Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. November 2008
Aktenzeichen: 12 O 409/08

(LG Düsseldorf: Urteil v. 19.11.2008, Az.: 12 O 409/08)

Tenor

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt,

von den nachfolgend abgelichteten Abbildungen, soweit sie in dem von der Antragsgegnerin hergestellten Buch „X“, 1. Auflage 2008, enthalten sind, Vervielfältigungsstücke herzustellen, sie der Öffentlichkeit anzubieten und/oder sie in Verkehr zu bringen:

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin zu 60 % und der Antragstellerin zu 40 % auferlegt.

Die Antragstellerin darf die Vollstreckung der Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn die Antragsgegnerin leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist ein Fachverlag auf dem Gebiet der Ausbildungsliteratur für die zahnmedizinische Behandlungsassistenz. Sie bringt seit 1991 ein Unterrichtungswerk "X" heraus, welches seit 2002 in einer überarbeiteten Fassung unter dem Titel "X" vertrieben wird.

Die Antragstellerin ist mit diesem Werk von Anfang an Marktführerin auf dem Gebiet der Unterrichtswerke im Bereich der Ausbildung zahnmedizinischer Assistenzberufe. Autor dieser Werke ist X. Dieser hatte für die Antragsgegnerin ein Lehrbuch "X" verfasst, welches in einer Neubearbeitung seit 2000 bei der Antragsgegnerin erschien, jetzt aber von dieser nicht mehr fortgeführt wird. Seit Juli 2008 bringt die Antragsgegnerin das Werk "X" heraus.

Die Antragstellerin trägt vor:

In ihrem Werk "X" habe die Antragsgegnerin die im Klageantrag enthaltenen Abbildungen aus den Werken "X" bzw. "X" identisch übernommen. Die Abbildungen seien von dem Diplom-Biologen und Grafiker X gemeinsam mit X in methodischdidaktischer Abstraktion erarbeitet und anschließend in den Jahren 1990 bis 2001 zeichnerisch umgesetzt worden. X habe alle urheberrechtlichen Verwertungs- und Abwehrrechte im rechtlich höchst zulässigen Umfang und ausschließlich an X übertragen mit dem weiteren Recht, diese an die Antragstellerin weiter zu übertragen, was dieser dann auch getan habe.

Zunächst hat die Antragstellerin sich darauf berufen, dass die Antragsgegnerin neben den streitgegenständlichen Abbildungen auch die auf Blatt 30 bis 33 der Antragsschrift dargestellten Textpassagen übernommen habe und beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin zu untersagen, das Lehrbuch "X" in der Fassung 1. Auflage 2008 zu vervielfältigen, vervielfältigen zu lassen, zu vertreiben, vertreiben zu lassen, anzukündigen, anzupreisen oder ankündigen oder anpreisen zu lassen

hilfsweise der Antragsgegnerin zu untersagen, das vorgenannte Lehrbuch zu vervielfältigen, vervielfältigen zu lassen, zu vertreiben, vertreiben zu lassen, anzukündigen, anzupreisen, ankündigen oder anpreisen zu lassen oder in sonstiger Weise zum Bezug dieses Buches aufzufordern, wenn und solange dieses Buch ein oder mehrere oder alle der nachstehend spezifizierten Abbildungen enthält:

Rachen Längsschnitt, S. 57, Abb. 3

Aufbau eines Zahns, Zahnhalteapparat, S. 63, Abb. 1

Nervenversorgung im Unterkiefer, S. 180

Nervenversorgung am Kinn, S. 180

Abszesse, S. 199, Abb. 1 und 2

Aufbau des Herzens, S. 231, Abb. 1 und 3

Gefäßanordnung im Körperkreislauf, S. 233, Abb. 1

Schnittführung bei einer Exzision, S. 282, Abb. 2

Röntgenaufnahmen, S. 381, Abb. 5 a) und b)

und der Antragsgegnerin aufzugeben, sämtliche rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke des in Ziffer 1. beschriebenen Lehrbuchs, welche im Besitz oder Eigentum der Antragsgegnerin stehen einschließlich der unter Eigentumsvorbehalt an Dritte ausgelieferte Vervielfältigungsstücke, an den zuständigen Gerichtsvollzieher zur vorläufigen Verwahrung herauszugeben.

Die Kammer hat durch Beschluss vom 22.08.2008 angeordnet, dass über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden werden soll.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

der Antragsgegnerin bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihren Geschäftsführer, zu untersagen,

von den nachfolgend abgelichteten Abbildungen Vervielfältigungsstücke herzustellen, sie der Öffentlichkeit anzubieten und/oder sie in Verkehr zu bringen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor:

Die streitgegenständlichen Abbildungen seien nicht urheberrechtsfähig, da wegen der biologischen Gegebenheiten kein nennenswerter Gestaltungsspielraum bestehe. Hinzu komme, dass aufgrund des vorgegebenen Rahmenplans der Kultusministerkonferenz bestimmte Inhalte vermittelt werden müssten. Im Übrigen läge wegen zahlreicher Abweichungen keine identische oder nahezu identische Übernahme der Abbildungen vor. Zudem würden derartige Darstellungen anatomischer und physiologischer Strukturen in medizinischen Fachbüchern aus der Sache bedingt sehr ähnlich dargestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die zur Akte gereichten eidesstattlichen Versicherungen sowie die Sitzungsniederschrift vom 29.10.2008 verwiesen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, da der Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der aus dem Tenor ersichtlichen Abbildungen ein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zusteht, den sie im Hinblick auf die fortdauernde Beeinträchtigung im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann (I.). Hinsichtlich der Abbildungen (5), (6) und (11) ist indessen ein Unterlassungsanspruch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellbar und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen (II.).

II.

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie Verletzte im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist, weil die Antragsgegnerin widerrechtlich in die der Antragstellerin zustehenden ausschließlichen Nutzungsrechte an den von X und X geschaffenen Abbildungen eingegriffen hat.

Diese Abbildungen genießen als Darstellungen wissenschaftlicher Art Urheberrechtsschutz im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG.

Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art sind urheberrechtlich geschützt, wenn die Darstellung selbst eine schöpferische Leistung beinhaltet (Wandke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 137). Eine wissenschaftliche oder technische Darstellung besitzt nur Urheberrechtsschutz, wenn die Form der Darstellung nicht bloß durch technische Zwänge entstanden ist. Der Urheber muss genügend Freiraum bei der Gestaltung der Darstellung besessen haben, damit diese individuell durch ihn geprägt werden konnte (a.a.O. Rdnr. 138). Im des § 2 Abs. 1 Nr.7 UrhG ist kein zu hohes Maß an eigenschöpferischer Formgestaltung zu verlangen, da derartige Darstellungen unter den Schutz des Urhebergesetzes gestellt werden, obwohl sie regelmäßig einem praktischen Zweck dienen, der den Spielraum für eine individuelle Gestaltung einengt. Es reicht aus, dass eine individuelle - sich vom alltäglichen Schaffen im Bereich technischer Zeichnungen abhebende - Geistestätigkeit in dem darstellerischen Gedanken zum Ausdruck kommt, mag auch das Maß an Eigentümlichkeit, an individueller Prägung gering sein. Allerdings folgt aus einem geringen Maß an Eigentümlichkeit auch ein entsprechend enger Schutzumfang bei dem betreffenden Werk (BGH NJW-RR 1991, 1189 - technische Explosionszeichnungen -).

Wie sich aus den eidesstattlichen Versicherungen von X und X (Anlage AST 17 und AST 18) ergibt und auch anhand der zur Akte gereichten Abbildungen nachvollziehbar ist, geben die Abbildungen nicht einfach biologische Gegebenheiten wieder, sondern sind methodischdidaktisch Interpretationen von anatomischen, physiologischen und pathologischen Sachverhalten. Dabei werden, so haben X und X eidesstattlich versichert, durch die zeichnerischkünstlerische Interpretation die fachlich wichtigen Inhalte hervorgehoben und die weniger wichtigen Begleitumstände abgeschwächt. Die methodischdidaktische Darstellungsidee wird in der Regel dreidimensional, also plastisch umgesetzt wobei wie sich aus den eidesstattlichen Versicherungen ergibt, die klassische Trennung von reinem Schema einerseits und unveränderter Darstellung eines biologischen Sachverhaltes überwunden werden sollte. Diese eidesstattlichen Versicherungen lassen im Zusammenhang mit den zur Akte gelangten Abbildungen erkennen, dass den streitgegenständlichen Darstellungen eine vom alltäglichen Schaffen abhebende Geistestätigkeit zugrunde liegt. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, im Hinblick auf die Vorgaben der Kultusministerkonferenz verbleibe kein ausreichender Gestaltungsspielraum, trifft dies nicht zu. Vorgegeben werden die Lerninhalte, nicht aber die Art und Weise, wie diese darstellerisch vermittelt werden sollen.

Aus den als Anlage AST 3 und AST 8 vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen von X und X folgt zugleich, dass X in rechtlich größtmöglichen Umfang alle Verwertungsrechte und sonstigen urheberrechtlichen Befugnisse an den streitgegenständlichen Originaldarstellungen X übertragen hat und ihm auch die Berechtigung eingeräumt hat, diese Rechte auf die Antragstellerin zu übertragen und X eine entsprechende Rechtsübertragung auf die Antragstellerin vornahm, nachdem diese die Vergütungszahlung an X für die einzelnen Werke leistete.

Hinsichtlich der im Klageantrag unter den Ziffern (1), (2), (3), (4), (7), (8), (9), (10) und (12) verletzte die Antragsgegnerin durch Übernahme der Abbildungen in ihrem Werk "X" die ausschließlichen Nutzungsrechte der Antragstellerin.

Im Einzelnen ergibt sich zu den Abbildungen Folgendes:

a) Abbildung (1)

Soweit die Antragsgegnerin sich insoweit auf die als Anlagen A 8 bis A 12 vorgelegten Abbildungen (Bl. 110 ff. GA) beruft, stehen diese der Annahme, dass X und X eine urheberrechtsfähige Leistung geschaffen haben, nicht entgegen. Wie sich aus der im Termin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung von X vom 29.10.2008 in Verbindung mit dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 28.10.2008 ergibt, wurde die Zeichnung von X bereits im Jahre 1991 geschaffen. Die Antragstellerin beruft sich insoweit auf Veröffentlichungen aus den Jahren 1996 und 1999. Soweit die Antragsgegnerin sich auf die Abbildung in dem Buch X von X, Seite 272 beruft, ist nicht ersichtlich, wann die Zeichnung gefertigt worden ist. Die Antragsgegnerin hat insoweit die dritte erweiterte Auflage von 1998 vorgelegt. Auch die erste Auflage des Werkes datiert von 1994, also einem Zeitpunkt nach der Fertigung der Abbildung durch X und X . Im Übrigen unterscheiden sich die Abbildungen, auf die die Antragsgegnerin sich beruft insbesondere darin, dass diese jeweils die Darstellung der Wirbelsäule enthalten, die von X und X gerade weggelassen wurde.

Die Abbildung wurde von der Antragsgegnerin in ihrem Buch "X" auf Seite 57 aus dem von der Antragstellerin verlegten Buchs "X", Seite 222, Abbildung 7.22 übernommen. Ausweislich der als Anlage AST 15 vorgelegten Folien wurde lediglich ein geringfügiger anderer Ausschnitt gewählt. Die Kontur, die das Profil zeigt, ist jedoch vollkommen identisch. Soweit die Farbgebung abweicht und die Linienführung der Pfeile nicht identisch übernommen worden ist, steht dies der Annahme einer Nachahmung nicht entgegen. Die der Darstellung eigentümlichen Vereinfachungen und Proportionen wurden identisch übernommen. Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, die Gaumenmandel sowie die Tuba auditiva eingezeichnet und beschriftet, die Rachenmandeln abgebildet und beschriftet, die Nasenmuscheln in räumlicher Darstellung genauer gezeichnet und den Kehlkopfeingang differenzierter dargestellt zu haben, steht dies einer Nachahmung nicht entgegen. Durch die Einzeichnung dieser Details bzw. Beschriftungen ist keine freie Bearbeitung entstanden, da kein abweichender Gesamteindruck entsteht.

b) Abbildung Zahn (2)

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, dass die Darstellung des Kanals für die Nerven und Gefäße in vergleichbaren Darstellungen üblich ist, steht dies der Annahme einer urheberrechtsfähigen Leistung durch X und X nicht entgegen. X hat an Eides Statt versichert, dass seine Darstellung aus dem Jahre 1990 stammt. Soweit die Antragstellerin sich auf eine Darstellung aus der X beruft, ist nicht ersichtlich, wann diese erstellt worden ist. Soweit sie sich auf eine weitere Darstellung des X, X beruft, ist ebenso nicht ersichtlich, wann diese erstellt worden ist. Im Übrigen unterscheidet sich Letztere von der streitgegenständlichen Darstellung schon insoweit, als dass Zahn und Zahnwurzel und deren Querschnitt nicht in einer Abbildung gegenüber gestellt werden.

Die Antragsgegnerin hat in ihrem Werk "X", Seite 63, Abbildung 1, die Abbildung aus dem Werk der Antragstellerin "X", Seite 93, Abbildung 4.45 übernommen.

Die als Anlage 15 vorgelegte Folie, die die Abbildungen übereinander legt, zeigt, dass wiederum lediglich ein geringfügig abweichender Ausschnitt gewählt wurde, dass aber sowohl die inneren Linien als auch die äußere Linienführung im Wesentlichen übereinstimmen.

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, ihre Darstellung unterscheide sich im Hinblick auf Fissuren auf der Kaufläche, die Schattengebung an der Zahnkrone, eine andere Darstellung des am Zahnhals anliegenden Zahnfleischs sowie eine dünnere Linie, welche die Schmelz-Dentin-Grenze darstellen soll sowie Paradontalfasern, handelt es sich um Abweichungen, die keinesfalls eine freie Bearbeitung entstehen lassen. Denn maßgeblich ist, dass die schematische Darstellung im Wesentlichen übernommen wurde. Das Hinzufügen von kleinen Details, lässt kein neues Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG entstehen.

c) Versorgung im Unterkiefer (3) und (4)

Soweit die Antragsgegnerin sich hinsichtlich der Abbildungen (3) und (4) auf eine Abbildung aus dem "X", X, 1988 und aus dem Werk "X", X und X , beruft und diese als Anlagen A 16 und 17 vorlegt, spricht dies keinesfalls gegen die Urheberrechtsfähigkeit der streitgegenständlichen Abbildungen (3) und (4), denn es handelt sich jeweils um die Abbildungen des gesamten Kiefers einschließlich der dazugehörigen Nervenstränge. Demgegenüber zeigen die streitgegenständlichen Abbildungen jeweils lediglich Ausschnitte. Soweit die Antragstellerin sich in der im Termin vorgelegten Abbildungen aus der Fachliteratur bezieht, stehen diese ebenfalls der Annahme einer urheberrechtsfähigen Leistung nicht entgegen, da zum einen nicht glaubhaft gemacht worden ist, von wann die Darstellungen datieren.

Die Antragsgegnerin hat in ihrem Buch "X", Seite 180, Abbildung 1 die Abbildung aus dem Werk der Antragstellerin "X", Seite 185, Abbildung 5.28 übernommen. Dies ergibt sich aus den Folien, die als Anlage 15 vorgelegt worden sind. Hieraus folgt, dass der Umriss der Abbildungen identisch übernommen worden ist. Lediglich der Verlauf der Nervenstränge weicht geringfügig voneinander ab. Hieraus ergeben sich jedoch nicht die Voraussetzungen für eine freie Bearbeitung im Sinne von § 3 UrhG. Denn die schematische Darstellung ist in ihrem Kern identisch übernommen worden.

Soweit die Antragstellerin sich hinsichtlich der Abbildung (3) darauf beruft, dass der linke nervus trigenimus abgebildet, der Knochen von Oberkiefer und Unterkiefer nicht eröffnet, das Wurzelelement der Zähne eingefärbt, das Foramen mandibulae eingezeichnet und beschriftet, das Foramen mentale beschriftet, der nervus infraorbitalis nicht beschriftet, der Stumpf des nervus lingualis deutlich kleiner, der aufsteigende Ast des Unterkiefers eine andere Form, das Caput mandibulae (Unterkiefergelenkköpfchen) nicht abgebildet worden sei, die Aufgabelung des nervus maxilaris über den Jochbogen liege sowie der Verlauf der Äste des nervus maxilaris und des nervus mandibularis deutlich erkennbar anders sei, ist dies unerheblich. Maßgeblich ist, dass ein identischer Ausschnitt in identischer Proportion dargestellt und in gleicher Weise abstrahiert worden ist. Entsprechendes gilt für die von der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Abbildung (4) dargestellten Abweichungen. Auch diese lassen eine freie Bearbeitung nicht entstehen.

d) Aufbau des Herzens Abbildungen (7), (8) und (9)

Soweit die Antragsgegnerin sich auf Abbildungen zum Aufbau des Herzens in anderen Veröffentlichungen beruft, steht dies der Annahme einer urheberrechtlich geschützten Abbildung nicht entgegen. Die Antragstellerin hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung von X vom 29.10.2008 glaubhaft gemacht, dass die Abbildungen zum Aufbau des Herzens aus dem Jahre 1991 stammen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Abbildungen, auf die die Antragsgegnerin sich beruft, vor diesem Zeitpunkt veröffentlicht wurden. Die Werke, die die Antragsgegnerin zitiert, sind in den Jahren 1994, 1996 und 1999 erschienen.

Die Antragsgegnerin hat die Abbildungen zum Aufbau des Herzens aus den von der Antragstellerin verlegten Werken "X", Seite 213, Abbildung 7.8 und dem von ihr selbst herausgegebenen Werk mit Zeichnungen des X "X", Seite 118/119 Abbildung 3.78 und 3.79 - die Nutzungsrechte wurden der Antragsgegnerin nur für dieses Werk übertragen - in ihrem Buch "X", Seite 231, Abb.1 übernommen. Die als Anlage AST 15 vorgelegten Folien zeigen, dass die Abbildungen wiederum einen identischen Umriss aufweisen. Auch die Farben und Schatten sind nahezu identisch übernommen worden. Identisch ist auch die Perspektive und die Art des Querschnittes sowie des gewählten Ausschnitts mit der Abbildung (8).

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, dass im Werk der Antragsgegnerin die Pulmonalklappe nicht vollständig geschlossen sei, beide Vorhöfe im Verhältnis zur Kammer größer dargestellt sind, die Mitralklappe differenzierter dargestellt, die räumlichen Verhältnisse, insbesondere die Vorhöfe deutlich dargestellt, die Papillarmuskeln dargestellt und das Myokard im Ausschnitt differenzierter dargestellt ist, handelt es sich um Details, die nicht dazu führen, dass sich die Darstellung in dem von der Antragsgegnerin veröffentlichten Werk deutlich von den Abbildungen abhebt, an denen die ausschließlichen Nutzungsrechte der Antragstellerin zustehen. Durch die als unerheblich zu bewertenden Veränderungen ist keinesfalls eine freie Bearbeitung im Sinne von § 3 UrhG entstanden.

e) Gefäßanordnung im Körperkreislauf, Abbildung (10)

Auch insoweit kann die Antragsgegnerin sich nicht darauf berufen, dass eine urheberrechtsfähige Leistung nicht vorliegt, weil die Darstellung der üblichen Darstellung in der einschlägigen Fachliteratur entspricht. Zum einen datiert die als Anlage A 30 vorgelegte Abbildung nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin aus dem Jahre 2004. Die Antragstellerin hat demgegenüber glaubhaft gemacht, dass X und X die Abbildung bereits im Jahre 1991 geschaffen haben. Hinzu kommt, dass die als Anlage A 30 vorgelegte Abbildung deutlich zeigt, dass eine andere Darstellung als die von X und X geschaffene Darstellung möglich ist. Dies wird auch durch die von der Antragstellerin als Anlagenkonvolut Ast. 20 vorgelegten Darstellungen bestätigt.

Die Antragsgegnerin hat die Abbildung aus dem Werk "X", Seite 216, Abb. 7.14 in ihrem Werk "X", Seite 233, Abb. 1 nahezu identisch übernommen. Die als Anlage AST 15 vorgelegten Folien zeigen, das Perspektive und Linienführung der Darstellung nahezu identisch übernommen wurden. Soweit Abweichungen vorliegen, treten diese in der Gesamtheit vollständig zurück. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der unterschiedlichen Art der Beschriftung und der dazugehörigen Pfeildarstellung. Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, die Herzkranzgefäße seien deutlich anders dargestellt und auf die Darstellung der Venenklappen sei verzichtet worden, handelt es sich um Details, die vollkommen in den Hintergrund treten und nicht zu einem anderen Gesamteindruck führen, der durch die Perspektive, die Farbgebung und die eingezeichneten Schatten bestimmt wird. Genau diese Punkte sind indessen übernommen worden.

f) Röntgenaufnahmen, Abbildung (12)

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, bezüglich der Röntgenaufnahmen sei ihr von der Zahnärztekammer X eine Abdruckgenehmigung erteilt worden, hat sie dies nicht in geeigneter Weise glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat bestritten, dass die Zahnärztekammer eine entsprechende Genehmigung erteilen durfte. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall war, ergeben sich aus dem als Anlage A 5 vorgelegten Schreiben der Zahnärztekammer X vom 09.10.2008, in dem die Zahnärztekammer gegenüber X ihr Bedauern ausdrückt, dass es "zu der betreffenden Situation gekommen ist". Die Antragsgegnerin hat keine geeignete eidesstattliche Versicherung dafür vorgelegt, dass die Zahnärztekammer eine entsprechende Genehmigung erteilen durfte. Die als Anlage A 35 vorgelegte E-Mail sagt nichts darüber aus, dass der Zahnärztekammer X die Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Darstellung zustanden.

Die Antragsgegnerin hat die Abbildung aus dem Werk "X", Seite 213, Abb. 416 identisch übernommen in ihrem Werk "X", Seite 381, Abb. 5. Die als Anlage AST 15 vorgelegte Folie ergibt, dass die Linienführung absolut identisch ist. Verändert wurde lediglich die farbliche Gestaltung der Kennzeichnung, wobei diese wiederum an den identischen Punkten eingezeichnet wurde. Die Kammer verkennt nicht, dass der Schutzbereich dieser Abbildung überaus eng zu ziehen ist, weil die Darstellung eng an der anatomischen Wirklichkeit angelehnt ist. Dennoch weist die Abbildung im Hinblick auf die vorgenommene Reduzierung die erforderliche schöpferische Höhe auf.

II.

Der Antrag ist zurückzuweisen hinsichtlich der im Antrag zu den Ziffern (5), (6) und (11) enthaltenen Abbildungen.

a) Abszesse, Abbildungen (5) und (6)

Die Antragsgegnerin hat mit den Abbildungen in ihrem Werk "X", Seite 199, Abb. 1 und 2 nicht die Abbildungen auf den von der Antragstellerin herausgegebenen Werk "X" Seite 194, Abbildung 5.41 übernommen. Die als Anlage AST 15 vorgelegten Folien zeigen, dass die Linienführung im Umriss nicht übernommen wurden. Auch ist der gewählte Ausschnitt nicht identisch. Während die Abbildung im Werk der Antragsgegnerin drei Zähne zeigt, zeigt diejenige im Werk der Antragstellerin nur zwei Zähne. Ähnlich ist zwar die Darstellung im Querschnitt, jedoch führt die unterschiedliche Farbgebung sowie die unterschiedliche Linienführung im Detail dazu, dass von einer freien Bearbeitung im Sinne von § 3 UrhG auszugehen ist. Zudem sind die Abszesshöhlen anders gefärbt und der Eiter wird bei den Abbildungen im Werk der Antragsgegnerin grünlich dargestellt. Hinzu kommt, dass die Anmutung des Knochens im Verlaufe der Schattierung differiert.

b) Schnittführung bei einer Exzision, Abbildung (11)

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin mit ihren Abbildungen einer Exzision in ihrem Werk "X", Seite 282, Abbildung 2, die Abbildungen aus dem Werk X Seite 259, Abbildung 8.32 übernommen hat. Zwar zeigen beide Abbildungen einen geöffneten Mund. Insoweit sind die äußeren Umrisslinien auch nahezu identisch. Es differieren die Abbildungen hinsichtlich des verwendeten Instrumentes. Auch unterscheidet sich die Art der schematischen Darstellung der Mundhöhle in der Farb- und Schattengebung deutlich. Zudem weicht die Perspektive hinsichtlich der Anzahl der dargestellten Zähne voneinander ab. Vor diesem Hintergrund kann insgesamt nicht von einer Nachahmung ausgegangen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs.3, S.2, 92 ZPO. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Kostenentscheidung, dass die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch wegen der Übernahme von Texten nicht weiterverfolgt hat.

Soweit die einstweilige Verfügung erlassen worden ist, bedurfte es einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht. Im Übrigen ergibt sich die Entscheidung aus § 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert:

Bis zum 09.09.2008: 300.000,-€

danach: 240.000,-€






LG Düsseldorf:
Urteil v. 19.11.2008
Az: 12 O 409/08


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