Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juni 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 7/00

(BPatG: Beschluss v. 11.06.2003, Az.: 26 W (pat) 7/00)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. März 1997 aufgehoben.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 39 hat die für die Dienstleistungen

"Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren;

Zollabfertigung für andere soweit in Klasse 36 enthalten;

Sendungsverfolgung durch elektronische Standortbestimmung der Waren- und Güter sowie weitere unterstützende logistische Dienstleistungen wie die systematische Verknüpfung von Waren- und Informationsströmen soweit in Klasse 39 enthalten;

Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen;

Telekommunikation;

Geschäftsführung/Vermittlung und Abschluß von Handelsgeschäften für andere;

Philatelie;

Finanzdienstleistungen; Finanzberatung; Unternehmens-, Personal- und Wirtschaftsberatung; technische, gewerbsmäßige Beratung; Marktkommunikation (Pressearbeit; Public Relation, Produktwerbung, Imagekampagnen) für andere;

Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, Erstellung von technischen Gutachten;

Immobilienwesen."

angemeldete konturlose Farbmarkes. Abb. 1 am Endegemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen, weil es sich um ein freihaltungsbedürftiges und zudem nicht unterscheidungskräftiges Zeichen handele. Zur Begründung hat sie ausgeführt, Farben würden im Verkehr im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen regelmäßig als Mittel der äußeren Gestaltung der Ware, ihrer Verpackung bzw von Geschäftspapieren, Werbeträgern u.ä. eingesetzt. Die angesprochenen Verkehrskreise sähen in einer Farbe lediglich ein Ausstattungselement, nicht jedoch ein betriebliches Herkunftszeichen. An Farben bestehe auch grundsätzlich ein Freihaltungsbedürfnis.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Zur Begründung ihrer Beschwerde macht sie geltend, die mit der Anmeldung eingereichte Abbildung eines Farbmusters der beanspruchten Marke genüge den Anforderungen an die grafische Darstellbarkeit. Die angemeldete Marke weise unter Zugrundelegung der vom EuGH und vom BGH aufgestellten Grundsätze auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf. Die Anlegung eines weniger großzügigen Maßstabs als bei sonstigen Markenformen sei bei der Beurteilung der konkreten Unterscheidungskraft einer abstrakten Farbe weder geboten noch mit der Systematik des deutschen Markenrechts vereinbar. Es seien vielmehr die Anforderungen an die Unterscheidungskraft maßgeblich, wie sie für Wortmarken entwickelt worden seien. Der Verkehr sei auch daran gewöhnt, Farben als Unterscheidungsmittel anzusehen. Die konkrete Unterscheidungseignung indiziere die konkrete Unterscheidungskraft. Auch die Intention der Markenrechtsrichtlinie, das Markenrecht für neue Markenformen zu öffnen, stehe der Anlegung eines strengeren Maßstabes als bei Wortmarken entgegen. Die Zahl der möglichen Farbtöne sei fast unerschöpflich. Die Eintragung einer Farbmarke besage noch nichts über deren Schutzumfang. Lediglich ausnahmsweise fehle einer abstrakten Farbe die konkrete Unterscheidungskraft, nämlich wenn die Farbe technisch oder durch geschmackliche Gründe bedingt oder für die beanspruchte Ware üblich sei. Keiner dieser Ausnahmetatbestände liege bezogen auf den Farbton gelb für die konkret beanspruchten Dienstleistungen vor. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sei auch auf die Dauer und die Intensität der erfolgten Benutzung der Farbe abzustellen, was auch der EuGH in der "Chiemsee"-Entscheidung ausdrücklich bestätigt habe. Die angemeldete Farbmarke werde nach einer Verkehrsbefragung vom September 1998 ohne Nennung des Dienstleistungssektors von 55,6 % der Befragten der Anmelderin zugeordnet. Bei einer vorherigen Benennung des Dienstleistungsbereichs erhöhe sich der Zuordnungsgrad auf 77 %. Diese Prozentsätze könnten nur von einem Zeichen erreicht werden, das auch von Haus aus bereits eine originäre Unterscheidungskraft besitze.

Es bestehe an der angemeldeten Farbe auch kein Freihaltungsbedürfnis, da diese für die beanspruchten Dienstleistungen nicht beschreibend sei. Auch Anhaltspunkte für eine zukünftige Benutzung als beschreibende Angabe seien nicht ersichtlich. Systemwidrig und mit dem MarkenG unvereinbar sei es, eine Eintragung mit der allgemeinen Erwägung abzulehnen, dass an Farben grundsätzlich ein allgemeines Freihaltungsbedürfnis zur äußeren Gestaltung der Ware, ihrer Verpackung oder von Geschäftspapieren, Werbeträgern oder dergleichen bestehe.

Hilfsweise macht die Anmelderin geltend, die angemeldete Farbmarke habe sich für sie innerhalb der beteiligten Verkehrskreise infolge Benutzung für die beanspruchten Dienstleistungen durchgesetzt (§ 8 Abs. 3 MarkenG). Es genüge insoweit wegen des fehlenden Freihaltungsbedürfnisses ein Durchsetzungsgrad von 50 %. Den insoweit erforderlichen Durchsetzungsgrad von mindestens 50 %. Die angemeldete Farbmarke erreiche nach dem vorgelegten Befragungsergebnis aber sogar einen Durchsetzungsgrad von über 60 %, was nicht zuletzt auf die erhebliche Dauer und die große Intensität der Benutzung der Farbe gelb durch die Anmelderin sowie deren hohen Werbeaufwendungen zurückzuführen sei.

Die Anmelderin hat in der mündlichen Verhandlung nach Erörterung der Sach- und Rechtslage das Dienstleistungsverzeichnis auf die Dienstleistungen "Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen" beschränkt.

II Die zulässige Beschwerde ist nach der erfolgten Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses begründet, weil sich die angemeldete Farbmarke für die Dienstleistungen "Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen" in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen der Anmelderin durchgesetzt hat (§ 8 Abs. 3 MarkenG).

Auch ein Zeichen, das ausschließlich aus einer konturlosen, nicht formgebundenen Farbe besteht, kann eine Marke i.S.d. § 3 Abs. 1 MarkenG sein (EuGH MarkenR 2003, 227, 231 - Nr. 39 ff, 41 -, Orange). Ein Schutzausschließungsgrund des § 3 Abs. 2 MarkenG, der auch durch Verkehrsdurchsetzung nicht überwunden werden könnte, steht der Eintragung der beanspruchten Farbe als Marke nicht entgegen.

Da im vorliegenden Fall Markenschutz nur noch für Dienstleistungen und nicht für körperliche Waren beansprucht wird, ist die beanspruchte Farbe insbesondere nicht durch die Art der Ware selbst bedingt und stellt auch nicht nur eine bloße Eigenschaft der Dienstleistungen dar.

Das von der Anmelderin eingereichte Farbmuster genügt in Verbindung mit der auf der Rückseite dieses Musters aufgeführten Beschreibung über die Zusammensetzung der beanspruchten Farbe sowie in Verbindung mit der in der Beschwerdebegründung aufgeführten Farbnummer nach dem RAL-Farbcode auch den Anforderungen an eine klare, eindeutige, in sich abgeschlossene, leicht zugängliche, verständliche, dauerhafte und objektive Darstellung der Marke i.S.d. § 8 Abs. 1 MarkenG (EuGH aaO - Nr. 29 ff, 38 - Orange). Der Umstand, dass die Anmelderin die RAL-Nummer der beanspruchten Farbe erstmalig im Beschwerdeverfahren mitgeteilt hat, ist demgegenüber unschädlich, weil die Angabe der Nummer eines anerkannten Farbcodes nur der eindeutigen Identifikation des Anmeldungsgegenstandes dient, während seine erstmalige Offenbarung bereits durch die mit der Anmeldung erfolgte Vorlage eines Musters der beanspruchten Farbe erfolgt ist. Ein solches Verständnis wird auch durch die Feststellung des EuGH gestützt, ein in der bloßen Vorlage eines Farbmusters zu sehender Darstellungsmangel könne gegebenenfalls durch die Hinzufügung der Bezeichnung der Farbe nach einem Kennzeichnungscode geheilt werde (aaO, Nr. 38 - Orange). Folglich bestand im vorliegenden Fall auch keine Veranlassung, den Anmeldetag der Marke auf den Zeitpunkt der Benennung der Farbnummer des RAL-Codes zu verschieben.

Der von der Anmelderin als Marke beanspruchten Farbe fehlt von Haus aus jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Eine Farbe als solche besitzt gewöhnlich nicht die Eigenschaft, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dass einer Farbe als solcher unabhängig von ihrer Benutzung Unterscheidungskraft zukommt, ist nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellbar, wenn etwa die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Farbe als Marke beansprucht wird, sehr beschränkt und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (EuGH aaO - Nr. 66 f - Orange).

Die Anmelderin hat zwar in der mündlichen Verhandlung die Dienstleistungen, für die sie die Markeneintragung begehrt, beschränkt. Der Annahme einer von Haus aus bestehenden Unterscheidungskraft der beanspruchten Farbmarke steht jedoch weiterhin entgegen, dass es sich bei diesen Dienstleistungen um solche handelt, die sich nicht nur an einen sehr spezifischen Markt wenden. Briefdienst-, Frachtdienst- und Kurierdienstleistungen werden insbesondere nicht nur von einem eingeschränkten, mit diesen Dienstleistungen und ihren Anbietern besonders vertrauten Fachpublikum in Anspruch genommen, sondern wenden sich an die Allgemeinheit. Ein sehr spezifischer Markt, der eventuell ausnahmsweise die Bejahung einer von Haus aus bestehenden Unterscheidungskraft hätte rechtfertigen können, ist somit nicht gegeben. Auch wenn insoweit berücksichtigt werden muss, dass der EuGH seine Beurteilung im wesentlichen daran festgemacht hat, der werde Verkehr eine Farbe, die mit dem Erscheinungsbild der Ware verschmelze, nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen, und wenn ferner berücksichtigt wird, dass ein solches Verschmelzen mit dem Erscheinungsbild einer Dienstleistung wegen der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen nicht in gleicher Weise vorstellbar ist wie bei Waren, ist auch bei Dienstleistungen davon auszugehen, dass der Allgemeinverkehr in der Verwendung einer bestimmten Farbe auf Geschäftspapieren, Fahrzeugen sowie am und im Geschäftslokal des Verwenders von Haus aus, d.h. ohne längere und intensive Gewöhnung, keine betriebliche Herkunftskennzeichnung sehen wird.

Die angemeldete konturlose Farbmarke ist jedoch gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG in das Markenregister einzutragen, weil sie sich bereits im Zeitpunkt der Markenanmeldung in den beteiligten Verkehrskreisen infolge ihrer Benutzung für die beanspruchten Dienstleistungen als Kennzeichen der Anmelderin durchgesetzt hat.

Eine Marke, der nicht von vornherein Unterscheidungskraft zukommt, kann diese in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen, für die sie angemeldet ist, jedoch infolge ihrer Benutzung erwerben. Die Eintragung einer Marke gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG kommt jedoch ausschließlich für die Waren und Dienstleistungen in Betracht, für die eine Verkehrsdurchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen durch den Anmelder nachgewiesen worden ist oder für die eine Verkehrsdurchsetzung amts- bzw gerichtsbekannt ist.

Die Anmelderin hat durch das von ihr vorgelegte Ergebnis einer im September 1998 durchgeführten Verkehrsbefragung, wonach im Bereich von "Briefdienst-, Frachtdienst- und Kurierdienstleistungen" 66,1 % des deutschen Allgemeinverkehrs die Farbe "gelb" mit der RAL-Nummer 1032 ihrem Unternehmen zuordnen, den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke für die genannten Dienstleistungen erbracht. In Verbindung mit den von ihr weiterhin vorgelegten Unterlagen über die Dauer, die Art und den Umfang der Benutzung der angemeldeten Farbmarke sowie dem gerichtsbekannten Umstand, dass es sich bei der Rechtsvorgängerin der Anmelderin um ein staatliches Monopolunternehmen gehandelt hat, dessen Tätigwerden bei der Brief- und Paketbeförderung unter Verwendung der beanspruchten Farbe, z.B. auf Fahrzeugen und Briefkästen, nahezu jedem deutschen Bürger bekannt war, steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass die angemeldete Marke schon zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung bei einer Benutzung auf dem Gebiet der "Briefdienst-, Frachtdienst- und Kurierdienstleistungen" von mehr als 50 % des deutschen Allgemeinverkehrs der Anmelderin zugeordnet wurde. Aus diesem Grunde bestand auch keine Ver-

anlassung, die Anmelderin gemäß § 37 Abs. 2 MarkenG zur Erklärung des Einverständnisses mit einer Verschiebung des Anmeldetages aufzufordern.

Vorsitzender Richter Albert befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert Reker Eder Reker Fa Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/26W(pat)7-00.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 11.06.2003
Az: 26 W (pat) 7/00


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