Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 169/02
(BPatG: Beschluss v. 24.11.2004, Az.: 29 W (pat) 169/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die am 25. November 1999 veröffentlichte Eintragung der Wort-/Bildmarke 399 56 436 Grafik der Marke 39956436.5 für die Waren und Dienstleistungen Druckereierzeugnisse, Telekommunikationsverzeichnisse, insbesondere Branchenverzeichnis;
Werbung, insbesondere durch Veröffentlichung von Unternehmensprofilen; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronischen und gedruckten Telekommunikationsverzeichnissen, Branchenverzeichnissenwurde Widerspruch erhoben aus der Wortmarke IR 664 595 KOMPASS international registriert am 27. November 1996 für die Waren und Dienstleistungen Supports magnetiques et optiques pour l' enregistrement de donnees; disques optiques compacts;
Imprimes, à savoir ouvrages d' informations sur les societes;
Aide aux entreprises industrielles ou commerciales dans la conduite de leurs affaires; exploitation de bases et banques de donnees relatives aux affaires.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 6. Mai 2002 zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung der teilweisen Identität der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen sowie der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hielten die Vergleichszeichen einen ausreichenden Abstand ein. Die angegriffene Marke werde im Gesamteindruck nicht ausschließlich von dem Bestandteil "Kompass" geprägt, weil dieser mit dem weiteren Bestandteil "Branchen" einen einheitlichen Gesamtbegriff bilde. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke habe die Widersprechende nicht belegt. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr komme nicht in Betracht, weil sich die jüngere Marke nach der Art der Zeichenbildung deutlich von der Markenserie der Widersprechenden unterscheide.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass unter Berücksichtigung der Identität bzw. Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen Verwechslungsgefahr bestehe, weil sich die Vergleichsmarken im maßgeblichen Gesamteindruck nur durch den Zusatz "Branchen" unterschieden. Dieser Begriff beschreibe unmittelbar den thematischen Inhalt der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen und könne daher aus Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks bewirken. Das mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Wirtschaftsinformationswerk erscheine seit 1989, mittlerweile in der 11. Auflage, so dass von einer erhöhten Kennzeichnungskraft auszugehen sei. Die im Verletzungsstreit zum Titel "BranchenKompass" ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt, wonach der Widerspruchsmarke nur geringe Kennzeichnungskraft zukomme, lasse unberücksichtigt, dass ein beschreibender Aussagegehalt des Zeichens in Alleinstellung nicht belegt sei. Erst in Verbindung mit beschreibenden Zusätzen erlange der Begriff "Kompass" eine beschreibende Bedeutung. Die Widersprechende sei außerdem Inhaberin fünf weiterer mit dem Bestandteil "Kompass" gebildeter Marken, so dass jedenfalls mittelbare Verwechslungsgefahr bestehe. Das angesprochene Publikum werde wegen der beschreibenden Bedeutung des Begriffs "Branchen" annehmen, dass es sich bei den mit der jüngeren Marke gekennzeichneten Branchenverzeichnissen um ein weiteres Produkt der Widersprechenden handele. An entsprechende Kennzeichnungen aus inhaltsbezogener Angabe und Herstellerhinweis sei der Verkehr auf dem maßgeblichen Warengebiet aufgrund von Bezeichnungen wie z.B. "Schüler-Duden" oder "Der Gesundheits-Brockhaus" gewöhnt.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluss vom 6. Mai 2002 aufzuheben und die Löschung der Marke anzuordnen.
Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt, das die Verwechslungsgefahr zwischen dem Titel "BranchenKompass" und der Widerspruchsmarke verneint habe. Die Ausführungen des Gerichts müssten für die eingetragene Marke entsprechend gelten. Für eine Verkürzung der Bezeichnung "Branchenkompass" auf "Kompass" habe der Verkehr keine Veranlassung. Die mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Branchenverzeichnisse hätten eine jährliche Auflage von 600.000 Exemplaren und erreichten in bestimmten Gebieten der Bundesrepublik bei den Endverbrauchern einen Bekanntheitsgrad von über 80 %. Für den Großraum Frankfurt habe das Oberlandesgericht Frankfurt die Bekanntheit des "BranchenKompass" als gerichtsbekannt angenommen. Wegen der Kennzeichnungsschwäche des Zeichens "Kompass" sei auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Die von der Widersprechenden geltend gemachte Zeichenserie entspreche in der Art der Zeichenbildung nicht der angegriffenen Marke, da es sich jeweils um grafische Ausgestaltungen des Zeichenworts "Kompass" handele.
II Die nach § 165 Abs. 4 iVm § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Zeichen besteht keine Verwechslungsgefahr. Die Markenstelle hat den Widerspruch daher zu Recht zurückgewiesen (§ 43 Abs. 2 S. 1 iVm §§ 42 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).
1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen.
2. Bei der Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs alle das Verhältnis der Waren und Dienstleistungen kennzeichnenden Umstände zu berücksichtigen. Dazu zählen insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Eine Ähnlichkeit ist dann anzunehmen, wenn das angesprochene Publikum aufgrund der Branchenübung im maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsgebiet der Fehlvorstellung unterliegt, dass Ware und Dienstleistung aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon; BGH GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS; GRUR 1999, 731, 732 - Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion).
Die Waren "Druckereierzeugnisse, Telekommunikationsverzeichnisse, insbesondere Branchenverzeichnis" im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke sind mit den von der Widerspruchsmarke erfassten Waren "Supports magnetiques et optiques pour l' enregistrement de donnees; disques optiques compacts; imprimes, à savoir ouvrages d' informations sur les societes" identisch bzw. ähnlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Oberbegriff der magnetischen und optischen Datenaufzeichnungsträger auch bespielte Datenträger umfasst und Druckereierzeugnisse, insbesondere Nachschlagewerke, Telefonbücher und Branchenverzeichnisse häufig sowohl in Papierform als auch auf elektronischen Datenträgern angeboten werden. Hinsichtlich des Verwendungszwecks und der regelmäßigen Vertriebs- und Verkaufsstätten weisen Druckereierzeugnisse und Datenträger daher enge Berührungspunkte auf. Inwieweit darüber hinaus noch Ähnlichkeit zwischen den beiderseitigen Dienstleistungen besteht, kann dahingestellt bleiben, weil die Zeichen bereits im Bereich der identischen und ähnlichen Waren den erforderlichen Abstand einhalten.
3. Auf die Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke für Druckereierzeugnisse kam es nicht an, denn auch unter Zugrundelegung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke besteht zwischen den Zeichen keine Verwechslungsgefahr. Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt geringe Kennzeichnungskraft annahm, bezog sich diese Entscheidung auf eine für die Waren "Produits d'imprimerie et livres de fonds" registrierte Marke, die hier nicht Verfahrensgegenstand ist (GRUR-RR 2003, 69). Hinsichtlich der Waren "Supports magnetiques et optiques pour l' enregistrement de donnees; disques optiques compacts" hat der Senat keine beschreibende Verwendung des Begriffs "Kompass" feststellen können.
4. Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke eine erhöhte Verkehrsbekanntheit geltend macht, ist dies bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren unbeachtlich (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl. 2003, § 14 Rn. 385; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl. 2003, § 9 Rn. 335). Im Übrigen genügt eine lediglich regionale Bekanntheit für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft nicht.
5. Für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den Gesamteindruck der jeweiligen Marken abzustellen, der bei mehrgliedrigen Zeichen durch einzelne Bestandteile geprägt werden kann. Dies setzt voraus, dass Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck des Zeichens nicht mitbestimmen (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 598 - Kleiner Feigling). Eine Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke durch den Bestandteil "Kompass" als allein kollisionsbegründend ist demnach nicht anzunehmen.
5.1. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass sich der Verkehr bei einer aus Wortbestandteilen und grafischen Elementen zusammengesetzten Marke in der Regel an den Wortelementen als der einfachsten Form der Benennung orientiert (vgl. BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud). Für den Zeichenvergleich stehen sich daher der Wortbestandteil "BranchenKompass" der angegriffenen Marke und die Widerspruchsmarke "Kompass" gegenüber. Der Begriff "Branchen" ist im Zusammenhang mit Branchenverzeichnissen offensichtlich beschreibend und damit aus Rechtsgründen nicht geeignet den Gesamteindruck der angegriffenen Marke zu prägen (vgl. BGH GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder). Anders als von der Widersprechenden angenommen, folgt daraus aber nicht zwingend die Alleinprägung durch den weiteren Bestandteil "Kompass", denn auch beschreibende Angaben können zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen (vgl. BGH GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
5.2. Aus der vom Senat durchgeführten Recherche ergibt sich, dass der Begriff "Kompass" i.S. einer Orientierungshilfe im hier einschlägigen Bereich der Bücher und Nachschlagewerke in zahlreichen Wortzusammensetzungen gebräuchlich ist, wobei der jeweils vorangestellte Begriff den thematischen Bereich beschreibt, z.B. "Der Krebs-Kompass: Informationen gegen den Krebs - www.krebskompass.de; Suchdienste-Kompass. Ihr Kompass zur Suche nach Informationen im Internet - www.ub.unibielefeld.de; Schleswig-Holstein-Kompass. Ihr Portal in Schleswig-Holstein - www.shkompass.de; OEC-KOMPASS. Leitfaden zum selbständigen Arbeiten für Studierende der Wirtschaftswissenschaften - www.oeckompass.zhwin.ch; Homöopathie. Großer GU Kompass; Klevers Kompass Kalorien & Fette; Der Klassik-Kompass (120 CD-Empfehlungen für den Aufbau einer Klassik-Sammlung) - Suchergebnisse zum Begriff "Kompass" bei www.amazon.de. Diesen Bezeichnungen ist gemeinsam, dass sie ihre inhaltsbeschreibende Bedeutung stets durch die dem Begriff "Kompass" vorangestelle thematische Angabe erhalten. Der Begriff "Branchenkompass" ist in entsprechender Art und Weise gebildet und wird bereits als Sachangabe zur Bezeichnung branchenspezifischer Marktanalysen verwendet (vgl. Mummert Consulting, Branchenkompass 2004 Versicherungen; Branchenkompass 2004 Kreditinstitute; Branchenkompass 2003 Telekommunikation). Aufgrund der Üblichkeit der mit dem Begriff "Kompass" gebildeten Wortkombinationen nimmt das angesprochene Publikum den Bestandteil "BranchenKompass" daher als einheitlichen Gesamtbegriff wahr und hat keine Veranlassung ihn auf den Bestandteil "Kompass" zu verkürzen. Eine unmittelbare Verwechslung besteht somit nicht.
6. Auch die Gefahr, dass die Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, hat die Markenstelle zu Recht ausgeschlossen.
6.1. Die Voraussetzungen einer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens, wonach der Verkehr die jüngere Marke der Widerspruchsmarke zuordnet, weil er in dem in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil das Stammzeichen der Widersprechenden erkennt, liegen nicht vor (vgl. BGH GRUR 2002, 544 - BANK 24). Wie oben ausgeführt ergibt die Kombination der Wörter "Branchen" und "Kompass" einen einheitlichen Gesamtbegriff, in dem der Verkehr den Bestandteil "Kompass" nur in seiner wörtlichen Bedeutung und nicht als Unternehmenshinweis wahrnimmt. Die kennzeichnende Wirkung der Widerspruchsmarke beruht auf dem unspezifischen Aussagegehalt des Begriffs "Kompass" in Alleinstellung, die in sprachüblichen Wortverbindungen nicht fortbesteht. Im Übrigen unterscheidet sich die von der Widersprechenden gebildete Markenserie in der Zeichenbildung deutlich von der angegriffenen Marke.
6.2. Da dass angesprochene Publikum den Bestandteil "BranchenKompass" der jüngeren Marke lediglich in seiner Gesamtaussage und nicht als Zusammensetzung einer beschreibenden Angabe und eines Firmenkennzeichens wahrnimmt, besteht auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Denn diese Art der Verwechslungsgefahr ist nur gegeben, wenn der Verkehr in der angegriffenen Marke den mit dem Unternehmenskennzeichen der Widersprechenden übereinstimmenden Bestandteil erkennt und daher trotz offensichtlicher Zeichenunterschiede von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Markeninhabern ausgeht (vgl. BGH GRUR 2004, 865, 867 - Mustang).
7. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl
BPatG:
Beschluss v. 24.11.2004
Az: 29 W (pat) 169/02
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