Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Juni 2011
Aktenzeichen: 28 W (pat) 15/10

(BPatG: Beschluss v. 27.06.2011, Az.: 28 W (pat) 15/10)

Tenor

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 24. Oktober 2008 veröffentlichte Eintragung der am 28. Mai 2008 als Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 37 und 39

"Fahrzeuge; Wartung, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Waschen, Reinigen und Polieren von Kraftfahrzeugen; Fahrzeugservice (Betanken); Vermietung von Kraftfahrzeugen"

angemeldeten Wort-/Bildmarke 30 2008 035 544 ist Widerspruch eingelegt worden aus der am 10. April 2008 angemeldeten und seit dem 24. September 2008 eingetragenen Wortmarke 30 2008 023 697 M&S die für die nachfolgend wiedergegebenen Dienstleistungen der Klassen 35, 37 und Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Großund Einzelhandelsdienstleistungen betreffend Kraftfahrzeuge; Geschäftsführung für Franchiseunternehmen; Unternehmensberatung und -verwaltung, nämlich die Planung, Durchführung, Kontrolle und Anpassung von betriebswirtschaftlichen Maßnahmen zum Wohl eines Unternehmens und aller daran Beteiligten, soweit in Klasse 35 enthalten; Buchhaltung; Organisationsberatung; Unternehmensmanagement, nämlich organisatorische Planung und betriebswirtschaftliche Beratung; Sponsoring in Form von Werbung, insbesondere Konzeption und Durchführung von Sponsoring in den Bereichen Kultur, Soziales und Sport, soweit in Klasse 35 enthalten; Organisation (soweit in Klasse 35 enthalten) und verwaltungstechnische Überwachung von Bonusund Treueprogrammen.

Reparatur, Instandhaltung von Kraftfahrzeugen sowie weitere Serviceleistungen rund ums Auto, nämlich Betanken, Autowäschen, Innenreinigung, Lackierarbeiten, Polieren, Rostschutzbehandlung, Durchführung von Umbauten an Karosserie und Fahrwerk, Auswuchten von Reifen, Vermietung von Kraftfahrzeugen Schutz genießt.

Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patentund Markenamts hat durch Beschluss vom 5. November 2009, erlassen von einer Beamtin des höheren Dienstes, die vollständige Löschung der angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 30 2008023 697 angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, das Vorbringen der Markeninhaberin gegen die Zulässigkeit des Widerspruchs sei als nicht relevant anzusehen. Der Widerspruch sei auch begründet, da zum Teil eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken zu bejahen sei, im Übrigen diese gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden. Hinsichtlich der Dienstleistungen sei von Identität auszugehen, zwischen den Waren "Fahrzeuge" und den Dienstleistungen bestehe durchschnittliche Ähnlichkeit.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie trägt vor, der Widerspruch sei unzulässig, da die Widersprechende in der zwischen den Beteiligten im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs am 8. Mai 2008 getroffenen Abgrenzungsvereinbarung das Recht der Markeninhaberin an der verfahrensgegenständlichen Bezeichnung ausdrücklich anerkannt habe. In der Vereinbarung hätten die Beteiligten ihr gesamtes Konfliktpotential geregelt, das aus der Wettbewerbssituation als direkte Konkurrenten auf dem Gebiet des Autohandels und der Verwendung von Firmenzeichen mit dem Bestandteil "M & S" entstanden sei. Es sei daher nicht nur um die Frage gegangen, ob die Markeninhaberin bezogen auf die Stadt B... weiterhin berechtigt sei, die Bezeichnung "M & S" zu verwenden und entsprechend zu firmieren. Die Markeninhaberin sei schon bei Abschluss des Vergleichs interessiert gewesen zu klären, inwieweit sie die mit ihrer Firmierung übereinstimmende angegriffene Marke an den übrigen Standorten trotz des älteren Kennzeichens der Widersprechenden benutzen könne. Der Vergleich zeige in Ziffer 2 und 3, dass die Markeninhaberin ausdrücklich das Recht habe, für alle außerhalb der Stadt B... vorhandenen Autohäuser unter der Bezeichnung "M & S Fahrzeughandel GmbH" am Markt aufzutreten. Ein Obsiegen der Widersprechenden im vorliegenden Verfahren hätte zur Folge, dass der Zweck des zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vergleichs, das Recht der Markeninhaberin an ihrer Firma zu schützen, vereitelt werde. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lägen nach Ansicht der Markeninhaberin nicht vor, da ein Durchschnittsverbraucher die bisher im Bundesgebiet weitgehend unbekannte Marke "M & S" mit der Firmenkennzeichnung der Markeninhaberin nicht verwechsle. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei denkbar gering, da die Kombination dieser Buchstaben, wie eine Internetrecherche ergeben habe, von einem Dutzend Unternehmen auf dem einschlägigen Warenund Dienstleistungssektor verwendet würde. Daher könne "M & S" den Gesamteindruck der aus mehreren Zeichenbestandteilen bestehenden jüngeren Marke nicht prägen.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruchzurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen sowie der Markeninhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Markeninhaberin interpretiere den gerichtlichen Vergleich falsch. Gegenstand des Vergleichs sei allein die Verwendung der Unternehmensbezeichnung "M & S" der Markeninhaberin und somit territorial begrenzte, nicht eingetragene Kennzeichnungsrechte gewesen. Unabhängig davon stehe es den Parteien selbstverständlich frei, Registermarken anzumelden. Inwiefern eine der Parteien markenrechtliche Ansprüche gegen die andere Partei besitze oder nicht, sei für das vorliegende Verfahren daher irrelevant. Das gelte auch für den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich, der unstreitig keine Regelung bezüglich der hier gegenständlichen Kollision der beiden Marken enthalte. Das ergebe sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die jüngere Marke zeitlich erst nach dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs angemeldet worden sei. Die Widersprechende tritt dem Vortrag der Markeninhaberin zur Verwechslungsgefahr entgegen und führt aus, letztlich stünden sich die identischen Bestandteile "M & S" gegenüber, wobei die ältere Marke trotz ihrer Zusammensetzung aus Buchstaben eine mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitze. Die Beschwerde der Markeninhaberin erscheine vor dem Hintergrund der deutlich erkennbaren Verwechslungsgefahr und dem überzeugenden Beschluss der Markenstelle als mutwillig, was die Kostenauferlegung rechtfertige.

II.

Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg, weil der Widerspruch zulässig und begründet ist 1. Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin sind die zwischen den Beteiligten des Widerspruchverfahrens anlässlich des gerichtlichen Vergleichs vom 8. Mai 2008 getroffenen Vereinbarungen ohne Relevanz für das vorliegende Registerverfahren. Das Widerspruchsverfahren nach § 42 MarkenG ist vielmehr ausschließlich auf die Beantwortung von Fragen der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr (§ 9 MarkenG) beschränkt, wobei die Marken sich jeweils in ihrer registrierten Form gegenüberstehen und die Berücksichtigung ggf. älterer nicht eingetragener Kennzeichnungsrechte auf den Widerspruchsgrund nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG beschränkt ist, der vorliegend schon deshalb keine Rolle spielen kann, weil die jüngere Marke vor dem Inkrafttreten dieser Regelung am 1.

Oktober 2010 angemeldet wurde (§ 165 Abs. 2 MarkenG). Lediglich ausnahmsweise ist die Einwendung als erheblich anzusehen, wenn sich die Widersprechende ausdrücklich dazu verpflichtet hätte, Angriffe auf die hier streitgegenständliche Marke zu unterlassen (vgl. BGH Mitt. 2003, 70f. -TACO BELL). Dem zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vergleich kann jedoch ein Verbot, gegen die Eintragung der jüngeren Marke im Wege des Widerspruchs vorzugehen, weder ausdrücklich noch nach Sinn und Zweck der Abrede vor dem Hintergrund der zwischen den Beteiligten bestehenden Streitigkeiten entnommen werden. Der Vergleich beschränkt sich auf die Regelung unternehmenskennzeichnender Rechte, während die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens allein entscheidende Frage der Zulässigkeit von Produktkennzeichen weder Gegenstand des Zivilrechtstreits noch der zwischen den Parteien dort abgeschlossenen Vereinbarung war. Mangels einer Verpflichtung der Widersprechenden, Markeneintragungen der Inhaberin der jüngeren Marke zu dulden, ist der ansonsten wirksam erhobene Widerspruch als zulässig anzusehen.

2.

Der Widerspruch ist auch begründet, denn nach Ansicht des Senats besteht zwischen den einander gegenüberstehenden Kennzeichnungen die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -Ähnlichkeit, der Markenidentität oder -Ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. u. a. EuGH GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) "Marca/Adidas"; GRUR 2005, 1042, 1044 (Nr. 27) "THOMSON LIFE"; GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) "PICASSO"; BGH GRUR 2006, 859, 860 (Nr. 16) "Malteserkreuz"; GRUR 2008, 905, 905 (Nr. 12) "Pantohexal"). Was die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen betrifft, ist ausgehend von der Registerlage festzustellen, dass hinsichtlich der Klassen 37 und 39 sich identische Dienstleistungen gegenüber stehen. Zwischen den Fahrzeugen der Klasse 12, für die die angegriffene Marke zusätzlich Schutz besitzt, und den Dienstleistungen der Klasse 37 und 39 ist von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit auszugehen, da nach den Erfahrungen der beteiligten Verkehrskreise Fahrzeuge, insbesondere Kraftfahrzeuge, von denselben Unternehmen vertrieben werden, die daneben auch die Reparatur und Instandhaltung von Fahrzeugen anbieten. Es entspricht ebenfalls gängiger Branchenübung, dass Reparaturwerkstätten für Kraftfahrzeuge daneben auch Handel mit (Gebraucht-)Fahrzeugen betreiben.

Die Widerspruchsmarke besitzt einen normalen Schutzumfang, denn sie ist uneingeschränkt zur Unterscheidung der Dienstleistungen hinsichtlich der betrieblichen Herkunft geeignet. Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin kommt Einzelbuchstaben oder solchen Marken, die aus Buchstaben zusammengesetzt sind, schon im Regelfall keine geringere Unterscheidungskraft als sonstigen Wortbzw. Bildmarken zu. Dies gilt umso mehr, als im Bereich des Kraftfahrzeughandels wie auch bei solchen Unternehmen, die Kraftfahrzeuge reparieren oder Instand halten, der Verkehr durch zahlreiche entsprechend gebildete Firmenbezeichnungen daran gewöhnt ist, die Kombination von Einzelbuchstaben grundsätzlich als betriebskennzeichnend aufzufassen (vgl. Ströbele/Hacker § 8, Rn. 134). Soweit die Markeninhaberin eine Schwächung der Kombination der Buchstaben M und S behauptet und hierzu Internetauszüge vorlegt, die eine markenmäßige Verwendung der Buchstaben im vorliegenden Dienstleistungssektor zeigen, mag es sich dabei möglicherweise um eine beliebte Buchstabenverbindung handeln. Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, da auch bei einer allenfalls leichten Kennzeichnungsschwäche eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen ist. Für eine Erhöhung der als durchschnittlich anzusehenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke fehlt es ebenfalls an jeglichem Anhalt. Vor dem Hintergrund überwiegend identischer Leistungen und eines durchschnittlichen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke hat die jüngere Marke daher einen deutlichen Abstand zu wahren, der vorliegend nicht mehr gewährleistet ist, auch wenn man zugunsten der Markeninhaberin berücksichtigt, dass der Verkehr Kennzeichnungen im Bereich Kraftfahrzeughandel und -reparatur eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegenbringt. Denn dabei handelt es sich regelmäßig um hochpreisige Dienstleistungen, die der Verbraucher erst nach sorgfältiger Überlegung und Auswahl beim Betrieb seines Vertrauens in Anspruch nimmt. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist im Einzelfall stets der Gesamteindruck der sich gegenüber stehenden Marken in ihrer registrierten Form, wobei ihre jeweils unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH GRUR 2008, 343, Rdn. 33 -Il Ponte Finanziaria). Dabei ist maßgeblich, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EUGH GRUR 2007, 700, Rdn. 35 -Limoncello). Die Vergleichszeichen verfügen offensichtlich über einen abweichenden Gesamteindruck, doch kann bei aus mehreren Elementen bestehenden komplexen Zeichen, wie dies die jüngere Marke darstellt, eines dieser Bestandteile u. U für den Gesamteindruck prägend sein. So verhält es sich vorliegend, denn Schwerpunkt der Kennzeichnung der jüngeren Marke ist das Zeichenelement "M & S", da der weitere Bestandteil "KRAFTFAHRZEUGHANDEL" nur die geschäftliche Tätigkeit der Markeninhaberin wiedergibt bzw. die Angabe "GMBH" auf die Rechtsform hinweist, in der die Markeninhaberin tätig wird. Zwar tragen die grafischen Elemente innerhalb der jüngeren Marke auch zu deren Unterscheidungskraft bei, sie treten jedoch erfahrungsgemäß gegenüber kennzeichnungskräftigen Wortelementen, wie hier der Buchstabenverbindung, in der Wahrnehmung durch den Verkehr zurück. Im Fahrzeughandel orientiert sich der Verkehr ebenfalls vorrangig an zur Benennung der Kennzeichnung geeigneten Markenelementen. Daher spricht aus Rechtsgründen nichts gegen eine direkte Gegenüberstellung des in beiden Marken identischen Bestandteils "M & S", so dass von einer deutlichen Annäherung der beiden Marken auszugehen ist. Im Ergebnis ist daher eine unmittelbare Verwechslungsgefahr der Vergleichszeichen nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu bejahen.

3.

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden entspricht es nicht der Billigkeit, der Markeninhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aufzuerlegen. Vielmehr bleibt es bei dem Grundsatz, dass imregisterrechtlichen Verfahren vor dem Bundespatentgericht jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Besondere Umstände, nach denen die Einlegung der Beschwerde durch die Markeninhaberin vorliegend als mutwillig erscheinen und damit im Widerspruch zur prozessualen Sorgfalt stehen könnte, sind vorliegend nicht hinreichend erkennbar.

4.

Die vorliegende Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, nachdem eine mündliche Verhandlung von keiner der Beteiligten beantragt wurde und auch nach Wertung des Senats nicht sachdienlich gewesen wäre (§ 69 MarkenG).

Klante Schwarz Martens Me






BPatG:
Beschluss v. 27.06.2011
Az: 28 W (pat) 15/10


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