Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. März 2009
Aktenzeichen: 2 Ni 35/06

(BPatG: Beschluss v. 12.03.2009, Az.: 2 Ni 35/06)

Tenor

Der Antrag auf Berichtigung des Tatbestands wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin und Nichtigkeitsbeklagte ist Inhaberin des am 3. Juli 1991 angemeldeten Patents DE 41 21 979 (Streitpatent), für das die Priorität der deutschen Patentanmeldung P 40 25 130.6 vom 8. August 1990 in Anspruch genommen worden ist. Das Streitpatent mit der Bezeichnung "Spinnoder Zwirnspindel" umfasst sieben Patentansprüche. Wegen des Wortlauts dieser Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit ihrer am 6. September 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, das Streitpatent sei weder neu noch beruhe es auf erfinderischer Tätigkeit. Zudem sei die Erfindung nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne; diesem Vorbringen ist die Beklagte ausführlich entgegengetreten.

Nachdem der erkennende Senat das Patent mit Urteil vom 20. November 2008, den Parteien zugestellt am 15. Januar 2009, für nichtig erklärt hatte, hat die Beklagte mit Antrag vom 22. Januar 2009, bei Gericht eingegangen am 26. Januar 2009, die Berichtigung des Tatbestands gemäß § 96 PatG beantragt. Sie macht geltend, der Tatbestand lasse folgende Punkte, die sie -gestützt auf die Patentschrift DE 2113618 -in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, völlig weg:

Schon vor 1972 und vor dem Prioritätstag des Streitpatents im Jahre 1990 sei der Fachwelt bekannt gewesen, dass ein "schwingungsarmer Lauf" und eine "geräuscharme Spindel" nicht die gleichen Probleme darstellten und nicht durch gleiche Mittel gelöst würden (DE 2113618, S. 1, Abs. 2 und 3, von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreicht). Lange vor 1972 habe das Bedürfnis nach geräuscharmen Spindeln bestanden, und bis zum Prioritätstag des Streitpatents hätten alle Versuche der Fachwelt zur Verringerung der Laufgeräusche darin bestanden, gummielastische Elemente zwischen der Lärmquelle und weiterleitenden Elementen anzuordnen (DE 2113618, Anspruch 1). Außerdem sei ihr Vortrag, dass aus den in der mündlichen Verhandlung überreichten Systemskizzen zu NK2 und NK2a der grundsätzliche Unterschied zwischen der Lehre des Streitpatents und dem Stand der Technik nach NK2, NK2a bezüglich Körperschallübertragung zum Außengehäuse deutlich werde, im Urteil ausgelassen worden.

Letztlich sei das Gericht in seinem Urteil von einem anderen Fachmann ausgegangen als dem, der sowohl von der Nichtigkeitsklägerin als auch der Nichtigkeitsbeklagten angegeben worden sei, nämlich einem Entwicklungsingenieur für Textilmaschinenkomponenten, insbesondere Spindellagerungen, mit mindestens Fachhochschulbildung, der sich speziell auf dem Gebiet der Wälzlager und alternativer Techniken schnell laufender Lagerungen zusätzliches Wissen angeeignet hat. Dieser, von beiden Parteien definierte Fachmann, müsse der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Die Antragstellerin beantragt, den Tatbestand gemäß § 96 PatG zu berichtigen und die vorgenannten Ausführungen in den Tatbestand aufzunehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie sinngemäß vor, keiner der von der Beklagten aufgeführten Punkte rechtfertige eine Tatbestandsberichtigung. Das angegriffene Urteil fasse die auf die Druckschrift DE 2113618 bezogenen Aussagen bezüglich der Schwingungen/Körperschall insbesondere im Brückenabsatz zwischen den Seiten 8/9 zusammen. Weitere Ausführungen im Tatbestand seien nicht notwendig oder zielführend gewesen.

II.

Der Berichtigungsantrag der Beklagten und Antragstellerin ist zulässig. Er ist innerhalb der Frist des § 96 Abs. 1 PatG beim Bundespatentgericht eingegangen. Er ist jedoch nicht begründet, da die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 PatG nicht vorliegen.

Die Berichtigung des Tatbestandes in Patentnichtigkeitssachen richtet sich nach der in § 96 PatG ausdrücklich vorgesehenen Regelung und nicht nach der -auch nicht über die Generalverweisung des § 99 Abs. 1 PatG heranzuziehenden -Vorschrift des § 320 ZPO (vgl. BGH GRUR 1997, 119, 120 -Schwimmrahmen-Bremse). Anders als nach § 320 Abs. 1 ZPO findet eine Tatbestandsberichtigung nach § 96 Abs. 1 PatG nur bei -nicht unter § 95 PatG fallenden -Unrichtigkeiten, nicht aber auch bei Auslassungen oder Unvollständigkeit statt.

Die Beklagte macht hier jedoch hinsichtlich der genannten Ausführungen keine Unrichtigkeit, sondern eine Auslassung bzw eine Unvollständigkeit geltend, indem sie die Nichtnennung der vorgenannten Ausführungen rügt. Ein solches Berichtigungsbegehren ist durch § 96 Abs. 1 PatG nicht gedeckt.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich hier um eine -wegen des das Patentnichtigkeitsverfahren beherrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes nur unter sehr engen Voraussetzungen anzunehmende -Sachverhaltsgestaltung handelt, nach der ganz ausnahmsweise die unvollständige Wiedergabe des Parteivortrags zugleich als Unrichtigkeit im Sinne des § 96 Abs. 1 PatG gewertet werden könnte. So hat keine Partei einen Anspruch darauf, dass ihr gesamter Vortrag, insbesondere zu Rechtsauffassungen, in den Tatbestand aufgenommen wird. Der Tatbestand des Nichtigkeitsurteils gibt vielmehr, für jeden Leser deutlich erkennbar, verkürzt die aus der Sicht des erkennenden Senats wesentlichen Streitpunkte wieder, ohne den Eindruck zu erwecken, eine Partei hätte andere als die mitgeteilten Gesichtspunkte nicht vorgetragen oder gar schriftsätzliches Vorbringen zurückgezogen. Im Übrigen gilt die Beweiskraft des Tatbestands nur für das mündliche Vorbringen, gegebenenfalls unter Bezugnahme auf Schriftsätze gemäß § 137 Abs. 3 ZPO analog. Auch deshalb hat die Beklagte keinen Anspruch nach § 96 Abs. 1 PatG, dass ihr schriftsätzliches Vorbringen oder der Vortrag zu einzelnen Streitpunkten in allen Einzelheiten in den Tatbestand des Senatsurteils vom 20. November 2008 aufgenommen wird.

Soweit die Beklagte weiterhin rügt, dass das Gericht seiner Entscheidung einen anderen als den von ihr und der Klägerin benannten Fachmann zugrundegelegt hat, vermag auch dieses Vorbringen dem Berichtigungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Begriff des Fachmanns ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Festlegung des im Einzelfall zuständigen Fachmanns erfolgt durch das Gericht, nicht durch die Parteien, selbst wenn diese sich im Einzelfall einig sein sollten. Fachmännisches Denken, Erkennen und Vorstellen wird bemüht, um mit dem auf dem betreffenden Gebiet der Technik üblichen -allgemeinen -Fachwissen sowie den durchschnittlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten der dort tätigen Fachwelt und dem hierdurch geprägten sinnvollen Verständnis vom Inhalt einer Lehre zum technischen Handeln eine verlässliche Entscheidungsgrundlage zu haben. Das führt dazu, dass die maßgebliche Sicht selbst unmittelbarer Feststellung entzogen ist (BGH, GRUR 2004, 1023 -Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; GRUR 2006, 663 -Vorausbezahlte Telefongespräche).

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BPatG:
Beschluss v. 12.03.2009
Az: 2 Ni 35/06


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