Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Februar 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 178/05
(BPatG: Beschluss v. 07.02.2006, Az.: 27 W (pat) 178/05)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. November 2004 und 26. Juli 2005 aufgehoben.
Gründe
I Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 30. November 2004 und 26. Juli 2005, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, die Anmeldung der für
"Elektronische Frequenzumrichter für Hochgeschwindigkeits-Elektromotoren"
beanspruchten Kennzeichnunge@syDrivenach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, die angesprochenen Verkehrskreise würden der aus den allgemein gebräuchlichen und verständlichen Einzelbestandteilen "easy" und "drive" zusammengesetzten Anmeldemarke als Kennzeichnung für Frequenzumrichter ausschließlich einen beschreibenden Sachhinweis entnehmen, etwa dass diese Drives, also die Frequenzumrichter, besonders "easy", d. h. leicht, zu bedienen seien oder der Anschluss an die Elektromotoren besonders leicht sei. Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichts I. Instanz hinsichtlich der Marke EASYBANK sei die hier zu beurteilende Anmeldemarke nicht zu vergleichen. Der Begriff "easydrive" sei auch keine Wortneubildung, wie die Anmelderin geltend gemacht habe, sondern werde, wie der Blick ins Internet zeige, bereits jetzt vielfach verwendet. Auch die Ersetzung des Buchstabens "a" durch das Zeichen "@" begründe keine Schutzfähigkeit, da eine solche Art der Verfremdung mittlerweile allgemein verbreitet sei und vom beschreibenden Charakter der Anmeldemarke nicht wegführe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die Anmeldemarke für hinreichend unterscheidungskräftig, weil sie weder in ihrer Gesamtheit noch in ihren Einzelbestandteilen die beanspruchten Waren beschreibe; denn weder der Bestandteil "drive" noch das Zeichen "@" wiesen auf Frequenzumrichter hin. In ihrer konkreten Schreibweise stelle die Anmeldemarke auch eine ungewöhnliche Verbindung der einzelnen Bestandteile dar und sei kein bekannter Ausdruck der englischen Sprache. In dieser Schreibweise sei sie im Internet auch nur als ausschließlicher Hinweis auf die Produkte der Anmelderin zu finden. Insgesamt sei die Anmeldemarke daher ebenso schutzfähig wie die Bezeichnung EASYBANK für Finanzdienstleistungen.
II Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Anmeldemarke kann das nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft für die beanspruchten speziellen Waren nicht abgesprochen werden.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Werden rein beschreibende Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammengesetzt, ohne dass sich durch die Wortkombination ein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt, so bleibt dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es sich bei ihm um eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten Begriff handelt (EuGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD).
Nach diesen Grundsätzen kann die Unterscheidungskraft vorliegend nicht verneint werden, weil die Anmeldemarke keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Bedeutungsgehalt für die beanspruchten Waren aufweist. Zwar ist der Markenstelle darin zuzustimmen, dass die Anmeldemarke aus den einfachen und jedermann geläufigen Worten des englischen Grundwortschatzes "easy" für "leicht" und "drive" zusammengesetzt ist, das u. a. für "Antrieb, (An-) Steuerung" steht (vgl. http://dict.leo.org/€lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed&relink=on§Hdr=on&spellToler=on&search=drive). Aus diesem Grund ist das Kombinationszeichen dem an englische Begriffe gewöhnten (Fach-) Publikum, an welches sich die beanspruchten speziellen Waren richten, ohne weiteres in der Bedeutung "einfacher Antrieb" oder "einfache (An-) Steuerung" verständlich. Ebenso teilt der Senat die Ansicht der Markenstelle, dass die - auch in beschreibenden Angaben - werbeübliche Ersetzung des Buchstabens "a" durch das aus der kaufmännischen Sprache kommende und mittlerweile über ihre Verwendung im EDV-Bereich hinaus allgemein geläufige Zeichen "@" die Verständlichkeit und den vorgenannten Bedeutungsgehalt der - auch insoweit - sprachüblich gebildeten Anmeldemarke nicht zu beseitigen vermag.
In ihrer Bedeutung "einfacher Antrieb" bzw. "einfache Steuerung" beschreibt die Anmeldemarke aber nicht mögliche Merkmale der beanspruchten Frequenzumrichter für Hochgeschwindigkeits-Elektromotoren. Zwar werden diese wesentlichen Bestandteile eines solchen Elektromotors mit dem Bestandteil "drive" ohne weiteres in einer dem Fachpublikum verständlichen Weise benannt, da es sich bei Frequenzumrichtern, die in der englischen Sprache mit "frequency converter" oder "frequency inverter" bezeichnet werden (vgl. http://dict.leo.org/€lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed&relink=on§Hdr=on&spellToler=on&search=frequenzumrichter), um in der Industrie häufig verwendete Antriebe von Normmotoren handelt (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Frequenzumrichter). In Verbindung mit dem vorangestellten Wort "easy" für "leicht" werden die angesprochenen Fachkreise der Anmeldemarke aber keine die beanspruchten Waren unmittelbar beschreibende Sachaussage mehr entnehmen können, denn in Zusammenhang mit den beanspruchten Frequenzumrichtern für hochspezialisierte Motoren, die sich nicht an jedermann, sondern nur an ein mit dieser spezialisierten Technik vertrautes Fachpublikum richten, enthält der Begriff "easy" ein im Wesentlichen allein subjektives Element, das mangels der in technischen Kreisen erwarteten Konkretheit völlig unspezifisch ist (vgl. auch BPatG 26 W (pat) 129/01 - Easy Cargo; 27 W (pat) 267/00 - Easy Travel; 26 W (pat) 75/00 - easywash; 27 W (pat) 251/03 - EASYBus; 27 W (pat) 195/04 - EasyVL, sämtliche Entscheidungen veröffentlicht auf der PA-VIS-CD-ROM; EuG MarkenR 2001, 181 - EASYBANK). Soweit die Markenstelle angenommen hat, die angesprochenen Verkehrskreisen würden die Anmeldemarke als Hinweis darauf ansehen, dass die Frequenzumrichter leicht zu bedienen oder leicht an die Elektromotoren anzuschließen seien, handelt es sich um eine Deutung der Anmeldemarke, welche sich dem Verkehr erst aufgrund einer analysierenden Betrachtung erschließen kann. Da der Begriff "easy" nicht unmittelbar eine Aussage über die Bedienbarkeit oder die Anschlussmöglichkeiten von Frequenzumrichtern enthält, werden die angesprochenen Verkehrskreisen der Anmeldemarke nur dann eine solche Deutung beilegen, wenn sie ihre möglicherweise bestehenden Erwartungen über diese Eigenschaften der Frequenzumrichter in der Weise mit der Kennzeichnung verbinden, dass sie letztere als Antwort auf ihre Fragestellung ansehen können. Zu solchen analysierenden Betrachtungen neigt der Verkehr aber im Allgemeinen nicht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH).
Da der Gesamtausdruck "e@syDrive" somit bei unmittelbarer, nicht analysierender Betrachtung in den Augen der angesprochenen Fachkreise nur einen schwammigen und nichts sagenden Bedeutungsgehalt hat, haben sie keine Veranlassung, in der angemeldeten Bezeichnung nur eine im Vordergrund stehende, mögliche Merkmale der beanspruchten Frequenzumrichter beschreibende Sachaussage zu sehen; stattdessen werden sie eher dazu neigen, sie als bloßen Hinweis auf die Herkunft der gekennzeichneten Produkte aus einem bestimmten Unternehmen und damit als Produktkennzeichen anzusehen. Auch wenn sich der Anmeldemarke bei weiterer analysierender Betrachtung durchaus ein beschreibender Sinngehalt entnehmen lässt, kann sie allenfalls als ein "sprechendes" Zeichen mit entsprechendem, im Eintragungsverfahren aber nicht zu prüfendem Schutzumfang angesehen werden, dem aber das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann.
Da die Markenstelle somit im Ergebnis zu Unrecht die Eintragung versagt hatte, waren auf die Beschwerde der Anmelderin die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
BPatG:
Beschluss v. 07.02.2006
Az: 27 W (pat) 178/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/4aaee962e559/BPatG_Beschluss_vom_7-Februar-2006_Az_27-W-pat-178-05