Finanzgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 1. Juni 2010
Aktenzeichen: 4 K 1511/09
(FG Baden-Württemberg: Urteil v. 01.06.2010, Az.: 4 K 1511/09)
Tatbestand
Streitig ist, ob die Prüfungsanordnung (PA) des Beklagten (Bekl) vom 24. Oktober 2007 rechtmäßig ist und ob die Bestimmung des Prüfungsbeginns rechtmäßig war.
Die Klägerin (Klin) ist Teil der Y-Gruppe, die einen Konzern im Sinne des (i.S.d.) § 13 Betriebsprüfungsordnung (BpO) darstellt. Die Klin selbst ist als Kleinbetrieb (K-Betrieb) i.S.d. § 3 BpO eingestuft.
Am 2. Juli 2003 reichte sie ihre Körperschaftsteuer(KöSt)-Erklärung für 2002, ihre Erklärung zur gesonderten Feststellung zum 31. Dezember 2002, ihre Gewerbesteuer(GewSt)-Erklärung für 2002 und ihre Umsatzsteuer(USt)-Erklärung für 2002 beim Bekl ein.
Mit PA vom 24. Oktober 2007 ordnete der Bekl die Durchführung einer Außenprüfung (AP) bei der Klin an. Gegenstand der AP sollen hiernach die KöSt einschließlich gesonderter Feststellungen für die Jahre 2002 bis 2005, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für die Zeit von 31. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2005, die GewSt für die Jahre 2002 bis 2005, die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts für die Zeit von 31. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2005 sowie die USt für die Jahre 2002 bis 2005 sein. Der voraussichtliche Beginn der AP wurde auf den 21. November 2007 bestimmt.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15. November 2007 legte die Klin Einspruch gegen die PA vom 24. Oktober 2007 ein. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19. November 2007 beantragte sie dann, die Vollziehung der PA auszusetzen. Am 5. Dezember 2007 lehnte der Bekl den Antrag der Klin auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ab, da eine summarische Prüfung keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Rechtmäßigkeit der PA ergeben habe. Es sei zwar der laut § 5 Abs. 4 BpO vorgesehene Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der PA und dem vorgesehenen Prüfungsbeginn um eine Woche unterschritten worden. Inzwischen seien jedoch nach Bekanntgabe der PA mehr als fünf Wochen verstrichen. Die Geschäftsführung der Klin habe demnach genügend Zeit gehabt, sich auf die AP vorzubereiten. Im Übrigen habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 23. Februar 2005 (Az. XI R 21/04) die Nichteinhaltung der angemessenen Frist gemäß § 197 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) bei drohendem Ablauf der Festsetzungsfrist als gerechtfertigt angesehen. Außerdem kündigte der Bekl das Erscheinen des Betriebsprüfers nunmehr auf den 10. Dezember 2007, 9.00 Uhr, an. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 7. Dezember 2007 legte die Klin Einspruch gegen die Ablehnung der AdV ein, mit dem sie rügte, die Vorbereitungsfrist des § 5 Abs. 4 BpO sei nicht eingehalten. Entgegen den Ausführungen des Bekl in seinem Schreiben vom 5. Dezember 2007 sei das BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 (Az. XI R 21/04) nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der PA vom 24. Oktober 2007 zu begründen, denn im Streitfall habe bei Erlass der PA keine Festsetzungsverjährung gedroht, da die PA vom 24. Oktober 2007 ohne Weiteres einen angemessenen Prüfungsbeginn innerhalb der Festsetzungsfrist Ende November oder im Dezember 2007 hätte benennen können. Der Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2007 könne somit für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der PA keine Rolle spielen. Zudem betreffe das Urteil des BFH die Erweiterung des Prüfungszeitraums einer laufenden Betriebsprüfung. Bei Erlass einer neuen PA für Großbetriebe sei jedoch stets die vierwöchige Bekanntgabefrist gemäß § 5 Abs. 4 BpO einzuhalten. Aber selbst wenn bei Erlass der PA der Eintritt der Festsetzungsverjährung gedroht hätte, rechtfertige dies nach dem BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 30/01 die Nichteinhaltung der vierwöchigen Bekanntgabefrist gemäß § 5 Abs. 4 BpO nicht. Die Klin dulde deshalb die Durchführung der AP auf der Grundlage der PA vom 24. Oktober 2007 nicht. Den Betriebsprüfern werde bis zu einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der PA der Zugang zu den Geschäftsräumen der Y-Gruppe nicht gestattet. Das geplante Erscheinen der Betriebsprüfung am 10. Dezember 2007 bei der Y-Gruppe sei somit zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ungeeignet und daher unverhältnismäßig.
Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2007 wies der Bekl den Einspruch der Klin gegen die Ablehnung der AdV als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Frist nach § 5 Abs. 4 S. 2 BpO betrage in der Regel bei Großbetrieben vier Wochen und in allen anderen Fällen zwei Wochen. Nach der Einteilung der Betriebe in Größenklassen gemäß § 3 BpO stelle der Betrieb der Klin einen sog. Kleinbetrieb dar. Die für die Klin somit geltende zweiwöchige Frist sei mit der Bestimmung des Prüfungstermins auf den 21. November 2007 eingehalten worden. Durch die erneute Terminsbestimmung auf den 10. Dezember 2007 wäre aber selbst dann, wenn eine zu kurze Frist gesetzt worden wäre, Heilung eingetreten. Denn die Klin habe seit dem 29. Oktober 2007 und damit fast sechs Wochen vor dem Prüfungsbeginn am 10. Dezember 2007 Kenntnis von der vorgesehenen Prüfung und daher ausreichend Zeit gehabt, sich auf diese vorzubereiten.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 7. Dezember 2007 stellte die Klin beim Finanzgericht einen Antrag auf AdV.
Am 10. Dezember 2007 erschienen der Betriebsprüfer des Bekl, Herr U, sowie die zuständige Sachgebietsleiterin, Frau L, bei der Klin, um mit der AP zu beginnen. Seitens der Klin wurde jedoch mitgeteilt, dass Prüfungshandlungen aufgrund der PA vom 24. Oktober 2007 nicht geduldet würden. Die Vertreter des Bekl hinterlegten daraufhin in den Geschäftsräumen der Y-Gruppe einen verschlossenen Umschlag, der - bezogen auf die Klin - den folgenden Inhalt hat:
A Management StNr.GmbH Anfragen am 10.12.2007 1.) Welche Buchführungssoftware wurde im Prüfungszeitraum eingesetzt€ 2.) Sind die Buchführungsdaten ausgelagert oder archiviert oder können die Buchführungsdaten des Prüfungszeitraums mit dem installierten Buchführungssystem ausgewertet werden€ 3.) Sind die Daten ausgelagert oder archiviert€ 4.) In welcher Form können die Daten für eine unmittelbare Auswertung (Datenträgerüberlassung) zur Verfügung gestellt werden€ z.B. Daten im GDPdU-Beschreibungsstandard (lndex.xml) 5.) Bitte folgende Unterlagen (möglichst in digitaler Form auf Datenträger) vorlegen: Finanzbuchhaltung:- Kontennachweis zur Bilanz- Kontenblattbuchungen- Anlagenbuchführung- Debitorenliste- Kreditorenliste 6.) Rechnungsabgrenzungsposten Um Vorlage des Vertrags über die Investitionshilfe der Firma Ü wird gebeten.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13. Dezember 2007 ließ die Klin den vom Bekl bei der Klin abgegebenen Briefumschlag ungeöffnet an den Bekl zurückschicken. In diesem Zusammenhang ließ sie ausführen, die AP habe durch die Übergabe des Briefumschlags nicht begonnen. Weitere Scheinhandlungen als Versuch, den Prüfungsbeginn zu konstruieren, dulde die Y-Gruppe nicht.
Mit Beschluss vom 25. September 2008 lehnte das Finanzgericht den AdV-Antrag der Klin ab. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 an die Prozessbevollmächtigten der Klin bestimmte der Bekl daraufhin einen neuen Prüfungsbeginn auf den 8. Dezember 2008.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20. November 2008 ließ die Klin ausführen, sie werde der Betriebsprüfung am 8. Dezember 2008 keinen Zugriff auf die Daten des Jahres 2002 gewähren. Denn für das Jahr 2002 sei mit Ablauf des 31. Dezember 2007 gemäß § 171 Abs. 4 Satz 2 AO Festsetzungsverjährung eingetreten. Nach dieser Vorschrift trete durch den Beginn der AP keine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist ein, wenn eine AP unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen werde, die die Finanzbehörde zu vertreten habe. Dies sei vorliegend der Fall. Denn die Betriebsprüfung habe nach Auffassung des Bekl am 10. Dezember 2007 begonnen. Er habe die AP aber danach für mehr als sechs Monate unterbrochen und habe dies auch zu vertreten. Denn er habe nichts unternommen, um die AP während des laufenden AdV-Verfahrens fortzuführen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 3. März 2009 wies der Bekl den Einspruch der Klin gegen die PA als unbegründet und den Einspruch gegen die Festsetzung des Prüfungsbeginns als unzulässig zurück.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die gegen die Klin erlassene PA vom 24. Oktober 2007 sei rechtmäßig. Von Seiten der Klin seien keinerlei Gründe vorgetragen worden, weshalb die AP unzulässig und damit die PA rechtswidrig sei. Es seien auch sonst keine Gründe für die Annahme einer Rechtswidrigkeit der PA ersichtlich. Insbesondere sei der Bekl für den Erlass der streitgegenständlichen PA zuständig gewesen. Gemäß § 1 Nr. 6 der Verordnung des Finanzministeriums zur Übertragung von Aufgaben der Finanzverwaltung auf bestimmte Finanzämter (Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung - FAZuVO -) i.V.m. § 1 Nr. 21b FAZuVO sei der Bekl sowohl für das Veranlagungsverfahren als auch für die allgemeine AP von Körperschaften örtlich zuständig.
Soweit der Einspruch das Vorbringen betreffe, die Vorbereitungsfrist sei zu kurz bemessen worden, und sich damit gegen die Bestimmung des Prüfungsbeginns richte, sei der Einspruch mangels Beschwer unzulässig. Denn der Verwaltungsakt Bestimmung des Prüfungsbeginns habe sich mit Ablauf des Tages, an dem die AP nach Auffassung des Finanzamts habe beginnen sollen, unabhängig davon erledigt, ob die Prüfung tatsächlich begonnen habe oder nicht. Nach Einlegung des Einspruchs und dem Stellen des AdV-Antrags durch die Klin sei von Seiten des Finanzamts ein weiterer Termin zum Beginn der AP auf den 10. Dezember 2007 bestimmt worden. Soweit von der Klin vorgetragen werde, die gemäß § 5 Abs. 4 BpO für Großbetriebe geltende Frist von vier Wochen sei nicht eingehalten worden, sei dies vorliegend irrelevant, da es sich bei der Klin um keinen Großbetrieb, sondern lediglich um einen Kleinbetrieb handle. Für diese gelte lediglich eine Frist von zwei Wochen, die zweifellos eingehalten worden sei. Durch die neue Terminsbestimmung auf den 10. Dezember 2007 seien seit Erlass der PA am 24. Oktober weit mehr als vier Wochen vergangen.
Nachdem von Seiten der Klin ein AdV-Antrag beim Finanzgericht gestellt worden sei, seien keine weiteren Prüfungshandlungen vorgenommen und erst nach Abschluss des Finanzgerichtsverfahrens ein neuer Termin für den Beginn der AP gesetzt worden. Dies sei mit Schreiben des Finanzamts vom 29. Oktober 2008 geschehen, in dem ein neuer Prüfungsbeginn auf den 8. Dezember 2008 festgesetzt worden sei. Durch diese Festsetzung eines neuen Beginns habe sich der ursprüngliche Verwaltungsakt Prüfungsbeginn erledigt.
Die Klin sei damit durch den Verwaltungsakt Bestimmung des Prüfungsbeginns nicht beschwert. Der Ablauf der regulären Festsetzungsfrist Ende 2007 sei im Streitfall nach § 171 Abs. 4 gehemmt worden, weil der Beginn der für die Klin angeordneten AP durch ihren Antrag auf AdV hinausgeschoben worden sei. In diesem Zusammenhang verweist der Bekl auf die Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 17. April 2008 (Az. 10 K 43/05 mit weiteren Nachweisen - m.w.N. -). Weiter lässt er ausführen, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung führe auch ein AdV-Antrag zur Ablaufhemmung. Dieser Grundsatz sei nur dann eingeschränkt, wenn es sich um eine rechtswidrige PA handle, die vom Steuerpflichtigen angefochten worden sei. Im Streitfall liege aber eine rechtmäßige PA vor. Insbesondere liege kein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 BpO vor, da bei einem Kleinbetrieb - wie dem der Klin - die eingehaltene 2-Wochen-Frist für ausreichend erachtet werde. Außerdem sei bereits das Rechtsschutzinteresse zu versagen, da die Klin ausreichend Zeit gehabt habe, sich auf die AP vorzubereiten.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26. März 2009 erhob die Klin Klage. Zur Begründung lässt sie im Wesentlichen ausführen, sowohl der Verwaltungsakt Bestimmung des Prüfungsbeginns als auch die streitgegenständliche PA seien rechtswidrig.
Die Festlegung des Prüfungsbeginns sei ein Verwaltungsakt, durch den die Finanzbehörde zu erkennen gebe, dass der Steuerpflichtige die Prüfung an dem Tag zu dulden habe, auf den der voraussichtliche Beginn festgelegt sei (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Februar 1988 V R 57/83, BFHE 152, 217, BStBI II 1988, 413). Mit Ablauf des 21. November 2007 habe sich der Regelungsgehalt dieses Verwaltungsakts erschöpft, weil der Bekl zu dem angekündigten Zeitpunkt nicht mehr mit der Prüfung beginnen könne. Habe sich ein Verwaltungsakt erledigt, könne der Betroffene nach § 100 Abs. 1 Satz 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragen, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts festzustellen, wenn er ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung habe. Der Übergang vom Anfechtungs- zum Feststellungsantrag sei auch möglich, wenn sich der Verwaltungsakt vor Klageerhebung und vor Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erledigt habe (BFHE 152, 217 a.a.O.). Die Klin habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festlegung des Prüfungsbeginns, weil von der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts abhänge, ob der Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist für die in der PA vom 24. Oktober 2007 genannten Steuerarten gehemmt worden sei.
Nach § 171 Abs. 4 AO werde der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt, wenn vorher mit der AP begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben werde. Wer durch Anfechtung und die Beantragung von AdV der PA oder der Festlegung des Prüfungsbeginns bewirke, dass die Prüfung nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt beginne, müsse - wenn die Festlegung des Prüfungsbeginns rechtmäßig sei - demjenigen gleichgestellt werden, der die Verschiebung der Prüfung beantragt habe. Sei die Festlegung des Beginns der Prüfung jedoch rechtswidrig, werde der Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist durch den Antrag auf AdV der PA bzw. der Festlegung des Prüfungsbeginns nicht gehemmt. Dies sei vorliegend der Fall, denn die Festlegung des Prüfungsbeginns verstoße gegen § 197 Abs. 1 Satz 1 AO. Gemäß § 197 Abs. 1 Satz 1 AO seien die PA sowie der voraussichtliche Prüfungsbeginn und die Namen der Prüfer dem Steuerpflichtigen, bei dem die AP durchgeführt werden solle, angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung bekannt zu geben, wenn der Prüfungszweck dadurch nicht gefährdet werde. § 5 Abs. 4 BpO konkretisiere diese Pflicht. Nach Satz 2 dieser Vorschrift seien bei Großbetrieben vier Wochen und in anderen Fällen zwei Wochen angemessen. Da die Klin Teil der A-Firmengruppe sei, die einen Konzern i.S.d. § 13 BpO darstelle, sei sie gemäß § 13 Abs. 1 BpO unter einheitlicher Leitung und nach einheitlichen Gesichtspunkten mit den anderen Konzernunternehmen zu prüfen. Ebenfalls zum A-Konzern gehöre die T- GmbH, die nach Ansicht des Bekl die Konzernspitze darstelle. Die T- GmbH sei auch nach der im Schriftsatz des Bekl vom 4. Februar 2008 - eingereicht im AdV-Verfahren 4 V 2771/07 - geäußerten Ansicht des Bekl ein Großbetrieb i.S.d. § 5 Abs. 4 BpO. Gemäß § 13 BpO sei somit aufgrund der zwingend einheitlich durchzuführenden AP auch bei der Klin die Bekanntgabefrist von vier Wochen einzuhalten. Diese Bekanntgabefrist von vier Wochen habe der Bekl nicht eingehalten. Da die PA vom 24. Oktober 2007 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO erst am 27. Oktober 2007 als bekannt gegeben gelte, hätte der Beginn der AP gemäß § 108 Abs. 3 AO frühestens auf Montag, den 26. November 2007, festgelegt werden dürfen. Hiergegen habe der Bekl mit der Festlegung des Prüfungsbeginns auf den 21. November 2007 verstoßen. Die Festlegung des Prüfungsbeginns sei somit rechtswidrig.
Die PA vom 24. Oktober 2007 sei ebenfalls rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des BFH könne eine PA durch Ablauf der regulären Festsetzungsfrist rechtswidrig werden, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Festsetzungsfrist ausnahmsweise noch nicht abgelaufen sei (vgl. BFH-Urteil vorn 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBI II 2003, 827). Dies sei vorliegend der Fall. Denn mit Ablauf des Jahres 2007 sei für den Veranlagungszeitraum 2002 Festsetzungsverjährung eingetreten. Da die Klin die Steuererklärungen für 2002 im Jahr 2003 abgegeben habe, habe die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2003 begonnen und am 31. Dezember 2007 geendet. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei - wie bereits ausgeführt - nicht durch den Antrag auf AdV gemäß § 171 Abs. 4 AO gehemmt worden, da die Festlegung des Prüfungsbeginns rechtswidrig gewesen sei. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aufgrund der erneuten Festlegung des Prüfungsbeginns im Jahr 2008. Nur der Beginn der AP aufgrund einer neuen rechtmäßigen PA, die jederzeit hätte erlassen werden können, hätte den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmen können. Der Klage sei somit stattzugeben.
Die Klin beantragt, die PA vom 24. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2009, soweit sie als Gegenstand die KöSt einschließlich gesonderter Feststellung für 2002, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 2002, die GewSt für 2002, die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2002 und die USt für 2002 betrifft, aufzuheben, sowie die Rechtswidrigkeit der Bestimmung des Prüfungsbeginns auf den 21. November 2007, soweit sie die vorgenannten Prüfungsgegenstände betrifft, festzustellen, hilfsweise die Revision zuzulassen sowie die Beiziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Bekl beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er bezieht sich zur Erwiderung auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, entgegen der Auffassung der Klägerseite sei mit Ablauf des Jahres 2007 für den Veranlagungszeitraum 2002 keine Festsetzungsverjährung eingetreten, da der Ablauf der Festsetzungsfrist durch den Antrag auf AdV gemäß § 171 Abs. 4 AO gehemmt worden sei. Denn im AdV-Antrag der Klin sei ein Antrag auf Verschiebung des Beginns der AP i.S.d. § 197 Abs. 2 AO zu sehen und die Festlegung des Prüfungsbeginns sei rechtmäßig gewesen. Die Bezugnahme der Klin auf das BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBI II 2003, 827 sei unzutreffend. Voraussetzung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO sei, dass der Verwaltungsakt, mit dem der Prüfungsbeginn festgesetzt worden sei, rechtmäßig gewesen sei. Die PA datiere vom 24. Oktober 2007. Prüfungsbeginn habe der 21. November 2007 sein sollen. Da es sich bei der Klin um einen Kleinbetrieb handle, für den gemäß § 5 Abs. 4 BpO eine zweiwöchige Vorbereitungsfrist gelte, sei der Klin eine ausreichende Vorbereitungszeit eingeräumt worden. Der Auffassung der Klägerseite, wonach ein Konzern gemäß § 13 BpO unter einheitlicher Leitung und unter einheitlichen Gesichtspunkten zu prüfen sei, so dass für alle Konzernunternehmen die vierwöchige Frist nach § 5 Abs. 4 BpO gelte, könne nicht gefolgt werden. § 13 BpO regle allgemein die Konzernprüfung. Diese Vorschrift stehe in keinem Zusammenhang zu der eindeutig formulierten Vorschrift des § 5 Abs. 4 BpO, der die Fristen zum Beginn der Prüfung regle. Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 5 Abs. 4 BpO bestehe keinerlei Anlass, die Fristen im Konzern einheitlich zu sehen. Die Auffassung der Klin zu § 13 BpO finde somit keine Grundlage im Gesetz und sei auch bisher in der Rechtsprechung so nicht verstanden worden. Sollte das Gericht anderer Auffassung sein, gebe der Bekl zu bedenken, dass er einen neuen Prüfungsbeginn auf den 10. Dezember 2007 festgelegt habe.
Im Unterschied zur PA sei für die Bestimmung des Prüfungsbeginns keine Schriftform erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 99/04, BStBI II 2008, 7). Es sei daher keinesfalls erforderlich gewesen, eine neue PA zu erlassen. Von der Bekanntgabe der PA am 29. Oktober 2007 bis zum neuen Termin am 10. Dezember 2007 seien sechs Wochen zur Vorbereitung auf die AP vergangen. Insgesamt handle es sich daher um einen rechtmäßigen Verwaltungsakt Prüfungsbeginn.
Darüber hinaus sei nach Abschluss des Finanzgerichtsverfahrens wegen AdV der PA am 29. Oktober 2008 erneut ein Termin zum Beginn der Prüfung auf den 8. Dezember 2008 festgesetzt worden.
Auch sei noch im Jahr 2007 mit der AP begonnen worden. Der Prüfer sei erstmals am 19. November 2007 zur Prüfung erschienen. Mit dem Argument, es sei Einspruch gegen die PA eingelegt worden, sei ihm die Prüfung versagt worden. Außerdem sei der Prüfer am 10. Dezember 2007 bei der Klin erschienen, worauf ihm erneut die Sichtung der Buchhaltungsunterlagen versagt worden sei. Der Prüfer habe daraufhin vor Ort die von ihm vorbereiteten Anfragen in einem Kuvert, das später ungeöffnet an das Finanzamt zurückgeschickt worden sei, übergeben. Für eine Ablaufhemmung durch den Beginn einer AP sei zwar erforderlich, dass tatsächliche Prüfungshandlungen für die in der PA genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen würden. Prüfungshandlungen lägen aber bereits dann vor, wenn sie auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren oder Ähnlichem gerichtet seien (vgl. BFH-Urteile vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BStBI II 1994, 377 und 24. April 2003 VII R 3/02, BStBI II 2003, 739). Dies sei von Seiten des Prüfers geschehen. Im Ergebnis sei der Ablauf der Festsetzungsfrist nach beiden Varianten des § 171 Abs. 4 AO gehemmt worden, zumal der Verwaltungsakt Prüfungsbeginn und der Verwaltungsakt Prüfungsanordnung rechtmäßig (gewesen) seien.
Gründe
I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei einer PA einerseits bzw. der Bestimmung des Beginns einer AP andererseits um jeweils selbständige Verwaltungsakte (vgl. Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104,BStBl II 1987, 408; vom 18. Oktober 1988 VII R 123/85, BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76 und vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483; BFH-Beschluss vom 25. September 1987 IV B 60/87, BFH/NV 1989, 13).
A. Soweit sich die Klage gegen die PA vom 24. Oktober 2007 richtet, ist sie als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet.
1. Gemäß § 195 Satz 1 AO werden AP´en von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift können diese andere Finanzbehörden mit der AP beauftragen. Nach § 16 AO richtet sich die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG). Aufgrund der Rechtsverordnungsermächtigung in § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG vom 30. August 1971 (BGBl I S. 1426, 1427), geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 14. Dezember 1984 (BGBl I S. 1493), in Verbindung mit § 1 der Verordnung der Landesregierung zur Übertragung der Ermächtigung nach § 17 Abs. 2 FVG auf das Finanzministerium vom 4. Februar 1991 (GBl S. 86) wurde die FAZuVO vom 30. November 2004 (GBl vom 20. Dezember 2004) erlassen. Nach § 1 Nr. 6 der FAZuVO wird übertragen:
- die Besteuerung der Körperschaften samt den mit diesen zusammenhängenden atypischen stillen Gesellschaften einschließlich des Steuerabzugs vom Arbeitslohn und anderer Steuerabzugsverfahren mit Ausnahme der Komplementär-GmbH (GmbH, deren Tätigkeit sich auf die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft beschränkt), die dem jeweiligen, für die Besteuerung der Kommanditgesellschaft zuständigen Finanzamt zugeordnet bleiben, dem Finanzamt X für die Finanzämter R, G und V.
Der Bekl war hiernach für den Erlass der streitgegenständlichen PA, des Verwaltungsakts Bestimmung des Prüfungsbeginns und der Einspruchsentscheidung zuständig. Ein Anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung in § 367 Abs. 3 AO, wonach dann, wenn sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt richtet, den eine Behörde aufgrund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch entscheidet. Denn im Streitfall hat der Bekl, der auf der Grundlage der Zuständigkeitsregelung in § 1 Nr. 6 FAZuVO gehandelt hat, die streitgegenständliche PA und den Verwaltungsakt Bestimmung des Prüfungsbeginns nicht für die zuständige Finanzbehörde i.S.d. § 367 Abs. 3 Satz 1 AO erlassen, sondern er ist durch die gemäß § 1 Nr. 6 FAZuVO erfolgte Übertragung der Zuständigkeit auf ihn selbst zuständig geworden.
2. Die PA ist auch in der Sache rechtmäßig.
a) Nach § 193 Abs. 1 AO ist eine AP zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder die freiberuflich tätig sind. Bei diesem Personenkreis ist eine AP zulässig, ohne dass das Gesetz deren Anordnung von weiteren Voraussetzungen abhängig macht (vgl. BFH-Urteile vom 13. März 1987 III R 236/83, BFHE 149, 399, BStBl II 1987, 664 m.w.N. und vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4). Da die Finanzbehörden bei der vorgegebenen Personalausstattung nicht in allen Fällen, in denen dies nach § 193 Abs. 1 AO zulässig wäre, auch tatsächlich eine AP durchführen können, müssen sie die zu prüfenden Steuerpflichtigen auswählen (vgl. BFH-Urteile vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208 und vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4). Ob eine Prüfung tatsächlich angeordnet wird, liegt deshalb auch bei routinemäßigen AP´en im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts (vgl. bereits BFH-Urteil vom 24. Oktober 1972 VIII R 8/69, BFHE 108, 143, BStBl II 1973, 275). Die Finanzgerichte können deshalb den Erlass einer PA gemäß § 102 Satz 1 FGO nur daraufhin überprüfen, ob die Ermessensgrenzen überschritten sind und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Fehler bei der Ausübung des Entschließungs- und/oder des Auswahlermessens wurden von der Klägerseite nicht behauptet und sind auch sonst nicht erkennbar.
b) Auch ist die PA nicht wegen Eintritts von Festsetzungsverjährung bezüglich des Besteuerungszeitraums 2002 rechtswidrig geworden.
Zwar kann eine PA nach der Rechtsprechung des BFH durch Ablauf der regulären Festsetzungsfrist rechtswidrig werden, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Festsetzungsfrist ausnahmsweise noch nicht abgelaufen sein könnte (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827).
Im Streitfall ist indes für das Jahr 2002 keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 AO vier Jahre für Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes sind. Nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist.
Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt.
Im Streitfall wurden die KöSt-, die GewSt- und USt-Erklärung für das Jahr 2002 sowie die Erklärung zur gesonderten Feststellung zum 31. Dezember 2002 - wie sich aus der zur Gerichtsakte gereichten Übersicht des Bekl vom 13. April 2010 ergibt und was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - am 2. Juli 2003 beim Bekl eingereicht. Die reguläre Festsetzungsverjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO wäre damit mit Ablauf des Jahres 2007 abgelaufen.
Es sind jedoch die Voraussetzungen einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO gegeben.
Nach § 171 Abs. 4 AO läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die AP erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der AP erstrecken sollte, dann, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer AP begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird, nicht ab, bevor die auf Grund der AP zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine AP unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Festsetzungsfrist endet spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der AP stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 genannten Fristen verstrichen sind; eine Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.
Für eine Ablaufhemmung durch den Beginn einer AP ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH erforderlich, dass nach dem Erlass einer PA tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der PA genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume - wenn ggf. auch nur stichprobenweise - vorgenommen wurden (vgl. BFH-Urteile vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377; vom 6. Juli 1999 VIII R 17/97, BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306; vom 25. April 2001 I R 80/97, BFH/NV 2001, 1541 und vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739). Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass die Handlungen eines Außenprüfers zur Ermittlung des Steuerfalles Prüfungshandlungen sind, und zwar auch dann, wenn sie nur auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u.ä. gerichtet sind (BFH-Urteile vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377; vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739 und vom 19. März 2009 IV R 26/08, BFH/NV 2009, 1405). Bloße Scheinhandlungen des Finanzamts, die nur ein Hinausschieben des Ablaufs der Festsetzungsfrist bezwecken, stellen indes keinen Beginn der AP im Sinne des § 171 Abs. 4 AO dar (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739).
Im Streitfall hat die AP noch im Jahr 2007 begonnen. Denn mit den Anfragen bzw. Auskunftsverlangen sowie den Aufforderungen zur Vorlage bestimmter Unterlagen vom 10. Dezember 2007 ist der Betriebsprüfer konkret in die Prüfung der steuerlichen Verhältnisse der Klin in Bezug auf die von der PA umfassten Steuerarten und Besteuerungszeiträume eingetreten. Außerdem ist der Betriebsprüfer am 10. Dezember 2007 bei der Klin erschienen. Dass ihm daraufhin von der Klägerseite der Zutritt zum Betrieb und die unmittelbare Sichtung der Buchhaltung vor Ort verweigert wurde, steht der Annahme eines Beginns der AP nicht entgegen, da der Klin das von ihr in Anspruch genommene Recht, dem Betriebsprüfer den Zugang zu verwehren, nicht zustand. Denn der Betriebsprüfer war gemäß § 200 Abs. 3 Satz 2 AO befugt, die Geschäftsräume der Klin zu betreten. Diese Vorschrift ist auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 13 GG verfassungswidrig (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1988 IV R 104/86, BFHE 155, 4, BStBl II 1989, 180 und vom 24. Januar 1989 VII R 35/86, BFHE 156, 14, BStBl II 1989, 440; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 13. Oktober 1971 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54).
Weitere Voraussetzung für die Annahme eines Beginns der AP im Sinne des § 171 Abs. 4 AO ist, dass der Verwaltungsakt, mit dem der Prüfungsbeginn festgesetzt wurde, rechtmäßig war (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
Nach § 197 Abs. 1 AO sind die PA sowie der voraussichtliche Prüfungsbeginn und die Namen der Prüfer dem Steuerpflichtigen, bei dem die AP durchgeführt werden soll, angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung bekannt zu geben, wenn der Prüfungszweck dadurch nicht gefährdet wird. Als angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung sieht die Finanzverwaltung gemäß § 5 Abs. 4 BpO bei Großbetrieben in der Regel eine Frist von vier Wochen und in anderen Fällen eine Frist von zwei Wochen an. Eine längere oder kürzere Frist kann jedoch nach den Umständen des Einzelfalls möglich und geboten sein. Dabei ist der Zweck des § 197 Abs. 1 Satz 1 der AO zu berücksichtigen, nämlich dem Steuerpflichtigen die Vorbereitung auf die Prüfung zu ermöglichen. Er soll sich ohne unzumutbaren Aufwand auf die Prüfung einstellen können (BFH-Beschlüsse vom 4. Februar 1988 V R 57/83, BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413; vom 26. Januar 2000 IV B 97/99, BFH/NV 2000, 821 und vom 26. Juli 2000, BFH/NV 2001, 181; BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 49/83, BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408; vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483; vom 24. Februar 1989 III R 36/88, BFHE 156, 54, BStBl II 1989, 445 und vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827).
Im Streitfall war, da es sich bei der Klin - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - um einen Kleinbetrieb handelt, nach § 5 Abs. 4 BpO eine Vorbereitungsfrist von grundsätzlich zwei Wochen einzuhalten. Diese ist bereits mit der am 24. Oktober 2007 vorgenommenen Terminsbestimmung auf den 21. November 2007 eingehalten worden. Dass der Bekl am 21. November 2007 keine Prüfungshandlungen aufgenommen, sondern im Hinblick auf den von der Klin am 19. November 2007 gestellten AdV-Antrag zunächst davon abgesehen und mit der abschlägigen Entscheidung über den AdV-Antrag vom 5. Dezember 2007 eine erneute Terminsbestimmung auf den 10. Dezember 2007 vorgenommen hat, mit der nicht erneut eine zweiwöchige Vorbereitungsfrist eingeräumt wurde, ist unschädlich. Denn der Klin war bereits mit der ursprünglichen Terminsbestimmung auf den 21. November 2007 eine zweiwöchige Frist gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO und damit eine angemessene Vorbereitungszeit i.S.d. § 197 Abs. 1 Satz 1 AO gewährt worden.
Entgegen der Auffassung der Klin ist bei konzernangehörigen Unternehmen, die selbst keinen Großbetrieb im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 3 BpO darstellen, nicht generell eine vierwöchige Vorbereitungsfrist einzuhalten. Eine solche generelle Einräumung einer vierwöchigen Vorbereitungsfrist bei konzernangehörigen Unternehmen ist der BpO nicht zu entnehmen. Zwar bestimmt § 13 Abs. 1 BpO, dass Unternehmen, die zu einem Konzern im Sinne des § 18 Aktiengesetz (AktG) gehören, im Zusammenhang, unter einheitlicher Leitung und nach einheitlichen Gesichtspunkten zu prüfen sind, wenn die Außenumsätze der Konzernunternehmen insgesamt mindestens 25 Millionen Euro im Jahr betragen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Vorbereitungsfrist für alle konzernangehörigen Unternehmen unabhängig von der Betriebsgröße gleich lang bemessen sein muss. Zum Einen lassen eine unterschiedliche Bestimmung des Prüfungsbeginns und eine unterschiedlich lange Vorbereitungszeit den von § 13 Abs. 1 BpO verlangten Zusammenhang sowie das Merkmal nach einheitlichen Gesichtspunkten nicht entfallen. Zum Anderen findet sich in § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO eine konkretere Regelung hinsichtlich der den prüfungsbetroffenen Unternehmen jeweils zuzubilligenden Vorbereitungsfrist, die als speziellere Regelung der Regelung in § 13 BpO vorgeht. Diese Eigenständigkeit bei der Beurteilung der jeweils zu gewährenden Vorbereitungszeit ergibt sich außerdem aus dem Zweck der Einräumung der Vorbereitungsfrist des § 197 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO, wonach der jeweils Prüfungsbetroffene sich in ausreichendem Maße auf die anstehende AP vorbereiten können soll. Da die einzelnen konzernangehörigen Betriebe ungeachtet ihrer Konzernzugehörigkeit jeweils selbständige Steuersubjekte sind und - auch bei Konzernzugehörigkeit - bei Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben typischerweise ein geringerer Vorbereitungsaufwand für eine anstehende AP anfällt als bei Großbetrieben, ist - entgegen der Auffassung der Klin - in solchen Fällen nicht generell eine vierwöchige Vorbereitungsfrist einzuräumen.
Außerdem sind auch die Voraussetzungen einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alt. AO (Verschiebung der AP auf Antrag des Steuerpflichtigen) gegeben. Nach der Rechtsprechung des BFH schließt ein Antrag auf AdV einer PA das Begehren ein, den Beginn der AP hinauszuschieben, bis über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen PA entschieden ist. Ein Antrag auf AdV steht daher einem Antrag auf Verlegung des Beginns der AP im Sinne des § 197 Abs. 2 AO gleich, wenn der Verwaltungsakt, mit dem der Prüfungsbeginn festgesetzt wurde, rechtmäßig war. Ist ein solcher Verwaltungsakt jedoch - etwa wegen der Kürze der zwischen dem Prüfungsbeginn und seiner Bekanntgabe liegenden Zeit - rechtswidrig, gelten die Anfechtung der PA und der Antrag auf AdV nicht zugleich auch als Antrag auf Terminsverschiebung (BFH-Urteile vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483 und vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827; BFH-Beschluss vom 15. Mai 2007 I B 10/07, BFH/NV 2007, 1624). Andernfalls könnte das Finanzamt den Eintritt der Festsetzungsverjährung dadurch verhindern, dass es wenige Tage vor Jahresende eine PA erlässt und diese mit einer rechtswidrigen Terminsbestimmung verbindet (BFH-Beschluss vom 15. Mai 2007 I B 10/07, BFH/NV 2007, 1624). Vorliegend war die Festsetzung des Beginns der AP - wie ausgeführt - nicht rechtswidrig.
Diese Voraussetzungen für eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alt. AO sind im Streitfall ebenfalls erfüllt. Denn die Klin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19. November 2007 die AdV der PA beantragt. Zwar hat der Bekl den AdV-Antrag der Klin mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 abgelehnt. Nachdem die Klin aber mit ihrem Einspruch vom 7. Dezember 2007 und ihrem ebenfalls am 7. Dezember 2007 beim Finanzgericht gestellten AdV-Antrag ihr AdV-Begehren weiterverfolgte, liegt im Streitfall ein Antrag der Klin auf Verschieben der AP vor.
Der Annahme einer Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO steht auch nicht der Ausschlussgrund des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entgegen. Zwar wurde die AP - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 2010, Seite 2) - unmittelbar nach ihrem Beginn für mehr als sechs Monate unterbrochen (zu den Voraussetzungen einer Unterbrechung einer AP unmittelbar nach Beginn vgl. BFH-Urteil vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739). Doch hat der Bekl diese Unterbrechung nicht im Sinne des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO zu vertreten. Denn für die Zuordnung des Vertretenmüssens kommt es nicht auf die Frage des Verschuldens, sondern nur darauf an, wessen Sphäre die Gründe für die Unterbrechung zuzuordnen sind (vgl. Tipke/Kruse, AO, § 171 Rn. 46; Pahlke/Koenig/Cöster, AO, § 171 Rn. 96). Im Streitfall sind die Gründe für die Unterbrechung dem Verantwortungsbereich der Klin zuzuordnen. Denn mit der Anordnung einer AP wird dem Steuerpflichtigen aufgegeben, die AP zu dulden. Diese Duldungspflicht endet erst mit dem Abschluss der Prüfung (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Februar 1988 V R 57/83, BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413 und BFH-Urteil vom 10. April 2003 I R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827). Die Klin hat diese Duldungspflicht indes nicht erfüllt, sondern den Prüfern den Zutritt zu ihren Geschäftsräumen verwehrt. Hierzu war sie - wie ausgeführt - nicht berechtigt. Da sich die Klin mit der Weigerung, die angeordnete AP zu dulden, pflichtwidrig verhalten hat, sind die Gründe für die Unterbrechung der AP der von ihr zu verantwortenden Sphäre zuzuordnen. Auch ist der Klin angesichts ihres eigenen pflichtwidrigen Verhaltens der Hinweis darauf, der Bekl hätte sie - die Klin - ja mit Zwangsmitteln zur Duldung der AP zwingen können, verwehrt.
B. Soweit sich die Klage gegen die Bestimmung des Prüfungsbeginns richtet, ist sie als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
Da sich der Verwaltungsakt Bestimmung des Prüfungsbeginns mit Ablauf des Tages, an dem die Prüfung nach Auffassung des Finanzamts beginnen sollte, unabhängig davon erledigt, ob die Prüfung tatsächlich begonnen hat oder nicht (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 49/83 und vom 25. Januar 1989 X R 158/87, a.a.O.), ist eine Beschwer durch die Bestimmung des Termins der vorgesehenen AP mit Ablauf des 21. November 2007 weggefallen. Die gegebene Fortsetzungsfeststellungsklage ist indes zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass die Erledigung des Verwaltungsakts Terminsbestimmung bereits vor Erhebung der Klage eingetreten ist (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 25. Januar 1989 X R 158/87,BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483 und vom 24. Februar 1989 III R 36/88, BFHE 156, 54; BStBl II 1989, 445 m.w.N.). Auch ist das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse gegeben. Denn von der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bestimmung des Prüfungsbeginns hängt - wie unter I./A./2b ausgeführt - die Entscheidung ab, ob der Ablauf der Verjährungsfrist für die zu prüfenden Steuerarten gehemmt ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483 m.w.N.).
In der Sache ist die Fortsetzungsfeststellungsklage aber nicht begründet, da die Festlegung des Prüfungsbeginns - wie unter I./A./2b ausgeführt - rechtmäßig war.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision war mangels Gründen im Sinne der § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.
FG Baden-Württemberg:
Urteil v. 01.06.2010
Az: 4 K 1511/09
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