Bundesarbeitsgericht:
Urteil vom 11. Dezember 2007
Aktenzeichen: 1 AZR 191/07
(BAG: Urteil v. 11.12.2007, Az.: 1 AZR 191/07)
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 26. Januar 20076 - 11 Sa 711/06 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Abfindung.
Die Klägerin war auf Grund eines Anstellungsvertrags vom 20. Dezember 2000 seit dem 1. Januar 2001 bei der d GmbH zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 3.400,00 Euro beschäftigt. Nach dem Anstellungsvertrag ist eine Betriebszugehörigkeit seit dem 1. Juli 1996 zugrunde zu legen.
Alleinige Gesellschafterin der d GmbH war die Se GmbH. Deren Anteile hielt zu 100 % die P D GmbH. Diese war wiederum eine 100%-ige Tochter der Beklagten. Die Beklagte entstand im November 2000 durch Verschmelzung der P AG und der S GmbH. Anlässlich dieser Verschmelzung wurde am 7. Dezember 2000 eine "Betriebsvereinbarung zwischen der PS AG und deren Tochterunternehmen und den Betriebsräten der PS AG und deren Tochterunternehmen” geschlossen. Die Betriebsvereinbarung wurde auf Arbeitgeberseite von zwei Vorstandsmitgliedern der Beklagten, auf Betriebsratsseite von Vertretern der Betriebsräte d GmbH, PS AG M, PS AG B, SZ GmbH M und B Pr GmbH unterzeichnet. Die Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise:
"Sozialplan der PS AG, und deren Tochtergesellschaften, sämtlich vertreten durch den Vorstand der PS AG - nachstehend Unternehmen genannt - und den Betriebsräten der PS AG und deren Tochtergesellschaften, vertreten durch die Betriebsratsvorsitzenden - nachstehend Betriebsräte genannt - Präambel Die Betriebsparteien erkennen die Gründung der Senderfamilie durch die Verschmelzung der P AG mit der S GmbH zur PS AG als einen strategisch und wirtschaftlich sinnvollen Schritt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem komplexen und hochkompetitiven Medienmarkt an. Die PS AG will sich noch stärker als bisher als moderner, attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt positionieren. Vor diesem Hintergrund schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen den nachfolgenden Sozialplan, der evtl. wirtschaftliche Nachteile betroffener Arbeitnehmer/innen im Rahmen der Restrukturierungen oder durchzuführender Umzüge ausgleicht. § 1 Geltungsbereich 1.1 Der Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer/innen des Unternehmens, die während der Laufzeit dieses Sozialplans in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen stehen und deren Arbeitsplatz im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) - an einen anderen Standort verlagert wird oder - deren Arbeitsplatz unmittelbar oder zu einem späteren Zeitpunkt wegfällt. Das Gleiche gilt für die Arbeitnehmer/innen, die im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG andere wirtschaftliche Nachteile durch die Verschmelzung des Unternehmens erleiden. ... § 2 Geltungsdauer Der Sozialplan tritt zum 07. September 2000 in Kraft und läuft bis zum 31. Dezember 2005. ... ... § 6 Abfindung 6.1 Arbeitnehmer/innen erhalten Abfindungsleistungen, sofern sie in den in §§ 1 und 2 dieses Sozialplans genannten sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich fallen und ihr Arbeitsverhältnis verlieren durch: ... - Abschluss eines arbeitgeberseitig veranlassten Aufhebungsvertrags zur Vermeidung einer betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung. ... § 17 Allgemeine Bestimmungen ... 17.9 Unter dem Begriff "Unternehmen” im Sinne dieses Sozialplans ist der Konzern PS AG zu verstehen (PS AG samt Tochterunternehmen).”
Am 31. Dezember 2000 gab die P D GmbH eine "Patronatserklärung” ab, nach der sie "dafür Sorge tragen” werde, "dass die d GmbH bis zur vollständigen Rückzahlung sämtlicher Verbindlichkeiten, insbesondere hinsichtlich Löhnen und Gehältern, finanziell ausgestattet bleibt, dass sie jederzeit zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus sämtlichen Verbindlichkeiten in der Lage ist.”
Am 8. September 2003 schlossen die Se GmbH - "Verkäuferin” oder "SIM” genannt -, die SF GmbH - "Käuferin” genannt -, die Beklagte - "P” genannt -, die P D GmbH - "PD” genannt - und die d GmbH - "Gesellschaft” oder "d” genannt - einen notariellen Unternehmenskaufvertrag. Mit diesem Vertrag verkaufte die Se GmbH im Rahmen eines sog. "Management Buyout” ihre Gesellschaftsanteile an der d GmbH mit wirtschaftlicher Wirkung vom 1. Juni 2003 an die SF GmbH. Diese gehört nicht zum Konzern der PS AG. In § 10 des Unternehmenskaufvertrags wurde - ua. - die Patronatserklärung der P D GmbH aufgehoben. Der Unternehmenskaufvertrag enthält ferner ua. folgende Vereinbarung:
" § 11 Freistellung P Betriebsvereinbarung Die Käuferin wird P oder, auf Verlangen der P, die mit P im Sinne von §§ 15 ff. AktG verbundenen Unternehmen (nachfolgend "P Gruppe” genannt) von der Inanspruchnahme durch Arbeitnehmer der d und d/v aus der P Betriebsvereinbarung freistellen, sofern und soweit die Ansprüche nicht vor dem Stichtag entstanden sind oder die Betriebsänderungen nach §§ 111 BetrVG nicht vor dem Stichtag stattfanden.”
Am 1. November 2004 wurde über das Vermögen der d GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Am selben Tag schlossen der Insolvenzverwalter und der bei der d GmbH gebildete Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan”. Diese enthält ua. folgende Regelungen:
" § 2 Frühere Vereinbarungen Es wird vorsorglich vereinbart, dass frühere Vereinbarungen, die dieser Vereinbarung entgegenstehen, außer Kraft treten. Unberührt hiervon bleibt die Betriebsvereinbarung zwischen der PS AG und dem Betriebsrat der d GmbH vom 07.12.2000. ... § 5 Schaffung von Auffangstrukturen 5.1 Die Beteiligten verständigen sich vor dem Hintergrund des Wegfalls aller Arbeitsplätze auf die Einrichtung einer betrieblich eigenständigen Einheit (beE) im Rahmen einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft gemäß den nachfolgenden Bestimmungen. Aus diesem Grund wird sämtlichen aus der Anlage 2 (gleichfalls im Wege einer zusammengesetzten Urkunde integraler Bestandteil dieser (Betriebs-)Vereinbarung) hervorgehenden Arbeitnehmern von dem Insolvenzverwalter angeboten, in die Pe GmbH (im folgenden BQG), ab dem 06.11.2004 einzutreten und mit der BQG ein Arbeitsverhältnis befristeter Art zu begründen. ... 5.3 Zu diesem Zweck verpflichtet sich der Insolvenzverwalter, allen in der Anlage 2 genannten Arbeitnehmern, die zum Übertritt in die BQG bereit sind, den in dieser (Betriebs-)Vereinbarung im Wege einer zusammengesetzten Urkunde - integraler Bestandteil als Anlage 3 beigefügten dreiseitigen Vertrag anzubieten und mit ihnen abzuschließen”.
Ein Muster des dreiseitigen Vertrags war der Betriebsvereinbarung vom 1. November 2004 als Anlage beigefügt. Am 4. November 2004 schlossen die Klägerin, der Insolvenzverwalter und die Pe GmbH einen solchen dreiseitigen Vertrag. Nach diesem wurde das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter einvernehmlich zum 5. November 2004 betriebsbedingt beendet und zwischen der Klägerin und der Pe GmbH ab dem 6. November 2004 ein bis zum 30. April 2005 befristetes Arbeitsverhältnis begründet. § 1 Nr. 1.3 des Vertrags bestimmt, dass "sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem bis zum Ablauf des 5.11.2004 bestehenden Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber und anlässlich dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt” sind.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe gegen die Beklagte einen Abfindungsanspruch in Höhe von 47.451,80 Euro. Die Beklagte habe bei Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 ohne Vollmacht seitens der d GmbH gehandelt. Sie hafte daher für Abfindungsansprüche aus der Betriebsvereinbarung in entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 1 BGB. Im Übrigen habe es sich um einen Gemeinschaftsbetrieb der Beklagten und der d GmbH gehandelt. Die Geschäftsleitung der d GmbH sei in der Ausübung ihrer arbeitgeberseitigen Rechte gegenüber ihren Mitarbeitern von den Weisungen der Beklagten abhängig gewesen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 47.451,80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei hinsichtlich möglicher Ansprüche der Klägerin aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 nicht passiv legitimiert. Sie habe diese Betriebsvereinbarung mit Vollmacht der d GmbH geschlossen. Im Übrigen finde die Betriebsvereinbarung auf die Stilllegung des Betriebs durch den Insolvenzverwalter über das Vermögen der d GmbH keine Anwendung. Diese Stilllegung gehöre nicht zu den Folgen der Verschmelzung vom November 2000, die durch die Betriebsvereinbarung geregelt worden seien. Außerdem habe die d GmbH zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Betriebsstilllegung nicht mehr zum Konzern der PS AG gehört. Einen gemeinsamen Betrieb zwischen der d GmbH und der Beklagten habe es nicht gegeben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Abfindungsanspruch zu.
I. Aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 kann die Klägerin von der Beklagten keine Zahlung verlangen. Die Betriebsvereinbarung begründet im Verhältnis zwischen den Parteien keine normativen Ansprüche. Sie ist auch kein schuldrechtlicher Vertrag zugunsten der Klägerin. Eine Verpflichtung der Beklagten nach § 179 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls nicht.
1. Die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 entfaltet zwischen der Klägerin und der Beklagten keine normative Wirkung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG.
a) Betriebsvereinbarungen gelten nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend. Sie begründen Rechte und Pflichten zwischen dem Arbeitgeber und den unter ihren Anwendungsbereich fallenden Arbeitnehmern, ohne dass es der individualrechtlichen Transformation in die Einzelarbeitsverhältnisse bedürfte. Diese normative Wirkung entfalten sie nur im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber des betreffenden Betriebs und den dort beschäftigten Arbeitnehmern. Auf Dritte erstreckt sich die normative Wirkung nicht. Sie zu verpflichten, liegt nicht in der Regelungsmacht der Betriebsparteien.
b) Hiernach ist die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 nicht geeignet, unmittelbar und zwingend Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu begründen. Diese war weder Vertrags- noch Betriebsarbeitgeberin der Klägerin.
aa) Vertragsarbeitgeberin der Klägerin war allein die d GmbH. Mit dieser hatte die Klägerin ihren Arbeitsvertrag geschlossen. Sie blieb auch ihre Arbeitgeberin, als die SF GmbH durch den Unternehmenskaufvertrag vom 8. September 2003 die Anteile an der d GmbH erwarb und als über ihr Vermögen am 1. November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
bb) Die Beklagte war im Verhältnis zur Klägerin auch nicht - gemeinsam mit der d GmbH - Betriebsarbeitgeberin. Die Beklagte und die d GmbH führten keinen gemeinsamen Betrieb iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
(a) Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben (vgl. BAG 22. Juni 2005 - 7 ABR 57/04 - AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 23 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 4, zu B II 1 der Gründe mwN). Grundlegende Voraussetzung für das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs ist der Einsatz von Arbeitnehmern und Betriebsmitteln mehrerer Unternehmen durch eine einheitliche Leitung auf der Grundlage einer wenigstens stillschweigend getroffenen Vereinbarung (BAG 22. Juni 2005 - 7 ABR 57/04 - aaO, zu B II 2 a der Gründe). Die mit einem Konzernverhältnis verbundene Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes genügt für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs nicht. Dies gilt auch, wenn das herrschende Unternehmen dem beherrschten Unternehmen Weisungen erteilt. Das herrschende Unternehmen wird dadurch nicht zusammen mit dem beherrschten Unternehmen Inhaber eines gemeinsamen Betriebs. Es fehlt an der hierzu erforderlichen Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern.
(b) Danach rechtfertigt das Vorbringen der Klägerin die Annahme eines von der Beklagten und der d gemeinsam geführten Betriebs iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht. Auch die Klägerin behauptet nicht, dass sich die Beklagte durch Gestellung von Betriebsmitteln und/oder Arbeitnehmern in irgendeiner Weise an einem gemeinsam von ihr und der d GmbH geführten Betrieb beteiligt hätte. Der Umstand, dass die Beklagte auf Grund des über die P D GmbH und die Se GmbH vermittelten Konzernverhältnisses möglicherweise in erheblichem Umfang Anweisungen an die Geschäftsleitung der d GmbH erteilte und deren Entscheidungen steuerte, rechtfertigt nicht die Annahme eines gemeinsamen Betriebs.
(c) Im Übrigen wäre ein gemeinsamer Betrieb der Beklagten und der d GmbH spätestens mit dem Vollzug des Unternehmenskaufvertrags vom 8. September 2003 aufgelöst worden. Durch diesen schied die d GmbH aus dem Konzernverbund der PS AG aus. Auch der Kläger behauptet nicht, dass danach die Beklagte noch Einfluss auf die Entscheidungen der d GmbH genommen hätte. Selbst wenn zuvor ein gemeinsamer Betrieb der Beklagten und der d GmbH bestanden haben sollte, käme daher ein normativ begründeter Anspruch der Klägerin aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 gegen die Beklagte nur in Betracht, wenn zum einen die Betriebsvereinbarung Abfindungsansprüche nicht nur gegen die Vertragsarbeitgeberin, sondern auch gegen die - weitere - Betriebsarbeitgeberin begründet hätte, und zum anderen auch solche Betriebsänderungen erfassen würde, die erst - längere Zeit - nach der Aufhebung des gemeinsamen Betriebs stattfänden. Jedenfalls davon, dass aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 die Beklagte als vormalige Betriebsarbeitgeberin auch dann noch verpflichtet sein sollte, wenn nach Aufhebung des Gemeinschaftsbetriebs die d GmbH Betriebsänderungen vornähme, könnte nicht ausgegangen werden. Die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 bietet hierfür keinerlei Anhaltspunkte.
2. Die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 ist entgegen der Auffassung der Klägerin kein zwischen der Beklagten und den beteiligten Betriebsräten geschlossener schuldrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter, aus dem er Ansprüche gegen die Beklagte herleiten könnte. Nach Inhalt, Form und Umständen ist die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 eine - freiwillige - Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 2 Satz 1, § 88 BetrVG. Sie soll normativ und nicht schuldrechtlich Ansprüche der Arbeitnehmer erzeugen.
3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch nach § 179 Abs. 1 BGB. Dies gilt auch, wenn davon ausgegangen wird, die Beklagte sei von der d GmbH nicht bevollmächtigt gewesen, für diese die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 zu schließen.
a) § 179 Abs. 1 BGB ist nicht geeignet, Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüche von Arbeitnehmern zu begründen, wenn beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung auf Seiten des Arbeitgebers ein vollmachtloser Vertreter gehandelt hat. Anspruchsberechtigt nach § 179 Abs. 1 BGB ist ggf. "der andere Teil” des Vertrags. Das ist beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung allenfalls der Betriebsrat und sind nicht die Arbeitnehmer. Diese sind Normadressaten.
b) Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargetan, dass die d GmbH als - nach seiner Behauptung vollmachtlos - Vertretene die Genehmigung des Abschlusses der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 durch die Beklagte verweigert habe oder die Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB vorlägen, unter denen die Genehmigung als verweigert gilt.
4. Auch aus § 11 des Unternehmenskaufvertrags vom 8. September 2003 folgt kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Die Bestimmung regelt, von welchen möglichen Ansprüchen der Arbeitnehmer der d GmbH die SF GmbH die Beklagte und deren Tochterunternehmen ggf. freizustellen hat. Sie selbst begründet solche Ansprüche der Arbeitnehmer der d GmbH jedoch nicht.
II. Die Beklagte haftet nicht für eine unmittelbar den Insolvenzverwalter treffende Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000.
1. Ausgehend von den Behauptungen der Klägerin scheitert eine Haftung der Beklagten für eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 schon daran, dass die Klägerin eine der Beklagten von der d GmbH erteilte Vollmacht zum Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 bestreitet. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 jedenfalls mit Wirkung für die d GmbH nicht wirksam zustande gekommen. Sie vermochte daher für die Klägerin normativ keine Ansprüche gegenüber der d GmbH zu begründen. Es fehlt damit bereits nach dem Vorbringen der Klägerin an einer Verbindlichkeit, für welche die Beklagte ggf. einzustehen hätte.
2. Auch wenn zugunsten der Klägerin das Vorbringen der Beklagten unterstellt wird, wonach diese bevollmächtigt war, die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 namens der d GmbH abzuschließen, könnte der Klage nicht entsprochen werden.
a) Allerdings bestehen dann an der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 keine Bedenken. Es handelt sich um eine zwischen der - durch die Beklagte vertretenen - d GmbH und dem bei dieser errichteten Betriebsrat geschlossene freiwillige Betriebsvereinbarung, die in einer Urkunde gemeinsam mit Betriebsvereinbarungen zwischen weiteren Arbeitgebern und den für deren Betriebe errichteten Betriebsräten niedergelegt wurde.
b) Die Stilllegung des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin im November 2004 fällt jedoch nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000. Dabei kann dahinstehen, ob diese Betriebsvereinbarung auch für Betriebsänderungen gilt, die nicht unmittelbare Folge der Verschmelzung vom November 2000 sind. Jedenfalls regelt sie keine Betriebsänderungen, die erst nach dem Ausscheiden eines der an ihr beteiligten Konzernunternehmen aus dem Konzernverbund erfolgen. Das ergibt ihre Auslegung.
aa) Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen und Sozialplänen richtet sich wegen des aus § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG folgenden normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 13. März 2007 - 1 AZR 262/06 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 183 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 22, zu I der Gründe mwN) .
bb) Hiernach spricht vieles dafür, dass sich die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf Betriebsänderungen beschränkt, die unmittelbare Folge der Verschmelzung der P AG und der S GmbH sind. Sie dürfte grundsätzlich alle Fälle erfassen, in denen Arbeitnehmer des Unternehmens während der Laufzeit ihrer Regelungen im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG ihren Arbeitsplatz verlieren. Jedenfalls enthält § 1.1 der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 nach dem Wortlaut insoweit keine Einschränkung. Die Frage kann jedoch dahinstehen.
cc) Die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 erfasst in keinem Fall Betriebsänderungen, die ein vormals zum Konzern PS AG gehörendes Unternehmen erst nach seinem Ausscheiden aus dem Konzernverbund vorgenommen hat. Nach § 1.1 der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 gilt der Sozialplan "für alle Arbeitnehmer/innen des Unternehmens, ... deren Arbeitsplatz ... wegfällt”. Voraussetzung ist damit die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum "Unternehmen”. Der Begriff des Unternehmens im Sinne der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 wird in deren § 17.9 ausdrücklich definiert. Danach ist darunter "der Konzern PS AG zu verstehen (PS AG samt Tochterunternehmen)”. Damit macht bereits der Wortlaut der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 deutlich, dass diese nur Anwendung finden soll, wenn die zum Verlust von Arbeitsplätzen führende Betriebsänderung von einem Konzernunternehmen vorgenommen wird. Die Beschränkung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung. Diese ist kein anlässlich einer konkreten Betriebsänderung nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erstellter, nach § 112 Abs. 4 BetrVG erzwingbarer Sozialplan. Vielmehr handelt es sich um eine freiwillige vorsorgliche (Rahmen-)Betriebsvereinbarung für eventuelle künftige im Konzernverbund stattfindende Betriebsänderungen. Dem entspricht es, den Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung auf Unternehmen zu beschränken, die zum Konzernverbund gehören. Nur bei diesen hat die Konzernspitze die Möglichkeit, Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen und Betriebsänderungen zu nehmen, sowie ggf. Veranlassung, etwa erforderliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls bei einer Betriebsvereinbarung, deren Abschluss nicht erzwungen werden kann, ist ohne entsprechende Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres anzunehmen, dass ein Unternehmen die mit einem Sozialplan verbundenen erheblichen finanziellen Belastungen auch für Betriebsänderungen eingehen will, die erst nach einem Ausscheiden aus dem Konzernverbund erfolgen. Auch weitere Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 sind auf die Konzernzugehörigkeit der Unternehmen zugeschnitten. So ist die Regelung in § 8.2, nach der vorrangig Arbeitsplätze "im Unternehmen” angeboten werden sollen, unter Berücksichtigung von § 17.9 der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 deutlich konzernbezogen, kommt doch nach einem Ausscheiden aus dem Konzernverbund ein Angebot von Arbeitsplätzen in anderen Konzernunternehmen nicht mehr in Betracht.
dd) Vorliegend schied die d GmbH durch den Unternehmenskaufvertrag vom 8. September 2003 aus dem Konzernverbund der PS AG aus. Von diesem Zeitpunkt an waren die Beschäftigten der d GmbH nicht mehr Arbeitnehmer des "Unternehmens” im Sinne der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000. Auf die Betriebsstilllegung durch den Insolvenzverwalter im November 2004 findet daher die Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 keine Anwendung.
c) Die Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 wurden nicht etwa durch § 2 Satz 2 der zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung vom 1. November 2004 konstitutiv zu deren Inhalt. Vielmehr wurde durch diese Regelung lediglich klargestellt, dass etwa noch bestehende Rechte und Pflichten aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 nicht aufgehoben oder abgelöst werden.
d) Im Übrigen stünde einem etwaigen Anspruch der Klägerin aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000 der in dem dreiseitigen Vertrag vom 3. Dezember 2004 vereinbarte Verzicht entgegen. Nach § 1.3 Satz 1 dieses Vertrags sind "mit dieser Vereinbarung ... sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem bis zum Ablauf des 5.11.2004 bestehenden Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber und anlässlich dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.” Unter diese weit gefasste Erledigungsklausel fallen auch mögliche Abfindungsansprüche aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000. Ein Verzicht auf betriebsverfassungsrechtlich begründete Ansprüche anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der d GmbH ist nicht wegen § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG unwirksam. Die Betriebsparteien haben den Verzicht durch die ausdrückliche Inkorporation des dreiseitigen Vertrags in § 5.3 der Betriebsvereinbarung vom 1. November 2004 genehmigt. Zwar kann der Betriebsrat grundsätzlich nur jeweils den einzelnen Verzicht genehmigen. Gemeinsam können die Betriebsparteien aber - auch in einer späteren Betriebsvereinbarung - Regelungen treffen, nach denen Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen auf Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen wirksam verzichten können (vgl. BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - BAGE 109, 244, zu II 2 a aa der Gründe) .
e) Schließlich rechtfertigen die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen auch nicht die Beurteilung, die Beklagte hafte für Verpflichtungen der d GmbH bzw. des Insolvenzverwalters aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Dezember 2000. Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Durchgriffshaftung ist nicht dargetan. Daher stellt sich auch nicht die Frage, ob eine Durchgriffshaftung einen Unternehmensverkauf überdauern könnte. Die etwa als Haftungsgrundlage in Betracht kommende Patronatserklärung vom 31. Dezember 2000 wurde nicht von der Beklagten, sondern der P D GmbH abgegeben. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die Patronatserklärung in dem Unternehmenskaufvertrag vom 8. September 2003 mit Wirkung für Dritte wirksam aufgehoben wurde.
Schmidt Kreft Linsenmaier Rath Olaf Kunz
BAG:
Urteil v. 11.12.2007
Az: 1 AZR 191/07
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