Landgericht Hamburg:
Urteil vom 19. Mai 2009
Aktenzeichen: 312 O 243/09
(LG Hamburg: Urteil v. 19.05.2009, Az.: 312 O 243/09)
Tenor
I. Der Antragsgegnerin wird € im Wege der einstweiligen Verfügung - unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), wobei die Ordnungshaft bei der Antragsgegnerin an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist,
verboten,
Schuhe, die mit den Zeichen
"CONVERSE"
und/oder
und/oder
und/oder
gekennzeichnet sind, insbesondere wie nachfolgend abgebildet
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, abzugeben, feilzuhalten oder sonst in den Verkehr zu bringen und/oder einzuführen, sofern diese Schuhe nicht nachweislich durch die Converse Inc. oder mit deren Zustimmung hergestellt und im Inland, einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem weiteren Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind.
II. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, noch in ihrem Besitz befindliche Schuhe gemäß Ziffer I. zum Zwecke der Verwahrung an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben.
III. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin Auskunft innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung über die Herkunft und den Vertriebsweg, insbesondere unter Angabe von Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder des Auftraggebers sowie die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Schuhe gemäß Ziffer I. zu erteilen.
IV. Der Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Antragstellerin wendet sich gegen angebliche Produktfälschungen.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen mit Sitz in Neuss. Sie ist Lizenznehmerin und Vertriebsgesellschaft der Converse Inc... U.S.A. welche insbesondere Schuhe unter der seit 1923 umfangreich benutzten Marke "Converse All Star Chuck Taylor" vertreibt. Bei dem Schuh handelt es sich um einen wirtschaftlich sehr erfolgreichen Freizeitschuh. Seit 1917 wurden weltweit mehr als 1 Milliarde Paar dieses Schuhs verkauft.
Die Converse Inc. ist Inhaberin einer Reihe von Marken, mittels derer die Bezeichnungen "Converse" und "All Star" in Deutschland geschützt sind. Dabei handelt es sich unter anderem um die nachfolgend aufgeführten Marken
CONVERSE
Registernummer: DE02001711
Registernummer: DE01129307
Registernummer: DE30446119, DE30471735, IR00929078
Registernummer: DE30535288
Registernummer: IR00924653
Registernummer: DE00974766
Registernummer: DE00974764
Registernummer: DE00974765
Registernummer: DE00971731
die jeweils in Klasse 25 für Schuhe Schutz beanspruchen (vgl. anlagenkonvolut AS 1).
Die Antragstellerin ist von der Markeninhaberin ermächtigt, die sich aus diesen Marken ergebenden Rechte im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. Anl. AS 2).
Die Antragsgegnerin betreibt sog. C & C Märkte in Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Sie bewarb in einem Werbeprospekt, der Ende Februar 2009 verteilt wurde, Schuhe der Marken "All Star" und €Converse€. Der Werbeprospekt hatte für alle Märkte der Antragsgegnerin Gültigkeit. Hinsichtlich der genannten Schuhe war lediglich die Filiale in R... vom Angebot ausgenommen.
Am 27. Februar 2009 erwarb ein Mitarbeiter der Antragstellerin, Herr Herr C., in einer Niederlassung der Antragsgegnerin im Rahmen eines Testkaufs eine Reihe von Schuhen, zu denen auch die im Tenor abgebildeten Schuhe zählen.
Weil die Antragstellerin den Verdacht auf eine Produktfälschung hatte, übersandte sie hinsichtlich jedes Paars der zuvor bei der Antragsgegnerin erworbenen Schuhe jeweils einen Schuh am 2. März 2009 zur Überprüfung nach China, wo ein Großteil der €Chuck€-Schuhe gefertigt werden. Ende März erhielt die Antragstellerin von der Markeninhaberin eine erste Information, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schuhen voraussichtlich um Fälschungen handele. Am 27.04.2009 erreichte die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung des Produktexperten der Markeninhaberin, Herrn Herr Ch., der die bei der Antragsgegnerin erworbenen Schuhe umfangreich untersucht hatte.
Die Antragstellerin behauptet, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schuhen um Fälschungen handele. Im Einzelnen habe Herr Herr Ch. hinsichtlich jedes der drei Schuhe wenigstens drei Fälschungsmerkmale feststellen können. Auch der Zeuge Zeuge B., der seit Jahrzehnten bei Converse in die Produktentwicklung eingebunden sei, werde in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen demonstrieren, warum es sich bei sämtlichen der streitgegenständlichen Schuhe um Fälschungen handele.
Die Antragstellerin beantragt,
wie erkannt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Verfügungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Angaben der Antragstellerin seien nicht geeignet, den Fälschungsvorwurf nachzuweisen. Darüber hinaus hätte die Vorlieferantin der Antragsgegnerin, die Firma Firma Sport...H... BV, die Schuhe von Firmen erworben, die in der Europäischen Union bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum ansässig seien. Diese Lieferfirmen hätten diese Schuhe ihrerseits von einem durch Converse autorisierten europäischen Distributor erworben. Schließlich hätten intensive Überprüfungen verschiedener von der Antragsgegnerin vertriebenen €All Star Chuck Taylor€- Schuhe keine Anzeichen für Fälschungen ergeben.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Zeuge B. und Zeuge J.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2009 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst anlagen verwiesen.
Gründe
I.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet. Der Antragstellerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Herausgabe zur Verwahrung und Auskunft zu.
1.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 4, 14 Abs. 1, 2 Nr. 1 und 2, 5 MarkenG, da die Antragsgegnerin mit dem Vertrieb von gefälschter Ware in Deutschland die Markenrechte der Antragstellerin verletzt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass es sich bei den bei der Antragsgegnerin gekauften Schuhen um Produkt- bzw. Markenfälschungen handelt.
Der Zeuge Zeuge B. hat glaubhaft, nachvollziehbar, widerspruchsfrei und anschaulich bekundet, dass und warum die von ihm untersuchten Schuhe jeweils eine Fälschung der Produkte der Lizenzgeberin der Antragstellerin seien.
Er hat zunächst bekundet, dass alle Schuhe der Markeninhaberin über bestimmte Produktionsmerkmale verfügten und insoweit auf ein Buch verwiesen, das er in der mündlichen Verhandlung der Kammer gezeigt hat.
Anhand des weißen Converse 7 B 0803 W 17, der im Tenor abgebildet ist, hat der Zeuge der Kammer dann anschaulich erklärt, dass z. B. das Label, das sich innen auf der €Zunge€ des Schuhs befinde, nicht von der Markeninhaberin stamme. Im Vergleich zu einem Originalschuh - den der Zeuge der Kammer zum unmittelbaren Vergleich vorgelegt hat - sei die Oberflächenstruktur unterschiedlich. Bei dem von der Antragsgegnerin stammenden Schuh sei die Oberflächestruktur klebriger und dicker als beim Originalschuh. Die Labels stammten, egal in welchem Land die Schuhe produziert würden, immer vom gleichen Hersteller.
Die bekundeten Unterschiede zwischen den beiden Schuhen waren, wie die Kammer selbst durch ihre Mitglieder ertasten konnte, tatsächlich vorhanden.
Ein weiterer Unterschied, so hat der Zeuge dann ausgeführt, sei die Position des Innenlabels, das bei Originalschuhen entweder bei 25 mm oder 65 mm mit einer Toleranz von 1 € 2 mm ab Beginn der €Zunge€ ansetze. Der untersuchte Schuh der Antragsgegnerin habe mit 70 mm jedoch außerhalb dieser Toleranz gelegen. Die Einhaltung der Toleranzen werde anhand einer Schablone bei Qualitätskontrollen überprüft.
Weitere Unterschiede, so der Zeuge, bestünden bei den Innensohlen. Auf deren Unterseite befänden sich bei den Originalschuhen bestimmte Buchstaben und Zahlen. Die Unterseite der Sohle sei bei Originalschuhen zudem an den Rändern abgerundet. Die Schuhe der Antragsgegnerin hätten jedoch eine scharfe Kante und falsche Markierungen enthalten. Diese, sehr deutlich erkennbaren Unterschiede, konnte die Kammer anhand der vorgelegten Schuhe ohne weiteres nachvollziehen.
Schließlich sei, so der Zeuge, ein weiterer Unterschied auf der Außenseite des Schuhs zu erkennen. Dort existiere bei Originalschuhen jeweils ein verborgener sog. Sicherheitstag. Der von der Antragsgegnerin stammende weiße linke Schuh habe einen derartigen Sicherheitstag jedoch nicht enthalten. Auch das Fehlen dieses Merkmals konnte die Kammer anhand des seitlich aufgeschnittenen Schuhs feststellen.
Schließlich hat der Zeuge Zeuge B. ausgeführt, dass er die Schuhe mit einem Scann-Stift geprüft habe, der alle untersuchten Schuhe der Antragsgegnerin als Fälschungen ausgewiesen habe.
Die Kammer hat keine Veranlassung an den glaubhaften und anschaulichen Angaben des Zeugen Zeuge B. zu zweifeln. Die Tatsache, dass die Markeninhaberin bei der Produktion ihres erfolgreichen Markenprodukts eine Vielzahl von offenen und verborgenen Merkmalen vorgibt, um Fälschungen leicht identifizieren zu können, ist lebensnah.
Die Angaben des von der Antragsgegnerin sistierten Zeugen Zeuge J. sind nicht geeignet, die Aussage des Zeugen Zeuge B. zu erschüttern. Der Zeuge Zeuge J. konnte zu den streitgegenständlichen Schuhen keine eigenen Wahrnehmungen bekunden. Zu den Unterschieden befragt, konnte er nur pauschal und substanzlos behaupten, dass dies eben so sei und alle Schuhe unterschiedlich seien. Diese allgemein gehaltene Vermutung ist mangels jeglichen Tatsachvortrags hierzu ohne Substanz. Welche Erkenntnisse der Zeuge zu Produktionsprozessen der Antragstellerin hat, ist nicht ersichtlich. Das Vorbringen produktionsbedingter Abweichungen ist auch angesichts der Vielzahl von Merkmalen, die die Antragstellerin ganz offensichtlich nur deshalb auf ihren Schuhen anbringt, um Plagiate leichter erkennen zu können, zudem sehr lebensfremd.
Der Zeuge Zeuge J. hat darüber hinaus zwar erklärt, weil er die Herkunft der Schuhe kenne, wisse er, dass es keine Fälschungen seien. Diese Angabe ist jedoch nicht ausreichend, den Fälschungsvorwurf zu widerlegen. So ist z. B. denkbar, dass die Firma Firma Sport...H... BV von ihrer Lieferantin, ggf. unwissend, gefälschte Schuhe erhalten hat. Für die ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellte und lebensfremde Behauptung des Zeugen Zeuge J., dann habe eben Converse selbst Fälschungen in den Europäischen Raum eingeführt, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Auch die weitere Bekundung des Zeugen Zeuge J., die Untersuchung anderer Schuhe der Antragsgegnerin hätten deren Echtheit erwiesen, ist ungeeignet, den Fälschungsvorwurf in Bezug auf die von der Antragstellerin untersuchten Schuhe zu widerlegen.
Nach alledem hat die Antragsgegnerin keine nachvollziehbaren Tatsachen dafür vortragen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schuhen entgegen den in der Verhandlung demonstrierten Unterschieden doch um Originalware handelt. Die Untersuchung anderer Schuhe ist € wie ausgeführt - nicht zielführend.
2.
Der geltend gemachte Verwahrungsanspruch dient der Vorbereitung des Vernichtungsanspruchs, welcher der Antragstellerin gem. § 18 Abs. 1 MarkenG zusteht.
3.
Der Auskunftsanspruch folgt aus § 19 Abs. 1, 3, 7 MarkenG. Bei den vom Zeugen Zeuge B. beschriebenen Merkmalsabweichungen handelt es sich schließlich um solche, die bereits mit dem bloßen Auge zu erkennen bzw. mit den Händen zu ertasten sind. Bei Kenntnis dieser Merkmale ist es danach ersichtlich ohne besonderen Aufwand möglich, sicher festzustellen, dass es sich bei einem Schuh, der diese Merkmale nicht aufweist, um ein Plagiat handeln muss. Die Rechtsverletzung steht für die Kammer nach alledem ohne ernsthafte Zweifel fest, sie ist offensichtlich i. S. v. § 19 Abs. 7 MarkenG, sodass die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet werden konnte.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 19.05.2009
Az: 312 O 243/09
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