Landgericht Essen:
Urteil vom 28. November 2012
Aktenzeichen: 44 O 23/12
(LG Essen: Urteil v. 28.11.2012, Az.: 44 O 23/12)
Tenor
1. Der Beklagten wird, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt,
im geschäftlichen Verkehr den Austausch einer Autoglasscheibe gegenüber Kunden mit Kaskoversicherung in der Form zu bewerben, dass ein Nachlass auf die Selbstbeteiligung in Form eines Gutscheins versprochen wird,
wie auf Bl. 15-16, 18 der Gerichtsakte und der nachfolgenden Anlage zum Urteilstenor beschrieben,
es sei denn, der Kaskoversicherer hat sich mit der vorgenannten Werbung einverstanden erklärt.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.04.2012 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,00 €.
Anlage zum Urteilstenor:
Hiermit versichere ich, V, wohnhaft in der T-Str. ... in ... C,
Folgendes:
Am 28.05.2011, gegen 11:26 Uhr, fuhren meine Mutter, Frau V1, und ich zu der Filiale der Firma Q, X-Straße ... in ... O.
Wir betraten das Büro, in dem uns ein Mitarbeiter, aus der Werkstatt kommend, begrüßte und nach unserem Anliegen fragte. Dieser Mitarbeiter kann wie folgt beschrieben werden: ungefähr Anfang 30, etwa 180 cm groß, mit einem Dreitagebart und Schnauzer und blondem, kurzem Haar.
Ich informierte den Mitarbeiter darüber, dass ich einen Windschutzscheibenschaden an meinem Fahrzeug, einem W, habe.
Ich wies darauf hin, dass es sich nicht auf das Fahrzeug vor Ort bezog. Ich wolle dennoch den Ablauf und die Kosten des Austausches in Erfahrung bringen.
Der Mitarbeiter erklärte den schematischen Ablauf des Austausches. Er sprach meine Teilkasko-Versicherung an und erklärte, dass die Höhe der Selbstbeteiligung von 150,00 Euro definitiv mein zu entrichtender Eigenanteil sei.
Anbieten könne er mir aber allerdings, dass sie wenigstens einen Gutschein in Höhe von 75,00 Euro erstellen können. Der Austausch koste mich dann effektiv nur 75,00 €.
Ich fragte den Mitarbeiter, wie ich mir das mit dem Gutschein vorstellen müsse und wann ich diesen einlösen könne. Der Mitarbeiter sagte, dass der Gutschein über 75,00 € ausgeschrieben werde und bei meinem nächsten Besuch oder Einkauf angerechnet werden könne.
Ich erkundigte mich dann bei dem Mitarbeiter, ob man den Gutschein nicht auch bei dieser Reparatur anrechnen könne. Dies wurde von dem Mitarbeiter deutlich verneint, da das Geld Versicherungsgeld sei und das müssen sie an die Versicherung abführen. Er fügte hinzu, dass ich das Geld sofort bezahlen müsse. Sie könnten mir aber einen Gutschein von mindestens 75,00 Euro anbieten.
Ich fragte, ob die Versicherung von mir dieses Geld wieder haben möchte. Der Mitarbeiter verneinte meine Frage und erklärte, dass der Gutschein unabhängig von der Selbstbeteiligung erstellt werde.
Ich habe nicht aktiv nach einem Rabatt auf die Selbstbeteiligung gefragt, der Mitarbeiter bot von sich aus einen Gutschein an.
Ich erkundigte mich nach einer Visitenkarte. Nach der Verabschiedung verließen meine Mutter und ich die Filiale.
Der Mitarbeiter wies nicht darauf hin, dass vor der Gewährung des Nachlasses auf die Selbstbeteiligung, in Form eines Gutscheins, das Einverständnis der Versicherung eingeholt werden muss.
und/oder
Hiermit versichere ich, S, wohnhaft im Q1-Weg ... in ... T1,
Folgendes
Am Montag, den 30.05.2011, um 10.00 Uhr, fuhren meine Ehefrau X1 und ich auf das Gelände der Firma
Q, E-Str. ..., ... C1.
Ich erklärte den allein im Büro anwesenden Mitarbeiter, dass sich in der Windschutzscheibe des Fahrzeugs meiner Tochter ein Steinschlagschaden befinde. Ich sei aus Gründen der günstigeren Einstufung der Versicherungsnehmer und wolle nun wissen, ob der Austausch der Windschutzscheibe über die I abgerechnet werden könne.
Der Mitarbeiter, der sich als Herr I1 vorstellte, bestätigte mir mit der I abrechnen zu können.
Ich fragte den Mitarbeiter dann, ob die Höhe der Selbstbeteiligung, die ich im Gespräch mit 150,00 Euro angab, verhandelbar sei.
Der Mitarbeiter verneinte dies erst und sagte dann aber, dass ich dafür dann Gutscheine, zum Beispiel für eine Leistung in der Werkstatt, für einen Ölwechsel oder Ähnlichem, bekomme. Er sagte weiter, dass hierfür auch etwas an Geld zusammenkomme. Die Ölwechsel würden sich je nach Ölsorte zwischen 39,00 € und 99,00 € bewegen.
Meine Frage, ob die Versicherung etwas davon erfährt, wurde von dem Mitarbeiter verneint.
Herr I1 wies nicht darauf hin, dass vor der Gewährung des Nachlasses auf die Selbstbeteiligung, in Form eines Gutscheins, das Einverständnis der Versicherung eingeholt werden muss.
Meine Frau und ich gaben dann vor, uns noch einmal mit den Fahrzeugdaten und den Versicherungsdaten melden zu wollen.
Wir verließen das Gelände gegen 10.05 Uhr.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Unterlassen eines nach seiner Einschätzung wettbewerbswidrigen Werbeverhaltens mit Gutscheinen.
I.Am 28.05.2011 suchte Frau V1 eine Filiale der Beklagten in O auf, um einen Schaden an der Windschutzscheibe ihres Kraftfahrzeuges reparieren zu lassen. Das Gespräch mit einem dort arbeitenden Mitarbeiter der Beklagten kam auf die Kasko-Versicherung der Frau V1. Der Mitarbeiter der Beklagten erklärte Frau V1, sie müsse die in der Kasko-Versicherung vorgesehene Selbstbeteiligung von 150,00 € zwar bezahlen. Sie erhalte von der Beklagten dann aber einen Gutschein über 75,00 €, den sie zwar nicht sofort verrechnen, aber bei einem nächsten Auftrag mit der Beklagten einsetzen könne.
Am 30.05.2011 suchte Herr S eine Filiale der Beklagten in C1 auf, um gleichfalls einen Schaden an der Windschutzscheibe eines Kraftfahrzeuges reparieren zu lassen. Auch hier kam das Gespräch mit dem dort tätigen Mitarbeiter der Beklagten auf eine bei der I bestehenden Kasko-Versicherung zu sprechen. Der Mitarbeiter der Beklagten erklärte S, bei einer Beauftragung erhalte S einen Gutschein für einen Ölwechsels im Werte von 39 - 99,00 €.
Der Kläger bewertet dieses Werbeverhalten als wettbewerbswidrig.Mit Schreiben vom 08.07.2011 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
II.Der Kläger behauptet, sowohl am 28.05.2011 als auch am 30.05.2011 seien die in den Filialen O und C1 tätigen Mitarbeiter der Beklagten von sich aus auf eine Kasko-Versicherung zu sprechen gekommen und hätten die unstreitigen Gutscheinangebote unterbreitet.
Das Werbeverhalten der Beklagten verletzte § 4 Nr. 1 UWG, weil einerseits ein unangemessener Anreiz geschaffen werde und andererseits der Versicherungsnehmer verleitet werde, den in der Gutscheinerteilung zu sehenden wirtschaftlichen Vorteil nicht an seine Versicherung weiter zu leiten.
Eine entsprechende Branchenübung gebe es nicht.
Die Abmahnung der Beklagten sei daher gerechtfertigt gewesen, weshalb der Kläger auch Erstattung einer Abmahnpauschale von 219,35 € beanspruchen könne.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,
wie nachstehend beschrieben im geschäftlichen Verkehr den Austausch einer Autoglasscheibe gegenüber Kunden mit Kaskoversicherung in der Form zu bewerben, dass ein Nachlass auf die Selbstbeteiligung in Form eines Gutscheins versprochen wird, es sei denn der Versicherer hat sich hiermit einverstanden erklärt:
Hiermit versichere ich, V, wohnhaft in der T-Str. ... in ... C,
Folgendes:
Am 28.05.2011, gegen 11:26 Uhr, fuhren meine Mutter, Frau V1, und ich zu der Filiale der Firma Q, X-Str. ... in ... O.
Wir betraten das Büro, in dem uns ein Mitarbeiter, aus der Werkstatt kommend, begrüßte und nach unserem Anliegen fragte. Dieser Mitarbeiter kann wie folgt beschrieben werden: ungefähr Anfang 30, etwa 180 cm groß, mit einem Dreitagebart und Schnauzer und blondem, kurzem Haar.
Ich informierte den Mitarbeiter darüber, dass ich einen Windschutzscheibenschaden an meinem Fahrzeug, einem W, habe.
Ich wies darauf hin, dass es sich nicht auf das Fahrzeug vor Ort bezog. Ich wolle dennoch den Ablauf und die Kosten des Austausches in Erfahrung bringen.
Der Mitarbeiter erklärte den schematischen Ablauf des Austausches. Er sprach meine Teilkasko-Versicherung an und erklärte, dass die Höhe der Selbstbeteiligung von 150,00 Euro definitiv mein zu entrichtender Eigenanteil sei.
Anbieten könne er mir aber allerdings, dass sie wenigstens einen Gutschein in Höhe von 75,00 Euro erstellen können. Der Austausch koste mich dann effektiv nur 75,00 €.
Ich fragte den Mitarbeiter, wie ich mir das mit dem Gutschein vorstellen müsse und wann ich diesen einlösen könnte. Der Mitarbeiter sagte, dass der Gutschein über 75,00 € ausgeschrieben werde und bei meinem nächsten Besuch oder Einkauf angerechnet werden könne.
Ich erkundigte mich dann bei dem Mitarbeiter, ob man den Gutschein nicht auch bei dieser Reparatur anrechnen könne. Dies wurde von dem Mitarbeiter deutlich verneint, da das Geld Versicherungsgeld sei und das müssen sie an die Versicherung abführen. Er fügte hinzu, dass ich das Geld sofort bezahlen müsse. Sie könnten mir aber einen Gutschein von mindestens 75,00 Euro anbieten.
Ich fragte, ob die Versicherung von mir dieses Geld wieder haben möchte. Der Mitarbeiter verneinte meine Frage und erklärte, dass der Gutschein unabhängig von der Selbstbeteiligung erstellt werde.
Ich habe nicht aktiv nach einem Rabatt auf die Selbstbeteiligung gefragt, der Mitarbeiter bot von sich aus einen Gutschein an.
Ich erkundigte mich nach einer Visitenkarte. Nach der Verabschiedung verließen meine Mutter und ich die Filiale.
Der Mitarbeiter wies nicht darauf hin, dass vor der Gewährung des Nachlasses auf die Selbstbeteiligung, in Form eines Gutscheins, das Einverständnis der Versicherung eingeholt werden muss.
und/oder
Hiermit versichere ich, S, wohnhaft im Q1-Weg ... in ... T1,
Folgendes
Am Montag, den 30.05.2011, um 10.00 Uhr, fuhren meine Ehefrau X1 und ich auf das Gelände der Firma
Q, E-Str. ..., ... C1.
Ich erklärte den allein im Büro anwesenden Mitarbeiter, dass sich in der Windschutzscheibe des Fahrzeugs meiner Tochter ein Steinschlagschaden befinde. Ich sei aus Gründen der günstigeren Einstufung der Versicherungsnehmer und wolle nun wissen, ob der Austausch der Windschutzscheibe über die I abgerechnet werden könne.
Der Mitarbeiter, der sich als Herr I1 vorstellte, bestätigte mir mit der I abrechnen zu können.
Ich fragte den Mitarbeiter dann, ob die Höhe der Selbstbeteiligung, die ich im Gespräch mit 150,00 Euro angab, verhandelbar sei.
Der Mitarbeiter verneinte dies erst und sagte dann aber, dass ich dafür dann Gutscheine, zum Beispiel für eine Leistung in der Werkstatt, für einen Ölwechsel oder Ähnlichem, bekomme. Er sagte weiter, dass hierfür auch etwas an Geld zusammenkomme. Die Ölwechsel würden sich je nach Ölsorte zwischen 39,00 € und 99,00 € bewegen.
Meine Frage, ob die Versicherung etwas davon erfährt, wurde von dem Mitarbeiter verneint.
Herr I1 wies nicht darauf hin, dass vor der Gewährung des Nachlasses auf die Selbstbeteiligung, in Form eines Gutscheins, das Einverständnis der Versicherung eingeholt werden muss.
Meine Frau und ich gaben dann vor, uns noch einmal mit den Fahrzeugdaten und den Versicherungsdaten melden zu wollen.
Wir verließen das Gelände gegen 10.05 Uhr.
II. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet den Unterlassungsantrag des Klägers als unzureichend bestimmt. Das Werbeverhalten der Beklagten sei auch nicht zu beanstanden. Es fehle bereits an einer geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, weil die vom Kläger ausgesandten Testpersonen nie beabsichtigt hätten, mit der Beklagten einen Vertrag zu schließen. Auf die Testpersonen sei durch die Mitarbeiter der Beklagten kein unangemessener Druck ausgeübt worden. Hierzu behauptet die Beklagte, das Angebot zur Erteilung von Gutscheinen sei den Testpersonen erst unterbreitet worden, als diese hierzu ausdrücklich nachgefragt hätten.
Die Beklagte meint, die Erteilung derartiger Gutscheine stelle für einen Kunden auch keinen starken Anreiz für einen Vertragsschluss dar. Sie behauptet, die Ausgabe derartiger Gutscheine entspreche auch einer Branchenübung.
Der Beklagten könne auch nicht vorgehalten werden, dass solche Zusagen zum Nachteil der Versicherung gereichten, weil der jeweilige Gutschein nicht für den Kasko-Schaden, sondern nur für künftige Reparaturarbeiten angeboten werde. Im Übrigen seien die Reparaturkosten bei der Beklagten -ungeachtet des Gutscheins- niedriger als die Kosten einer Reparatur bei vergleichbaren anderen Anbietern. Schließlich sei das Unterlassungsbegehren deshalb unbegründet, weil die Beklagte das beanstandete Werbeverhalten bereits aus eigenem Entschluss beendet habe und deshalb keine Wiederholungsgefahr mehr anzunehmen sei.
III.Das Gericht hat Stellungnahmen der Handwerkskammer C2 vom 28.08.2012 (Bl.125 d.A.), der Handwerkskammer I2 vom 04.10.2012 (Bl.129 - 130 d.A.) und der Industrie- und Handelskammer I3 vom 17.09.2012 (Bl.127 - 128 d.A.) eingeholt, auf welche verwiesen wird. Der Kraftfahrzeug-Sachverständige S1 hat eine weitere Stellungnahme vom 27.08.2012 (Bl.126 d.A.) abgegeben.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.Der Unterlassungsantrag des Klägers ist ausreichend bestimmt, weil er auf den in der Klageschrift nachfolgenden Sachverhaltsvortrag Bezug nimmt und damit deutlich macht, dass das gegenüber den Testpersonen V1 und S gezeigte Werbeverhalten unterbleiben soll (vgl.: BGH, 17.03.2011 - I ZR 81/09 - GRUR 2011,1151; BGH, 29.04.2010 - I ZR 99/08 - GRUR 2011, 82).
II.Der Kläger kann von der Beklagten gemäß den §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8 Abs. 1 Satz 1,4 Nr. 1 UWG Unterlassung des im Urteilstenor bezeichneten Werbeverhaltens verlangen.
1.Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
Dass der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechenbare Werbeverhalten vom 28.05.2011 und 30.05.2011 steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Ob die Anregung zu einer Gutscheinsgewährung jeweils von den Testpersonen ausging, oder aber die Mitarbeiter der Beklagten von sich aus entsprechende Angebote unterbreiteten, ist für den Unterlassungsanspruch nicht wesentlich.
2.Das Anbieten von Gutscheinen war jeweils eine "geschäftliche" Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, weil das Angebot auf das Fördern des Absatzes und einen Geschäftsabschluss abzielte. Das Angebot der Mitarbeiter der Beklagten war auch objektiv geeignet, den Absatz zu fördern. Bei einer solchen objektiven Eignung ist es rechtlich nicht erforderlich, das es dann tatsächlich zur erfolgreichen Förderung des Absatzes und zum Vertragsschluss kommt (vgl.: Köhler in Köhler/Bornkamm, Kommentar zum UWG 30. Auflage § 2 Rn. 37). Die Beklagte vermag daher nicht mit Erfolg darauf zu verweisen, dass mit einem Vertragsschluss letztlich nicht zu rechnen war, weil die Testpersonen sich insgeheim vorbehielten, der Beklagten ohnehin keinen Reparaturauftrag zu erteilen. Als zum Ausfüllen des Rechtsbegriffs geschäftliche "Handlung" reicht es aus, dass -wie hier- ein verstandesgesteuertes Handeln vorliegt. Ob die beanstandete Werbehandlung nur aufgrund einer Nachfrage oder gar eines auf weitere Vorteilsgewährung ausgerichteten Insistierens der Testpersonen erfolgte, ist für § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nicht bedeutsam (vgl.: Köhler in Köhler / Bornkamm, Kommentar zum UWG 30. Auflage § 2 Rn. 11).
3.Das beanstandete Werbeverhalten war unlauter im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG. Es war objektiv geeignet, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zu beeinflussen. Eine solche objektive "Eignung" liegt auch dann vor, wenn der im Grundsatz taugliche Beeinflussungsversuch nur deshalb nicht zum Erfolge führen kann, weil die Testpersonen insgeheim entschlossen sind, mit der Beklagten keine Verträge zu schließen.
Das Werbeverhalten stellt auch eine unangemessene und unsachliche Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit dar. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seiner Entscheidung vom 08.11.2007 (I ZR 121/06) ausgeführt, zwar sei das Werben mit Preisnachlässen grundsätzlich zulässig und nur dann wettbewerbswidrig, wenn der Vergünstigung eine starke Anziehungskraft vorausgehe, welche die Rationalität der Nachfrageentscheidung auch bei einem verständigen Verbraucher vollständig in den Hintergrund treten lasse. Eine unangemessene unsachliche Beeinflussung komme aber auch dann in Betracht, wenn der angesprochene Verbraucher bei Entscheidungen, die er zu treffen habe, auch die Interessen dritter Personen wahren müsse. Soweit ein Versicherungsnehmer die Interessen des Versicherers zu vertreten habe, könne das Versprechen eines Vorteils zu seinen Gunsten deshalb gegen § 4 Nr. 1 UWG verstoßen, wenn der Versicherungsnehmer dadurch veranlasst werden könne, auf das Angebot einzugehen, ohne den Vorteil an den Versicherer weiterzuleiten. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AKB sei der Versicherungsnehmer gehalten, alles zu tun, was der Minderung des Schadens dienen könne. Dies schließe neben der Verpflichtung, die Kosten der Reparatur niedrig zu halten, auch ein, dass dem Versicherer gegenüber zutreffende Angaben zu den Kosten einer Reparatur gemacht würden. Die nach dem Versicherungsvertrag gebotene objektive Entscheidung werde durch die Gewährung eines Gutscheins beeinträchtigt. Der Kunde habe in der Regel nämlich durch die Beauftragung einer günstigeren Werkstatt keine Vorteile. Das Angebot könne ihn deshalb veranlassen, die Beklagte unter Verletzung des § 7 Abs. 2 Satz 2 AKB unter Ausschlagung eines gleichwertigen oder günstigeren Angebotes eines Mitbewerbers zu beauftragen. Dies gelte so auch in den Fällen, in denen nur die Vergabe von Gutscheinen angeboten werde. Eine unangemessene unsachliche Beeinflussung liegt nur dann nicht vor, wenn die Beklagte mit dem Angebot an Kunden zu solchen Versicherern herantrete, die mit der Vorteilsgewährung einverstanden seien.
Dann fehle es nämlich an einer Anlockwirkung. Eine unangemessene Beeinflussung liege schließlich dann nicht vor, wenn der versprochene Vorteil geringfügig oder branchenüblich sei, so dass ohne Weiteres davon ausgegangen werden könne, dass der Versicherer hiergegen keine Einwände erhebe.
Dieser überzeugenden Auffassung schließt sich die Kammer an. Sie ist auf die zu entscheidende Sachlage übertragbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht maßgeblich darauf an, dass den Testpersonen keine unmittelbare Verrechnung offeriert wurde, sondern die von der Beklagten angebotenen Gutscheine erst bei einer späteren weiteren Beauftragung eingesetzt werden sollten. Eine solche zeitliche Streckung ändert nämlich nichts am Kern des vom Bundesgerichtshofs erläuterten Vorhalts, dass sich ein durch Gutscheine angelockter Kunde nicht mehr bemühen werde, im Interesse seiner Schadensminderungsverpflichtung eine noch günstigere Werkstatt zu finden.
Auch der weitere Einwand der Beklagten, die Beklagte arbeite ohnehin kostengünstiger als konkurrierende Unternehmer, führt nicht zu einem anderen Rückschluss. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es bei der Vielfalt von Anbietern noch günstigere Werkstätten gibt, die deshalb billiger anbieten können, weil sie kalkulatorisch nicht berücksichtigen müssen, dass sie dem angelockten Kunden im Interesse eines Vertragsabschlusses weitere Vermögensvorteile in Gestalt von Gutscheinen zuwenden müssen.
Die eingeholten Stellungnahmen der Handwerkskammer C2, Handwerkskammer I2 und der Industrie- und Handelskammer I3 haben schließlich ergeben, dass es die von der Beklagten behauptete Branchenüblichkeit des Werbeverhaltens so nicht gibt. Zu einem gegenteiligen Schluss kommt die Kammer auch nicht aufgrund der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen S1 vom 27.08.2012, der ausgeführt hat, er erachtete eine hälftige Aufteilung des Kaskoanteils als "nicht unüblich". Der Kraftfahrzeugsachverständige S1 hat nämlich weiter ausgeführt, dies wisse er nur vom "Hörensagen", mithin eingeräumt, dass ihm keine einer näheren Nachprüfung zugängliche Unternehmung bekannt ist, die in gleicher Weise werbend verfährt.
4.Die gemäß § 3 UWG durchgeführte Gesamtabwägung ergibt keine besonderen Umstände, die hier ausnahmsweise zu dem Schluss führen, dass von den Mitarbeitern der Beklagten ausgeübte Werbeverhalten sei ausnahmsweise wettbewerbsrechtlich unbedenklich gewesen.
5.Die durch die wettbewerbswidrigen Handlungen indizierte Wiederholungsgefahr ist nicht dadurch weggefallen, dass die Beklagte nach ihrem Vortrag die beanstandeten Werbemaßnahmen inzwischen aufgegeben hat. Eine bloße Verhaltensänderung ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist in der Regel nicht geeignet, zu einem Fortfall der Wiederholungsgefahr zu führen. Es lässt sich dann nämlich nicht ausschließen, dass die Beklagte das beanstandete Werbeverhalten zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen kann (vgl.: BGH, 02.07.1987 -I ZR 167/85 - NJW - RR 1988, 99; OLG Hamm, 26.05.2011 - 4 U 35/11 - MMR 2011, 586; OLG Hamm, 24.04.2008, 4 W 178/07).
III.Da das Unterlassungsbegehren aus den vorgenannten Gründen berechtigt war, sind dem Kläger gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auch pauschalierte Abmahnkosten in Höhe von 219,35 € zu ersetzen (vgl.: BGH, 10.12.2009 - I ZR 149/07 - GRUR 2010, 744).
Das Zinsbegehren ist gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.
LG Essen:
Urteil v. 28.11.2012
Az: 44 O 23/12
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