Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 315/03
(BPatG: Beschluss v. 22.02.2006, Az.: 26 W (pat) 315/03)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. September 2003 aufgehoben. Die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der für die Dienstleistungen
"35 Marketing, Werbung; Öffentlichkeitsarbeit; betriebswirtschaftliche Beratung, Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen;
39 Beförderung von Personen, vorzugsweise im öffentlichen Personennahverkehr; Veranstaltung von Reisen und Ausflugsfahrten; Dienstleistungen eines Verkehrs- und Reisebüros, ausgenommen Zimmerreservierung in Hotels und Pensionen"
bestimmten Marke City-Tarifzurückgewiesen, weil der Eintragung die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstünden. Zur Begründung hat sie auf die im Amtsbescheid vom 13. Mai 2003 dargelegten Gründe Bezug genommen, denen die Anmelderin nicht widersprochen habe.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde und den sinngemäßen Anträgen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen. Zur Begründung der Beschwerde und des Rückzahlungsantrags macht sie geltend, ihr sei von der Markenstelle das rechtliche Gehör versagt worden. Der Amtsbescheid vom 13. Mai 2003, auf dessen Inhalt die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss zur Begründung der Zurückweisung Bezug genommen habe, sei ihr vor der Beschlussfassung nicht zugegangen, weshalb sie keine Gelegenheit gehabt habe, auf die Bedenken der Markenstelle zu erwidern. Der maßgebliche Bescheid sei ihr erst nach einer Rückfrage ihres Vertreters nach der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 24. September 2003 übermittelt worden. Wegen dieses gravierenden Verfahrensmangels sei die Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gerechtfertigt. Im Übrigen hält sie den angegriffenen Beschluss auch in der Sache für unzutreffend, weil es einen City-Tarif nicht gebe; denn Städte verlangten üblicherweise keinen Eintritt. Zumindest für die Dienstleistungen der Klasse 35 stelle die angemeldete Bezeichnung keine beschreibende Angabe dar.
II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
Das Patentgericht kann eine mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung u. a. dann aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG). An einem wesentlichen Mangel leidet ein Verfahren insbesondere dann, wenn gravierende Verletzungen des rechtlichen Gehörs feststellbar sind (BGH GRUR 1978, 99, 101 - Gleichstromfernspeisung).
Im vorliegenden Verfahren hat die zuständige Markenstelle des Patentamts gegen den Anspruch der Anmelderin verstoßen, vor der Zurückweisung der Anmeldung zu den maßgeblichen Schutzversagungsgründen gehört zu werden. Der Vortrag der Anmelderin, sie habe vor der Zurückweisung der Anmeldung keinen Bescheid der Markenstelle erhalten, mit der ihr die ins Auge gefassten Zurückweisungsgründe mitgeteilt wurden, ist auf Grund des Inhalts der Amtsakte nicht zu widerlegen und zudem nicht unwahrscheinlich, denn es findet sich in der Amtsakte zwar ein Vermerk darüber, dass ein Beanstandungsbescheid zur Postabfertigungsstelle des Patentamts gegeben worden ist, jedoch kein Vermerk oder sonstiger Hinweis darauf, dass die Postabfertigungsstelle den fraglichen Bescheid auch an die Anmelderin abgesandt hat. Da der Beanstandungsbescheid auch nicht förmlich zugestellt worden ist und somit kein Nachweis über den Zugang des Bescheids vorhanden ist, ist zu Gunsten der Anmelderin davon auszugehen, dass sie vor dem Zugang des angefochtenen Beschlusses keine Kenntnis von den durch die Markenstelle ins Auge gefassten Zurückweisungsgründen erhalten hat, so dass sie weder zu diesen Gründen Stellung nehmen noch ggf. den Bedenken der Markenstelle durch eine Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses begegnen konnte. In Folge dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs leidet das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 70 Rdn. 15).
Da vergleichbare Fälle in den letzten Jahren nach den Feststellungen des Senats gehäuft auftreten, hat der Senat von der ihm durch § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne selbst in der Sache zu entscheiden, und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Zugleich war gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, weil es angesichts des Verfahrensfehlers der Markenstelle unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten.
BPatG:
Beschluss v. 22.02.2006
Az: 26 W (pat) 315/03
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