Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 10. März 2003
Aktenzeichen: 1 L 361/03

(VG Köln: Beschluss v. 10.03.2003, Az.: 1 L 361/03)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

2. Der Streitwert wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der nach §§ 80 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 4 Abs. 2 S. 6 Unterlassungsklagenge- setz ( UKlaG ) zulässige Antrag,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.02.2003 anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angeordneten Maß- nahme und dem Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Dabei ist maßgeblich zu berück- sichtigen, dass die im angegriffenen Bescheid verfügte Anordnung des Ruhens der Eintragung des Antragstellers in die Liste qualifizierter Einrichtungen sich als offen- sichtlich rechtmäßig erweist.

Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Antragsteller vor Erlass des Be- scheides vom 11.02.2003 nicht nach § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG NRW) angehört worden ist, da dieser Mangel jedenfalls durch die Wider- spruchs- und Antragsbegründung des Antragstellers im vorliegenden Verfahren ei- nerseits und die Antragserwiderung der Antragsgegnerin andererseits, mit der diese zu erkennen gegeben hat, dass sie trotz der Einwände des Antragstellers an ihrem Bescheid festzuhalten beabsichtigt, gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW geheilt ist.

Auch in materieller Hinsicht begegnet der angefochtene Bescheid keinen durch- greifenden Bedenken. Er findet seine Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 2 S. 5 UKlaG. Danach soll das Bundesverwaltungsamt das Ruhen der Eintragung eines rechtsfähigen Verbandes in die Liste qualifizierter Einrichtungen für einen bestimmten Zeitraum von längstens 3 Monaten anordnen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass die Eintragung nach Satz 4 zurückzunehmen oder zu widerrufen ist. Nach Satz 4 Nr. 2 (die Voraussetzungen von Nr. 1 liegen ersichtlich nicht vor) ist die Eintragung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung nicht vorlagen oder weggefallen sind. Die Voraussetzungen für die Eintragung sind in § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG geregelt. Danach werden in die Liste qualifizierter Einrichtungen auf Antrag rechtsfähige Ver- bände eingetragen, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen, wenn sie in diesem Aufgabenbereich tätige Verbän- de oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben, seit mindestens einem Jahr bestehen und aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten. Nach diesen Vorgaben hat die Antragsgegnerin zu Recht das Ruhen der Eintragung des Antragstellers angeordnet. Es bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Eintragungsvoraussetzun- gen im Falle des Antragstellers nicht vorliegen, weil er aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit nicht die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet. Dabei kann vom Bestehen tatsächlicher Anhaltspunkte nicht erst dann ausgegangen wer- den, wenn das Fehlen der Eintragungsvoraussetzungen erwiesen ist. Vielmehr reicht insoweit nach der von der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung zitierten Be- schlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages zur Einfügung der Ruhensanordnungsregelung bereits ein bestehender Verdacht aus.

Vgl. Bundestagsdrucksache 14/7052, S. 208

Eine derartige Auslegung der Vorschrift entspricht auch deren Sinn und Zweck, da eine Ruhensanordnung andernfalls entbehrlich wäre, weil die Antragsgegnerin die Eintragung sogleich nach § 4 Abs. 2 Satz 4 UKlaG aufheben könnte.

Zu Recht ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass der Verdacht besteht, dass der Antragsteller nicht die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet. Es bestehen zunächst gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass es sich beim Antragstel- ler um einen "Mischverband" handelt, der sowohl Interessen der Endverbraucher als auch gewerbliche Interessen vertritt und wegen einer aus diesem Grunde bestehen- den Interessenkollision nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder als Verbraucherschutzverband noch als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen nach § 13 UWG prozessführungsbefugt ist.

Vgl. BGH, Urteil vom 14.10.1982 - I ZR 81/81 - NJW 1983, S.1061 und vom 12.07.1984 - I ZR 37/82 - NJW 1985, S. 1032 zu § 13 Abs. 1 und 1a UWG a.F..

Diese Grundsätze greifen für etwaige Klagen des Antragstellers nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG wegen Verstoßes gegen das UWG unmittelbar ein und müssen für die in § 3 Abs. 1 Nr 1 UKlaG vorgesehene Klagebefugnis des Antragstellers zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen nach §§ 1 und 2 UKlaG entsprechend gelten. Dass im Falle des Fehlens einer Klagebefugnis nicht von einer sachgerechten Aufgabenerfüllung durch den Antragsteller ausgegangen werden kann, liegt auf der Hand, da die Geltendmachung von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen insbesondere bei Verletzung von Verbraucherschutzbestimmungen zu den zentralen Aufgaben der in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbände gehört.

Verdachtsmomente für das Bestehen eines Mischverbandes ergeben sich zunächst aus der Satzung des Antragstellers, in deren § 1 Abs. 1 ( S. 4, 5 und 6 ) als Vereinszweck die Beratung, Aufklärung und Wahrnehmung von Rechten sowohl von Verbrauchern als auch von klein- und mittelständischen Firmen geregelt ist. Diese Verdachtsmomente finden im Gesamtbild der Vereinstätigkeit ihre Bestätigung. Der Antragsteller hat neben seiner Verbraucherschutzbetätigung ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Unterlagen in der Vergangenheit in erheblichem Umfang im Internet und in an Gewerbetreibende gerichteten Anzeigen ( "Factoring für kleine und mittlere Unternehmen" ) für Erfolgsinkasso, Umsatzfinanzierung ( Factoring ) und Forderungshandel geworben. Außerdem hat er bei seinem Vorgehen gegen unzulässige Faxwerbung nicht nur Endverbraucher sondern auch Gewerbetreibende vertreten. Soweit der Antragsteller in der Widerspruchsbegründung eingewandt hat, dass sich sein Mitgliederbestand aus 3529 Endverbrauchern und nur 322 gewerblichen Mitgliedern zusammensetze, was eine ganz überwiegende Betätigung bei der Verfolgung von Verbraucherschutzinteressen bestätige, vermag dies die oben genannten Verdachts- momente nicht ohne weiteres auszuräumen. Nach § 3 der Satzung des Antragstellers kann der Erwerb der Vereinsmitgliedschaft nämlich bereits durch stillschweigendes Einvernehmen von Verein und Mitgliedschaftsanwärter erfolgen. Dementsprechend bezeichnet der Antragsteller nach den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Unterlagen offensichtlich auch bereits Personen als Mitglieder, die an ihn einmalig mit der Bitte herangetreten sind, eine Abmahnung zur Unterbindung unzulässiger Faxwerbung zu erlassen. Bereits dies erhellt, dass aus der Mitgliederzusammensetzung als solcher keine zuverlässigen Rückschlüsse auf den tatsächlichen Umfang der einzelnen satzungsmäßigen Betätigungsfelder ge- zogen werden können. Auch soweit sich der Antragsteller darauf beruft, er habe durch Beauftragung organisatorisch selbständiger und eigenverantwortlich in den jeweiligen Sparten tätiger Geschäftsstellen in verschiedenen Landgerichtsbezirken das Bestehen einer Interessenkollision ausgeschlossen, gebietet dies schon deshalb keine abweichende Betrachtungsweise, da weder nachgewiesen noch dargelegt ist, dass sämtliche Geschäftsstellen ihrerseits entweder ausschließlich Verbraucherinteressen oder ausschließlich gewerbliche Interessen vertreten.

Anhaltspunkte für eine fehlende Gewähr einer sachgerechten Aufgabenerfüllung ergeben sich weiterhin aus dem Umstand, dass der Antragsteller bereits vor seiner Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen am 13.08.2002 in zahlreichen Fällen wegen unzulässiger Faxwerbung unter Einschaltung von Rechtanwälten Abmahnungen vorgenommen hat. Soweit der Antragsteller geltend gemacht hat, die Anwälte seien unmittelbar von den Betroffenen beauftragt worden, vermag das Gericht dies nicht nachzuvollziehen, da sich bei den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Abmahnungsschreiben jeweils Prozessvollmachten des Antragstellers befinden und die von den Abgemahnten im Rahmen einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung im Falle einer Zuwiderhandlung abverlangte Vertragsstrafe in der Mehrzahl der Fälle an den Antragsteller gezahlt werden sollte. Entgegen der Auffassung des Antragstellers besteht daher der - auf tatsächlichen Umständen beruhende - Verdacht, dass der Antragsteller nicht die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet, so dass die Voraussetzungen für eine Ruhensanordnung vorliegen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin das ihr zustehende - ohnehin intendierte ( "soll" ) - Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, da, wie die obigen Ausführungen zeigen, Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall nicht vorliegen. Gleichfalls ermessensfehlerfrei hat die Antragsgegnerin die Ruhensfrist auf zunächst einen Monat ab Bekanntgabe der Entscheidung bestimmt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.






VG Köln:
Beschluss v. 10.03.2003
Az: 1 L 361/03


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