Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. September 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 57/05

(BPatG: Beschluss v. 28.09.2006, Az.: 25 W (pat) 57/05)

Tenor

Auf die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Dezember 2004 aufgehoben.

Der Widerspruch aus der Marke 300 40 864 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung ProstaSolist am 27. November 2002 für die Waren

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Nahrungsergänzungsmittel auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballaststoffen für medizinische Zwecke; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Proteinen; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehl und Getreidepräparate; Salz und Senf; Essig und Gewürze; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlehydraten"

in das Markenregister eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 29. Mai 2000 für die Waren

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke, nämlich Reagenzien und Testpräparate für diagnostische, nichtmedizinische Zwecke für den Gebrauch in Laboratorien und beim Arzt; Diagnostika für medizinische Zwecke, Reagenzien und Testpräparate für diagnostische, medizinische Zwecke für den Gebrauch in Laboratorien und beim Arzt; Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, hauptsächlich bestehend aus Vitaminen, Spurenelementen, Mineralien; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, hauptsächlich bestehend aus Eiweißen; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, hauptsächlich bestehend aus Kohlenhydraten"

eingetragene Marke Prostesel Die Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 3. Dezember 2004 die Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Ausgehend von einer teilweise hochgradigen und ansonsten engen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien klangliche und schriftbildliche Verwechslungen in einem markenrechtlich relevanten Umfang zu befürchten. In klanglicher Hinsicht seien dafür die Übereinstimmungen in der Laut- und Silbenzahl sowie in der Betonung auf der ersten und dritten Sprechsilbe beider Markenwörter maßgebend. Von Bedeutung sei ferner, dass die Zeichen am ohnehin stärker beachteten Wortanfang übereinstimmten und die formal differierenden Vokale "a" und "e" in der Mittelsilbe beider Markenwörter wegen der offenen, kurzen Sprechweise des "e" sich klanglich dennoch sehr nahe kämen. Die Unterschiede in den Vokalen "o" und "e" der jeweils letzten Sprechsilbe reichten daher nicht aus, um eine die klangliche Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit beider Marken hinreichend zu verändern.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht stimmten die beiden Zeichen in wesentlichen Passagen überein. Die Wortkontur werde durch die unterschiedlichen Buchstaben "a" und "e" bzw. "o" und "e" nicht hinreichend verändert, zumal bei Wiedergabe mit kleinen Buchstaben die Vokale "o", "e" und "a" jeweils eine gerundete, einen Innenraum umschließende und sich daher nur gering unterschiedliche Kontur aufwiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke, mit der er sinngemäß beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 3. Dezember 2004 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Eine Begründung der Beschwerde ist nicht erfolgt. Die Widersprechende hat in der Beschwerdeinstanz weder einen Antrag gestellt noch zur Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg, da zwischen den Vergleichsmarken nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen, §§ 43 Abs 2 Satz 2, 42 Abs. 2 Nr 1, MarkenG.

Auch wenn man zugunsten der Widersprechenden ohne nähere Sachprüfung mit der Markenstelle davon ausgeht, dass beide Marken sich auf teilweise hochgradig ähnlichen oder gar identischen Waren begegnen können, ferner eine durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke annimmt und als angesprochene Verkehrskreise in erster Linie auf Endverbraucher abstellt - wobei nach dem Verbraucherleitbild des EuGH grundsätzlich auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 943 - SAT.2), dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 2006, 567 - Picasso), der jedoch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnet als bei vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (vgl. BGH GRUR 1995, 50 - INDOREKTAL / INDOHEXAL) -, scheidet eine Verwechslungsgefahr auch bei Anlegung danach erforderlicher strenger Maßstäbe aus rechtlichen Gründen aus.

Denn beide Marken weisen trotz identischer Silbenzahl und Konsonantenfolge keine hinreichende Ähnlichkeit auf, um eine Verwechslungsgefahr in markenrechtlich relevantem Umfang zu begründen.

Von maßgebender Bedeutung dafür ist, dass es sich auch bei der für sich genommen unselbständigen Lautfolge "Prost" der Widerspruchsmarke um einen neben "Prosta" gebräuchlichen Markenbestandteil zur Kennzeichnung vor allem von Präparaten, die der Behandlung oder Vorbeugung von Erkrankungen und Beschwerden der Prostata dienen, handelt. So sind im Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste 2006" nicht nur mit dem Bestandteil "Prosta", sondern auch mit der Lautfolge "Prost" gebildete Markennamen ("Prostess", "Prostica") zu finden. Vor diesem Hintergrund ist dem Wortelement "Prost" eine auf den Anwendungsbereich und Bestimmungszweck der Waren hinweisende Bedeutung beizumessen, was auch nach dem Warenverzeichnis nicht ausgeschlossen ist.

Auch wenn solche beschreibenden Wortbestandteile trotz ihrer Kennzeichnungsschwäche bei der Prüfung des maßgebenden Gesamteindrucks der Zeichen nicht grundsätzlich unberücksichtigt bleiben dürfen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 279), kann allein die Übereinstimmung in solchen kennzeichnungsschwachen Bestandteilen eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nicht begründen, da schutzunfähige Zeichenbestandteile und Angaben für sich gesehen schon aus Rechtsgründen nicht Grundlage einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr sein können. Vielmehr ist der Schutzumfang von Marken oder Markenbestandteilen, die an beschreibende Angaben angelehnt sind, eng zu bemessen, und zwar nach Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft, die dem Zeichen - trotz seiner Anlehnung an die freizuhaltende Angabe - die Eintragungsfähigkeit verleiht (vgl. BGH GRUR 2003, 963 - AntiVir / AntiVirus; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rn. 204, 279). In tatsächlicher Hinsicht führt dies vor allem dazu, dass der Verkehr in solchen Fällen - abweichend von dem Erfahrungssatz, dass Anfangsbestandteile erfahrungsgemäß stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile (vgl. BGH, GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM) - eher die nachfolgenden Wortbestandteile stärker beachten und diese nicht als bloße Endsilben, sondern als für die Identifikation und Kennzeichnung der Produkte wesentliche Bestandteile ansehen.

Nach dem übereinstimmenden Bestandteil "Prost" unterscheiden sich beide Marken aber im weiteren durch die unterschiedlichen und nicht klangverwandten Vokale "ao" bzw. "ee" entgegen der Auffassung der Markenstelle erheblich voneinander. Diese bewirken eine deutlich wahrnehmbare klangliche Abweichung im Gesamtklangbild beider Marken. Hierbei ist zu beachten, dass Vokalen regelmäßig eine größere Bedeutung für das Klangbild zufällt, so dass insoweit bestehende Unterschiede sich in aller Regel nachhaltiger auf das Klangbild auswirken als Abweichungen im Konsonantengefüge (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 130). Vor dem Hintergrund der Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils "Prost" reichen daher diese Unterschiede aus, um auch bei Berücksichtigung einer nicht zeitgleichen oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge erfolgenden Wahrnehmung und eines erfahrungsgemäß häufigen undeutlichen Erinnerungsbildes (vgl. dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints) und strenger Anforderungen an den Markenabstand eine klangliche Verwechslungsgefahr im markenrechtlich relevanten Umfang auszuschließen.

Selbst wenn in Einzelfällen der Lautfolge "Prost" kein beschreibender Charakter beigemessen wird, würde dies insgesamt nicht zu einer die Gefahr von Verwechslungen begründenden Markenähnlichkeit führen. Denn auch in diesem Fall würde zur Unterscheidung der Markenwörter neben den bereits genannten Abweichungen in der Vokalfolge beitragen, dass jedenfalls die angegriffene Marke mit dem geläufigen und vielfach verwendeten Bestandteil "Prosta" nach wie vor einen sofort erkennbaren Begriffsanklang aufweist. Zudem können dann vor dem Hintergrund einer im deutschen Sprachgebrauch eher unüblichen Trennung der Lautfolge "st" neben einer Aussprache in Form von "Prostesel" auch andere Aussprachemöglichkeiten wie z. B. "Pro - ste - sel" oder "Prostesel" nicht ausgeschlossen werden, die aber gegenüber der wie "Prostasol" ausgesprochenen angegriffenen Marke - wegen der Binnengroßschreibung mit einer deutlichen Zäsur vor "-Sol" - einen abweichenden Sprech- und Betonungsrhythmus aufweisen und daher ebenfalls einer Verwechslungsgefahr entgegenwirken.

Bei einem schriftbildlichen Markenvergleich sind die Annäherungen ebenfalls nicht so ausgeprägt, dass eine Verwechslungsgefahr zu bejahen wäre. Im Vordergrund steht dabei die drucktechnische Schreibweise, da eine handschriftliche Wiedergabe wegen der weitgehend maschinellen Bearbeitung z. B. von Bestellungen und angesichts des wachsenden EDV-Einsatzes im täglichen Geschäftsverkehr immer mehr an Bedeutung verliert (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 145). Unter diesen Voraussetzungen weisen beide Marken ihrem Gesamteindruck nach unter Beachtung der auch insoweit bedeutsamen Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Bestandteils "Prost" aufgrund der abweichenden Vokale "ao" bzw. "ee" sowie der besonderen Gestaltung der angegriffenen Marke durch die Binnengroßschreibung noch einen hinreichenden Abstand auf, zumal das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 143).

Eine Verwechslungsgefahr aus anderen Gründen ist ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Sie weisen zwar einen identischen Anfangsbestandteil auf; jedoch ist dieser wegen seines objektiv beschreibenden Charakters nicht geeignet, etwa als kennzeichnungskräftiger Stammbestandteil einer Zeichenserie der Widersprechenden zu wirken oder die Annahme einer engen Verbindung der Unternehmen zu begründen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 28.09.2006
Az: 25 W (pat) 57/05


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