Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 6. November 2000
Aktenzeichen: AnwZ (B) 76/99
(BGH: Beschluss v. 06.11.2000, Az.: AnwZ (B) 76/99)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 24. Juni 1999 und der Bescheid der Präsidentin des Kammergerichts vom 15. Mai 1998 aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und dem Antragsteller die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 25.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer B.. Er hat der Landesjustizverwaltung im Aufnahmeverfahren zum Nachweis seiner Zulassung als Attorneyat-Law im US-Bundesstaat New York eine in englischer Sprache abgefaßte Urkunde vorgelegt. Die Auflage, eine deutsche Übersetzung des Schriftstücks beizubringen, hält der Antragsteller für unzulässig. Er hat deshalb zunächst beim Anwaltsgerichtshof beantragt, im Wege einer Eilentscheidung festzustellen, daß er das Erfordernis, eine Bescheinigung über seine Zugehörigkeit zum Anwaltsstand im Ausland beizufügen, bereits erfüllt habe und ihn weder eine Rechtspflicht noch eine Verfahrenslast treffe, eine Übersetzung der New Yorker Zulassungsurkunde selbst zu erstellen oder durch Dritte anfertigen zu lassen. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag mit Beschluß vom 28. April 1998 als unzulässig zurückgewiesen.
Mit Bescheid vom 15. Mai 1998 wurde das Aufnahmegesuch abgelehnt, weil der Antragsteller der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht genügt habe und deshalb eine hinreichende Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich gewesen sei. In der Beschwerdeschrift vom 25. Mai 1998 gegen die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs stellte der Antragsteller deshalb auch den Antrag, den Bescheid der Behörde vom 15. Mai 1998 aufzuheben und sie zu verpflichten, den Aufnahmeantrag zu bescheiden. Durch Beschluß vom 25. Januar 1999 -AnwZ (B) 52/98 -hat der Bundesgerichtshof die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Anwaltsgerichtshofs vom 28. April 1998 als unzulässig verworfen und den im Beschwerdeverfahren erstmals gestellten Antrag auf Aufhebung des Bescheids vom 15. Mai 1998 als unzulässig zurückgewiesen.
Der Anwaltsgerichtshof hatte den gegen den behördlichen Bescheid vom 15. Mai 1998 gerichteten Antrag aus der Beschwerdeschrift zunächst als Antrag auf gerichtliche Entscheidung aufgefaßt und ihm ein gesondertes Aktenzeichen zuteilen lassen. Hiergegen hatte sich der Antragsteller gewandt und die sofortige Einstellung des Verfahrens verlangt, zugleich allerdings ausgeführt, daß er keinen der bisher gestellten Anträge zurücknehme. Nachdem ihm die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bekannt gegeben worden war, hat er erklärt, sein Antrag aus der Beschwerdeschrift solle als Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache angesehen werden.
Der Anwaltsgerichtshof hat diesen Antrag als unbegründet zurückgewiesen und sich im wesentlichen der von der Landesjustizverwaltung in dem angegriffenen Bescheid vertretenen Auffassung angeschlossen. Inzwischen ist die Zuständigkeit für dieses Verfahren von der Landesjustizverwaltung auf die Rechtsanwaltskammer übergegangen. Mit der Beschwerde gegen die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
Das gemäß § 207 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2 BRAO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Der Senat versteht den Schriftsatz des Antragstellers vom 25. Mai 1998 aus den vom Anwaltsgerichtshof dargelegten Gründen in dem Sinne, daß der Antragsteller damit zugleich beim Anwaltsgerichtshof den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den ablehnenden Bescheid der Justizbehörde vom 15. Mai 1998 eingereicht hat. Dieser Antrag ist form- und fristgerecht eingegangen.
2.
Der angefochtene Bescheid verletzt den Antragsteller in seinen Rechten, weil er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist.
a) Die Bundesrechtsanwaltsordnung trifft in § 36 a für das Verwaltungsverfahren in Zulassungssachen nur eine allgemein gehaltene Anordnung und hat auf die Regelung von Einzelfragen verzichtet. Entsprechend dem Vorbild der §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwVfG, die nicht unmittelbar anwendbar sind, begründet die Vorschrift für die Landesjustizverwaltung -und nach dem Wechsel der Zuständigkeit nunmehr für die Rechtsanwaltskammer -die Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Der am Verfahren beteiligte Bewerber soll bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Verweigert der Bewerber eine ihm zumutbare und erforderliche Mitwirkung und kann die Behörde den Sachverhalt deshalb nicht hinreichend klären, ist der Antrag auf Gewährung von Rechtsvorteilen zurückzuweisen (§ 36 a Abs. 2 Satz 2 BRAO).
b) Die Amtssprache im Zulassungsverfahren ist wie in allen anderen Verwaltungsverfahren deutsch. Wird zur Begründung des Gesuchs eine in fremder Sprache verfaßte Urkunde vorgelegt, soll die Behörde nach § 23 Abs. 2 Satz 1 VwVfG unverzüglich die Vorlage einer Übersetzung verlangen.
Diese Vorschrift findet im Zulassungsverfahren nach der Bundesrechtsanwaltsordnung entsprechende Anwendung, weil es hier aus denselben Gründen wie im allgemeinen Verwaltungsverfahren zur Klärung des Sachverhalts grundsätzlich erforderlich ist, daß die zur Begründung eines Antrags notwendigen Beweismittel in deutscher Sprache vorliegen. Bringt der Antragsteller die verlangte Übersetzung nicht bei, kommt er also der ihm obliegenden Mitwirkungslast nicht nach, so kann die Behörde, die zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, selbst eine Übersetzung vornehmen zu lassen, die fremdsprachliche Urkunde unberücksichtigt lassen (BVerwG, Urt. v. 26. Juni 1984 -9 C 875.81 -Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 2; Kopp, VerwVfG 6. Aufl. § 23 Rn. 6; Stelkens/Bonk/ Sachs, VerwVfG 5. Aufl. § 23 Rn. 39).
c) Wie die Behörde in einem solchen Falle verfährt, liegt jedoch in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Die Herstellung einer Übersetzung bildet keine zwingende verfahrensrechtliche Voraussetzung für eine Entscheidung im Sinne des vom Antragsteller eingereichten Begehrens. Ist der Behörde der Inhalt des fremdsprachlichen Schriftstücks bekannt und bestätigt diese die Behauptung des Beteiligten, handelt die Behörde ermessensfehlerhaft, wenn sie das Gesuch nur deshalb zurückweist, weil keine deutsche Übersetzung der Urkunde vorgelegt wurde (vgl. Knack VerwVfG, 6. Aufl. § 23 Rn. 4.2; Kopp, aaO § 26 Rn. 41 bis 43).
Nach der Behauptung des Antragstellers lagen der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung bereits gleichlautende Urkunden von anderen Bewerbern vor, denen eine Übersetzung beigefügt war, so daß der zuständige Beamte genau wußte, was in der Urkunde bezeugt wurde. Von diesem Sachverhalt ist für die Entscheidung auszugehen; denn die Antragsgegnerin hat keine davon abweichende Darstellung gegeben. Die Vorlage einer deutschen Übersetzung ist kein Selbstzweck. Ihr kommt nur die Funktion zu, den Inhalt einer Urkunde zu klären. Bedarf es einer solchen Klärung nicht, weil die Behörde weiß, was die Urkunde bezeugt, darf das Gesuch nicht lediglich deshalb zurückgewiesen werden, weil eine maßgebliche Urkunde nur in fremdsprachlicher Fassung vorliegt.
d) Soweit sich die Antragsgegnerin darauf berufen hat, sie müsse auch die Echtheit der Urkunde prüfen, ist dem entgegenzuhalten, daß die deutsche Übersetzung dafür kein taugliches Hilfsmittel bildet.
e) Da der angefochtene Bescheid somit ermessensfehlerhaft zustande gekommen ist, muß die Antragsgegnerin über das Gesuch des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut befinden.
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BGH:
Beschluss v. 06.11.2000
Az: AnwZ (B) 76/99
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