Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. September 2009
Aktenzeichen: 7 W (pat) 316/09
(BPatG: Beschluss v. 23.09.2009, Az.: 7 W (pat) 316/09)
Tenor
Das Patent 102 04 664 wird beschränkt aufrecht erhalten mit folgenden, als Anlage zum Schriftsatz vom 26. März 2007 eingereichten Unterlagen:
Patentansprüche 1 bis 10 (Bl. 100 bis 102 der Gerichtsakte (GA)), Beschreibung Seiten 1 bis 11 (Bl. 89 bis 99 GA), Zeichnungen, Figuren 1 bis 4 (Bl. 103 bis 106 GA).
Gründe
I.
Gegen die am 22. September 2005 veröffentlichte Erteilung des am 5. Februar 2002 angemeldeten Patents 102 04 664 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Kraftfahrzeug mit einem durch eine Trennanordnung unterteilbaren Innenraum" ist Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende die Druckschriften D1 EP0710589A1 D2 FR2810935A1 D3 JP 09301077 A D4 DE19749158A1 D5 DE-OS 2 302 972 genannt und geltend gemacht, dass der Patentgegenstand gemäß erteiltem Anspruch 1 durch den Stand der Technik gemäß Dokument D1 neuheitsschädlich vorweggenommen sei und auch die dem Anspruch 1 nachgeordneten Unteransprüche 2 bis 11 keine Merkmale von patentbegründender Bedeutung gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik enthielten. Ebenso sei die Lehre des unabhängigen Anspruchs 12 gegenüber dem aus Druckschrift D1 Bekannten nicht neu.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 26. März 2007 neue Unterlagen (Patentansprüche 1 bis 10, Beschreibung Seiten 1 bis 11 und Zeichnungen (Figuren 1 bis 4) eingereicht und beantragt, das angefochtene Patent auf der Grundlage dieser Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten.
Auf die Ladung des Senats zur mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 23. April 2009 mitgeteilt, dass sie an der Verhandlung nicht teilnehmen werde. Sie hat ferner darum gebeten, nach Aktenlage zu entscheiden.
Durch Zwischenverfügung vom 5. Mai 2009 hat der Senat den Beteiligten mitgeteilt, dass nach vorläufiger Beurteilung der Sachlage sich das Streitpatent im beschränkt verteidigten Umfang als rechtsbeständig gegenüber dem druckschriftlich nachgewiesenen Stand der Technik erweisen könnte.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2009 hat die Einsprechende ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und mitgeteilt, dass sie an der anberaumten Verhandlung nicht teilnehmen werde und dass der Antrag auf Widerruf des angegriffenen Patents aufrecht erhalten bleibe.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Kraftfahrzeug mit einem Ladeboden (36) und mit einem durch eine Trennanordnung (30) in einen Fahrgastbereich (20) und einen Gepäckbereich (18) unterteilbaren Innenraum (12), wobei der Ladeboden (36) im Wesentlichen in Fahrzeuglängsrichtung (L) verschiebbar im Gepäckbereich (18) des Fahrzeuginnenraums (12) angeordnet ist und wobei die Trennanordnung (30) ein im Wesentlichen starres Trenngestell (32) umfasst, das gesondert von Sitzteilen (28) des Fahrzeuginnenraums (12) ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Trenngestell (32) mit einem ersten Randbereich (34) schwenkbar am Ladeboden (36) angeordnet ist und weiter eine flexible Trennvorrichtung (42) umfasst, die an einem dem ersten Randbereich (34) gegenüberliegenden zweiten Randbereich (38) des Trenngestells (30) angeordnet ist."
Die Ansprüche 2 bis 10 geben Weiterbildungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 an. Zu ihrem Wortlaut wird auf den Schriftsatz der Patentinhaberin vom 26. März 2007 verwiesen.
Gemäß geltender Beschreibung liegt dem verteidigten Patentgegenstand die Aufgabe zugrunde, die Beund Entladung gattungsgemäßer Fahrzeuge zu vereinfachen (S. 2 Z. 32, 33).
II.
Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zuständig (vgl. BGH GRUR 2009, 184, 185 -Ventilsteuerung; GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II).
III.
Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist insoweit begründet, als er zu einer Beschränkung des Streitpatents geführt hat.
Der beschränkt verteidigte Gegenstand des angefochtenen Patents in der Fassung der Patentansprüche 1 bis 10 vom 26. März 2007 stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar.
Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale des Anspruchs 1 sind ursprünglich offenbart und aus den erteilten Ansprüchen 1 und 8 hervorgegangen. Die geltenden Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 7, die geltenden Ansprüche 8 bis 10 den erteilten Ansprüchen 9 bis 11, letztere unter Anpassung ihrer jeweiligen Rückbezüge auf vorhergehende Ansprüche.
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als hier zuständiger Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur anzusehen, der mit der Entwicklung und Gestaltung von Trennoder Sichtschutzeinrichtungen für Ladebzw. Gepäckräumen in Personenkraftfahrzeugen befasst ist.
Der verteidigte Patentgegenstand betrifft ein Kraftfahrzeug mit einem Ladeboden und mit einer durch eine Trennanordnung in einen Fahrgastbereich und einen Gepäckbereich unterteilbaren Innenraum, wobei der Ladeboden im Wesentlichen in Fahrzeuglängsrichtung verschiebbar im Gepäckbereich des Fahrzeuginnenraums angeordnet ist und wobei die Trennanordnung ein im Wesentlichen starres Trenngestell umfasst, das gesondert von Sitzteilen des Fahrzeuginnenraums ausgebildet ist (Oberbegriff des Anspruchs 1).
Hiervon ausgehend ist zur Vereinfachung der Beund Entladung derartiger Fahrzeuge gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 vorgeschlagen, das Trenngestell mit einem Rand am Ladeboden schwenkbar anzuordnen und an dem gegenüberliegenden Rand des Trenngestells eine flexible Trennvorrichtung anzuordnen.
Ein gattungsgemäßes Fahrzeug ist nach Angabe der Patentinhaberin (geltende Beschreibung S. 2 Abs. 1) aus der DE 197 49 158 A1 (D4) als bekannt zu unterstellen. Sie offenbart einen am Gepäckraumboden in Fahrzeuglängsrichtung verschiebbaren Ladeboden (1) und -wie nicht näher beschrieben, für den Fachmann aber aus Figur 1 entnehmbar -eine Trennanordnung (schraffierter Bereich oberhalb der Oberkante der Rücksitzlehnen), welche den Innenraum des Fahrzeugs in einen Gepäckbereich und einen Fahrgastbereich unterteilt. Inwieweit die Trennanordnung ein von Sitzteilen des Fahrzeugs unabhängiges starres Trenngestell umfasst, ist nicht zweifelsfrei aus Figur 1 erkennbar. Ohne weiteres erkennbar ist der Figur 1 aber, dass der längsverschiebbare Ladeboden nicht mit der Trennanordnung verbunden ist. Weil sich die Schrift D4 ausschließlich mit der Halterung und verschieblichen Lagerung des Ladebodens an Fahrzeugwänden befasst, liefert sie dem Fachmann keine Anhaltspunkte in Richtung einer Kopplung von Ladeboden und Trennanordnung im Sinne der Lehre des Anspruchs 1.
Auch die weiteren Entgegenhaltungen legen das erfindungswesentliche Merkmal der schwenkbaren Befestigung des Trenngestells an einem Rand eines verschiebbaren Ladebodens nicht nahe. Die Druckschriften D1 bis D3 offenbaren Fahrzeuge mit starren Trenngestellen einschließlich flexibler Trennvorrichtungen, die zwar gesondert von Sitzteilen ausgebildet sind, jedoch mangels Vorhandenseins eines längsverfahrbaren Ladebodens mit einem solchen auch nicht verbunden sein können, und die Schrift D5 ist darauf gerichtet, eine ausziehbare Ladefläche unabhängig von einer weiteren Trennanordnung zweckmäßig auszugestalten.
Die im Prüfungsverfahren noch berücksichtigten Entgegenhaltungen können ebenfalls den Patentgegenstand nicht nahelegen. So kommt die Schrift DE 197 28 547 A1 dem Patentgegenstand nicht näher als die Entgegenhaltungen D1 bis D3. Die DE 43 30 045 A1, die einen auf eine Ladefläche eines Kombi-Pkws schiebbaren Fahrradträger behandelt, und die Patentschrift US 4 685 857, die sich mit einem verfahrund kippbaren Ladeboden für ein Lastenfahrzeug mit separatem Fahrzeugführerhaus befasst, liegen offensichtlich weiter ab vom Patentgegenstand als die übrigen Druckschriften zum Stand der Technik.
Die Patentfähigkeit der Gegenstände der Unteransprüche 2 bis 10 folgt aus der des Gegenstandes des Anspruchs 1.
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Beschluss v. 23.09.2009
Az: 7 W (pat) 316/09
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