Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 1998
Aktenzeichen: 2 BvR 1516/93
(BVerfG: Beschluss v. 10.12.1998, Az.: 2 BvR 1516/93)
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1. Der Beschwerdeführer hatte mit seiner Verfassungsbeschwerde, über die der Senat durch Urteil vom 14. Mai 1996 (BVerfGE 94, 166) entschieden hat, teilweise Erfolg. Das Land Hessen wurde verpflichtet, dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerde-Verfahren zur Hälfte und für das durch Beschluß vom 27. Juli 1993 (BVerfGE 89, 106) entschiedene Verfahren betreffend den Erlaß einer einstweiligen Anordnung voll zu erstatten. Mit Beschlüssen vom 4. März 1998 und 2. April 1998 setzte die Rechtspflegerin die zu erstattenden notwendigen Auslagen auf insgesamt 14.102,01 DM nebst 4 % Zinsen seit Anbringungen der Kostenfestsetzungsgesuche fest. Die Festsetzung weiterer Kosten wurde abgelehnt. Erinnerungen der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers und des Kostenschuldners wurden durch Beschluß vom 22. Juni 1998 zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 24. Juni 1998, die Vollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen analog § 170 Abs. 1 VwGO zu verfügen und "den auf diesen Antrag ergehenden Beschluß hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären".
Der Erstattungsbetrag wurde vom Land Hessen am 15. Juli 1998 einschließlich der bis dahin angefallenen Zinsen zur Zahlung angewiesen. Daraufhin erklärte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. August 1998 den Vollstreckungsantrag für erledigt und beantragte, die Kosten des Vollstreckungsverfahrens - die in der Antragsschrift vom 24. Juni 1998 im einzelnen spezifiziert waren - dem Schuldner aufzuerlegen.
3. Das Land Hessen wandte ein, für den Antrag auf Anordnung der Vollstreckbarkeit fehle nach Bewirkung der Zahlung das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Mit der Zahlung sei zur Vereinfachung des Verfahrensablaufs bis zur Entscheidung des Senats über die Erinnerungen gewartet worden.
4. Mit Beschluß vom 16. Oktober 1998 wies die Rechtspflegerin den Kostenfestsetzungsantrag zurück. Dagegen legte der Beschwerdeführer fristgerecht Erinnerung ein. Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Erinnerung, über die entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 2 RpflG der Senat zu entscheiden hat, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat den Antrag mit Recht zurückgewiesen.
1. Der Beschwerdeführer fordert die Erstattung von Anwaltsgebühren für eine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung. Rechtsgrundlage dafür ist § 57 Abs. 1 i.V.m. § 113 Abs. 2 BRAGO. Diese entsprechend § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO kraft Gesetzes zu erstattenden Kosten können im Verfahren nach den §§ 103 ff. ZPO durch den Rechtspfleger (§ 21 Nr. 1 RpflG) festgesetzt werden.
2. Die Gebühr kann zwar entstanden sein (a), sie ist aber nicht erstattungsfähig (b).
a) Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers ist in der Zwangsvollstreckung tätig geworden. Wie der Erste Senat in seinem Beschluß vom 5. März 1991 (BVerfGE 84, 6 <8>) ausgeführt hat, ist ein Antrag, die Kostenfestsetzungsbeschlüsse durch eine Verfügung des Bundesverfassungsgerichts vollstrecken zu lassen, analog § 170 VwGO statthaft. Er ist hier infolge der Zahlung seitens des Landes Hessen zwischenzeitlich erledigt.
b) Die Kosten für die Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung sind nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Zwangsvollstreckung nicht notwendig waren (§ 788 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 91 ZPO). Der Vollstreckungsantrag war verfrüht. Das Land Hessen hatte noch keine Veranlassung gegeben, Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.
Dem Vollstreckungsschuldner muß Gelegenheit gegeben werden, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden. Hierzu muß der Gläubiger ihm eine angemessene Frist einräumen, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet (vgl. BVerfGE 84, 6 <8>).
Eine solche angemessene Frist hat der Beschwerdeführer dem Vollstreckungsschuldner hier nicht eingeräumt. Ob es zum Einräumen dieser Frist - dem Rechtsgedanken des § 882a Abs. 1 ZPO folgend - einer ausdrücklichen Anzeige der Absicht, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, bedurft hätte oder - in analoger Anwendung der Regelung des § 170 Abs. 2 VwGO - auch bloßes Zuwarten genügen konnte, kann offen bleiben. Denn im Zeitpunkt der Antragstellung waren dem Beschwerdeführer und dem Kostenschuldner Ausfertigungen des Beschlusses des Senats vom 22. Juni 1998 über die wechselseitig eingelegten Erinnerungen gegen die Kostenfestsetzung noch nicht zugestellt. Nach den Umständen des Falles war jedenfalls bis dahin die Frist, die dem Schuldner für die freiwillige Leistung einzuräumen war, noch nicht angelaufen. Auch wenn bereits feststand, daß ein Teil der in Ansatz gebrachten Kosten in jedem Falle zu erstatten sein würde und es für die Vollstreckung festgesetzter Kosten grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob über Erinnerungen gegen die Kostenfestsetzung bereits entschieden ist, war hier die Höhe der erstattungsfähigen Kosten wegen der wechselseitig eingelegten Kostenerinnerungen in einem Maße mit Unsicherheiten behaftet, daß aus Gründen vereinfachter Zahlungsabwicklung ein Abwarten bis zur Entscheidung über die Erinnerungen sachgerecht und für den Beschwerdeführer zumutbar war. Ein Risiko war damit nicht verbunden. Denn an der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners bestanden keine Zweifel (vgl. BVerfGE 84, 6 <9>); ein wirtschaftlicher Nachteil konnte dem Beschwerdeführer deshalb nicht entstehen, weil der geschuldete Betrag ab Anbringung der Kostenfestsetzungsgesuche mit vier vom Hundert zu verzinsen war.
BVerfG:
Beschluss v. 10.12.1998
Az: 2 BvR 1516/93
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