Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juni 2010
Aktenzeichen: 10 W (pat) 13/09

(BPatG: Beschluss v. 08.06.2010, Az.: 10 W (pat) 13/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Auf die am 1. Dezember 1998 eingereichte Anmeldung wurde der Patentinhaberin, die technische Schutzrecht in großer Anzahl verwaltet, am 6. Juli 2004 das Patent DE 198 55 465 mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur Blutprobennahme und-Analyse" erteilt.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 9. Februar 2005 hat die weitere Beteiligte Einspruch gegen das Patent eingelegt. Das Einspruchsverfahren wird beim Bundespatentgericht unter dem Az. 21 W 312/05 geführt.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2008 ("Wichtige Mitteilung!)" wies das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse A61M - die Patentinhaberin auf den Fristablauf für die Zahlung der 10. Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag am 30. Juni 2008 hin und vermerkte am 8. August 2008 in der Amtsakte, dass das patent wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen sei.

Mit an das Patentamt gerichtetem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 5. September 2008, dort eingegangen am selben Tag, hat die Patentinhaberin Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 10. Jahresgebühr mit Zuschlag gestellt. Dem Schriftsatz war als Anlage eine Einzugsermächtigung über die Gebühr nebst Verspätungszuschlag beigefügt. Zur Begründung ist ausgeführt, das Fristversäumnis sei auf ein einmaliges Fehlverhalten der langjährigen und stets zuverlässigen Mitarbeiterin der Patentinhaberin L... zurückzufüh ren. Das Verwaltungsteam, dem Frau S... angehöre, sei angewiesen worden, bestehende Schutzrechte auf das Vorhandensein von Lizenzvereinbarungen hin zu überprüfen. Bei Vorliegen einer solchen sollten die Schutzrechtsunterlagen an einen im Hause der Antragstellerin zuständigen Rechtsanwalt weitergeleitet werden zur Prüfung, ob das Schutzrecht aufrechtzuerhalten sei. Existierten keine Lizenzverträge, so sollte durch das Verwaltungsteam eine Eingabe in die Datenbank der Patentinhaberin erfolgen; das entsprechende Schutzrecht wurde in der Folge aufgegeben. Ohne die vorstehend beschriebene Überprüfung auf das Vorhandensein einer Lizenzvereinbarung habe Frau L... im Herbst 2007 das verfahrensgegenständliche patent als ein durch Nichtzahlung der Jahresgebühr fallen zu lassendes Schutzrecht in die Datenbank eingegeben. Diesen Fehler habe die Patentinhaberin erst Ende Juli 2008 bemerkt.

Das Patentamt - Patentabteilung 1.55 - hat mit Beschluss vom 26. Februar 2009 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Nach Auffassung des Amtes beruhe die nichtrechtzeitige Zahlung der 10. Jahresgebühr nicht allein auf einem Fehlverhalten vom Frau S.... die Patentinhaberin habe das Fristversäumnis vielmehr selbst verschuldet. sie hätte sich nämlich nicht allein auf den (fehlerhaften) Eintrag in ihrer Datenbank verlassen dürfen. Sowohl aufgrund der Mitteilung des Patentamts vom 13. Mai 2008 über den Ablauf der Frist zur Einzahlung der 10. Jahresgebühr am 30. Juni 2008 als auch im Hinblick auf das anhängige Einspruchsverfahren hätte Anlass bestanden, rechtzeitig vor Fristablauf den "Status" des Patents auf das Bestehen von Lizenzverträgen und die Frage einer Aufrechterhaltung des verfahrensgegenstädlichen Schutzrechts hin nochmals zu überprüfen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie lässt vortragen, dem Fristversäumnis liege ausschließlich ein einmaliges Fehlverhalten ihrer Mitarbeiterin L... zugrunde, für das sie, di Patentinhabe rin, nicht einzustehen habe. Dem Begehren auf Wiedereinsetzung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Patentinhaberin die Tätigkeit von Frau S... nicht ausreichend überwacht habe. Dem widerspreche die Tatsache, dass die im Hause der Patentinhaberin tätigen Rechtsanwälte alle von Frau S... vorgelegten Vorgänge auf die Frage einer Aufrechterhaltung des entspre chenden Schutzrechts hin überprüft hätten.

Die Patentinhaberin beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Februar 2009 aufzuheben und die Patentinhaberin in die Frist zur Zahlung der 10. Jahresgebühr mit Zuschlag wiedereinzusetzen.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach könne der Beschwerde kein Erfolg verbeschieden sein, da eine Überprüfung der Dateneingaben durch Frau L... im Unternehmen der Antragstellerin offensichtlich nicht erfolge. Fehlerhafte Eingaben in die Datenbank bleiben somit unentdeckt. Eine derartige Organisation werde den an die Überprüfung von Jahresgebühren durch die Patentabteilung eines größeren Unternehmens zu stellenden Anforderungen nicht gerecht, weshalb die Patentinhaberin für das Verschulden ihrer Mitarbeiterin einzustehen habe.

II.

Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist unbegründet. Die Zurückweisung ihres Antrags auf Widereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 10. Jahresgebühr durch das Patentamt ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. die hiergegen von der Patentinhaberin vorgebrachten Einwände verhelfen ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg.

1. Die Patentinhaberin hat die Frist zur nach § 17 Abs. 1 PatG zu entrichtenden 10. Jahresgebühr versäumt. diese ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 PatKostG am 31. Dezember 2007 fällig geworden und konnte gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Pat-KostG bis Ende Februar 2008 zuschlagfrei, bis zum 30. Juni 2008 mit Verspätungszuschlag /§ 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostg) gezahlt werden. Die mit Vorlage der Einzugsermächtigung vom 5. September 2008 an das Patentamt bewirkte Zahlung der 10. Jahresgebühr nebst Verspätungszuschlag (§ 2 Nr. 4 PatKostZV) war mithin verspätet. Dies hat gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG das Erlöschen des Patents zur Folge.

2. a) der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, insbesondere ist die Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG eingehalten. Der Wegfall des Hindernisses tritt ein, sobald das Ereignis seine hindernde Wirkung auf den Säumigen oder dessen Vertreter verliert, also wenn der Säumige oder sein Vertreter bei der Aufwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl. 2008, § 123 Rn. 27). Hindernis für die versäumte Zahlung der 10. Jahresgebühr war der Fehleintrag in die Datenbank der Patentinhaberin, der den Angaben von Frau S... in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 3. September 2008 zufolge Ende Juli 2008 entdeckt wurde. Hiervon ausgehend ist der Wiedereinsetzungsantrag vom 5. September 2008 rechtzeitig gestellt worden. Die am 5. September 2008 geleistete Zahlung der 10. Jahresgebühr nebst Verspätungszuschlag, mit der die versäumte Handlung nachgeholt wurde, war ebenfalls rechtzeitig (§ 123 Abs. 2 Satz 3, 1. Halbsatz PatG).

b) Der Wiedereinsetzungsantrag ist allerdings nicht begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach den gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Bei der Beurteilung des Verschuldens ist als Maßstab die Beachtung der üblichen, im Einzelfall zumutbaren Sorgfalt zugrunde zu legen, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen (vgl. BHG NJW 1985, 1709, 1710; BPatG, Beschluss vom 24. September 2002 - 24 W (pat) 145/02; Schulte a. a. O., § 123 Rn. 77 m. w. N.).

Hiernach war die Patentinhaberin nicht ohne eigenes verschulden an der Einhaltung der Frist zur Zahlung der 10. Jahresgebühr gehindert. Zwar war es ihr grundsätzlich nicht verwehrt, zur Überwachung der Aufrechterhaltungsgebühr für das Verfahrensgegenständliche Schutzrecht ihr Büropersonal einzusetzen. Deren Versagen wäre allerdings der Patentinhaberin nur dann nicht als eigenes Verschulden zuzurechnen, wenn - unbeschadet der von ihr glaubhaft gemachten Tatsache, dass es sich bei Frau L... um eine zuverlässige und qualifizierte Hilfs kraft handelte, der die Patentinhaberin Routinearbeiten nach Art der hier fraglichen Dateneingabe zur selbständigen Erledigung übertragne konnte - sie die Tätigkeit ihrer Hilfskraft zumindest stichprobenartig überprüft hätte (vgl. BHG VersR 1971, 1145; 1994, 369, 370; BGH MDR 1988, 479; Schulte a. a. O., § 123 Rn. 89). Dies ist im Streitfall den Angaben der Patentinhaberin zufolge allerdings nicht geschehen. Sie hat zwar dargetan, ihre Anwälte in die Auswahlentscheidung über die Aufrechterhaltung von Schutzrechten eingebunden zu haben. Diese Tätigkeit beschränkte sich allerdings auf die den Anwälten vorgelegten Vorgänge "Schutzrechte mit Lizenzvereinbarungen". Nur insoweit unterlag die Tätigkeit von Frau S... einer innerbetrieblichen Kontrolle. eine Überwachung, ob Fehler bei der routinemäßigen Vorauswahl "Schutzrechte ohne Lizenzvereinbarungen" mit anschließender Eingabe in die Datenbank als fallen zu lassende Schutzrechte oder "Schutzrechte mit Lizenzvereinbarungen" zur Vorlage an die Anwälte aufgetreten sein könnten, sah die Büroorganisation der Patentinhaberin hingegen nicht vor. Die - zum Fristveräumnis im Streitfall führende - Entscheidung über diese Vorauswahl wurde allein auf L... bzw. die jeweiligen Mitglieder des Ver waltungsteams übertragen. Zwar wäre ein isolierter Fehler in einem "wasserdichten" und bisher zufriedenstellenden System grundsätzlich entschuldbar (vgl. Schulte a. a. O., § 123 Rn. 126). Dies setzte allerdings im Streitfall voraus, dass die von Frau S... zu treffende, der Vorlage bzw. Nichtvorlage an die Anwälte vorausgehende routinemäßige Vorauswahl zumindest stichprobenartigen Kontrollen unterlegen hätte. Da dies nicht der Fall war, ist der Beschwerde der Patentinhaberin kein Erfolg beschieden.

Schülke Püschel Lehnerprö






BPatG:
Beschluss v. 08.06.2010
Az: 10 W (pat) 13/09


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