Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 27. Mai 2004
Aktenzeichen: 1 K 10149/00

(VG Köln: Urteil v. 27.05.2004, Az.: 1 K 10149/00)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückge-nommen hat.

Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer 1.3 des Bescheides der Regulierungs-behörde für Telekommunikation und Post vom 15.11.2000 getroffene Anordnung rechtswidrig war.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin eines bundesweiten Telekommunikationsnetzes. Sie bietet Betreibern von Internet-Plattformen und Internetservice-Providern (ISP), die über eigene oder von Dritten bereitgestellte Plattformen verfügen, das Produkt "Angebot für Online-Diensteanbieter" (AfOD) an. Hierbei handelt es sich um eine Verbindungsleistung, mit der der Online-Verkehr über das schmalbandige Netz der Klägerin zu den Übergabepunkten der Internet-Plattformen geführt wird. AfOD wird im Unternehmen der Klägerin vom Geschäftsfeld Netzkommunikation (NK) dem Geschäftsfeld Datenkommunikation (DK) zur Verfügung gestellt. Mit dem weiteren Produkt "T-InterConnect OnlineConnect" (TICOC), seit April 2003 geändert in "Online Connect" (OC), bietet die Klägerin die Nutzung ihrer eigenen Internetplattform denjenigen ISP an, denen keine andere Plattform bereitsteht. Dabei ist der auf die Verbindung mit der Internetplattform entfallende Leistungsteil seiner Art nach identisch mit AfOD; allerdings fallen ausschließlich Verbindungsleistungen in der Entfernungszone "City" an. Das vom ISP zu zahlende Entgelt für AfOD setzt sich zusammen aus einem einmaligen Betrag je Vermittlungsstelle für die Aktivierung der Zugangsrufnummer und einem variablen Anteil, dessen Berechnung von der auf die Verbindung entfallenden Entfernungszone, der Verbindungsdauer und ihrem Anfall in der Haupt- oder Nebenzeit abhängt. Außerdem gewährt die Klägerin mengenabhängige Volumenrabatte.

Für AfOD gab es im entscheidungserheblichen Zeitraum zwei große Nachfrager, die mehr als 99 % des abgewickelten Verkehrs generierten, und zwar die Klägerin selbst, die das Produkt intern bezieht, sowie die n. GmbH. Letztere ist Betreiberin einer Internetplattform, welche von der B. C. P. GmbH & Co. KG (B. ), dem zweitgrößten deutschen Onlinedienst, genutzt wurde. Im Rahmen von TICOC wurden mehr als 70 % des AfOD-Verkehrs von der U.-P. J. AG (U.-P. ) nachgefragt, einer Tochtergesellschaft der Klägerin, die damals zu etwa 82 % im Eigentum der Klägerin stand. U.-P. , die mit Abstand größte deutsche Online-Diensteanbieterin, bot ihren Endkunden bis Ende Februar 2001 einen Internet-Pauschalpreis (Flatrate) in Höhe von 79,- DM monatlich an.

Mit Bescheid vom 15.11.2000 (00 0b-00/000) forderte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) die Klägerin gemäß § 30 Abs. 4 TKG auf, "1. die in den Produkten AfOD und TICOC enthaltenen zeitabhängigen Verbindungsentgelte anzupassen, indem sie

1.1 die bisherige Unterscheidung dieser Entgelte im AfOD bzw. im TICOC in Entgelte für Haupt- und Nebenzeiten aufhebt, wobei der ungewichtete Mittelwert von Haupt- und Nebenzeit nicht unterschritten werden darf,

1.2 auf diese nach vorstehender Anpassung ermittelten Entgelte im AfOD keine mengenabhängigen Preisnachlässe gewährt,

1.3 diese Entgelte um eine zusätzliche nutzungszeitunabängige Entgeltvariante ergänzt, wobei eine Beschränkung auf Verbindungsleistungen im Entfernungsbereich City zulässig ist."

In Ziffer 2 dieses Bescheides setzte die RegTP der Klägerin zur Umsetzung der Aufforderungen zu 1.1 und 1.2 eine Frist bis zum 15.12.2000 und zur Umsetzung der Aufforderung zu 1.3 eine Frist bis zum 01.02.2001. Gemäß Ziffer 3 des Bescheides waren die Aufforderungen unter 1.1, 1.2 und 1.3 bis zum 30.06.2002 befristet. Mit Ziffer 4 des Bescheides wurde die Klägerin verpflichtet, die derzeit gültigen Entgelte des AfOD und der Verbindungsentgelte im TICOC bis zum 15.12.2000 bzw. Entgeltänderungen jeweils vor ihrem Inkrafttreten im Amtsblatt der RegTP zu veröffentlichen. Zur Begründung führte die RegTP im Wesentlichen aus: Zur Einführung einer nutzungszeitunabhängigen Entgeltvariante für die Zuführungsleistung AfOD sei die Klägerin gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG verpflichtet. Andernfalls diskriminiere sie die außerhalb ihres Konzerns stehenden ISP. Für diese erzeuge sie eine Preis-Kosten-Schere. Der damit verbundenen Ungleichverteilung des Risikos lasse sich nur durch die Wiederherstellung von strukturell gleichen Entgelten auf Vorleistungs- und Endkundenebene begegnen. Eine bestimmte Form der pauschalierten Abrechnung werde mit der Anpassungsaufforderung allerdings nicht vorgegeben; insbesondere sei auch eine Abrechnung nach in Anspruch genommenen Kapazitäten denkbar.

Seit dem 15.12.2000 bietet die Klägerin AfOD zu einer Vorleistungsflatrate (OVF) an, allerdings unter dem Vorbehalt des Ausgangs des vorliegenden Rechtsstreits.

Den Aussetzungsantrag der Klägerin lehnte das erkennende Gericht mit Beschluss vom 30.01.2001 -1 L 2892/00- ab. Auf die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin setzte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 15.03.2001 -13 B 158/01- die Vollziehbarkeit von Ziffer 1.3 des Bescheides aus und wies im Übrigen das Rechtsmittel zurück.

Die Klägerin hat am 04.12.2000 Klage erhoben, die zunächst auf Aufhebung des gesamten Bescheides vom 15.11.2000 gerichtet war, dann aber teilweise am 10.08.2001 (Ziffern 1.1 und 1.2) und 27.05.2004 (Ziffer 2, soweit Fristbestimmung bis zum 15.11.2000) zurückgenommen und am 29.08.2002 in Bezug auf die Anordnung unter Ziffer 1.3 dieses Bescheides in eine Fortsetzungsfeststellungsklage abgeändert wurde. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend: Die Anordnung eines nutzungszeitunabhängigen AfOD-Entgelts (P. -Vorleistungsflatrate, OVF) sei rechtswidrig. § 30 Abs. 4 TKG ermächtige nicht zur Änderung der Entgeltstruktur, sondern nur zur Anpassung der Höhe von bereits eingeführten Entgelten. Außerdem zwinge die Einführung einer OVF zum Ausbau von Netzkapazitäten, was ebenfalls über eine bloße Entgeltanpassung i.S.d. § 30 Abs. 4 TKG hinausgehe. Abgesehen davon verstoße das nutzungszeitabhängige AfOD-Entgelt nicht gegen das Diskriminierungsverbot des § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG, weil dieses Entgelt einheitlich für alle AfOD-Abnehmer, also auch für U.-P. , gelte. Für eine Preis-Kosten-Schere bei den ISP sei allenfalls das Flatrate-Angebot von U.- P. ursächlich. Dieses Angebot habe sie - die Klägerin - aber weder veranlasst noch könne es ihr rechtlich zugerechnet werden. Zwischen Mutter- und Tochterunternehmen bestehe kein Beherrschungsvertrag. Für die Geschäftspolitik von U.-P. sei aktienrechtlich ausschließlich deren Vorstand verantwortlich. Entgegen der Auffassung der RegTP bestehe auch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass sie als Konzernmutter etwaige Verluste ausgleiche, welche U.-P. infolge des Angebots einer nicht kostendeckenden Endkundenflatrate erwirtschafte. Für eine direkte oder analoge Anwendung des § 302 Abs. 1 AktG fehlten die nötigen Voraussetzungen. Selbst wenn man jedoch einen Verstoß gegen § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG grundsätzlich für möglich halte, hinge dieser doch von der Aufrechterhaltung der U.- P. -Endkundenflatrate ab. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit habe die Anordnung einer OVF deshalb nur unter einem entsprechenden Vorbehalt erfolgen dürfen. Als milderes Mittel habe zudem eine Neukalkulation des nutzungszeitabhängigen AfOD-Entgelts in Betracht gezogen werden müssen. Die in Ziffer 4 des Bescheides begründete Veröffentlichungspflicht finde weder in der von der RegTP herangezogenen Vorschrift des § 30 Abs. 2 TKG eine Rechtsgrundlage noch lasse sie sich auf § 31 Abs. 2 TKG stützen.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass die unter Ziffer 1.3 des Bescheides der RegTP vom 15.11.2000 getroffene Anordnung rechtswidrig war,

2.

3. Ziffer 4 des Bescheides vom 15.11.2000 insoweit aufzuheben, als diese Anordnung dazu verpflichtet, Entgeltänderungen für AfOD und für Verbindungsleistungen in TICOC jeweils vor ihrem Inkrafttreten im Amtsblatt der RegTP zu veröffentlichen,

4.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die Begründung des angegriffenen Teils des Bescheides und macht zusätzlich geltend: § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG betreffe nicht nur Diskriminierungen in Bezug auf die Entgelthöhe, sondern auch sonstige Formen der Vorteilsgewährung. Dabei gehe es nicht nur um formale Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot. Vielmehr könne ein Vorteil auch dadurch gewährt werden, dass die Leistungskonditionen nur für einen Nachfrager - hier für U.-P. - angemessen seien. Der Vorteil bestehe darin, dass wegen der Konzernverbundenheit mit der Klägerin allein U.-P. wirtschaftlich in der Lage sei, trotz nutzungsdauerabhängiger Vorleistungsentgelte ihren Endkunden einen nutzungsdauerunabhängigen Tarif anbieten zu können. Schon diese bloße Möglichkeit stelle einen Vorteil i.S.d. § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG dar, so dass es nicht zusätzlich darauf ankomme, ob U.-P. eine Endkundenflatrate auch weiterhin tatsächlich anbiete. Abgesehen davon seien nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides maßgeblich, so dass auch aus diesem Grunde unerheblich sei, dass U.-P. seit März 2001 keine Endkundenflatrate mehr anbiete.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der RegTP.

Gründe

Das Verfahren wird gemäß § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

1. Der Klageantrag zu 1 hat Erfolg.

1.1 Der Antrag ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Die Anordnung unter Ziffer 1.3 des Bescheides vom 15.11.2000 hat sich durch Ablauf der gemäß Ziffer 3 bis zum 30.06.2002 laufenden Befristung erledigt. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist nicht teilweise dadurch entfallen, dass die Klägerin AfOD seit dem 15.12.2000 zu einer Online-Vorleistungsflatrate (OVF) anbietet. Dieses Angebot steht unter dem Vorbehalt des Ausgangs der vorliegenden Klage und stellt somit keine endgültige Erfüllung der in Rede stehenden Anpassungsaufforderung dar. Das zusätzlich erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der hier allein denkbaren Form von Wiederholungsgefahr ist in dem für Zulässigkeitsfragen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen mündlichen Verhandlung

BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6

gegeben.

1.2 Der Klageantrag zu 1 ist auch begründet. Die Anordnung unter Ziffer 1.3 war im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten ( § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Nach § 30 Abs. 4 TKG fordert die RegTP, sofern sie feststellt, dass der Regulierung nach § 30 Abs. 1 und 2 TKG unterliegende Entgelte oder entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht den Maßstäben des § 24 TKG genügen, das betroffene Unternehmen auf, die Entgelte oder die entgeltrelevanten Bestandteile unverzüglich entsprechend den Maßstäben anzupassen.

1.2.1 Zwar unterliegt das in Rede stehende Entgelt der Regulierung nach § 30 Abs. 2 TKG . Denn die AfOD-Verbindung stellt eine -nur- nach § 25 Abs. 2 TKG regulierungspflichtige Telekommunikationsdienstleistung (§ 3 Nrn. 16 und 18 TKG) dar.

Sie unterfällt zum einen nicht dem Begriff des - nach § 25 Abs. 1 TKG genehmigungspflichtigen - Sprachtelefondienstes. Bei AfOD wird nämlich, anders als für die Annahme von Sprachtelefondienst (§ 3 Nr. 15 TKG) erforderlich, keine Sprache in Echtzeit direkt transportiert und vermittelt. Außerdem wird der Online-Verkehr nicht zu Netzabschlusspunkten geführt, an die Endgeräte der Benutzer angeschlossen wären. Vielmehr erfolgt die Verbindung nur bis zu den Übergabepunkten der Internet-Plattformen.

Zum anderen stellt das AfOD-Entgelt auch kein gemäß § 39 i.V.m. § 25 Abs. 1 TKG Exante regulierungspflichtiges Entgelt für die Gewährung eines besonderen Netzzugangs dar. Wie im angegriffenen Bescheid (S. 21) überzeugend und unwidersprochen ausgeführt wird, liegt AfOD kein besonderer, sondern ein allgemeiner Netzzugang zugrunde,

so auch: OVG NRW, Beschluss vom 05.07.2000 -13 B 2019/99- ; VG Köln, Beschluss vom 27.10.99 -1 L 1917/99-, MMR 2000,227 ,

da das Verbindungsangebot in jeder Bereichsvermittlungsstelle der Klägerin realisiert werden kann.

1.2.2 Entgegen der Auffassung der RegTP lässt sich aber nicht feststellen, dass das von ihr beanstandete Entgelt im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlasses des Bescheides nicht den Maßstäben des § 24 Abs. 2 TKG genügte.

Nach dem hier allein in Betracht zu ziehenden Maßstab des § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG dürfen Entgelte einzelnen Nachfragern keine Vorteile gegenüber anderen Nachfragern gleichartiger oder ähnlicher Telekommunikationsdienstleistungen auf dem jeweiligen Markt der Telekommunikation einräumen, es sei denn, dass hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen wird.

Das in dieser Regelung zum Ausdruck kommende Diskriminierungsverbot

vgl. Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Rn. 25 zu § 24; Schuster/Stürmer, in Beck`scher TKG- Kommentar, 2. Aufl., Rn. 47 zu § 24

beruht -wie das TKG generell- auf den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28.06.1990 (Open Network Provision - ONP), ABl. EG Nr. L 192 S.1. Darin heißt es unter Ziffer 3 des Anhangs: "Die Tarife dürfen zu keiner Diskriminierung führen und müssen Gleichbehandlung gewährleisten, außer im Falle von Einschränkungen, die mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind". Im Hinblick darauf wird abweichend vom Wortlaut des § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG nicht nur in der Bevorteilung einzelner Nachfrager, sondern auch in ihrer Benachteiligung ein Entgeltmangel gesehen,

Manssen, a.a.O.; Schuster/Stürmer, a.a.O., Rn. 48 zu § 24.

Das beanstandete AfOD-Entgelt verstieß nicht unmittelbar gegen die vorerwähnten Kriterien. Es wurde von der Klägerin für alle Nachfrager -auch im Rahmen von TICOC für U.-P. - nach der gleichen Methode, nämlich abhängig von der jeweiligen Nutzungszeit, berechnet.

Indem die RegTP Nachteile für außerhalb des Konzerns der Klägerin stehende ISP annimmt, stellt sie aber nicht auf unmittelbar mit der Entgeltberechnung verbundene, sondern auf davon allenfalls mittelbar verursachte Belastungen ab. Denn sie argumentiert: Mit der ausschließlich zeittaktabhängigen Entgeltbemessung erzeuge die Klägerin eine Preis-Kosten-Schere, indem sie einerseits ihr Tochterunternehmen U.-P. eine Endkundenflatrate anbieten lasse und andererseits für die Vorleistung, den AfOD-Verkehr, nur nutzungszeitabhängige Entgelte verlange. Die in Konkurrenz zu U.-P. stehenden ISP und Online-Diensteanbieter könnten aus wirtschaftlichen Gründen eine derartige Endkundenflatrate nicht anbieten, da sie sonst dem Risiko der Übernutzung durch ihre Endkunden ausgesetzt seien. Denn wenn die tatsächliche Nutzung dieser Kunden den erwarteten, der Kalkulierung eines Pauschalpreises zugrunde gelegten Umfang überschreite, seien die auf die Vorleistung AfOD entfallenden Kosten nicht mehr durch Erlöse aus der Endkundenflatrate gedeckt. Diesem Nachteil sei die Klägerin aber nicht ausgesetzt. Im Falle einer Übernutzung der U.-P. -Flatrate erziele der Gesamtkonzern Gewinne, da den Verlusten der Tochtergesellschaft spiegelbildliche Gewinne der Muttergesellschaft durch die nutzungszeitabhängigen Vorleistungsentgelte entgegen stünden.

Diese Nachteile lassen sich jedoch nicht dem AfOD-Entgelt zurechnen. Soweit die Kammer im vorangegangenen vorläufigen Rechtsschutz-Verfahren (1 L 2892/00) zu einer anderen Auffassung tendierte, hält sie daran aus folgenden Gründen nicht mehr fest: Die RegTP führt die Nachteile für andere ISP im Grunde nicht auf das tatsächliche AfOD-Entgelt, sondern darauf zurück, dass die Klägerin es unterlassen hat, daneben eine AfOD-Vorleistungsflatrate anzubieten. Dieses Unterlassen kann aber nicht als Entgelt(verlangen) im Sinne des § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG beurteilt werden. Wie die Gesetzesformulierung: "Entgelte dürfen keine Vorteile einräumen", zeigt, kann damit nur eine tatsächlich verlangte Gegenleistung gemeint sein. Das ergibt sich auch aus der Regelung des § 29 Abs. 1 TKG, die gemäß § 30 Abs. 5 Satz 2 TKG auf Expost regulierte Entgelte entsprechende Anwendung findet und die - wie Überschrift und Inhalt erkennen lassen - ebenfalls eine Abweichung von verlangten Entgelten voraussetzt.

Abgesehen davon spricht der Wortsinn des Merkmals "Vorteile einräumen" dafür, dass der Gesetzgeber bei dieser ausdrücklich normierten Diskriminierungsvariante nicht von einem bloßen Ursachenzusammenhang zwischen dem geprüften Entgelt und dem unzulässigen Vorteil ausgeht, sondern nur solche Vergünstigungen im Blick hat, die in einem engen Zusammenhang mit der Entgeltbemessung stehen. In diesem Sinne räumen Entgelte Vorteile nur dann ein, wenn sie den Bezug der zugrunde liegenden Leistung einzelnen Nachfragern zu einem geringeren Preis oder zu sonstwie günstigeren Entgeltbedingungen als anderen Nachfragern ermöglichen,

vgl.: Schuster/Stürmer, a.a.O., Rn. 48 und 49 zu § 24.

Geht es aber im Rahmen des § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG bei der Variante der Diskriminierung durch Vorteilseinräumung allein um Unterschiede in den Entgeltmodalitäten, so muss Gleiches auch bei der nicht ausdrücklich geregelten Variante der Nachteilszufügung gelten. Die von der RegTP hier angenommenen Nachteile für andere, mit U.-P. konkurrierende ISP lassen sich aber nicht als Entgeltbedingungen für die Inanspruchnahme der AfOD-Verbindungsleistung beurteilen.

Außerdem entstehen die im Bescheid genannten Nachteile für konzernfremde ISP nur, wenn und solange U.-P. - wie hier im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Regulierungsbescheides im Rahmen des Bezugs von TICOC - eine Endkundenflatrate tatsächlich anbietet. Soweit die Beklagte nunmehr ausschließlich auf die bloße Möglichkeit einer Endkundenflatrate abstellt, verkennt sie, dass mit der konkreten Ausnutzung einer solchen Möglichkeit kein Wettbewerbsvorteil von Wert verbunden ist. Eine nicht umgesetzte Vorteilsmöglichkeit beeinträchtigt den Wettbewerber nicht und beinhaltet somit noch nicht dessen Diskriminierung,

so auch: OVG NRW, Beschluss vom 15.03.2001 -13 B 158/01-.

Gleiches muss für die Variante der Nachteilszufügung gelten. Das tatsächliche Anbieten einer Endkundenflatrate durch U.-P. stellt im vorliegenden Falle eine eigenständige Nachteilsursache dar, die nichts mit dem AfOD-Entgelt zu tun hat. Denn erst die Entscheidung von U.-P. , eine Endkundenflatrate trotz Bezuges zeitabhängig tarifierter Vorleistungen einzuführen, löst das Risiko der Kostenunterdeckung in der Form einer Preis-Kosten-Schere aus. 1.2.3 Liegt somit kein Verstoß gegen § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG vor, so kann dahingestellt bleiben, ob die Anordnung unter Ziffer 1.3 des Bescheides auch wegen Überschreitung der Anpassungsbefugnis oder wegen Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig war.

2. Der Klageantrag zu 2 ist unbegründet.

Die Anordnung in Ziffer 4, künftige Änderungen der Entgelte für AfOD und für die Verbindungsleistung im Rahmen von TICOC jeweils vor ihrem Inkrafttreten im Amtsblatt der RegTP zu veröffentlichen, ist rechtmäßig. Dazu hat die Kammer im Beschluss vom 30.01.2001 -1 L 2892/00-,

insoweit im Beschwerdeverfahren bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 15.03.2001 -13 B 158/01-,

ausgeführt: "Rechtsgrundlage für diese Verpflichtung ist § 31 Abs. 2 TKG. Hiernach kann die RegTP vorschreiben, in welcher Form ein Entgelt oder eine Entgeltänderung zu veröffentlichen ist. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin spricht alles dafür, dass diese Vorschrift auch dazu ermächtigt, eine Veröffentlichungspflicht dem Grunde nach für die hier in Rede stehenden, der nachträglichen Regulierung unterliegenden AfOD-Entgelte anzuordnen. Dies folgt aus der systematischen Stellung und dem hieraus folgenden Anwendungsbereich des § 31 TKG, der sowohl das Vorabgenehmigungsverfahren als auch die nachträgliche Entgeltregulierung umfasst. Sähe man in der Vorschrift des § 31 Abs. 2 TKG lediglich eine Befugnis zur Regelung der Form der Veröffentlichung, wäre die Einbeziehung der nachträglichen Entgeltregulierung in den Anwendungsbereich des § 31 TKG sinnlos, weil die spezielle Bestimmung des § 30 TKG über das nachträgliche Regulierungsverfahren eine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Entgelten und Entgeltänderungen gerade nicht kennt. Nach § 30 Abs. 6 TKG ist im Amtsblatt der RegTP lediglich die Ausübung des Widerspruchs der Antragsgegnerin nach § 30 Abs. 4 TKG zu veröffentlichen, der - wie der streitgegenständliche Bescheid belegt - aber in der Regel die konkreten, den Maßstäben des § 24 Abs. 2 TKG genügenden Entgelte nicht beinhaltet. Hinzu kommt, dass die Vorschrift des § 31 Abs. 2 TKG nahezu leer liefe, wenn in ihr nur eine Befugnis zur Regelung der - äußeren - Form der Veröffentlichung zu erblicken wäre und ihr Anwendungsbereich somit allein auf das Exante-Regulierungsverfahren beschränkt bliebe. Für das Exante-Regulierungsverfahren sind Art und Weise der nach § 28 Abs. 4 TKG vorgeschriebenen Veröffentlichung nämlich schon geregelt. Hier bestimmt § 28 Abs. 4 TKG i.V.m. § 9 TEntgV, dass die genehmigten Entgelten zusammen mit den dazugehörigen Leistungsbeschreibungen und den sonstigen Bestimmungen über die Leistungsentgelte im Amtsblatt der RegTP zu veröffentlichen sind. Dies macht deutlich, dass die Vorschrift des § 31 Abs. 2 TKG ergänzend zu den nach § 28 Abs. 4 und § 30 Abs. 6 TKG bestehenden zwingenden Veröffentlichungspflichten der Antragsgegnerin zusätzlich die Befugnis einräumt, im Ermessenswege auch für den Bereich der nachträglichen Entgeltregulierung die Veröffentlichung bestimmter Entgelte anzuordnen. Die Erwägung der Antragsgegnerin, dass die Veröffentlichung der aktuellen Entgelte für das AfOD und der Verbindungsentgelte im TICOC im Interesse eines leistungsgerechten Wettbewerbs notwendig sei, weil sie aufgrund zahlreicher Nachfragen von ISP festgestellt habe, dass Informationen über die Produkte AfOD und TICOC von der Antragstellerin selbst oft nur mit Schwierigkeiten zu beziehen seien, lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Die Anordnung zur Veröffentlichung der AfOD-Entgelte und der Verbindungsentgelte im TICOC ist schließlich auch deshalb nicht rechtswidrig, weil sie in der schriftlichen Begründung des angefochtenen Bescheides ... mit § 30 Abs. 2 TKG auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage gestützt wird. Vor dem Hintergrund, dass sowohl die Einleitungsverfügung vom 15.09.2000 als auch die Ausführungen auf Bl. 20 des streitgegenständlichen Bescheides auf die zutreffende Rechtsgrundlage verweisen, spricht alles dafür, dass es sich bei dem Fehlzitat in der Begründung auf Bl. 52 f. des Bescheides um einen bloßen Schreibfehler handelt, der zwar nicht förmlich, aber durch entsprechende Klarstellungen der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren gemäß § 42 VwVfG berichtigt wurde."

Der Vortrag der Klägerin im vorliegenden Hauptsacheverfahren bietet keinen Anlass, von dieser Auffassung abzuweichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwGO. Dabei setzt die Kammer von den ursprünglich fünf Klageteilen (Ziffern 1.1, 1.2, 1.3, 2 und 4 des Bescheides) den zurückgenommenen (Ziffern 1.1, 1.2 und 2) sowie den von der Klägerin verlorenen Teil (Ziffer 4) jeweils mit dem gleichen und den von der Klägerin gewonnenen Teil (Ziffer 1.3) wegen seiner größeren Bedeutung mit dem doppelten Gewicht an.






VG Köln:
Urteil v. 27.05.2004
Az: 1 K 10149/00


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