierungsbehörde Telekommunikation und Post (RegTP) vom 21.2.2000 (Az. BK 3a - 99/032, Anl. B 1 = MMR 2000, 298) war die Beklagte gegenüber Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen in einem näher bestimmten Umfang zur Erbringung von Fakturierungs- und Inkassoleistungen aufgefordert worden. Durch den weiteren Beschluss der Regulierungsbehörde vom 14.3.2000 (Az. BK 3a - 99/032, Anl. K 5 = MMR 2000, 312) war ihr auferlegt worden, die genannten Leistungen auf der Grundlage abgeschlossener Verträge zu erbringen sowie anderen Telekommunikationsdienstleistern entsprechende Vertragsabschlüsse mit gleichem Inhalt anzubieten.
Die Klägerin erteilte der Beklagten auf einem von dieser entworfenen Vordruck unter dem 10.10.2001 einen "Auftrag für Fakturierung und Inkasso" (Anl. K 1). Der Auftrag nahm Bezug auf die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Preise Fakturierung und Inkasso" (Stand März 2001, Anl. K 3) sowie auf die "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso" der Beklagten (Stand März 2001, Anl. K 4). Den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist als Bemerkung vorangestellt:
"Die D. T. ist nach der Entscheidung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 14.3.2000 (Az. BK 3a - 99/032) ab dem 01. Jan. 2001 ausschließlich zur Fakturierung und Inkasso von Sprachtelefondienstleistungen, Auskunfts- und Mehrwertdiensten sowie Internetbycall gemäß dem dort beschriebenen Umfang verpflichtet. Bei Mehrwertdiensten und Internetbycall werden solche Dienstleistungen nicht umfasst, für die über das Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Zahlungen anfallen oder für die - mit Ausnahme von Share-Cost-Diensten - ein einheitliches Verbindungsentgelt erhoben wird, das sich nicht in Abhängigkeit von der Dauer der Verbindung bestimmten lässt.
Die Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen ist auf diese Leistungen beschränkt."
Die Leistungen der Beklagten sollten nach den Geschäftsbedingungen - abschließend - die Rechnungsstellung an Endkunden, das Erteilen von Einzelverbindungsnachweisen, die Entgegennahme von Zahlungen oder den Einzug der Rechnungssummen im Lastschriftverfahren, die Weiterleitung der eingenommenen Gelder und die Übermittlung der sog. Bestandsdaten in Reklamationsfällen umfassen (Forderungsersteinzug). Darüber hinaus gehende Beitreibungsmaßnahmen sollten der Beklagten nicht obliegen.
Mit Anwaltsschreiben vom 30.11.2001 (Anl. K 9), beantragte die Klägerin, an einem "Pilotwirkbetrieb" der Beklagten mit einem weiter gehendem Mahn- und Beitreibungswesen beteiligt zu werden. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.12.2001 ab (Anl. K 2), in welchem sie ferner ausführte:
"Die D. T. wird die Fakturierung von Verbindungsentgelten gemäß dem von Ihrer Mandantin ... am 10. Oktober 2001 unterschriebenen Auftrag nach Maßgabe der AGB Fakturierung und Inkasso (Stand: 10.8.2001) durchführen.
Eine Auftragsbestätigung mit dem Realisierungstermin wird Ihrer Mandantin nach abgeschlossener technischer Anbindung und Anlieferung der Produkt- und Rechnungsdruckstammdaten durch Ihre Mandantin zugehen."
Ebenfalls im Dezember 2001 lieferte die Klägerin der Beklagten die für Fakturierung und Inkasso erforderlichen Leistungsdaten an (Produkt- und Rechnungsdruck-Stammdaten; Anl. K 6). Die Beklagte stellte im selben Monat eine Betriebsaufnahme zum 1.2.2002 in Aussicht (Anl. K 7).
Mit ihrem weiteren und als "Bestätigung Ihres Auftrags" überschriebenen Schreiben vom 13.2.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit (Anl. K 10):
"bedanken wir uns für Ihren Auftrag ... vom 10. Oktober 2001, den wir hiermit gerne annehmen. Sie können Ihre Leistungsdaten zur Fakturierung und Inkasso durch die D. T. erstmalig zum 15. Februar 2002 anliefern. ...
Der Vertrag schließt die Fakturierung des Produkts R-Talk' nicht ein, daher wird die von Ihnen angelieferte Produkt-ID 8. abgewiesen. Die D. T. prüft, ob eine Verpflichtung zur Fakturierung dieses Produktes besteht und teilt Ihnen das Ergebnis mit gesondertem Schreiben mit."
Im April 2002 führte die Klägerin das "Produkt R-Talk" der Beklagten vor (Anl. K 13, 14). Mit Schreiben vom 4.6.2002 lehnte die Beklagte eine Fakturierung und das Inkasso für diese Gesprächsart endgültig ab und führte hierfür rechtliche Überlegungen an (Anl. K 15).
Die Klägerin hat das von ihr angebotene R-Gespräch im ersten Rechtszug als einen gemäß den einschlägigen Geschäftsbedingungen der Klägerin zuzulassenden Mehrwertdienst behandelt sehen wollen. Sie hat einen Vertragsschluss über die Fakturierung und das Inkasso spätestens mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 20.12.2001 angenommen. Die später, und zwar mit Schreiben der Beklagten vom 13.2.2002, vorgenommene Einschränkung sei rechtlich wirkungslos. Hilfsweise hat die Klägerin sich auf einen Abschlusszwang der Beklagten nach § 33 TKG berufen.
Die Beklagte ist dem Klagebegehren entgegen getreten. Ihrer Meinung zufolge ist ein Vertrag über Fakturierung und Inkasso gemäß ihrem Schreiben vom 13.2.2002 unter ausdrücklichem Ausschluss solcher Leistungen für die Verbindungsentgelte bei R-Gesprächen zustande gekommen. R-Gespräche - so hat die Beklagte vorgetragen - unterlägen ebenso wenig gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Fakturierung und einem Inkasso. Dies hat die Beklagte unter anderem damit begründet, dass einer Gefahr von Missbräuchen begegnet werden müsse.
Das Landgericht hat die Beklagte gemäß dem Klageantrag dazu verurteilt,
das Fakturierungs- und Inkassoverfahren (Fakturierung und Forderungsersteinzug) gemäß den Bedingungen "D. T. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Preise Fakturierung und Inkasso" (Stand März 2001) und der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso" (Stand März 2001) auch für den Dienst "R-Talk" der Klägerin zu erbringen.
Auf die Entscheidungsgründe seines Urteils wird verwiesen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen namentlich zu der behaupteten Missbrauchsgefahr. Im Übrigen meint sie, einem Kontrahierungszwang gegenüber der Klägerin aus Rechtsgründen nur insoweit zu unterliegen, als ihr durch den Beschluss der RegTP vom 14.3.2000 die Fakturierung und das Inkasso auferlegt worden sei. Nur in diesem Rahmen habe sie mit der Beklagten überhaupt verhandelt. Davon sei die Fakturierung und das Inkasso für sog. R-Gespräche nicht umfasst.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin bezieht sich ebenfalls auf ihren bisherigen Vortrag. Sie fasst ihre R-Gespräche nunmehr unter den Begriff der Sprachtelefondienstleistungen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die mit diesen vorgelegten Anlagen, insbesondere auf die vorbezeichneten Aktenbestandteile, Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat die Beklagte im Ergebnis mit Recht für verpflichtet angesehen, gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der einschlägigen Leistungsbeschreibung Fakturierungs- und Inkassoleistungen für die von der Klägerin angebotenen R-Gespräche zu erbringen.
I. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage bestehen keine rechtlichen Bedenken mehr, nachdem die Klägerin ihren im ersten Rechtszug als Leistungsantrag formulierten Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sprachlich in die Form eines Feststellungsantrags gebracht hat. Der Feststellungsantrag unterliegt nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags, denen ein Leistungsantrag nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen hat (siehe dazu auch BGH WuW/E BGH 2125, 2126 - "Technics").
II. Der Feststellungsantrag ist begründet.
a) Allerdings begegnen die Ausführungen, mit denen das Landgericht das Zustandekommen eines Vertrages über die Fakturierung und das Inkasso bei sog. R-Gesprächen zwischen den Parteien angenommen hat, rechtlichen Zweifeln. Das Landgericht hat in der Versendung des von der Beklagten ausgearbeiteten Vordrucks "Auftrag für Fakturierung und Inkasso" ein Angebot der Beklagten zum Abschluss eines Fakturierungs- und Inkassovertrages gesehen, dessen Annahme die Klägerin durch bloßes Ausfüllen des Vordrucks (zu ergänzen ist: sowie durch anschließendes Versenden und den Zugang des ausgefüllten Vordrucks bei der Beklagten) erklärt habe. Die Annahme eines in dieser Weise vollzogenen Vertragsschlusses erscheint jedoch schon deswegen nicht zweifelsfrei, weil die Beklagte sich ausweislich ihrer der Klägerin bekannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (siehe dort unter Ziff. 2.1) vorbehalten hatte, die von einem künftigen Vertragspartner anzuliefernden Leistungsdaten zunächst auf ihre Fakturierbarkeit zu prüfen und vom Ergebnis dieser Überprüfung die Aufnahme von Fakturierungs- und Inkassoleistungen abhängig zu machen. Auch gilt die Erfahrungsregel, dass sich eine Vertragspartei in der Lage der Beklagten - bevor sie sich verbindlich zur Erbringung bestimmter Leistungen verpflichtet - gewöhnlich nicht nur über ihre eigene Leistungsfähigkeit und über den möglichen Zeitpunkt einer Aufnahme der Leistungen an den anderen Teil, sondern auch über die Person des anderen Teils - namentlich über seine Bonität und über seine voraussichtliche Zuverlässigkeit, eigene vertragliche Verpflichtungen einzuhalten - Gewissheit verschaffen will. Der Beschluss der Regulierungsbehörde vom 14.3.2000, mit dem die Beklagte verpflichtet worden ist, Telekommunikationsdienstleistern einen Abschluss von Verträgen über Fakturierung und Inkasso in bestimmtem Umfang anzubieten, ist keineswegs so zu verstehen, dass die Beklagte ohne Rücksicht auf solche Regeln kaufmännischer Vorsicht und Vernunft dazu angehalten werden sollte, Fakturierungs- und Inkassoverträge mit abschlusswilligen Dienstleistern einzugehen. Die Überlassung des Auftragsvordrucks für Fakturierung und Inkasso nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Leistungsbeschreibung an die Klägerin ist deswegen eher als eine "invitatio ad offerendum" seitens der Beklagten aufzufassen, auf welche die Klägerin durch ihren an die Beklagte gerichteten "Auftrag Fakturierung und Inkasso" vom 10.10.2001 ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages unterbreitet hat.
Ob und durch welche Erklärung die Beklagte ein solches Vertragsangebot der Klägerin angenommen hat, muss jedoch ebenso wenig genau geklärt werden wie die weitere Frage, ob ein Vertrag nur durch eine ausdrückliche Annahmeerklärung der Beklagten oder auch durch bloßes Schweigen auf den Antrag der Klägerin zustande gebracht werden konnte. Es kann auch der genaue Zeitpunkt, in welchem ein Vertrag über Fakturierung und Inkasso als zwischen den Parteien zustande gekommen angesehen werden kann, dahingestellt bleiben. Denn die Beklagte war und ist in dem Umfang, wie ihr durch den Beschluss der Regulierungsbehörde vom 14.3.2000 die Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen über Fakturierung und Inkasso auferlegt worden ist, der Klägerin gegenüber zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages jedenfalls gehalten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der den Allgemeinen Geschäftsbedingungen über Fakturierung und Inkasso von der Beklagten selbst vorangestellten Bemerkung, mit der sie sich dazu bekannt hat, das ihr durch die Regulierungsbehörde auferlegte Gebot nach Maßgabe des im Beschluss vom 14.3.2000 beschriebenen Umfangs zu erfüllen. Nimmt man diese im Geschäftsverkehr abgegebene Erklärung ernst, dann folgt aus ihr im Rechtssinn die Verpflichtung der Beklagten, hinsichtlich solcher Fakturierungs- und Inkassoleistungen, die Gegenstand des verpflichtenden Ausspruchs des Beschlusses der RegTP vom 14.3.2000 sind, auf Antrag von Diensteanbietern entsprechende Leistungsverträge abzuschließen. Dieser Verpflichtung unterliegt die Beklagte auch in Bezug auf die von der Klägerin angebotenen R-Gespräche ("R-Talk"), sofern es sich dabei um eine Dienstleistung handelt, welche der Anordnung der Regulierungsbehörde unterfällt.
Danach steht fest, dass die Erklärung der Beklagten in der Auftragsbestätigung vom 13.2.2002, mit der sie die Fakturierung und das Inkasso von Verbindungsentgelten bei R-Gesprächen ausdrücklich von den vertragsgemäßen Leistungen ausgenommen hat, nicht dazu geeignet ist, ihre Verpflichtung zur Durchführung von Fakturierung und Inkasso rechtswirksam zu begrenzen. Denn die Beklagte wäre selbst dann, wenn der Inhalt ihrer Auftragsbestätigung vom 13.2.2002 für den Inhalt eines zwischen den Parteien bereits abgeschlossenen Vertrages konstitutiv gewesen wäre, aus der von ihr anerkannten Verpflichtung gemäß dem Beschluss der Regulierungsbehörde vom 14.3.2000 heraus der Klägerin gegenüber jedenfalls rechtlich gehalten, einen solchen Vertrag so abzuändern, zu erweitern oder neu abzuschließen, dass die Übernahme der Fakturierung und des Inkasso sich ihrem Umfang nach mit der anerkannten Verpflichtung gemäß dem Beschluss der Regulierungsbehörde deckt. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt auf den Abschluss eines solchen Vertrages rechtsverbindlich verzichtet. Sollte es hingegen so anzusehen sein, dass die Parteien einen wirksamen Vertrag über die Fakturierung und das Inkasso geschlossen haben, ohne dass für den Inhalt die Auftragsbestätigung der Beklagten vom 13.2.2002 bestimmend war, ist die Frage, ob hiervon die Fakturierung und das Inkasso von Verbindungsentgelten bei R-Gesprä-chen umfasst ist, durch Auslegung dieses Vertrages zu entscheiden. Ob die Beklagte daneben einem aus den kartellrechtlichen Normen der §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 GWB, 33 TKG abzuleitenden Abschlusszwang unterliegt, kann auf sich beruhen.
b) Die entscheidende Frage, ob die Beklagte gemäß dem Inhalt der ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorangestellten Erklärung oder eines ohne einen ausdrücklichen Ausschluss von Fakturierungs- und Inkassoleistungen für Verbindungsentgelte bei sog. R-Gesprächen abgeschlossenen Vertrages zu einer Fakturierung und zum Inkasso der Verbindungsentgelte aus solchen Gesprächen verpflichtet ist, ist im Ergebnis zu bejahen. Das Landgericht hat diese Verpflichtung damit begründet, bei dem "Produkt R-Talk" der Klägerin handele es sich um einen Sprachtelefondienst "als Mehrwertdienst" oder "mit Mehrwertcharakter" (Urteilsabdruck S. 9, 10). Dies hat die Klägerin im Berufungsrechtszug in der Weise aufgegriffen, dass sie das Angebot sog. R-Gespräche nunmehr in erster Linie als eine reine Sprachtelefondienstleistung im Sinne von § 3 Nr. 15 TKG definiert. Dieser Bewertung ist die Beklagte entgegengetreten. Sie will sog. R-Gespräche als Mehrwertdienst aufgefasst und behandelt sehen.
Der Umfang der rechtlichen Verpflichtung der Beklagten zur Fakturierung und zum Inkasso hat sich am Inhalt des Beschlusses der RegTP vom 14.3.2000 zu orientieren, der seinerseits ausgefüllt wird durch die Gründe des im selben Verwaltungsverfahren ergangenen früheren Beschlusses vom 21.2.2000. Mit jenem Beschluss ist die Beklagte von der Regulierungsbehörde ohne Erfolg aufgefordert worden zu erklären, dass sie der auf die Erbringung bestimmter Fakturierungs- und Inkassoleistungen sowie auf den Abschluss entsprechender Verträge gerichteten Aufforderung nachkommen werde, wohingegen ihr durch den weiteren Beschluss vom 14.3.2000 die Verpflichtung auferlegt worden ist, derartige Leistungen zu erbringen und Diensteanbietern gegenüber entsprechende Vertragsangebote abzugeben. In der Sache hat die Regulierungsbehörde die Beklagte durch den Beschluss vom 14.3.2000 unter anderem dazu verpflichtet, Diensteanbietern wie der Klägerin einen Abschluss von Fakturierungs- und Inkassoverträgen anzubieten, welche sich auf die von der vorliegenden Klage umfasste Rechnungsstellung sowie auf einen Forderungsersteinzug erstrecken. Von dieser Verpflichtung ausgenommen worden sind lediglich solche Dienstleistungen bei Mehrwertdiensten und Internetbycall, für die über das Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Zahlungen anfallen oder für die - mit Ausnahme von Shared-Cost-Diensten - ein einheitliches Verbindungsentgelt erhoben wird, das sich nicht in Abhängigkeit von der Dauer der Verbindung bestimmen lässt (siehe den Tenor des Beschlusses der RegTP vom 14.3.2000 unter Ziff. 2.). Da die Beklagte sich zu dieser Verpflichtung durch die ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorangestellte Erklärung bekannt hat und bekennt, hat sie hiernach auch den Anbietern von Mehrwertdiensten einen Abschluss von Fakturierungs- und Inkassoverträgen mit dem durch den Beschluss der RegTP vom 14.3.2000 vorgegebenen Inhalt anzubieten. Davon sind nur solche namentlich bei Mehrwertdiensten anfallenden Dienstleistungen ausgenommen, für die über das reine Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Vergütungen erhoben werden oder für die ein einheitliches, nicht von der Dauer der Verbindung abhängiges Entgelt berechnet wird.
Dieser Definition von Diensten, bei denen die Beklagte einer Verpflichtung zur Fakturierung und zum Inkasso enthoben ist, unterfallen die von der Klägerin angebotenen R-Gespräche nicht. Denn die Klägerin berechnet hierbei über das reine Verbindungsentgelt hinaus keine gesonderten Entgelte. Sie erbringt selbst oder durch Dritte - wie außer Streit steht - auch keine über die bloßen Verbindungen hinausgehenden Leistungen. Dies stimmt mit den in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin getroffenen Regelungen überein. Denn gemäß der Teilziff. 2.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind die für solche zusätzlichen Leistungen typischen Sonderdienste und insbesondere Premium-Rate-Dienste (0./0., 0.-Rufnummern) für die Gesprächsart des "R-Talk" ausgeschlossen. Sog. Contentleistungen bietet die Klägerin auch nach dem Vorbringen der Beklagten unter dem Dienstleistungsangebot von sog. R-Gesprächen tatsächlich nicht an. Die Klägerin berechnet für sog. R-Gespräche unstreitig ebenso wenig ein Entgelt, welches sich nicht allein in Abhängigkeit von der Dauer des Gesprächs bestimmen lässt. Die Gesprächsentgelte werden vielmehr nach Zeittakten erhoben. Von daher kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die Dienstleistung des "R-Talk", für welche die Klägerin von der Beklagten eine Fakturierung und das Inkasso begehrt, im Rechtssinn als Mehrwertdienst, als ein Sprachtelefondienst im Sinne von § 3 Nr. 15 TKG oder als eine sonstige Dienstleistung zu qualifizieren ist. Gemäß dem Beschluss der RegTP vom 14.3.2000, den die Beklagte für ihre Verpflichtung zur Fakturierung und zum Inkasso als verbindlich anerkannt hat, ist die Beklagte - von den dargestellten Ausnahmen abgesehen - auch in Bezug auf Mehrwertdienste dazu gehalten, entsprechende Fakturierungs- und Inkassoleistungen zu erbringen. Genauso wenig ist darauf abzustellen, ob - wie die Beklagte geltend macht - der Anschlusshalter, der einen Kontaktanruf mit dem Angebot eines R-Gesprächs empfängt, über die Höhe des ihm von der Klägerin berechneten Verbindungsentgelts bei einer Annahme des Telefonats letztlich auch den für den Anrufer kostenlosen Kontaktanruf bezahlt. Denn dies ändert sachlich nichts an dem rechtlich maßgebenden Umstand, dass die Klägerin - wenngleich zu unter Umständen höheren Verrechnungssätzen - lediglich die reine Verbindungsleistung in Rechnung stellt. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von der Fallgestaltung, die der Senat im Rechtsstreit der P. GmbH & Co. KG gegen die Beklagte entschieden hat (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 25.6.2003, Az. U (Kart) 1/03). In jener Sache ging es um das Bestehen einer Fakturierungs- und Inkassopflicht der Beklagten bei sog. Contentleistungen, die im Streitfall gerade nicht in Rede stehen.
Wie aus dem im Rahmen des vorgerichtlichen Schriftwechsels verfassten Schreiben der Beklagten vom 20.12.2001 hervorgeht, sind die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Preise Fakturierung und Inkasso" unter dem 10.8.2001 aktualisiert worden (Anl. K 2). Der Klageantrag bezieht sich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Stand vom Monat März 2001. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, die Beklagte habe das Bedingungswerk in dem entscheidenden und die erwähnte Vorbemerkung betreffenden Punkt geändert. Die Tatsache der Neufassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist lediglich aus Gründen der Klarstellung in den Urteilsausspruch aufgenommen worden.
c) Die von der Beklagten gegen eine Zulassung von sog. R-Gesprächen für die Fakturierung und das Inkasso gemäß dem Beschluss der RegTP vom 14.3.2000 erhobenen Einwendungen überzeugen im Ergebnis nicht.
Der unter Hinweis auf § 43 Abs. 6 TKG vorgebrachte Einwand, durch die Annahme eines R-Gesprächs verliere der Angerufene - auf den, weil er das Verbindungsentgelt zu entrichten habe, letztlich abzustellen sei - die ihm nach dem TKG zugestandene Möglichkeit, den Verbindungsnetzbetreiber für ein Telefonat frei auszuwählen, trifft nicht zu (vgl. dazu die Definition des Verbindungsnetzes in § 3 Nr. 23 TKG).
Die Klägerin hält diesem Argument der Beklagten entgegen, das Gebot des § 43 Abs. 6 TKG richte sich seit der am 1.12.2002 in Kraft getretenen Änderung dieser Vorschrift nur an solche Netzbetreiber, die auf dem relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Insofern ist gewiss auch zu bedenken, ob § 43 Abs. 6 TKG nicht immer schon (und auch ohne eine ausdrückliche dahingehende Bestimmung im Gesetz) so zu verstehen war, dass das gesetzliche Gebot, eine Wahlfreiheit unter den Netzbetreibern herzustellen und zu gewährleisten, nur ein den einschlägigen Markt beherrschendes Unternehmen - wie möglicherweise die Beklagte - betraf. Es spricht Einiges für eine dahingehende Gesetzesauslegung, zumal nach der Vorstellung des Gesetzgebers vor allem dieses Gebot eine Öffnung des Telekommunikationsmarktes für den Wettbewerb bewirken sollte (vgl. Beck´- scher TKG-Kommentar/Paul/Mellewigt § 43 TKG Rn. 1). Unabhängig hiervon sollte der durch § 43 Abs. 6 TKG geschützte Nutzer eines Telekommunikationsnetzes es selbstverständlich immer schon in der Hand haben, auf das ihm gesetzlich zugesicherte Wahlrecht in einem einzelnen Fall zu verzichten (so auch Beck´scher TKG-Kommentar/Paul/Mellewigt § 43 TKG Rn. 28 a.E.). Genau dies geschieht jedoch dann, wenn den Angerufenen ein sog. R-Gespräch erreicht, es angenommen wird und der Angerufene davon absieht, den Anrufer seinerseits selbständig durch einen Anruf zu kontaktieren.
Die von der Beklagten behaupteten Missbräuche bei R-Gesprächen können bei vielen Angeboten auf dem Sektor der Telefonie vorkommen. Sie sind im vorliegenden Fall jedoch in einem weitaus geringeren Ausmaß und mit weniger schwerwiegenden Folgen zu besorgen als in dem vom Senat früher entschiedenen Fall der P. GmbH & Co. KG gegen die Beklagte (Az. U (Kart) 1/03). R-Gespräche der hier in Rede stehenden Art, bei denen Contentdienste nicht in Rechnung gestellt werden, eröffnen einen geringeren Umsatzanreiz als die in jenem Prozess gegenständlichen Mehrwertdienste. R-Gespäche sind auch der Höhe nach nicht geeignet, Vermögensschäden in ähnlicher Höhe wie bei den mit Contentdiensten verbundenen Mehrwertdiensten herbeizuführen. Hiervon abgesehen hat die Beklagte sich - soweit sie gemäß dem Beschluss RegTP vom 14.3.2000 der zu einer Fakturierung verpflichtet ist - mit Rechnungsempfängern, die sich über die Höhe der berechneten Verbindungsentgelte beschweren, nicht auseinander zu setzen.
Das weitere Argument der Beklagten, der Klägerin sei zuzumuten, ihre Verbindungsentgelte selbst zu fakturieren und die erforderlichen Bestandsdaten von den Nutzern zu erfragen, ist schon im Beschluss der Regulierungsbehörde vom 21.2.2000 in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht entkräftet worden (vgl. MMR 2000, 303 bis 306), ohne dass sich die Beklagte im vorliegenden Prozess mit jenen Erwägungen auch nur ansatzweise auseinander gesetzt hat. Im Rechtssinn ist dieser Einwand der Beklagten aber auch unerheblich, denn die Beklagte ist gemäß der ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorangestellten Erklärung allgemein und demnach auch gegenüber der Klägerin gehalten, die Fakturierung und das Inkasso in Übereinstimmung mit der ihr durch den Beschluss der RegTP vom 14.3.2000 auferlegten Verpflichtung ungeachtet dessen durchzuführen, ob der jeweilige Diensteanbieter die Fakturierung und das Inkasso selbst vornehmen kann.
Die Revision wird für die Beklagte nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Auch haben sich die Parteien im Senatstermin übereinstimmend dahin geäußert, dass R-Gespräche in der Praxis der Telefonie eine zahlenmäßig nur geringe Rolle spielen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Übergang vom Leistungsantrag zu einem Feststellungsantrag rechtfertigt nicht die Annahme einer Teilrücknahme der Klage. Nach dem der Klage zugrunde liegenden Begehren war eine Antragstellung mit den Rechtswirkungen eines Feststellungsantrages von Anfang an von der Klägerin gewollt. Die Umstellung des Klageantrags erweist sich damit als eine bloße Klarstellung des angestrebten Rechtsschutzziels. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert für den Berufungsrechtszug: 250.000 Euro
W.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 14.01.2004
Az: VI-U (Kart) 22/03
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