Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 27. September 2005
Aktenzeichen: 11 U 9/05

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 27.09.2005, Az.: 11 U 9/05)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.01.2005 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, das Werk €X€ gemäß der anliegenden Fassung (- Anlage 1 zum Schriftsatz vom 25.07.2005 -) in einer Auflage von 1000 Exemplaren zu vervielfältigen und zu verbreiten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 85 % und der Kläger 15 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann eine Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,- € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann eine Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Verfasser des Manuskripts €X€ (Anlage K 11). Ende 1997 übergab er das Manuskript der Beklagten, die einen Verlag betreibt. Die Beklagte unterzog das Manuskript zunächst keiner näheren Überprüfung. Im April 1999 schlossen die Parteien einen Verlagsvertrag über den Titel (Anlage K 1). Unter § 1 Abs. 4 des Vertrags ist festgehalten, dass (der Beklagten) ein vollständiges satzfertiges Manuskript vorliegt. Gem. § 3 des Verlagsvertrags bestimmt die Beklagte den Erscheinungstermin, die Ausstattung und den Ladenpreis sowie die Auflagenhöhe.

Die Beklagte kündigte den Titel in ihrer Programmvorschau für Mai bis Juni 1999 mit Erscheinungstermin Juni 1999 an (Anlage K 2). Zu einer Auflage des Buches kam es jedoch weder im Juni 1999 noch später. Der Kläger hat wiederholt bei der Beklagten nachgefragt, wann mit dem Erscheinen des Buches zu rechnen sei (Anlagen K 4, K 5). Die Beklagte stellte eine Veröffentlichung für das Jahr 2000, später für August 2001 in Aussicht. Unter dem 08.05.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Vervielfältigung und Verbreitung einer unbearbeiteten Fassung für den Verlag nicht möglich sei, da der Zweck des Werks, die Behandlung einer aktuellen Frage, entfallen sei. Die Beklagte bot dem Kläger die einvernehmliche Aufhebung des Verlagsvertrags an (Anlage K 8). Mit Schreiben vom 27.05.2004 schlug sie eine Kürzung des Manuskripts von 240 auf etwa 103 Seiten vor (Anlage B 5). Unter dem 23. 6. 2004 lehnte sie die Veröffentlichung endgültig ab (Anlage K 12).

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Vertragserfüllung in Anspruch.

Er hat - nach Hinweisen auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Klageantrags - in der Vorinstanz zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das Werk €X€ gemäß der lektorierten Fassung (Anlage B 1), jedoch ohne jegliche ersatzlose Streichungen in einer Auflage von 2.000 Exemplaren nach einem Standard, der dem Format und der Güte der derzeitigen €Y...€ der Beklagten entspricht, in broschiertem Einband, im Umfang von ca. 200 Seiten unter der ISBN ... herzustellen und zu verbreiten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat mangelnde Bestimmtheit des Klageantrags gerügt und in der Klageerwiderung den Rücktritt vom Verlagsvertrag gem. § 31 Verlagsgesetz erklärt, weil das Werk nicht von vertragsgemäßer Beschaffenheit sei. Das Manuskript des Klägers enthalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen und verfälsche das Bild Frankreichs. Infolge der seit seiner Abfassung eingetretenen politischen Entwicklungen weise es Aktualitätsmängel auf und könne ohne Aktualisierung nicht mehr verlegt werden.

Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Klageantrag nicht ausreichend bestimmt sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er rügt, das Landgericht habe unter Verletzung des § 139 ZPO eine Überraschungsentscheidung getroffen. Um etwaigen Bedenken des Landgerichts Rechnung zu tragen, bezieht der Kläger den Klageantrag nunmehr auf die Anlage 1 (vormals Anlagenkonvolut KB 1), bei der es sich um den ursprünglichen - hinsichtlich der durch die Lektorierung festgestellten orthographischen Fehler korrigierten - Manuskripttext handelt.

Im Übrigen wiederholt und ergänzt der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des am 27. Januar 2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 2/3 O 545/04, die Beklagte zu verurteilen, das Werk €Europa ohne Frankreich€€ gemäß der anliegenden Fassung (Anlage 1) in einer Auflage von 1.000 Exemplaren nach einem Standard, der dem Format und der Güte der derzeitigen €Y...€ der Beklagten entspricht, in broschiertem Einband unter der ISBN ... zu vervielfältigen und zu verbreiten,

2.hilfsweisefestzustellen, dass der zwischen den Parteien am 15./29. April 1999 geschlossene Verlagsvertrag über das Manuskript in der anliegenden Fassung (Anlagenkonvolut KB 1) weiterhin besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ebenfalls ihren Vortrag aus erster Instanz. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat im Wesentlichen Erfolg.

1.

Gegen die Bestimmtheit des Antrags bestehen - jedenfalls in der jetzigen Antragsfassung - keine Bedenken. Der Kläger begehrt die Veröffentlichung und Verbreitung des Titels €X€ gem. der Anlage zum (entsprechend modifizierten) Klageantrag (Fassung nach Anlage 1 zum Ss. V. 25.7.2005), bei der es sich um die ursprüngliche Manuskriptfassung, korrigiert hinsichtlich der durch die Lektorierung festgestellten orthographischen Fehler, handelt. Offen gebliebene und erst noch zu aktualisierende Passagen - wie bei der in erster Instanz in Bezug genommenen Anlage - bestehen hier nicht, so dass die Bedenken, die das Landgericht hieraus gegen die Bestimmtheit des Klageantrags selbst abgeleitet hat, ausgeräumt sind. Der Antrag bezieht sich auf eine ganz bestimmte, nämlich die ursprüngliche Fassung des Manuskripts.

Den Bedenken, die die Beklagte gegen die als Anlagenkonvolut K1 vorgelegte Fassung wegen (allerdings marginaler, redaktioneller) Unvollständigkeiten erhoben hat, hat der Kläger mit der im Austausch nachgereichten Anlage 1 Rechnung getragen. Soweit die Beklagte sonstige Beanstandungen wie fehlende Aktualisierung und sachliche Unrichtigkeiten vorträgt, berühren diese nicht die Bestimmtheit des Klageantrags.

Ob es sich bei der Auswechslung der in der Anlage in Bezug genommenen Fassung des Manuskripts um eine Klagänderung oder lediglich eine Antragspräzisierung handelt - wozu der Senat neigt - kann letztlich dahinstehen. Denn eine Klagänderung wäre ohne weiteres sachdienlich, die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO liegen ebenso unproblematisch vor. Der Kläger verfolgt seinen ursprünglichen Antrag auf Veröffentlichung des Manuskripts mit der geänderten Antragsfassung, die den Bedenken der ersten Instanz gegen die mangelnde Bestimmtheit des Antrags Rechnung tragen soll - nämlich weiter. Die dafür maßgeblichen Tatsachen waren bereits Gegenstand seines bisherigen Vortrags. Insbesondere ist nicht die Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes erforderlich, weil der geänderten Klage nunmehr ein anderes Manuskript zugrunde liegt, zumal es sich um das ursprüngliche, nicht lektorierte Manuskript des Klägers, dessen Veröffentlichung er von Anfang an mit der Klage verfolgte, handelt.

2.

Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat einen Erfüllungsanspruch auf Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes gem. §§ 30, 32 Verlagsgesetz in Verbindung mit dem Verlagsvertrag vom April 1999 in der beantragten, sich aus §§ 5 Abs. 2, 16 Verlagsgesetz ergebenden Auflagenhöhe.

Kommt der Verleger seiner Pflicht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Manuskripts zum Fälligkeitszeitpunkt nicht nach, so hat der Verfasser Anspruch darauf, dass das Werk von dem Verleger in zweckentsprechender und üblicher Form an die Öffentlichkeit gebracht wird (Haberstumpf/Hintermeier, Einführung ins Verlagsrecht, S. 157; Schricker, Verlagsrecht, § 32 Rn. 3). So liegt der Fall hier.

Zwar heißt es in § 3 des Verlagsvertrags, der Verlag €bestimme den Erscheinungstermin...€. Bei dieser vertraglichen Bestimmung handelt es sich um eine Abbedingung des § 15 S. 1 Verlagsgesetz, wonach der Verleger mit der Vervielfältigung zu beginnen hat, sobald ihm das vollständige Werk zugegangen ist.

Wird durch vertragliche Abmachung dem Verleger gestattet, den Herstellungsbeginn unter Berücksichtigung seiner geschäftlichen Verhältnisse nach eigenem Ermessen zu bestimmen, so muss er nach dem verlagsvertraglichen Treuegrundsatz mit der Drucklegung binnen angemessener Frist einsetzen und darf sie nicht auf unbestimmte Zeit hinausschieben (Schricker a.a.O., § 15 Rn. 1). Nur wenn der Beginn der Vervielfältigung so vage festgelegt wird, dass er ganz im Belieben des Verlegers steht, kann die Auslegung dazu führen, dass in Wirklichkeit die Pflicht zur Vervielfältigung und Verbreitung abbedungen ist. Es soll dann kein Verlagsvertrag vorliegen (Schricker a.a.O.).

Davon ist hier aber nicht auszugehen. Auch wenn im Vertrag nur ganz allgemein die Bestimmung des Erscheinungstermins der Beklagen vorbehalten ist, kann dies nicht zur Annahme führen, es liege überhaupt kein Verlagsvertrag vor, der Erscheinungstermin sei völlig ins Belieben der Beklagten gestellt gewesen. Zum einen ergibt sich die Pflicht zur Bestimmung eines nahe gelegenen Erscheinungstermins unter Berücksichtigung des vertraglichen Treuegrundsatzes aus der Aktualität des Werks. Darüber hinaus hat die Beklagte ihr Ermessen hinsichtlich des Erscheinungstermins auch schon ausgeübt, indem sie dem Kläger die Veröffentlichung im Sommer 1999 zugesagt und den Titel für das Sommer-, später das Herbstprogramm 1999 angekündigt hat. Deshalb könnte sie sich nicht später noch darauf berufen, dass das Erscheinen des Buchs in ihrem Belieben steht. Tatsächlich tut sie dies auch nicht, sondern meint, sie sei von ihrer Verpflichtung zur Veröffentlichung des Werkes frei geworden, weil es inhaltliche Mängel aufweise. Damit kann sie nicht gehört werden.

3.

a) Der Verlagsvertrag ist nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Ein Werk ist zwar von vertragswidriger Beschaffenheit, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Aber nur wenn auch der Verlagsvertrag selbst auf die Herstellung eines solchen Werkes mit verbotenem bzw. sittenwidrigem Inhalt ausgerichtet ist, folgt die Nichtigkeit des Verlagsvertrags aus §§ 134, 138 BGB. In diesen Fällen bedarf es eines Rücktritts vom Vertrag nicht, weil kein wirksamer Verlagsvertrag vorliegt. (Schricker a.a.O. Rn. 4). Eine Nichtigkeit des Verlagsvertrags scheidet demnach aus, weil der Verlagsvertrag zwischen den Parteien nicht bewusst und gezielt auf die Vervielfältigung und Verbreitung eines gesetz- oder sittenwidrigen Werks ausgerichtet war.

b) Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine vertragswidrige Beschaffenheit des Werkes berufen und ein Rücktrittsrecht geltend machen. Gemäß § 31 Verlagsgesetz kann der Verleger vom Vertrag zurücktreten, wenn das Werk nicht von vertragsgemäßer Beschaffenheit ist. Eine nicht vertragsgemäße Beschaffenheit ist anzunehmen, wenn sich das Werk in einem äußeren Zustand befindet, der für eine Verwendung als Vorlage für die Vervielfältigung nicht geeignet ist, wenn es aus anderen objektiven Gründen nicht veröffentlicht werden kann oder nicht ausgabefähig ist.

Die Beklagte ist jedoch nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten, weil ihre Rücktrittserklärung schon aus formalen Gründen unwirksam ist. Der Rücktritt nach § 31 Verlagsgesetz setzt grundsätzlich voraus, dass der Verleger die Mängel innerhalb einer angemessenen Frist rügt und dem Verfasser eine Frist zur Beseitigung der beanstandeten Mängel setzt, soweit nicht die Beseitigung der Mängel ihrer Art nach unmöglich ist. Dabei muss er den Verfasser unmissverständlich auf die Rechtsfolgen einer unterbleibenden Mängelbeseitigung hinweisen (Schricker a.a.O. § 30 Rn. 10).

Davon, dass die Mängelbeseitigung hier unmöglich gewesen wäre, kann nicht ausgegangen werden. Die Beklagte hat selbst eine Aktualisierung/Überarbeitung des Textes verlangt (allerdings erst spät und nicht unter Fristsetzung und Androhung des Rücktritts). Der Text war also aktualisierungsfähig. Auch die als persönlichkeitsrechtsverletzend empfundenen Passagen hätten so umformuliert (€entschärft€) werden können, dass mögliche Befürchtungen der Beklagten in rechtlicher Hinsicht entfallen wären. Konnten die von der Beklagten gerügten Mängel aber grundsätzlich beseitigt werden, so fehlt es an der erforderlichen, eindeutigen Aufforderung und Fristsetzung. Erst recht ist der Kläger nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrags unter Hinweis auf das Rücktrittsrecht zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden. Die Rücktrittserklärung erfolgte mehr als vier Jahre nach Abschluss des Verlagsvertrags und nach mehrfacher Ankündigung des Erscheinens des Titels. Es bedarf keiner vertieften Erörterung, dass die Rücktrittserklärung unter diesen Umständen nach Treu und Glauben verspätet war. Die Beklagte kann sich deshalb nicht auf einen wirksamen Rücktritt nach § 31 Verlagsgesetz berufen.

c) Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick darauf, dass die Beklagte nunmehr geltend macht, das Manuskript enthalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen Dritter. Denn das Manuskript lag bei Abschluss des Vertrags bereits vor. Die Beklagte hätte das ihr vorliegende Werk deshalb alsbald auf rechtsverletzende oder ihre Interessen beeinträchtigende Passagen untersuchen und diese innerhalb angemessener Frist rügen können und müssen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte das 1997 übergebene Manuskript €zunächst€ nicht näher geprüft haben will. Denn der Abschluss des Verlagsvertrags folgte erst über ein Jahr später. Es ist auch schwerlich vorstellbar, dass die Beklagte das Erscheinen des Werks für den Herbst 1999 ankündigte, ohne sich vorher mit dessen Inhalt - wenigstens überschlägig - vertraut gemacht zu haben. Dagegen spricht schon der Text, mit dem das Buch im Verlagsprogramm vorgestellt wurde. Die Haftung des Verfassers entfällt, wenn der Verleger beim Abschluss des Verlagsvertrags das Manuskript geprüft hat und die Mängel ihm bekannt sind. Ungeachtet dessen wird dem Verleger eine Prüfung zugemutet, wenn das Manuskript bei Vertragsschluss vorliegt (Schricker a.a.O. § 31 Rn. 21). Verletzt der Verleger beim Abschluss des Verlagsvertrags seine Sorgfalts- und Erkundigungspflicht, indem er auf eine ihm mögliche Prüfung verzichtet, so kann er sich später nicht auf seine Rechte berufen (Schricker a.a.O. § 31 Rn. 12; OLG Dresden MuW 29, 555). Ein Verlag kann nach allem ein Manuskript nicht jahrelang unbearbeitet liegen lassen und sich später auf Rücktrittsgründe nach § 31 Verlagsgesetz berufen, die er bei Wahrnehmung seiner Prüfungspflicht seit langem hätte kennen können.

Etwas anderes mag gelten, wenn eine Verletzung Dritter in dem zu veröffentlichenden Text ganz offensichtlich wäre. Eine Veröffentlichung, mit der sich die Beklagte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Gefahr insbesondere strafrechtlicher Sanktionen aussetzen würde, wäre ihr nicht zumutbar. Kein Verlag kann zu einem offensichtlich rechtsverletzenden Verhalten verurteilt werden. So liegt der Fall hier aber nicht. Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich nicht um offensichtliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen, insbesondere Beleidigungen oder Verleumdungen Dritter. Die beanstandeten Passagen konnten sich noch als scharfe, pointierte Äußerungen im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit öffentlichen Belangen ansehen lassen, so dass sie - gerade im Bereich politischer Auseinandersetzung - noch dem Recht auf freie Meinungsäußerung unterfallen könnten. Zu einer abschließenden Entscheidung ist der Senat im vorliegenden Rechtsstreit weder gezwungen noch berufen. Denn ein möglicherweise verbleibendes Risiko einer etwaigen Inanspruchnahme durch Dritte muss die Beklagte tragen, nachdem sie es offensichtlich versäumt hat, ihre Bedenken gegen den Text innerhalb angemessener Frist geltend zu machen (Schricker a.a.O. § 31 Rn. 12; OLG Dresden MuW 29, 555; vgl. auch Nordemann GRUR 79, 399).

Aus dem gleichen Grund kann sich die Beklagte nicht auf die fehlende Ausgabefähigkeit des Werks mit der Begründung berufen, der Text enthalte eine Programmatik, die ... nach außen hin schlichtweg auch nicht ansatzweise repräsentieren könne. Auch die insoweit beanstandeten Passagen waren für die Beklagte bei Abschluss des Verlagsvertrags erkennbar, so dass sie sich heute nicht mehr auf eine angeblich vertragswidrige Beschaffenheit berufen kann.

4.

Auch die weiteren Einwendungen der Beklagten führen nicht zum Erfolg.

Soweit die Beklagte meint, das Erstgericht habe durch Zitate aus verschiedenen Stellen der lektorierten Fassung die €Lückenhaftigkeit€ des Werkes deutlich gemacht, geht ihr Einwand an der Sache vorbei. Der Kläger hat sich zwar vorprozessual darauf eingelassen, im Einvernehmen mit der Beklagten eine Aktualisierung seines Manuskripts vorzunehmen. Der Kläger ist aber nicht zur Aktualisierung des Manuskripts verpflichtet, wenn dieses seine Aktualität (stellenweise) durch die Untätigkeit der Beklagten verloren haben sollte. Ihm steht nach dem Verlagsvertrag ein Anspruch auf Vervielfältigung und Verbreitung desjenigen Manuskripts zu, das Gegenstand des Verlagsvertrags von 1999 war. Die Beklagte kann ihrerseits nicht einen Anspruch auf Aktualisierung daraus herleiten, dass sie selbst mit der Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes nicht in angemessener Frist begonnen hat. Die Beklagte hat eingeräumt, dass die Aktualität des Werkes aufgrund der übermäßigen Arbeitsauslastung des zuständigen Lektors €verschoben€ worden sei (Bl. 53 d. A.). Für einen Autor wäre es schlicht unzumutbar, wenn sich ein Verlag durch bloße Untätigkeit seiner Vertragspflicht entziehen oder den Autor zu (beliebig vielen) Aktualisierungen verpflichten könnte.

Dem Anspruch auf Veröffentlichung kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, der Kläger habe den Lektorierungsbedarf akzeptiert und sei deshalb verpflichtet, zunächst eine abgeänderte Fassung des Manuskripts vorzulegen. Die im Rahmen der Suche nach einer einvernehmlichen Lösung erklärte freiwillige Bereitschaft wandelt sich nicht zu einer Verpflichtung. Gem. § 20 VerlagsG ist der Verleger zur Korrektur verpflichtet, das heißt zur Behebung technischer Mängel wie Druckfehlern u.ä. Inhaltliche Änderungen sind dagegen dem Verfasser vorbehalten (§ 12 VerlagsG). Ein Änderungsrecht steht dem Verleger grundsätzlich nicht zu (§ 39 UrhG). Auch eine Übertragung des Änderungsrechts auf die Beklagte haben die Parteien nicht vereinbart. Die Beklagte durfte daher nicht nachträglich die Verbreitung des Titels von inhaltlichen Änderungen bzw. Weglassungen abhängig machen.

Schließlich folgt zu Gunsten der Beklagten nichts unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Auch wenn die zeitgeschichtliche Aktualität des Werks Geschäftsgrundlage für dessen Vervielfältigung gewesen sein sollte, könnte sich die Beklagte nicht auf deren Wegfall berufen. Sie allein hat die zeitlichen Verzögerungen verursacht und zu vertreten. Auf den Wegfall oder die Veränderung der die Geschäftsgrundlage kann sich diejenige Partei aber nicht berufen, die die Veränderung selbst herbeigeführt hat (BGH NJW 1995, 2031 m.w.N.).

5.

Unbegründet ist die Klage nach allem lediglich, soweit der Kläger die Veröffentlichung einer broschierten Ausgabe unter einer bestimmten ISBN - Nummer in der Y ... verlangt, da ihm insoweit ein vertraglicher Anspruch nicht zusteht. Gemäß § 3 des Verlagsvertrags bestimmt die Beklagte u.a. die Ausstattung.

Dieser Pflicht kommt sie durch eine Veröffentlichung in €zweckentsprechender und üblicher Form€ nach, was nur bedeutet, dass sie sich daran zu orientieren haben wird, wie sie mit vergleichbaren Titeln im Rahmen ihres Verlagsprogramms verfährt.

6.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens gemäß § 92 Abs. 2 ZPO zu tragen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der Kläger in der Berufungsinstanz nur noch eine Auflagenhöhe von 1000 Stück verlangt und die Klageabweisung im weitergehenden Umfang hingenommen hat.

Die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 ZPO liegen dagegen nicht vor. Die Bestimmung betrifft vor allem neuen Tatsachenvortrag, nicht die bloße Konkretisierung eines den nämlichen Streitgegenstand erfassenden Unterlassungsantrags.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da der Senat nur anerkannte Rechtssätze auf den Einzelfall angewandt hat.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 27.09.2005
Az: 11 U 9/05


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