Kammergericht:
Urteil vom 16. August 2005
Aktenzeichen: 5 U 66/03

(KG: Urteil v. 16.08.2005, Az.: 5 U 66/03)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. Januar 2003verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin - 16 O216/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zutragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegenSicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich10 % abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der VollstreckungSicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Die Kläger machen unter Berufung auf Urheberrechte des Professors W. W. bzw. von ihm übertragener ausschließlicher Nutzungsrechte an der Tischleuchte €WG 24 Tischlampe mit Glasfu߀, bei der es sich um eine Reproduktion der sogenannten €Bauhaus-Glasleuchte€ mit der ursprünglichen Bezeichnung MT9 und der späteren Bezeichnung ME1 handelt, gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung des Anbietens und/oder Vertreibens und/oder sonstigen Inverkehrbringens von Tischleuchten mit Glasfuß geltend, die von der Beklagten als Nachbildung eines Werks von C. J. J. unter der Artikelnummer 1901/2000 angeboten werden. Ferner begehren sie Auskunft und Rechnungslegung betreffend in Deutschland vertriebene Stücke, Vernichtung in Deutschland befindlicher Stücke sowie die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Sie werden im Hinblick auf das im Berufungsverfahren unstreitig gewordene Vorbringen wie folgt ergänzt:

Die Rückruferklärung des Klägers zu 2. vom 13.April 1993 an den Oberbürgermeister der Stadt Dessau ging diesem am 15.April 1993 zu. Ein bereits im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage zwischen den Parteien wegen des unter der Artikelnummer 1901 angebotenen Vorgängermodells der streitgegenständlichen Tischleuchte bei dem Landgericht Hamburg rechtshängiger Rechtsstreit ist inzwischen durch das rechtskräftige Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 20.Januar 2005 - 3 U 108/02 - abgeschlossen worden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, die Klage sei bereits unzulässig, und rügt die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Landgerichts. Sie trägt vor, es seien 61 der streitgegenständlichen Lampen nach Deutschland vertrieben worden, wovon nach der Abmahnung an das Lichthaus M. 32 an sie zurückgegangen seien.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig und auch begründet. Der Senat folgt im Wesentlichen den Gründen des angefochtenen Urteils. Im Einzelnen gilt Folgendes:

I. Die Klage ist zulässig.

1. Das Landgericht Berlin ist gemäß Art. 5 Nr.3 EuGVVO international und örtlich zuständig. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist nach allgemeiner Auffassung auch an einem möglichen Begehungsort von Verletzungshandlung und -erfolg gegeben (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 25.Aufl., Anh I Art.5 Rdn.21ff. m.w.N.).

2. Der Klageerhebung stand im Hinblick auf den beim Landgericht Hamburg und beim Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg geführten Rechtsstreit keine anderweitige Rechtshängigkeit (§ 261 Abs.3 Nr.1 ZPO) entgegen. Ebensowenig steht die inzwischen eingetretene Rechtskraft des dort ergangenen Berufungsurteils (§ 325 Abs.1 ZPO) einer Entscheidung entgegen. Denn die Streitgegenstände beider Prozesse sind nicht identisch.

Nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand durch den sich aus dem Klageantrag und den dazu vom Kläger vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt (vgl. § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO; Zöller/Vollkommer a.a.O. Einl.83 m.w.N.). Gegenstand beider Prozesse sind jeweils unterschiedliche Lampenmodelle der Beklagten, nämlich in Hamburg das Modell mit der Art.Nr.1901 und vorliegend das Modell mit der Art.Nr.1901/2000. Beide Lampenmodelle weisen Unterschiede auf, die auch in den jeweiligen Klageanträgen zum Ausdruck kommen:

Beim Modell Art.Nr.1901 enthält das Mittelstück der Lampe nur einen innen zentrisch verlaufenden Metallstab, während das streitgegenständliche Modell Art.Nr.1901/2000 zwei Metallstäbe aufweist. Diese Unterschiede kommen sowohl in den jeweils in die Anträge aufgenommenen Abbildungen der streitgegenständlichen Lampen (konkrete Verletzungsformen) als auch in den beschreibenden Teilen der Anträge, in denen hinsichtlich des Mittelstücks €ein Metallstab€ bzw. €Metallstäbe€ genannt werden, zum Ausdruck. Streitgegenstand sind demnach jeweils nur Lampen, die sowohl die Merkmale der Beschreibung als auch die aus der Abbildung ersichtliche äußere Gestalt aufweisen.

Im Hinblick auf die sich daraus ergebende enge Fassung des Streitgegenstands handelt es sich vorliegend um verschiedene Streitgegenstände, sodass der Einwand der Rechtshängigkeit bzw. der bereits rechtskräftig entschiedenen Sache nicht durchgreifen kann. Im Übrigen hat sich die Beklagte offenbar in dem Rechtsstreit vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg darauf berufen, dass die Wiederholungsgefahr hinsichtlich des Vorgängermodells durch die Aufnahme des neuen Modells entfallen sei (vgl. S.10 UA). Dieser Einwand zeigt, dass die Beklagte selbst davon ausgeht, dass die von ihr vorgenommene Abwandlung ihrer Lampe aus dem dortigen Streitgegenstand herausführt.

3. Der Klageantrag ist auch im Sinne von § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO hinreichend bestimmt. Zwar ist bei der Verbindung eines durch abstrakte Formulierung verallgemeinerten Antrags mit der angegriffenen konkreten Verletzungsform durch €insbesondere€ - wie hier - auf den abstrahierten Obersatz abzustellen. Jedoch ist der durch €insbesondere€ eingeleitete Zusatz in die Auslegung des Obersatzes einzubeziehen mit der Folge, dass der Antrag jedenfalls insoweit eindeutig ist, als die konkrete Verletzungsform unterlassen werden soll. Nach der allgemein in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen sogenannten €Kerntheorie€ verbietet ein auf die konkrete Verletzungshandlung abstellender Unterlassungstenor nicht nur die identische Wiederholung der konkreten Verletzungshandlung. Erfasst sind vielmehr auch solche Handlungen, die von dieser zwar geringfügig abweichen, aber in Bezug auf die für die Rechtsverletzung charakteristischen Merkmale mit dieser gleichwertig sind (vgl. zu Vorstehendem Wandtke/ Bullinger/ Kefferpütz, UrhR, § 97 Rdn.23 m.w.N.).

II. Die Klage ist auch begründet. Den Klägern stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche wegen der Verletzung ihrer Rechte an der €Bauhaus-Glasleuchte€ zu.

1. Die Kläger haben gegen die Beklagte gemäß § 97 Abs.1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 15 Abs.1 Nr.2, 17 UrhG Ansprüche auf Unterlassung des Anbietens, Vertreibens und sonstigen Inverkehrbringens der angegriffenen Tischlampen in der Bundesrepublik Deutschland.

a) Unzweifelhaft handelt es sich bei der Bauhaus-Glasleuchte mit der Bezeichnung MT 9/ ME 1 um ein Werk der angewandten Kunst, das eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs.1 Nr.4, Abs.2 UrhG darstellt. Insoweit kann auf die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4.September 1992, das die nämliche Leuchte zum Gegenstand hatte (GRUR 1993, 903/906f. - €Bauhaus-Leuchte€), Bezug genommen werden.

b) Mit Recht hat das Landgericht auch angenommen, dass W. alleiniger Schöpfer und Urheber der Leuchte ist (§ 7 UrhG), eine Miturheberschaft (§ 8 Abs.1) von W. und J. ausscheidet und auch keine bloße Bearbeitung der Lampen von J. im Sinne von § 23 UrhG vorliegt. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (S.12-15 UA) sowie im Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 4.März 1999 (GRUR 1999, 714/715f. = ZUM 1999, 481/482 - €Bauhaus-Glasleuchte€), die sich der Senat zu eigen macht, wird Bezug genommen. Die im Wesentlichen gegen die Verneinung eines bloßen Bearbeiterurheberrechts W.s gerichteten Einwendungen der Beklagten bleiben ohne Erfolg.

aa) Die vorliegenden kunsthistorischen Schriften zur Entstehungsgeschichte der Lampe stehen der Annahme einer Alleinurheberschaft W.s nicht entgegen. Denn sie verhalten sich nicht zu der entscheidungserheblichen Rechtsfrage der Urheberschaft, sondern erörtern allenfalls die Frage, welche einzelnen Gestaltungselemente der Lampe jeweils von J. bzw. von W. stammen. Auch der Anfrage des Geschäftsführers der Komplementärin der Klägerin zu 1. an die (vermeintliche) Witwe J.s vom 23.Mai 1980 betreffend ihr Einverständnis mit der Reproduktion der Lampe kommt insoweit keine Bedeutung zu.

bb) Bei der urheberrechtlichen Frage, ob ein Werk eine unfreie Bearbeitung eines vorbestehenden Werks im Sinne von § 23 Satz 1 UrhG darstellt, geht es um die Beurteilung, ob diejenigen künstlerischen Züge, die dem benutzten Werk insgesamt seine schutzfähige eigenpersönliche Prägung verleihen, übernommen worden sind (vgl. BGH GRUR 1981, 820/823 - Stahlrohrsessel II - m.w.N.). Eine Urheberrechtsverletzung kann nur in der unfreien Übernahme solcher Gestaltungselemente liegen, die ihrerseits die schöpferische Eigentümlichkeit des Werks begründen. Die bloße Übernahme der Idee, der Technik, des Stils oder einzelner nicht geschützter Gestaltungselemente reicht dazu nicht aus.

Enthält das neue Werk jedoch urheberrechtlich geschützte Elemente des älteren, sind an das Vorliegen einer freien Benutzung im Sinne von § 24 UrhG strenge Maßstäbe anzulegen. Maßgebend ist der Abstand, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werks hält, wobei die Übereinstimmungen und nicht die Unterschiede im Vordergrund stehen. Die entnommenen Züge müssen in dem neuen Werk in der Weise zurücktreten, dass angesichts der Eigentümlichkeit des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werks verblassen und nur noch als Anregung zu neuem selbständigen Werkschaffen erscheinen (vgl. zu Vorstehendem BGH GRUR 1994, 206/208 - Alcolix; GRUR 1999, 984/987 - Laras Tochter; GRUR 2002, 799/800f. -Stadtbahnfahrzeug).

cc) Hinsichtlich der streitgegenständlichen Bauhaus-Glasleuchte hat das Hanseatische Oberlandesgerichts Hamburg a.a.O. mit eingehender und überzeugender Begründung dargetan, dass W. diese lediglich in freier Benutzung der Prototypen J. geschaffen hat. Denn es finden sich zwar Elemente der von J. stammenden Prototypen auch in der Glasleuchte wieder. Jedoch schafft W. insbesondere durch die Verwendung der Opalglasglocke, die die Lichtquelle selbst verdeckt und ein milchig-weißes Licht erzeugt, sowie die harmonischen Formen und Proportionen ihrer einzelnen Teile eine in ihrem Gesamteindruck von den - Technik und Funktionalität betonenden - Prototypen J. völlig abweichende Lampe.

Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass die von J. für die Ausstellung im €Haus am Horn€ im Jahre 1923 entworfene gläserne Kuppel bereits in ihrer Form die Glasglocke W.s vorwegnehmen und - anders als der ersatzweise verwendete Papierschirm - nicht nur die Glühbirne knapp bedecken sollte. Die Datierung des eine der Glasleuchte ähnliche Tischlampe zeigenden Fotos des Büros von G. auf das Jahr 1923 ist ebenfalls nicht belegt. Zudem widerspricht sie dem Umstand, dass die Glasleuchte erst für das Jahr 1924 nachgewiesen ist.

Die Unterschiedlichkeit der Proportionen der Reflektorlampe J. und der Glasleuchte W. . ist für den Betrachter ohne weiteres ersichtlich. Auf die genauen Abmessungen beider Lampen kommt es insoweit nicht an, sodass auch der von der Beklagten angebotene Sachverständigenbeweis nicht zu erheben ist. Die bloße Übernahme einzelner Gestaltungselemente reicht im Übrigen - wie dargelegt - zur Annahme einer unfreien Bearbeitung nicht aus. Maßgebend ist vielmehr der - unterschiedliche - Gesamteindruck beider Lampen. Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main diese Auffassung in seinem Urteil vom 13.Mai 1997 - 11 U 35/96 - vertreten sollte, ist dem nicht zu folgen.

c) Als Alleinurheber der €Bauhaus-Glasleuchte€ standen W. bis zu seinem Tod urheberrechtliche Unterlassungsansprüche gemäß § 97 Abs.1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 15 Abs.1, 17 Abs.1 UrhG zu, und zwar unabhängig von der Übertragung ausschließlicher Verwertungsrechte an dieser bzw. ihrer Reproduktion als Tischlampe mit Glasfuß WG 24 auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1. Denn der Urheber bleibt auch im Fall der Übertragung ausschließlicher Verwertungsrechte sowohl im Hinblick auf sein Urheberpersönlichkeitsrecht als auch auf sein materielles Interesse aus der Lizenzvergabe aktivlegitimiert (vgl. BGH GRUR 1992, 697/698f. - ALF - m.w.N.).

Nach W. Tod ist der Kläger zu 2. als Testamentsvollstrecker über den Nachlass, zu dem das Urheberrecht gehört (§ 28 Abs.1 UrhG), gemäß § 2212 BGB befugt, urheberrechtliche Ansprüche geltend zu machen.

d) Die Aktivlegitimation der Klägerin zu 1. ergibt sich aus den von W. mit ihrer Rechtsvorgängerin geschlossenen Vereinbarungen vom 20.Dezember 1982 und 20.Dezember 1989, in denen er dieser das ausschließliche Recht zur Herstellung und zum Vertrieb von Vervielfältigungsstücken der Tischlampe mit Glasfuß, Bestellbezeichnung WG 24, einräumte. Als Inhaberin ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte ist auch die Klägerin zu 1. zur Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche befugt (vgl. BGH GRUR 1992, 697/698 - ALF; GRUR 1999, 984/985 - Laras Tochter).

aa) Es ist schon mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass W. im Zeitpunkt der Einräumung der genannten Nutzungsrechte an die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1. über diese Rechte wirksam verfügen konnte. Der Senat schließt sich auch insoweit den Ausführungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg im Urteil vom 4.März 1999 an (vgl. ZUM 1999, 481/483f., insoweit in GRUR 1999, 714 nicht abgedruckt). Allein aufgrund des von den Parteien vorgelegten Schrifttums, insbesondere des darin zitierten Briefes von G. vom 31.August 1925, wonach W. unterschrieben habe, dass er sein Formrecht zur Auswertung €an uns in Dessau€ übergebe, kann bereits die Übertragung von Nutzungsrechten auf den damaligen Träger des Bauhauses nicht als hinreichend dargelegt angesehen werden. Jedenfalls steht dieser Äußerung das Schreiben W. vom 10.April 1930, wonach er die Urheberrechte an seinen Entwürfen zurückerhalten habe und frei darüber verfügen könne, gleichwertig gegenüber, zumal er im Anschluss daran auch tatsächlich Verwertungshandlungen vornahm, ohne dass - soweit ersichtlich - der Träger des Bauhauses dem entgegengetreten wäre.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (GRUR 1993, 903/908) kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, dass in den Werkstätten des Bauhauses tätige Studenten ihre Nutzungsrechte stets schlechthin dem Bauhaus übertrugen. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten im vorliegenden Schrifttum. Vielmehr scheint die Urheberrechtslage nicht eindeutig und bei den einzelnen Bauhaus-Angehörigen durchaus unterschiedlich gewesen zu sein. Der im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30.Mai 2002 (ZUM-RD 2002, 419/425 - Breuer-Hocker) wiedergegebenen Satzungsbestimmung des Staatlichen Bauhauses zu Weimar aus dem Jahre 1921 lässt sich zwar eine Pflicht des Verfertigers entnehmen, seine Arbeiten dem Bauhaus zu überlassen. Jedoch durfte er die nicht vom Bauhaus übernommenen Arbeiten €freihändig verkaufen oder verschenken nach barem Ersatz der Material- und allgemeinen Unkosten.€ Nach alledem sprechen keine erheblichen Gründe gegen die Richtigkeit der Erklärung W. vom 10.April 1930, er habe die Urheberrechte an seinen Entwürfen zurückerhalten.

bb) Im Übrigen ist, nachdem der Zugang der Rückruferklärung des Klägers zu 2. vom 13.April 1993 an den Oberbürgermeister der Stadt Dessau im Berufungsverfahren unstreitig geworden ist, davon auszugehen, dass die urheberrechtlichen Nutzungsrechte W.s infolge wirksamen Rückrufs gemäß § 41 Abs.1, 3, 5 und 6 UrhG in den Nachlass zurückgefallen sind und die Vereinbarung W. mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1. damit nachträglich wirksam geworden ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Verwertung der aufgrund der schriftlichen Zeugenaussage des Oberbürgermeisters der Stadt Dessau Otto vom 8.Dezember 2003 unstreitig gewordenen Tatsache des Zugangs der Rückruferklärung des Klägers zu 2. beim damaligen Oberbürgermeister der Stadt Dessau am 15.April 1993 ein etwaiger Verstoß des Senats gegen Präklusionsvorschriften (§§ 530, 521, 296 ZPO) bei der Beweiserhebung nicht entgegen. Präklusionsvorschriften verfolgen keinen Selbstzweck, sondern dienen der Konzentration der Tatsachenfeststellung in der ersten Instanz. Dieser Zweck ist nicht mehr zu erreichen, wenn das Berufungsgericht selbst eine erneute Tatsachenfeststellung vornimmt. Die festgestellten neuen Tatsachen sind daher der Entscheidung zugrundezulegen (vgl. zu Vorstehendem BGH MDR 2004, 700 und 2005, 945/946 m.w.N.).

Die Stadt Dessau ist als Rechtsträgerin des Bauhauses nach dessen Wechsel von Weimar nach Dessau anzusehen (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1993, 903/908). Einer Fristsetzung gemäß § 41 Abs.3 Satz 1 UrhG bedurfte es nach über 60 Jahren der Nichtausübung nicht mehr. Die Stadt Dessau hat sich im Übrigen - soweit ersichtlich - auch selbst nicht auf deren Fehlen berufen.

e) Das Landgericht hat schließlich mit Recht angenommen, dass das Anbieten und Verbreiten von Lampen des streitgegenständlichen Modells Art.Nr. 1901/2000 seitens der Beklagten die Urheberrechte der Kläger an der €Bauhaus-Glasleuchte€ MT9/ME1 bzw. deren Reproduktion als Tischlampe WG 24 gemäß §§ 15 Abs.1 Nr.2, 17 Abs.1 UrhG verletzt, weil das Modell Art.Nr. 1901/2000 der €Bauhaus-Glasleuchte€ in allen wesentlichen Merkmalen entspricht. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (S.16 UA) wird Bezug genommen. Ergänzend wird bemerkt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Modell im Hinblick auf die dargelegten Abweichungen im Mittelteil der Lampe um eine unfreie Bearbeitung der €Bauhaus-Glasleuchte€ handelt. Zu dieser war gemäß § 23 UrhG die Einwilligung der Kläger erforderlich, an der es fehlt.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auch in diesem Zusammenhang auf das erwähnte Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Wie dargelegt, ist für das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung durch die angegriffene Lampenform entscheidend, dass diese in ihrem Gesamteindruck - trotz der gegebenen geringfügigen Abweichung - mit der Bauhaus-Glasleuchte übereinstimmt. Dass einzelne Gestaltungselemente bereits bei den Prototypen J. vorhanden waren, steht dem nicht entgegen.

2. Die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung betreffend in der Bundesrepublik Deutschland vertriebene Stücke ergeben sich aus § 101a UrhG sowie §§ 242, 259f. BGB. Eine Erfüllung ist durch die in der mündlichen Verhandlung vom 16.August 2005 abgegebene Erklärung ersichtlich nicht eingetreten.

Der Anspruch auf Vernichtung in Deutschland befindlicher Stücke folgt aus § 98 Abs.1 UrhG.

Das Landgericht hat die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten ebenfalls zutreffend getroffen. Ein Schadenersatzanspruch der Kläger gemäß § 97 Abs.1 in Verbindung mit §§ 15 Abs.1 Nr.2, 17 Abs.1 UrhG kommt im Hinblick auf die festgestellte Urheberrechtsverletzung in Betracht. Von einem Verschulden der Beklagten ist schon im Hinblick auf die bereits vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung auszugehen. Eine Bezifferung ist den Klägern vor Erteilung der Auskunft und Rechnungslegung nicht möglich.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung beruht tragend auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung und den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls.






KG:
Urteil v. 16.08.2005
Az: 5 U 66/03


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