Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 19. April 2007
Aktenzeichen: I ZB 47/06
(BGH: Beschluss v. 19.04.2007, Az.: I ZB 47/06)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 450 € festgesetzt.
Gründe
I. Die in Italien ansässige Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin wegen Verletzung ihrer international registrierten Bildmarke Nr. , die auch in Deutschland Schutz genießt, eine einstweilige Verfügung erwirkt. Die Kosten des Verfügungsverfahrens wurden der Antragsgegnerin auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Antragstellerin beantragt, unter der Position "Kosten italienische Patentanwälte" 450 € als erstattungsfähige Kosten anzusetzen. Dazu hat sie ein von Patrizia F. (im Folgenden: F.) unterzeichnetes Schreiben der Kanzlei J. & Partners vom 10. August 2005 vorgelegt, wonach sich deren Gebühren auf diesen Betrag beliefen.
Das Landgericht hat die Kosten antragsgemäß festgesetzt.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat sich die Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts gewandt, soweit darin Kosten für italienische Patentanwälte in Höhe von 450 € angesetzt worden sind. Die Kosten für die Tätigkeit von F. seien nicht nach § 140 Abs. 3 MarkenG zu erstatten, da F. nicht Patentanwältin, sondern Rechtsanwältin sei.
Die Antragstellerin hat demgegenüber vorgebracht, die Kanzlei J. & Partners sei einem deutschen Patentanwaltsbüro vergleichbar. Die der Kanzlei angehörende F. habe ein juristisches und ein wirtschaftswissenschaftliches Studium abgeschlossen. Sie sei berechtigt, den Titel "consulente in marchi" zu führen, und sei in der Liste der "consulenti in proprietà industriale" eingetragen. Hinsichtlich Ausbildung und Qualifikation seien dafür Voraussetzungen zu erfüllen, die denen für die Zulassung als Patentanwalt in Deutschland entsprächen. Die Tätigkeit eines "consulente in marchi" beschränke sich allerdings auf die Beratung in Markenangelegenheiten und in Fragen der geographischen Herkunftsangaben. Die Kosten für die Tätigkeit von F. seien jedenfalls als Verkehrsanwaltskosten zu ersetzen.
Das Beschwerdegericht hat den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts abgeändert und die Position "Kosten italienische Patentanwälte" von dem geltend gemachten Erstattungsbetrag abgesetzt (OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2006, 422).
Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt, verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf Ansatz dieser Kosten weiter.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist (BGHZ 154, 102, 103). Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, da es als selbständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestaltet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 6.4.2005 - V ZB 25/04, NJW 2005, 2233).
III. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Kosten für die Tätigkeit von F. könnten nicht als Patentanwaltskosten festgesetzt werden, weil im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geklärt werden könne, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien. Kosten eines im Gebiet der Europäischen Union ansässigen ausländischen Patentanwalts seien allerdings unter den Voraussetzungen des § 140 Abs. 3 MarkenG erstattungsfähig, wenn der hinzugezogene ausländische Berater nach Ausbildung und Qualifikation sowie nach dem ihm im Heimatstaat gesetzlich zugewiesenen Aufgabengebiet einem deutschen Patentanwalt in jeder Hinsicht vergleichbar sei. Es könne jedoch nicht beurteilt werden, ob dies bei einem "consulente in marchi", soweit es um die Beratung in Markensachen gehe, der Fall sei. Zur Klärung solcher Fragen, für die das einschlägige italienische Recht und die italienische Rechtspraxis ermittelt werden müssten, sei das Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen, da dieses auf eine vereinfachte und knappe Überprüfung gebührenrechtlicher Fragen zugeschnitten sei. Die Antragstellerin sei daher mit ihrem Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Tätigkeit von F. auf den Weg des Erkenntnisverfahrens zu verweisen.
Die Kosten für die Tätigkeit von F. seien auch nicht als Verkehrsanwaltskosten erstattungsfähig. Nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin sei F. nicht als Rechtsanwältin, sondern zur Beratung über die besonderen markenrechtlichen Fragen herangezogen worden. Die Einschaltung eines italienischen Verkehrsanwalts sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung auch nicht notwendig gewesen, weil die Antragstellerin in Deutschland von ihrem Prozessbevollmächtigten ständig in Markensachen - auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Marke - vertreten werde. Der Antragstellerin sei es daher nach Entdeckung der Verletzungshandlung möglich und zumutbar gewesen, ihren mit der Marke und deren rechtlichen Fragen vertrauten Prozessbevollmächtigten mündlich oder fernmündlich zu beauftragen und zu informieren.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kann nicht bereits aus Rechtsgründen ausgeschlossen werden, dass die Kosten für die Tätigkeit von F. als einer in Italien zugelassenen "consulente in marchi" nach § 140 Abs. 3 MarkenG erstattungsfähig sind.
Von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Kennzeichenstreitsache entstehen, sind gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG die Gebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass diese Vorschrift, die unmittelbar nur für im Inland zugelassene Patentanwälte gilt, entsprechend anwendbar sein kann, wenn ein Patentanwalt aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union mitgewirkt hat (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1988, 761, 762 [noch zu § 32 Abs. 5 WZG]; OLG Koblenz GRUR-RR 2002, 127, 128; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 140 Rdn. 20; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 140 Rdn. 40). Voraussetzung ist allerdings, dass der ausländische Patentanwalt in Kennzeichenstreitsachen nach seiner Ausbildung und dem Tätigkeitsbereich, für den er in dem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, einem in Deutschland zugelassenen Patentanwalt im Wesentlichen gleichgestellt werden kann. Unerheblich ist dagegen, ob dies auch hinsichtlich seiner Befähigung zur Bearbeitung von Patentstreitsachen gilt. Angesichts des Standes der Harmonisierung des Markenrechts innerhalb der Europäischen Union ist es auch nicht angebracht, die entsprechende Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkenG davon abhängig zu machen, ob ein ausländisches Kennzeichenrecht oder eine Gemeinschaftsmarke Gegenstand des Verfahrens ist (a.A. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 140 Rdn. 65).
b) Im Kostenfestsetzungsverfahren ist zu prüfen, ob die Kosten, die in einer Kennzeichenstreitsache durch die Mitwirkung eines ausländischen Patentanwalts aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union entstehen, in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkenG als Kosten aus der Mitwirkung eines im Inland zugelassenen Patentanwalts zu behandeln sind. Dem steht - abweichend von der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht entgegen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine rasche, vereinfachte, anhand der Prozessakten vorzunehmende gebührenrechtliche Überprüfung der Tätigkeit von Rechtsanwälten und Patentanwälten zugeschnitten ist (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2006 - VIII ZB 29/05, NJW 2006, 1523 Tz 9). Die hier zu prüfende Frage ist nicht jeweils anhand von besonderen Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, sondern allgemeiner Art. Ist sie einmal geklärt, kann das Ergebnis ohne weiteres der Entscheidung in anderen Kostenfestsetzungsverfahren zugrunde gelegt werden.
Die Antragstellerin darauf zu verweisen, ihren Kostenersatzanspruch auf dem weniger einfachen Zivilrechtsweg zu verfolgen, wäre auch mit der in Art. 49 EG verankerten Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar. Diese steht einer nationalen Regelung entgegen, die die Möglichkeit für einen Dienstleistungserbringer, von dem Recht auf freien Dienstleistungsverkehr tatsächlich Gebrauch zu machen, ohne objektive Rechtfertigung beschränkt (vgl. EuGH, Urt. v. 5.10.1994 - C-381/93, Slg. 1994, I-5145 = TranspR 1995, 199 Tz 16 - Kommission/Frankreich; Urt. v. 14.12.2006 - C-257/05, Tz 20 - Kommission/Österreich; Urt. v. 6.3.2007 - C-338/04, WRP 2007, 525 Tz 45 f. - Placanica u.a.). Dies wäre der Fall, wenn das Kostenfestsetzungsverfahren für die Festsetzung der Kosten eines mitwirkenden Patentanwalts aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verschlossen bliebe, obwohl die grundlegende Frage, ob seine Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 140 Abs. 3 MarkenG der Tätigkeit eines im Inland zugelassenen Patentanwalts gleichgestellt werden kann, mit einem auf alle entsprechenden Fälle übertragbaren Ergebnis entschieden werden kann. Einem obsiegenden Beklagten, der einen ausländischen Patentanwalt eingeschaltet hat, stünde zudem in aller Regel kein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch zu; er kann die angefallenen Kosten grundsätzlich nur im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2006 - VI ZR 224/05, VersR 2007, 507 Tz 6 ff. = NJW 2007, 1458).
Das Beschwerdegericht wird danach die bisher unterbliebene Prüfung dieser Frage für einen "consulente in marchi" nach italienischem Recht nachzuholen haben.
3. Die geltend gemachten Kosten können nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht bereits aus anderen Gründen als erstattungsfähig angesehen werden.
a) Die Kosten können nicht als Verkehrsanwaltskosten angesetzt werden, weil F., wie das Beschwerdegericht unangefochten festgestellt hat, nicht als Rechtsanwältin tätig geworden ist (§ 1 Abs. 1 RVG).
b) Die Frage, ob die Kosten der Mitwirkung von F. unabhängig von der Anwendbarkeit des § 140 Abs. 3 MarkenG als notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten sind, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht entschieden werden. Bei dieser Frage kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden könnte, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.2004 - I ZB 4/04, GRUR 2005, 271 = WRP 2005, 224 - Unterbevollmächtigter III, m.w.N.).
Der Umstand, dass die Antragstellerin in Deutschland ständig von einem bestimmten Prozessbevollmächtigten in Markensachen - auch betreffend die streitgegenständliche Marke - vertreten wird, reicht danach entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht aus, um die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines ständigen Beraters in der Nähe des eigenen Geschäftssitzes zu verneinen. Bei einem Unternehmen, das laufend eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten in Markensachen zu führen hat, ist auch das Interesse zu berücksichtigen, mit besonders sachkundigen Beratern seines Vertrauens in örtlicher Nähe zusammenzuarbeiten. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin koordiniert F. für die Antragstellerin seit langem weltweit sämtliche Markenanmeldungen wie auch die Auseinandersetzungen mit anderen Unternehmen wegen Markenverletzungen. Dies wird bei der gegebenenfalls notwendigen erneuten Prüfung zu berücksichtigen sein.
IV. Danach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen trifft.
Bornkamm v. Ungern-Sternberg Pokrant Schaffert Kirchhoff Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 13.11.2005 - 2/6 O 214/05 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 30.05.2006 - 6 W 31/06 -
BGH:
Beschluss v. 19.04.2007
Az: I ZB 47/06
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