Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 4. Mai 1999
Aktenzeichen: 27 U 180/98

(OLG Hamm: Urteil v. 04.05.1999, Az.: 27 U 180/98)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Januar 1998 verkündete Urteil der VIII. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden der Klägerin aufer-legt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 18.000,00 DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Voll-streckung ihrerseits Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Beiden Seiten wird nachgelassen, die Sicherheit auch durch Prozeßbürgschaft eines in Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitutes zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin ist die einzige Kommanditistin, die am 29.07.1968 gegründete Beklagte zu 1. die persönlich haftende Gesellschafterin der an demselben Tag gegründeten Zweitbeklagten, in die die Klägerin das bis dahin von ihr allein geführte Unternehmen "R " einbrachte. Die Parteien streiten zum einen darum, ob nach II, (5) des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft die Erstbeklagte allein oder die Gesellschafterversammlung, in der die Klägerin 66 % der Stimmen hält, zur Bestellung des Bilanzabschlußprüfers berechtigt ist, zum anderen darum, unter welchen Voraussetzungen die Klägerin, ohne an die Zustimmung der Erstbeklagten gebunden zu sein, ihr Entnahmerecht bezüglich ihrer Darlehenskonten bzw. der in der Kommanditgesellschaft für sie ausgewiesenen Gewinne ausüben kann. Die Klägerin sieht in der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft, so wie die Beklagten ihn auslegen, einen nach ihrem Stiftungszweck unzulässigen Entzug ihrer eigenen Kontrolle über das Stiftungsvermögen. Dessen sei sich - so hat die Klägerin behauptet - die bei Gründung der Kommanditgesellschaft als Stiftungsvorstand für sie handelnde, seinerzeit schon betagte E S - Mutter sowohl des jetzigen Vorstands der Klägerin als auch des Geschäftsführers der Erstbeklagten - nicht bewußt gewesen.

Zur Bestellung des Abschlußprüfers, der im Streitfall auch die Auseinandersetzungsbilanz bei Ausscheiden eines Gesellschafters verbindlich aufzustellen hat, heißt es in II, (5) des Gesellschaftsvertrags für die Kommanditgesellschaft:

"Jahresabschluß

... Der Jahresabschluß ist tunlichst innerhalb von sechs Monaten nach Schluß des Geschäftsjahres in Übereinstimmung mit der Steuerbilanz von der persönlich haftenden Gesellschafterin zu errichten und durch den von der Gesellschaft bestimmten Wirtschaftsprüfer oder Angehörigen eines steuerberatenden Berufes zu prüfen."

Die Klägerin und die Erstbeklagte können sich - u.a. für das Geschäftsjahr 1996 - nicht auf einen Abschlußprüfer einigen. Im Protokoll über die Gesellschafterversammlung der Bekl. zu 2. vom 20.6.1996 (vgl. Bl. 32 f. GA) heißt es zu 5.1.

5.1. Wahl des Abschlußprüfers Die Komplementärin bestimmte unter Berufung auf § 5 des Gesellschaftsvertrages Herrn Dipl. Finanzwirt A vereidigter Buchprüfer, Steuerberater, zum Abschlußprüfer für den Jahresabschluß zum 31.12.1996. Dem widersprach die Kommanditistin unter Berufung auf § 318 HGB und der Kommentierung von Baumbach/Hueck zu § 41 GmbHG mit der Begründung, daß nicht die Geschäftsführung der zu prüfenden Gesellschaft den Prüfer selbst wählen kann. Die Kommanditistin stimmte für die Wahl der W -GmbH zum Prüfer des Jahresabschlusses zum 31.12.1996. Die Komplementärin widersprach dieser Wahl.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die Bestimmung des Abschlußprüfers sei die Gesellschafterversammlung zuständig. Dafür hat sie den Wortlaut des KG-Vertrags in Anspruch genommen, der in II, (5) zwischen der persönlich haftenden Gesellschafterin, die den Jahresabschluß aufzustellen habe, einerseits und der Gesellschaft, die ihn zu prüfen habe, andererseits differenziere. Für die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung spreche auch der Grundsatz, daß der zu überprüfende - hier die Geschäftsführerin der KG - seinen Prüfer nicht selbst auswählen dürfe.

Das Recht der Gesellschafter zu Entnahmen aus dem Vermögen der Zweitbeklagten regelt II, (8) des KG-Vertrags so:

"Entnahmen

Die Gesellschafter dürfen Entnahmen ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter zu Lasten ihrer Darlehenskonten vornehmen, und zwar die aus ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung tatsächlich erwachsenden Steuern. Sonstige Entnahmen bedürfen der Zustimmung. Gleiches gilt für Einlagen.

Die Kommanditistin kann verlangen, daß aus den Gewinnen ihr diejenigen Beträge zur Verfügung gestellt werden, deren sie zur Erfüllung ihrer Leistungen gegenüber Destinatären, zur Erreichung des Stiftungszweckes und zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedarf. Das Verlangen ist unbeachtlich, wenn durch seine Geltendmachung die Liquidität der Gesellschaft gefährdet wird. Ob solche Gefährdung vorliegt, entscheidet die persönlich haftende Gesellschafterin nach pflichtgemäßem Ermessen. In jedem Fall dürfen die Gesamtentnahmen der Kommanditisten 75 % des Jahresgewinnes, der auch die Zinsen mit einschließt, nicht übersteigen."

Bei Klageerhebung im April 1997 schuldete die Klägerin dem Finanzamt u.a. Körperschaftssteuer in Höhe von 240.747,00 DM. Die Zweitbeklagte, die sie zur Begleichung dieser Steuerschuld vergeblich aufgefordert hatte, vertrat den Standpunkt, die Klägerin hätte zuvor über vom Finanzamt erhaltene Steuerrückzahlungen für vergangene Veranlagungszeiträume in Höhe von ca. 4 Mio. DM Rechenschaft ablegen und deren Verwendung nachweisen müssen. Die Klägerin dürfe nämlich Steuerrückzahlungsbeträge ohne Zustimmung der Beklagten nur zur Begleichung von Steuerschulden verwenden, weil sie nach II, (8) des KG-Vertrages Entnahmen ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter nur zur Begleichung der aus ihrer Beteiligung tatsächlich erwachsenen Steuern tätigen dürfe. Die Klägerin hatte solche Steuerrückzahlungsbeträge teilweise nicht zur Begleichung neuer Steuerschulden, sondern zur Erfüllung ihrer Stiftungsaufgaben verwandt, lehnt aber eine über die Höhe der Steuerzahlungen und -rückzahlungen hinausgehende Rechenschaftspflicht ab.

Nachdem die ursprüngliche Zahlungsklage gegen die Zweitbeklagte, mit der die Klägerin die Mittel zur Begleichung einer Steuervorauszahlungsschuld begehrt hat, übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, begehrt die Klägerin nunmehr eine grundsätzliche Klärung ihrer Entnahmerechte. Sie nimmt für sich in Anspruch, ohne Zustimmung der Beklagten zu Entnahmen für die Begleichung neuer, aus ihrer Beteiligung erwachsender Steuerschulden wie auch für die Erfüllung ihrer Stiftungszwecke berechtigt zu sein, ohne der Zweitbeklagten über die Vorlage ihrer turnusmäßigen Jahresabschlüsse hinaus über die Verwendung der angeforderten oder erhaltenen Mittel und erhaltener Steuerrückzahlungsbeträge Rechenschaft ablegen zu müssen. Die Klägerin hat darauf verwiesen, daß der Gesellschaftsvertrag keine ausdrückliche Regelung darüber enthalte, wie mit Steuerrückerstattungen zu verfahren sei, und hat darauf hingewiesen, in den Jahren 1992 und 1993 habe die Beklagte zu 2) solche Erstattungsbeträge nicht zurückgefordert, so daß sie, die Klägerin, sie ohne Rechenschaftslegung zu Stiftungszwecken habe verwenden können. Im übrigen sei eine Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis der Beklagten zu 2. bzw. eine darauf hinauslaufende gesellschaftsvertragliche Regelung, die die Klägerin hindere, die ihr zustehenden Gewinne, obwohl diese Erträge des Stiftungsvermögens seien, ohne weiteres für Stiftungszwecke zu entnehmen, mit allgemeinen Grundsätzen des Stiftungsrechts unvereinbar.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:

1. gegenüber der Beklagten zu 1) festzustellen, daß in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) vom 20. Juni 1996 die W -GmbH zur Prüferin des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1996 bestellt wurde,

2. gegenüber der Beklagten zu 2) festzustellen, daß sie, die Klägerin berechtigt sei, auf sie entfallende Gewinne aus der Beteiligung an der Beklagten zu 2) jeweils in Höhe der von der Klägerin künftig zu leistenden Vorauszahlungen auf Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag und ggf. anfallender Schlußzahlungen und die Beträge, deren die Klägerin zur Erfüllung ihrer Leistungen gegenüber ihren Destinatären, zur Erreichung des Stiftungszwecks und zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedarf und dementsprechend anfordert, ohne Rücksicht auf zugunsten der Klägerin erfolgte Steuererstattungen und den Nachweis des Verbrauchs dieser Mittel zu entnehmen.

Die Beklagte zu 1. hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1. hat zur Frage der Auswahl des Abschlußprüfers die Auffassung vertreten, die Regelung in II, (5) des KG-Vertrages spreche eindeutig für ein Bestimmungsrecht der persönlich haftenden Gesellschafterin. Sie hat behauptet, dieses Verständnis der Regelung sei bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages von den Beteiligten auch ausdrücklich so gewollt und besprochen gewesen.

Die Beklagte zu 2. hat der mit dem Klageantrag zu 2. verfolgten Klageänderung widersprochen und sich auf diesen ihr erst schriftsätzlich drei Tage vor dem Verhandlungstermin zugestellten Antrag nicht eingelassen.

Das Landgericht hat durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des Notars Q Beweis erhoben über die Absprachen der Vertragsparteien anläßlich der Gründung der Zweitbeklagten. Es hat sodann die Klagen abgewiesen mit der Begründung, der KG-Vertrag bestimme abweichend von allgemeinen Grundsätzen ein alleiniges Auswahlrecht der Erstbeklagten hinsichtlich des Abschlußprüfers. Daß der nach seiner Auffassung unergiebige Wortlaut von § 5 des Vertrags so auszulegen sei, ergebe die schriftliche Aussage des Zeugen Q zu den Interessen und Erklärungen der Beteiligten bei Vertragsschluß. Der gegen die Zweitbeklagte gerichtete Feststellungsantrag sei unzulässig, denn die darin liegende Klageänderung sei infolge einer sonst durch sie verursachte Verzögerung der Entscheidung des Rechtsstreits nicht sachdienlich.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie rügt als erhebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens die Verweigerung der persönlichen Vernehmung des Zeugen Q in einem Beweisaufnahmetermin als auch der Zulassung der Klageänderung gegenüber der Zweitbeklagten als sachdienlich. Im übrigen wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügt im einzelnen die Beweiswürdigung des Landgerichts.

Die Klägerin beantragt,

abändernd nach ihren Schlußanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil auch gegenüber der Rüge von Verfahrensmängeln.

I.

Den Feststellungsantrag zu 1. (Bestellung des Abschlußprüfers) hält die Erstbeklagte für unzulässig, weil auf Feststellung einer Tatsache, nicht eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Soweit er auf Feststellung der Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses gerichtet sei, sei ein solcher ausweislich des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 20.06.1996 nicht gefaßt worden. Darüber hinaus sei der Feststellungsantrag unbegründet, da die Beklagte zu 2. bei der Bestimmung der Person des Abschlußprüfers allein von der Beklagten zu 1. als ihrer Geschäftsführerin vertreten werde. Dies folge schon aus der Wortwahl in II, (5) des KG-Vertrags, wonach die "Gesellschaft" in Abgrenzung zur "Gesellschafterversammlung" den Abschlußprüfer zu bestimmen habe. Darüber hinaus ergebe dies der Zusammenhang der Regelungen des Gesellschaftsvertrags, der weitgehend die Befugnisse der Gesellschafterversammlung einem Beirat übertragen habe und dies auch hinsichtlich der Bestimmung des Abschlußprüfers vorgesehen haben würde, wenn eine alleinige Zuständigkeit der Komplementärin insoweit nicht gewollt gewesen wäre. Dies um so mehr, als für die Gründungsgesellschafter ohnehin keine gesetzliche Verpflichtung bestanden habe, eine Abschlußprüfung vorzusehen und der Abschlußprüfer hier satzungsgemäß die besondere Aufgabe habe, im Streitfall das Abfindungsguthaben des ausscheidenden Gesellschafters festzusetzen. Im Hinblick auf die letztgenannte Funktion wäre kein Gesellschafter bereit gewesen, die Bestimmung des Abschlußprüfers der Gesellschafterversammlung und damit der Klägerin zu überlassen. Vor allem belege die seit 1968 geübte Praxis, wonach - unstreitig - bis 1991 der Abschlußprüfer stets unangefochten von der Erstbeklagten bestellt und die Frage nach der Zuständigkeit insoweit erstmals in der Gesellschafterversammlung vom 09.11.1992 aufgeworfen worden sei und die Klägerin lediglich in den Versammlungen vom 16.06.1993 und 11.08.1995 dem widersprochen habe, daß die Gesellschafter II, (5) des KG-Vertrags stets im Sinne der Auffassung der Erstbeklagten verstanden hätten. Schließlich sei durch die - glaubhafte - Zeugenaussage des Notars Q als dem damaligen Vertragsverfasser bewiesen, daß die vertragsschließenden Gesellschafter die Frage gesehen, diskutiert und eine Bestimmung durch die Gesellschafterversammlung nicht gewollt haben. Die so zu verstehende Regelung in II, (5) des Vertrags sei rechtlich bedenkenfrei, insbesondere sei die Bestellung des Abschlußprüfers, anders als die Aufstellung des Jahresabschlusses selbst, in einer GmbH & Co. KG kein der Gesellschafterversammlung vorbehaltenes Grundlagengeschäft, wie die gesetzliche Regelung in § 318 Abs. 1 S. 2 HGB erweise.

II.

Die Zweitbeklagte hält auch den Feststellungsantrag hinsichtlich der Gewinnentnahmeberechtigung für unzulässig, da wiederum nicht auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses, sondern auf Klärung einer Rechtsfrage gerichtet. Auch beinhalte er eine unzulässige, weil wegen Verspätung in erster Instanz nicht sachdienliche Klageänderung.

Im übrigen halten die Beklagten auch diesen Antrag für unbegründet, da die Klägerin gemäß II, (8) des Gesellschaftsvertrags Entnahmen für Steuerschulden nicht ohne Abrechnung zuvor erhaltener Steuererstattungen und solche für die Erfüllung ihrer Stiftungsaufgaben nicht ohne Nachweis des Verbrauchs dieser Mittel tätigen dürfe. Soweit Steuervorauszahlungen erstattet werden, seien die Steuern letztlich bei der Klägerin nicht "tatsächlich erwachsen", so daß das vorläufige Entnahmerecht als Rechtsgrund insoweit später wegfalle mit der Folge eines Rückerstattungsanspruchs. Die klägerische Auffassung widerspreche auch dem vereinbarten Zweck der Beschränkung des Entnahmerechts, zumal die Klägerin es so in der Hand hätte, Steuervorauszahlungsschulden willkürlich in die Höhe zu treiben. Da die Klägerin im übrigen nur zur Erfüllung des Stiftungszwecks Entnahmen tätigen dürfe, müsse sie zwangsläufig die Erfüllung dieser Voraussetzungen durch eine exakte Aufstellung der beabsichtigten Verwendung der Entnahmebeträge belegen und beweisen. Die nachträglich erstellten Geschäftsberichte der Klägerin reichten dazu vor allem deshalb nicht, weil sie nicht an die Zweitbeklagte gerichtet werden, inhaltlich nicht aussagekräftig seien und im übrigen viel zu spät erstellt würden. Die gesellschaftsvertragliche Regelung stoße auch nicht auf Bedenken aus stiftungsrechtlicher Sicht, da die Klägerin sich als Gesellschafterin an der beklagten Kommanditgesellschaft beteiligt und damit deren Rechtsregeln unterworfen habe. Daß über die Entnahmevoraussetzungen mittelbar eine dem Stiftungszweck entsprechende Verwendung der Mittel bei der Klägerin gewährleistet werden solle, sei ebenfalls von den Vertragsschließenden bei der Gründung der Gesellschaft so gewollt gewesen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Zeugen Q uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Vermerk des Berichterstatters zur Berufungsverhandlung verwiesen.

Gründe

Die Berufung bleibt gegenüber beiden Beklagten erfolglos, weil sowohl die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) hinsichtlich der Feststellung des Jahresabschlußprüfers (I.), als auch die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) hinsichtlich der Feststellung des Entnahmerechts (II.) unbegründet ist.

I.

Die Feststellungsklage ist zulässig, denn sie ist insofern auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien gerichtet, als sie für beide Gesellschafter verbindlich die Frage klären soll, ob in der Gesellschafterversammlung vom 20. Juni 1996 die W -GmbH mit der Stimmenmehrheit der Klägerin zur Jahresabschlußprüferin für das Jahr 1996 gemäß II, (5) des Gesellschaftsvertrags bestellt wurde. Allerdings liegt eine formelle Beschlußfeststellungsklage nicht vor; sie wäre im übrigen ebenso wie die Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluß gegen die Gesellschaft (hier KG) zu richten. Die vorliegende Feststellungsklage ist hier zutreffend gegen die Komplementärin als Mitgesellschafterin gerichtet, denn der Streit um die Bestimmung des Abschlußprüfers berührt das Gesellschaftsverhältnis unmittelbar. Solche Prozesse sind deshalb nicht zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, sondern auf der Ebene der Gesellschafter selbst auszutragen (so zuletzt BGH ZIP 99, 68 ff für den Streit um die Zustimmung zu den Rechnungsabschlüssen der Gesellschaft). Auch die Wahl des Rechnungsabschlußprüfers stellt ein solches die Organisation der Gesellschaft betreffendes Grundlagengeschäft dar, wie der Bundesgerichtshof - in einem Rechtsstreit zwischen den Gesellschaftern - in BGHZ 76, 338/43 f entschieden hat.

Die Klage ist jedoch unbegründet, wobei dahinstehen kann, ob es in der Gesellschafterversammlung vom 20. Juni 1996 überhaupt zu einer förmlichen Beschlußfassung über die Bestimmung des Abschlußprüfers gekommen ist. Jedenfalls wäre ein solcher Beschluß nicht wirksam, weil er nicht in die Kompetenz der Gesellschafterversammlung fiel, vielmehr insoweit kraft gesellschaftsvertraglicher Regelung ein einseitiges Bestimmungsrecht der Beklagten zu 1. besteht.

Nach der gesetzlichen Ausgangslage haben allerdings gemäß § 318 Abs. 1 S. 2 1. Halbsatz HGB "die Gesellschafter" den Abschlußprüfer zu wählen. Vor Inkrafttreten dieser Norm hat der Bundesgerichtshof für den insoweit gleichlautenden § 6 Abs. 3 PublG entschieden, daß damit in der Kommanditgesellschaft alle Gesellschafter einschließlich der Kommanditisten gemeint sind und die Wahl des Abschlußprüfers keine dem Komplementär als solchem zukommende Geschäftsführungsmaßnahme darstellt (BGHZ 76, 338). Dies hat der Bundesgerichtshof nicht nur mit dem allgemeinen wie dem handelsrechtlichen Sprachgebrauch begründet, sondern auch mit der Stellung des Abschlußprüfers als Gesellschaftsorgan und der Bedeutung seiner Unabhängigkeit gegenüber dem zu prüfenden Geschäftsführer. Dasselbe hat für die Gesetzeslage bei Gründung der Beklagten zu 2. im Jahr 1968 zu gelten, obwohl der erst mit dem Bilanzrichtliniengesetz von 1985 in das HGB eingefügte § 318 zu jener Zeit noch nicht galt. Das gesetzliche Institut der Abschlußprüfung war nämlich schon damals aus dem Aktienrecht bekannt und schon der frühere § 163 AktG bestimmte, daß die Abschlußprüfer von der Hauptversammlung, also den Gesellschaftern, gewählt werden.

Indes können im Fall einer freiwilligen, d.h. nicht gesetzlich vorgeschriebenen, sondern auf gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung beruhenden Abschlußprüfung von den Gesellschaftern abweichende Bestimmungen für die Bestellung und Abberufung des Prüfers getroffen werden. Zwischen der gesetzlichen und der allein aufgrund der Satzung durchzuführenden Abschlußprüfung besteht insoweit ein grundlegender Unterschied (BGH ZIP 1991, 1427). Allerdings wird von einem Teil der gesellschaftsrechtlichen Literatur die Übertragung des Auswahlrechts gerade auf den zu prüfenden Geschäftsführer oder geschäftsführenden Gesellschafter im Hinblick auf eine dann zu besorgende Befangenheit des Prüfers für unzulässig gehalten (Baumbach/Hopt, § 318 HGB Rz. 1; Heymann/Herrmann, § 318 HGB Rz. 1; Hommelhoff/Priester ZGR 86, 463/485; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, § 41 GmbHG Rz. 64). Dieses Bedenken steht jedoch einer Auswahlkompetenz der Geschäftsführer nicht entgegen, weil die übrigen Gesellschafter bei konkret gegebener Besorgnis der Befangenheit durch das Antragsrecht nach § 318 Abs. 3 HGB ausreichend geschützt sind (so auch Rowedder/Wiedmann, § 42 a GmbHG Rz. 30 m.w.N.).

Eine somit zulässige Abweichung vom gesetzlichen Grundprinzip enthält vorliegend der zwischen den Parteien bestehende Gesellschaftsvertrag über die Kommanditgesellschaft.

Allerdings ist der Berufung zuzugeben, daß der Wortlaut von II, (5) des Vertrags vom 29.07.1968 mit der Formulierung "von der Gesellschaft bestimmten Wirtschaftsprüfer" auf ein Bestimmungsrecht der Gesellschafterversammlung hindeuten könnte. Die Wahl des Abschlußprüfers ist nämlich gerade kein "Außengeschäft", bei dem die Gesellschaft durch die persönlich haftende Gesellschafterin vertreten wird, sondern ein im Verhältnis der Gesellschafter untereinander vorzunehmendes Grundlagengeschäft, siehe den Hinweis oben BGHZ 76, 342 f. Außerdem könnte für die Auslegung der Vertragsklausel im Sinne der Klägerin sprechen, daß II, (5) in ein und demselben Satz ausdrücklich bei der Zuweisung der verschiedenen Aufgaben zwischen der persönlich haftenden Gesellschafterin einerseits und der Gesellschaft andererseits unterscheidet.

Gleichwohl haben die Vertragsschließenden seinerzeit ein alleiniges Bestimmungsrecht der persönlich haftenden Gesellschafterin gewollt und die betreffende Vertragsklausel auch so verstanden. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Q und aus der über 20 Jahre lang seit dem Vertragsschluß geübten Praxis der Parteien. Der Zeuge Q hat - wenngleich ohne konkrete Erinnerung an die Verhandlung und Ausgestaltung gerade dieser Vertragsklausel - bekundet, daß er selbst die Klausel im Sinne eines alleinigen Bestimmungsrechts der persönlich haftenden Gesellschafterin verstanden wissen wollte, während er sonst die Gesellschafterversammlung in dem Vertrag ausdrücklich als solche bezeichnet habe, wenn er sie gemeint habe. Der Umstand, daß bei der Vorbereitung des Vertragsschlusses nach der Aussage des Zeugen Q mit den Beteiligten auch über diese Klausel gesprochen wurde, legt bereits nahe, daß die Parteien ihr denselben Sinn beigemessen haben wie der Vertragsverfasser, zumal dieses Verständnis sich in das Bestreben der Beteiligten einfügt, die Rechtsstellung der persönlich haftenden Gesellschafterin gegenüber der Kommanditistin - aus welchen Gründen auch immer - zu stärken. Bestätigt wird dies durch den Umstand, daß der Zeuge gegenüber dem an der Vorbereitung des Vertrages beteiligten Wirtschaftsprüfer F mit Schreiben vom 12.11.1968 nochmals eine quasi "authentische" Erläuterung der Vertragsklausel dahin gegeben hat, daß danach die Bestimmung des Abschlußprüfers in die alleinige Zuständigkeit der persönlich haftenden Gesellschafterin falle. Nach diesem Schreiben, dem fünf Abschriften zur Unterrichtung der übrigen Beteiligten beigefügt waren, war das Recht zur Bestellung des Abschlußprüfers nicht nur kein Diskussionsgegenstand unter den Parteien mehr, diese sind vielmehr bis 1992 in der Weise verfahren, daß jeweils die Beklagte zu 1) allein den Abschlußprüfer bestimmte. Das ist ein gewichtiges Argument für einen entsprechenden Willen der Beteiligten von Anfang an. Außerdem aber läge in dieser langjährigen Übung jedenfalls eine stillschweigende Abänderung des Gesellschaftsvertrags mit dem Inhalt begründet, daß die persönlich haftende Gesellschafterin den Abschlußprüfer bestimmen soll. Daß die langjährige Übung einer bestimmten Gesellschafterpraxis zu einer stillschweigenden Änderung des Gesellschaftsvertrags führen kann, zumindest eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, daß sie eine solche Änderung bewirkt hat, ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (BGH NJW 1996, 1678/80, NJW 1966, 826).

Die Argumentation der Klägerin, die langjährige stillschweigende Überlassung der Auswahl des Prüfers an die Beklagte zu 1) beruhe allein darauf, daß sie, die Klägerin, bis 1991 mit dem ausgewählten Prüfer einverstanden gewesen sei, greift demgegenüber nicht. Ihr Verhalten beinhaltet nämlich nicht nur das Einverständnis mit der Person des jeweils bestimmten Abschlußprüfers, sondern auch mit dem Verfahren zu dessen Auswahl durch einseitige Bestellung seitens der persönlich haftenden Gesellschafterin. Daß diese Verfahrensweise der einseitigen Bestellung des Abschlußprüfers ungeachtet ihrer Zustimmung zu der Person des Bestellten nicht dem Gesellschaftsvertrag entspreche, hat die Klägerin bis 1992 nie gerügt.

II.

Auch die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Klageantrag ist entgegen der Auffassung der Zweitbeklagten auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Ausgestaltung des Gewinnentnahmerechts der Klägerin gegenüber der KG gerichtet. Die mit dieser Antragstellung vorgenommene Klageänderung ist jedenfalls in der zweiten Instanz sachdienlich. Sie vermag den Streit der Parteien um das Entnahmerecht grundsätzlich unter Verwertung des bisherigen Streitstoffs und ohne Verzögerung des Rechtsstreits zu klären.

Inhaltlich begehrt die Klägerin mit ihrem Antrag - wie sie in der Berufungsverhandlung näher dargelegt hat - die Feststellung ihres Rechts zur Gewinnentnahme ohne Verpflichtung zum Nachweis der Verwendung von Steuerrückzahlungsbeträgen aus überhöhten Steuervorauszahlungen, für die sie zuvor ihr Entnahmerecht gemäß II, (8) Absatz 1 Satz 1 des KG-Vertrags in Anspruch genommen hat, und im übrigen ohne vorherigen Nachweis der Notwendigkeit der Entnahme zur Erreichung ihres Stiftungszwecks und zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Stiftung. Eine nachträgliche Abrechnung der durch die Entnahmen erhaltenen Mittel will sie lediglich durch Vorlage ihrer Jahresabschlüsse bzw. Geschäftsberichte erteilen. Sie faßt ihre diesbezüglichen Vorstellungen schlagwortartig wie folgt zusammen (s. Protokoll vom 4.5.1999, Bl. 2): Es findet kein Nachweis über die nachträgliche Vorlage des Jahresabschlusses hinaus statt.

Mit diesem Begehren ist der Antrag unbegründet.

Daß die Klägerin über Steuererstattungen abzurechnen hat und sich diese auf neue Entnahmeanforderungen, sei es für neue Steuerschulden, sei es zur Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben, anrechnen lassen muß, ergibt sich aus dem Wortlaut wie auch aus dem Sinn und Zweck der Vertragsklausel, die unbeschränkte Entnahmen nur zur Begleichung der "tatsächlich erwachsenen Steuern" zuläßt. Damit sind nur die endgültig festgesetzten Steuern gemeint. Die Klausel will erreichen, daß der Gesellschafter die aus seiner Beteiligung erwachsenen Steuern nicht aus seinem sonstigen Vermögen außerhalb der Gesellschaft aufbringen oder auch nur vorleisten muß. Er darf deshalb auch die Mittel für Vorschußleistungen entnehmen, soll aber letztlich nicht mehr erhalten als er zur Abdeckung seiner Steuerschulden benötigt. Erstattungen muß er sich deshalb bei seinen nachfolgenden Entnahmeanforderungen anrechnen lassen.

Entsprechendes gilt für den Nachweis der Erforderlichkeit und der Verwendung der zur Erledigung der Stiftungsaufgaben entnommenen Mittel. Die hier in Rede stehende Klausel kann das Entnahmerecht seinem Zweck entsprechend nur wirksam begrenzen, wenn sichergestellt ist, daß die Gelder für satzungsmäßige Aufgaben der Stiftung verwendet werden und wurden.

Daß periodische Nachweise zu erbringen sind, räumt die Klägerin, wie bereits erwähnt, grundsätzlich in der Weise ein (vgl. oben und Bl. 2 des Protokolls vom 4.5.1999), daß sie die Pflicht zum Nachweis der Erforderlichkeit der Mittel im Jahresabschluß zu erbringen habe. Aber auch die Notwendigkeit von zwischenzeitigen Entnahmen muß sie bei deren Vornahme der Beklagten zu 2. aufzeigen: Die Gesellschaft ist nur berechtigt und verpflichtet, die Mittel zur Verfügung zu stellen, welche den in II, (8) des Gesellschaftsvertrages beschriebenen Zwecken dienen. Dabei löst die Beklagte zu 2., wie sie im Senatstermin unwidersprochen dargelegt hat, den auf der Hand liegenden Interessenkonflikt der Parteien (Notwendigkeit eines letzten Endes nachprüfbaren Nachweises einerseits (Interesse der Beklagten zu 2.), und Notwendigkeit einer praktikablen, auch etwa Liquiditätsgesichtspunkten dienenden Handhabung andererseits (Interesse der Klägerin)) in der Weise, daß sie für zwischenzeitige Anforderungen nur eine "plausible Darlegung" fordert. Das ist sachgerecht, und zwar auch insoweit sie die Verrechnung rückerstatteter Steuern beinhaltet. Die "gegenteilige, im Senatstermin von der Klägerin geäußerte Ansicht, es reiche, wenn sie angebe" ich "brauche für Forschungsvorhaben den oder den Betrag", ist ohne rechtliche Grundlage.

Für eine Verminderung ihrer oben behandelten Pflichten zur plausiblen Darlegung und zum Nachweis kann sich die Klägerin schließlich auch nicht auf allgemeine stiftungsrechtliche Erwägungen - welcher Art auch immer -, berufen, nachdem sie sich durch den Gesellschaftsvertrag vom 29.07.1968 mit Billigung ihres Aufsichtsorgans wie auch der staatlichen Stiftungsaufsicht unter das für Kommanditgesellschaften geltende Recht gestellt hat.

III.

Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels muß die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO tragen. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar. Es beschwert die Klägerin mit mehr als 60.000,00 DM.






OLG Hamm:
Urteil v. 04.05.1999
Az: 27 U 180/98


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