Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 24. Mai 2012
Aktenzeichen: I-4 U 48/12
(OLG Hamm: Urteil v. 24.05.2012, Az.: I-4 U 48/12)
Tenor
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 19. Januar 2012 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster teilweise abgeändert.
Die Antragsgegnerin wird weiter verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000, EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin) zu unterlassen,
a)
im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen Produkte aus dem Bereich Spielgeräte im Fernabsatz anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne Verbraucher in diesem Zusammenhang ordnungsgemäß und widerspruchsfrei zu informieren über die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung sowie die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe,
wie geschehen in den Ausführungen der Antragsgegnerin über deren Online-Shop unter der Domain „Internetadresse“ (Anlage ASt 2)
und/oder
b)
innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen für den Abschluss von Verträgen im Fernabsatz die nachstehend aufgeführte Klausel wörtlich oder inhaltsgleich zu vereinbaren und/oder sich bei der Abwicklung von Verträgen auf diese zu berufen:
„Etwaige offensichtliche Mängel sind unverzüglich spätestens jedoch 2 Wochen nach Übergabe des Kaufgegenstandes dem Anbieter gegenüber schriftlich anzuzeigen“,
wie geschehen in den Ausführungen der Antragsgegnerin über deren Online-Shop unter der Domain „Internetadresse“ (Anlage ASt 2).
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Parteien vertreiben Spielgeräte, insbesondere für den Garten, über Online-Shops im Internet. Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin mit Anwaltsschreiben vom 16. November 2011 abmahnen, und zwar wegen verschiedener wettbewerbsrechtlich relevanter Gesetzesverstöße in deren Internetauftritt vom 1. November 2011 (Anlage ASt 2).
Am 5. Dezember 2011 hat die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin fünf verschiedene Verhaltensweisen verboten worden sind. Wegen deren Einzelheiten wird auf die Beschlussverfügung (Bl.39 ff.) verwiesen. Die Antragsgegnerin hat Widerspruch eingelegt und sich in der Sache dahin verteidigt, dass keine Wettbewerbsverstöße vorgelegen hätten.
Wegen des Parteivortrages im Einzelnen wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung in Bezug auf drei der fünf Unterlassungsbegehren bestätigt und sie in Bezug auf zwei der Anträge (zu 1 a und zu 1 b) cc), die im Berufungsverfahren noch von Bedeutung sind, aufgehoben. Zur Begründung der teilweisen Aufhebung der Verfügung und der Zurückweisung der entsprechenden Anträge hat das Landgericht zunächst ausgeführt, dass kein Wettbewerbsverstoß darin zu sehen sei, dass die von der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Internetauftritt verwendeten Widerrufsbelehrungen zwei unterschiedliche Formulierungen enthielten und damit widersprüchlich seien. Unter dem Reiter "Gesetzl. Widerrufsrecht" habe die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die Widerrufsfrist nicht "vor Erfüllung unserer Informationspflichten gem. Art. 246, § 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB sowie unserer Pflichten gem. § 312 g Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 246, § 3 EGBGB" beginne. Dagegen habe sie in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hingewiesen, die Informationspflicht beginne nicht "vor Erfüllung unserer Informationspflichten gem. Art. 246, § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB sowie unserer Pflichten gem. § 312 e Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 246, § 3 EGBGB". Diese beiden Belehrungen unterschieden sich allein dadurch, dass einmal auf § 312 e BGB und einmal auf § 312 g BGB hingewiesen worden sei. Dabei sei es einmal um die bis zum 4. November 2011 maßgebliche Regelung und das andere Mal um die ab dem 4. November 2011 geltende Regelung gegangen. Der Unterschied sei nach der Erklärung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung Folge einer suksessiven Änderung der Widerrufsbelehrung in den verschiedenen Teilen des Internetauftritts gewesen. Da die unterschiedlichen Angaben zu den Paragraphen somit zwar widersprüchlich, aber in der Übergangszeit beide Angaben erlaubt gewesen seien, sei kein unlauteres Verhalten in Form eines Gesetzesverstoßes gegeben gewesen.
Auch die Verwendung der Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der offensichtliche Mängel unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach Übergabe des Kaufgegenstandes, schriftlich anzuzeigen seien, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 309 Nr. 8 b) ee) BGB sei die Verwendung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, mit welcher der Verwender dem anderen Vertragspartner für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setze. Die hier beanstandete Regelung beziehe sich aber auf offensichtliche Mängel. Eine solche Regelung sei nicht nur nach der Klauselkontrolle, sondern auch nach der Gesetzeslage beim Verbrauchsgüterkauf gem. § 475 BGB nicht zu beanstanden.
Die Antragstellerin greift das Urteil mit der Berufung an, soweit die Verfügung aufgehoben und der Antrag zurückgewiesen worden ist. Sie meint weiterhin, dass es unlauter sei, auf der beanstandeten Webseite unter den Überschriften "AGB" und "Gesetzl. Widerrufsrecht" Verbrauchern zur gleichen Zeit zwei unterschiedliche und widersprüchliche Informationen zum Widerrufsrecht zu erteilen. Das Landgericht habe übersehen, dass die Antragsgegnerin nicht nur in der einen Belehrung beim Lauf der Widerrufsfrist auf die neue Regelung des § 312 g BGB und in der anderen Belehrung noch auf die alte Regelung des § 312 e BGB hingewiesen habe, sondern auch beim Hinweis darauf, wann im Falle des Widerrufs Wertersatz zu leisten sei, zwei verschiedene Formulierungen verwandt habe. Während in dem Reiter "AGB" unzutreffend darauf hingewiesen werde, dass der Verbraucher Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden könne, indem er die Sache nicht wie sein Eigentum in Besitz nehme und alles unterlasse, was deren Wert beeinträchtige, werde in dem Reiter "Gesetzl. Widerrufsrecht" richtig dahin belehrt, dass der Verbraucher für Verschlechterungen, die durch eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstanden sind, nur Wertersatzersatz leisten müsse, soweit die Verschlechterung auf einem Umgang mit der Sache beruht, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgehe. Nur diese letztere Formulierung trage der Neufassung des § 357 Abs. 3 BGB hinreichend Rechnung, die ab dem 4. August 2011 Gültigkeit beansprucht habe.
Die Antragsgegnerin handele auch unlauter, indem sie auch bei Verkaufsangeboten gegenüber Verbrauchern in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt habe, dass etwaige offensichtliche Mängel unverzüglich, spätestens jedoch zwei Wochen nach Übergabe des Kaufgegenstandes dem Anbieter gegenüber schriftlich anzuzeigen seien. Das Auferlegen einer solchen Rügepflicht weiche zu Lasten des Verbrauchers von den gesetzlichen Regelungen ab und verstoße damit gegen § 307 Abs. 1 BGB und § 475 BGB. Im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes dürfe der Unternehmer mit dem Verbraucher keine Vereinbarung treffen, die geeignet sei, die gesetzlichen Gewährleistungsrechte wie § 437 BGB einzuschränken. Denn insoweit schreibe § 475 BGB die Unabdingbarkeit der Käuferrechte vor. Eine Ausschlussfrist schränke aber die betroffenen Käuferrechte erheblich ein. Die Bestimmung des § 309 Nr. 8 b) ee) BGB sei keine gegenüber der zwingenden Vorschrift des § 475 BGB vorrangige Regelung. § 475 BGB gehe als zwingende Vorschrift der Bestimmung über die Inhaltskontrolle vor. Die Rügefrist wirke wie eine Ausschlussfrist und führe dazu, dass bei einem offensichtlichen Mangel die Gewährleistungsrechte abweichend von § 438 BGB praktisch innerhalb von zwei Wochen verjähren würden. Das stelle einen Verstoß gegen § 475 Abs. 2 BGB dar, weil die Durchsetzung der Mängelrechte erschwert werde. Insoweit bezieht sich die Antragstellerin auf eine Entscheidung des Landgerichts München I vom 17.02.2011 (17 HKO 18140/10), dessen Begründung sie zum Inhalt ihres Vortrages macht (Bl.130 f.).
Die Antragstellerin beantragt zuletzt,
das angefochtene Urteil abzuändern und es der Antragsgegnerin
unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen Produkte aus
dem Bereich Spielgeräte im Fernabsatz anzubieten und/oder zu verkaufen,
ohne Verbraucher in diesem Zusammenhang ordnungsgemäß und widerspruchsfrei zu informieren über die Bedingungen und Einzelheiten
der Ausübung sowie die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe,
wie geschehen in den Ausführungen der Antragsgegnerin über deren Online-Shop unter der Domain "Internetadresse" (Anlage ASt 2).
innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen für den Abschluss von Verträgen im Fernabsatz die nachstehend aufgeführte Klausel wörtlich
oder inhaltsgleich zu vereinbaren und/oder sich bei der Abwicklung von
Verträgen auf diese zu berufen:
"Etwaige offensichtliche Mängel sind unverzüglich spätestens jedoch zwei
Wochen nach Übergabe des Kaufgegenstandes dem Anbieter gegenüber
schriftlich anzuzeigen",
wie geschehen in den Ausführungen der Antragsgegnerin über deren Online-Shop unter der Domain "Internetadresse" (Anlage ASt 2).
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin zieht die Zulässigkeit der Berufung in Zweifel, da diese nicht rechtzeitig eingelegt worden sein könnte und die Unterschrift nicht als eine solche zu erkennen sei. In der Sache meint die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass die Internetseite der Antragsgegnerin nicht der seit dem 4. November 2011 zu beachtenden Gesetzeslage entspreche. Sie habe nämlich lediglich einen Internetausdruck vom 1. November 2011 vorgelegt. Die Antragsgegnerin bestreitet, die gerügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits seit dem 3. August 2011 verwendet zu haben. Das Gegenteil habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Nicht zu beanstanden sei die Klausel, die eine Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln vorsehe. Diese Rechtsauffassung lässt die Antragsgegnerin mit näheren Ausführungen begründen, auf die verwiesen wird. Jedenfalls sei ein unterstellter Gesetzesverstoß als Bagatellfall im Sinne von § 3 UWG einzustufen.
Vorsorglich merkt die Antragsgegnerin auch zweitinstanzlich an, dass nicht jeder Verstoß gegen die Regelungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstelle. Es müsse sich schon um Klauseln handeln, die sich bei der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld eines Vertragsschlusses auswirken. Daran fehle es vorliegend. Somit fehle es auch an einer Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden. Die Berufung ist auch erkennbar mit einer eigenhändigen Unterschrift von Rechtsanwalt K versehen. Bei dem Schriftzug, der einen individuellen Charakter aufweist, handelt es sich gerade nicht um eine Paraphe, die nicht als Unterschrift dienen soll.
Die Berufung ist begründet, weil der Antragstellerin auch im Hinblick auf die beiden zurückgewiesenen Verfügungsanträge ein Unterlassungsanspruch als Verfügungsanspruch zusteht.
1) Der Antrag zu a) aus der Berufungsbegründung ist jedenfalls nach der erfolgten Klarstellung bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Er bezieht die konkrete Verletzungshandlung in den Antrag ein. Die Verwendung des Wortes "und" macht jetzt klar, dass das Verbot entscheidend darauf abstellt, dass zwei unterschiedliche, teilweise nicht ordnungsgemäße und auch widersprüchliche Belehrungen vorliegen. Die unrichtigen und widersprüchlichen Belehrungen beziehen sich nun erkennbar nur auf die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung, nämlich die Widerrufsfrist, und auf die Rechtsfolgen des Widerrufs, wobei es um einen möglichen Wertersatz beim Rücktritt geht. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags zu 1 b) bestehen insoweit nicht.
2) Es liegt auch ein Verfügungsgrund vor. Die Dringlichkeit ist bei der Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen nach § 12 Abs. 2 UWG zu vermuten. Es gibt hier auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Dringlichkeitsvermutung widerlegt sein könnte. Der beanstandete Internetauftritt stammt vom 1. November 2011. Für eine frühere Kenntnisnahme auf Seiten der Antragstellerin spricht nichts. Der Verfügungsantrag ist per Telefax am 30. November 2011 bei Gericht eingegangen, also noch im Monat der Kenntnisnahme, also zeitig genug.
3) Ein Verfügungsanspruch ist auch insoweit gegeben, dass der Antragstellerin wegen der zwei weiteren Beanstandungen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit §§ 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, 307 Abs. 1, 475 BGB zusteht. Ein Verstoß gegen diese Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG ist zum einen darin zu sehen sein, dass die Antragstellerin zwei sich widersprechende und teilweise nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrungen verwandt und damit widersprüchlich belehrt hat. Zum anderen hat sie in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwandt, durch die sie von der gesetzlichen Regelung abgewichen ist und gegen § 475 Abs. 1, 2 BGB verstoßen hat. Darüber, dass auch § 475 BGB als Verbraucherschutznorm eine Marktverhaltensregel darstellt, kann kein Zweifel bestehen. Da diese Vorschrift ihrerseits Vorschriften wie Art. 5 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umsetzt, hätte ein Verstoß gegen diese Regelung auch den erforderlichen europarechtlichen Bezug.
a) Es besteht kein Zweifel daran, dass die Antragstellerin, die ähnliche oder gar dieselben Waren im Internet anbietet und vertreibt, als Mitbewerberin der Antragsgegnerin aktivlegitimiert ist. Das hat auch das Landgericht zwangsläufig bei der Verurteilung im Übrigen auch schon so gesehen.
b) Es liegt auch im Hinblick auf die Verwendung der zwei unterschiedlichen Widerrufsbelehrungen ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312 c Abs. 1, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB vor. Denn eine Widerrufsbelehrung ist nur dann ordnungsgemäß, wenn sie für den Verbraucher eindeutig klarstellt, welche einzelnen Bedingungen für die Ausübung des Rechts gelten und welche Folgen die Ausübung des Rechts hat. Es dürfen somit grundsätzlich keine unterschiedlichen Belehrungen erteilt werden, weil der Verbraucher dadurch irritiert wird und letztlich nicht weiß, welche der Belehrungen richtig ist und gelten soll (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 2011 - I-4 U 35 / 11). Deshalb ist es auch unerheblich, wenn jedenfalls an einer Stelle, etwa hier unter der Überschrift "Gesetzl. Widerrufsfrist" die Widerrufsbelehrung auf der Grundlage der nunmehr gültigen rechtlichen Bestimmungen zutreffend erfolgt ist und die anderslautende Belehrung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur versehentlich falsch (geworden) ist, weil sie nicht zeitnah geändert worden ist. Entscheidend ist, dass der Internetnutzer jedenfalls dann, wenn er die Belehrung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin liest, die Angaben ernst nimmt und deshalb überhaupt keine Veranlassung mehr sieht, an anderer Stelle nach einer abweichenden Widerrufsbelehrung zu suchen. Das Landgericht hat auch übersehen, dass zwar die in der Belehrung in den AGB noch nicht ersetzte alte Regelung des § 312 e BGB übergangsweise noch weitergegolten haben mag. Das galt aber nicht für die ebenfalls in den beiden sich widersprechenden Widerrufsbelehrungen enthaltene unterschiedlich erfolgte Belehrung über den möglichen Wertersatz im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts. Insoweit entsprach die veraltete Fassung ohnehin nicht mehr der Neuregelung des § 357 Abs. 3 BGB, wie die Berufungsbegründung zutreffend ausgeführt hat.
c) Der Verstoß gegen Gesetzesvorschriften durch die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß dar. Das war und ist ständige Rechtsprechung des Senats und inzwischen schon aufgrund des Gebotes richtlinienkonformer Auslegung des UWG am Maßstab der UGP-Richtlinie nicht mehr im Streit (vgl. BGH GRUR 2011, 1117 Gewährleistungsausschluss im Internet; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, § 4 Rdn. 11.156 c). Die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin, die eine Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln postuliert, verstößt aber gegen § 475 Abs. 2 BGB. Es trifft zwar zu, dass nach § 309 Nr. 8 b) ee) BGB im Rahmen der Inhaltskontrolle eine Klausel nur unwirksam ist, mit welcher der Verwender dem Vertragspartner wegen nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzt. Daraus ist im Rahmen der allgemeinen Klauselkontrolle zu folgern, dass solche Ausschlussfristen beim Vorliegen offensichtlicher Mängel im Allgemeinen nicht zu beanstanden sind. An dieser Wertung kann aber entgegen der Einschätzung des Gesetzgebers bei der Gesetzesbegründung im Rahmen der Umsetzung der Bestimmungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (vgl. dazu Graf von Westfalen, ZGS 2005, 173 f.) jedenfalls dann nicht festgehalten werden, wenn es um einen Verbrauchsgüterkauf geht. Da eine vereinbarte Rügepflicht zu Lasten des Verbrauchers vom geltenden Recht abweicht und die Mängelrechte zumindest faktisch zum Nachteil des Verbrauchers einschränkt, ist eine solche Vereinbarung nach § 475 BGB nicht zulässig (Münchener Kommentar-Wurmnest, Band 2, 6. Auflage 2012, § 309 Nr. 8 Rdn. 62; a.A. Palandt-Grüneberg, 71. Auflage, § 309 BGB Rdn. 78). Die Verbraucherschutznorm des § 309 BGB soll und kann insoweit die speziell für den Verbrauchsgüterkauf geltende Schutznorm des § 475 BGB nicht einschränken. Die Regelung des § 475 BGB geht der entsprechenden Regelung in § 309 BGB vor, die lediglich dispositives Recht betrifft (LG München I, Urteil vom 17.02.2011 -17 HK O 18140 / 10; Woitkewitsch, MDR 2005, 841,842). Die Abweichung vom geltenden Recht ergibt sich auch schon daraus, dass der Gesetzgeber von der sich aus Art. 5 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie ergebenden Möglichkeit, für offenkundige Mängel eine Ausschlussfrist von mindestens zwei Monaten zu bestimmen, im Rahmen der Umsetzung keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. Graf von Westfalen, a.a.O. S.174). Somit gibt es in der bestehenden Rechtslage auch keine solche Ausschlussfrist. Im Fall des Verbrauchsgüterkaufes dürfen aber weder unmittelbar noch durch Umgehungen im Sinne von § 475 Abs. 1 S.2 BGB von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen getroffen werden, die die Verbraucherrechte zur Gewährleistung oder zur Verjährung in Ansehung des § 437 BGB betreffen. Auch wenn aus einer Versäumung der Rügepflicht für offensichtliche Mängel mangels entsprechender Regelung nicht zwingend folgen mag, dass sich der Verbraucher nicht mehr auf das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen wegen offensichtlicher Mängel berufen könnte, werden seine Verbraucherrechte jedenfalls mittelbar betroffen. Der Verwender spekuliert erkennbar darauf, dass der Käufer die Rügeobliegenheit möglicherweise nicht kennt und deshalb verspätet rügt (Woitkewitsch, a.a.aO., S. 842). Es wird zwar ausdrücklich keine dem § 377 HGB vergleichbare Sanktion dahin vereinbart, dass die Ware dann als mangelfrei gilt und der Verbraucher im Falle der unterlassenen Rüge seine Gewährleistungsansprüche aus den Mängeln regelmäßig nicht mehr geltend machen kann. Ein solcher Eindruck kann aber zumindest beim Verbraucher erweckt werden, weil ihm der Sinn einer sanktionslosen Rügefrist nicht einleuchten mag und weil sich der Verwender auf die fehlende Rüge berufen könnte (vgl. LG München I, a.a.O.). Damit ist die abweichende Regelung zumindest geeignet, die Gewährleistungsrechte des Verbrauchers einzuschränken. Die Klausel bleibt auf den Verbraucher jedenfalls regelmäßig nicht ohne Wirkung, wenn die Frist versäumt worden ist. Das genügt nach der Intention des Gesetzes, welches auch Umgehungen verhindern will, schon für eine Unzulässigkeit der beanstandeten Klausel.
4) Liegt ein solcher Gesetzesverstoß vor, so ist er auch keine Bagatelle im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG. Eine solche liegt schon in der Regel nicht vor, wenn gegen solche Verbraucherschutzbestimmungen verstoßen wird. Der Gesetzgeber wird zudem konterkariert, wenn bestimmte Informationen, die er fordert, von der Rechtsprechung dann doch für nicht so wesentlich gehalten werden. Dies gilt umso mehr, weil es sich nach Art. 7 Abs. 4 lit e der UGP-Richtlinie 2005/29/EG bei der Information über das Bestehen des Widerrufsrechts um eine wesentliche Information handelt, die auch in jedem Fall richtig sein muss, wenn sie sich auch über die Bedingungen und die Folgen der Ausübung des Widerrufsrechts verhält. Der Internetkäufer soll nicht nur genau wissen, ob er widerrufen kann, sondern auch in welcher Frist und zu welchen Bedingungen. Für einen Verstoß gegen § 475 BGB gilt ähnliches. Eine Einschränkung des Gewährleistungsrechts des Verbrauchers beeinflusst diesen zwangsläufig immer erheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 24.05.2012
Az: I-4 U 48/12
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