Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. März 2003
Aktenzeichen: 25 W (pat) 98/02

(BPatG: Beschluss v. 27.03.2003, Az.: 25 W (pat) 98/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Dezember 2001 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 945 116 angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Marke 945 116 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung ANTILAX ist nach Teillöschung des Verzeichnisses der Waren/Dienstleistungen im Widerspruchsverfahren vor dem DPMA noch für die Waren "Abführmittel (Laxantia)" eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. April 1998.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 1. Juni 1976 ua für die Waren "Arzneimittel" eingetragenen Marke 945 116 ANTISTAX, deren Benutzung bereits im Verfahren vor dem DPMA uneingeschränkt bestritten worden ist. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Einrede auch im Beschwerdeverfahren im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach bestehenden Unstimmigkeiten über die behauptete rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke durch die Lizenznehmerin aufrechterhalten, nachdem die Widersprechende Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer Benutzung für ein apothekenpflichtiges Venenmittel vorgelegt hat.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat - ausgehend von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für ein Venentherapeutikum - durch Beschluss vom 27. Dezember 2001 eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Unter Berücksichtigung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und den vorliegend angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen bestehe trotz des Indikationsunterschiedes der sich gegenüberstehenden Arzneimittel in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr, da die Marken in der Anzahl der Silben, im Betonungsrhythmus und vor allem in der Klangfolge "anti" übereinstimmten und die unterschiedlichen Konsonanten am jeweiligen Anfang der Endsilben im Gesamtklang nur wenig auffällig wirkten. Bei der weitreichenden Übereinstimmung beeinflussten deshalb die Abweichungen das jeweilige Klangbild nicht nachhaltig genug, um ein unterscheidbares Erinnerungsbild zu bewirken und eine Verwechslungsgefahr zu vermeiden, auch wenn man berücksichtige, dass der übereinstimmende Wortbestandteil "ANTI" als Hinweis auf Gegenmittel auf dem pharmazeutischen Gebiet verbraucht und kennzeichnungsschwach sei. Der in "LAX" liegende Hinweis auf Laxantia könne schon aufgrund der klanglichen Nähe der Marken nicht verwechslungsmindernd wirken. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr könne dahingestellt bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss des DPMA aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 945 116 angeordnet worden ist und den Widerspruch zurückzuweisen.

Eine Verwechslungsgefahr bestehe entgegen der Annahme der Markenstelle nicht. Der angegriffene Beschluss lasse außer acht, dass sich die gegenüberstehenden Waren "Abführmittel" und allenfalls "apothekenpflichtige Venentherapeutika" in ihren Wirkstoffen, Indikationsgebieten und in ihrem pharmakologischen und therapeutischen Ansatz grundlegend unterschieden, wobei die Apothekenpflicht zudem verwechslungsmindernd wirke. Im übrigen sei auf den aufgeklärten Verbraucher abzustellen, der Waren, welche die Gesundheit beträfen, mit erhöhter Aufmerksamkeit begegne. Angesichts der Vielzahl von Marken mit dem verbrauchten Anfangsbestandteil "Anti" orientiere der Verbraucher sich zudem an den sich deutlich unterscheidenden jeweiligen weiteren Markenbestanteilen "STAX" und "LAX", wobei der Sinngehalt von "LAX" für "Laxantia" noch zusätzlich verwechslungsmindernd wirke.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung darauf, dass die Markenstelle zutreffend eine Verwechslungsgefahr festgestellt habe und entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke die nur in der jeweiligen Wortmitte liegenden Abweichungen der unbetonten Konsonanten nicht geeignet sei, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Zu berücksichtigen sei insbesondere auch, dass bei den vorliegend angesprochenen Laien ungenaue Wiedergaben von Arzneimittelkennzeichnungen sowie Erinnerungslücken zu beobachten seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG) und hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht unter Berücksichtigung der für die Beschwerdeentscheidung maßgeblichen Konstellation der Waren keine Verwechslungsgefahr mehr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die angefochtene Entscheidung war deshalb aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, auch wenn der Wortanfang "ANTI" wegen seiner üblichen und naheliegenden Verwendung als Hinweis darauf, dass es sich bei dem fraglichen Arzneimittel um ein Gegenmittel handelt, kennzeichnungsschwach ist. So finden sich nicht nur entsprechend gebildete "Anti-"-Marken zB in dem Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" und nach der Registerlage, sondern auch eine Vielzahl der nach Indikationsbereichen gegliederten Hauptgruppenbezeichnungen für Arzneimittel weisen entsprechende Wortbildungen auf (so zB Antiallergika, Antibiotika, Antihypertonika, Antimykotika, Antitussiva" usw (vgl auch zur Bedeutung der Registerlage Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 144; BGH GRUR 1999, 241; 243 - Lions; BGH GRUR 1967, 246, 250 und 251 - Vitapur). Aus der Kennzeichnungsschwäche eines Wortbestandteils kann jedoch nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden, zumal es bei pharmazeutischen Erzeugnissen sogar der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, dass diese als sogenannte sprechende Zeichen durch eine phantasievolle Zusammenstellung jedenfalls für den Fachmann erkennbarer Wirkstoff- und/oder Anwendungsangaben die stoffliche Beschaffenheit und /oder das Indikationsgebiet kenntlich machen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin).

Es kann hinsichtlich der zulässig erhobenen Einrede der Nichtbenutzung vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Widersprechende die nach § 82 Abs 1 MarkenG in Verbindung mit § 294 ZPO glaubhaft zu machenden Benutzungstatsachen hinreichend belegt hat oder ob hinsichtlich der nach § 26 Abs 2 MarkenG gestellten Anforderungen an eine rechtserhaltende Benutzung durch einen Dritten sich aus den vorgelegten Unterlagen sowie der eidesstattlichen Versicherung vom 21. Juli 1999 Unstimmigkeiten hinsichtlich der Benutzung durch die Lizenznehmerin ergeben. Denn auch bei unterstellter rechtserhaltender Benutzung der Widerspruchsmarke für die in den vorgelegten Unterlagen geltend gemachten Waren, nämlich ein apothekenpflichtiges Venentherapeutikum, sieht der Senat eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken nicht begründet.

Hierbei ist auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Benutzung der Widerspruchsmarke davon auszugehen, dass wegen der auf Seiten der angegriffenen Marke gegenüberstehenden "Abführmittel (Laxantia)" ein deutlicher Indikationsunterschied zwischen den jeweiligen Waren besteht, auch soweit die Abführmittel gleichfalls Arzneimittel sein können. Hierbei sind auf Seiten der Widerspruchsmarke bei der Integrationsfrage mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke auch rezeptfreie Präparate zu berücksichtigen (vgl zB BPatG GRUR 2001, 513, 515 - CEFABRAUSE/CEFA-SEL), so dass als angesprochene Verkehrskreise auch Laien uneingeschränkt zu berücksichtigen sind (vgl auch BGH MarkenR 2002, 49, 51 - ASTRA/ESTRA-PU-REN). Allerdings ist nach gefestigter ständiger Rechtsprechung auch insoweit davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239, Tz 24 - Lloyd / Loints) und der - wie die Inhaber der angegriffenen Marke zutreffend ausgeführt hat - insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

Sind unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG jedenfalls keine strengen Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen, so hält nach Auffassung des Senats die angegriffene Marke in jeder Hinsicht noch einen hinreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

Die zweisilbigen und wie "antilax" und "antistax" gesprochenen Markenwörter unterscheiden sich in klanglicher Hinsicht ihrem jeweiligen Gesamteindruck nach noch hinreichend, auch wenn sie identische Anfangssilben sowie nicht unerhebliche Übereinstimmungen in den Endsilben aufweisen. Denn die auch klanglich gut überschaubaren und nicht langen Markenwörter weisen die im Klang deutlich abweichenden Konsonanten "l" und "st" auf, deren klangliche Unterschiede vorliegend insbesondere als Anlaute der jeweils zweiten Sprechsilbe "lax" und "stax" der Markenwörter auch im jeweiligen Gesamteindruck nicht unbemerkt bleiben werden. Hierbei ist von Bedeutung, dass die identische Anfangssilbe "ANTI" wegen ihrer Kennzeichnungsschwäche für sich kaum eine kennzeichnende Bedeutung aufweist und der Verkehr sich deshalb stärker an den weiteren, von einander abweichenden Wortbestandteilen der Markenwörter orientieren wird. Auch wenn selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen oder gar entscheidendes Gewicht erlangen können (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152, 160; BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH), sorgen deshalb die weiteren, kennzeichenmäßig dominierenden Elemente der Markenwörter unter Berücksichtigung der reduzierten Anforderungen an den Markenabstand für eine hinreichende Differenzierung des jeweiligen Gesamteindrucks der Wörter und gewährleisten noch ihr hinreichend sicheres Auseinanderhalten. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass die Verkehrsauffassung erfahrungsgemäß eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st Rspr, vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints). Es kann deshalb dahin gestellt bleiben, ob im Hinblick auf die vorliegend maßgeblichen Verkehrskreise zusätzlich davon auszugehen ist, dass der in der angegriffenen Marke mit "LAX" bestehende Indikationshinweis auf "Laxantia" in entscheidungserheblichem Umfang verwechslungsmindernd wirkt.

Ebenso weisen die Marken in jeder üblichen Schreibweise im Schriftbild wegen ihrer abweichenden Kontur der Buchstaben noch einen hinreichenden Abstand auf. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Der Senat sieht auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Marken mittelbar unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens verwechselbar sind. Denn der Markenbestandteil "ANTI" ist wegen seines beschreibenden Charakters kaum geeignet, vom Verkehr als Unternehmenshinweis und als Stammbestandteil einer von der Widersprechenden gebildeten Serienmarke aufgefasst zu werden (vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 217). Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marken in sonstiger Weise gedanklich miteinander in Verbindung bringen und deshalb verwechseln, da die Marken mit Ausnahme des kennzeichnungsschwachen Bestandteils "ANTI" keine strukturellen oder sonstigen Gemeinsamkeiten aufweisen, welche den Verkehr zu einer gemeinsamen betrieblichen Zuordnung der Marken veranlassen und eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr begründen könnte (vgl zu den Voraussetzungen BGH GRUR 2000, 608, 609 - ARD 1; BGH MarkenR 2001, 459, 464 Marlboro-Dach; BPatG GRUR 2002, 345, 346 - ASTRO BOY/Astro; BPatG GRUR 2002, 438, 440 - WISCHMAX/Max).

Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke als begründet.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Richterin Bayer isterkrankt und daherverhindert zu unter-

schreiben.

Kliems Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 27.03.2003
Az: 25 W (pat) 98/02


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