Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Februar 2004
Aktenzeichen: 7 W (pat) 344/02
(BPatG: Beschluss v. 11.02.2004, Az.: 7 W (pat) 344/02)
Tenor
Das Patent wird aufrechterhalten in der erteilten Fassung, wobei im Patentanspruch 1 in Zeile 34 nach dem Wort "düsenförmig" ergänzt wird: "mit einem sich in Durchflußrichtung verringernden Querschnitt".
Gründe
I.
Die Erteilung des Patents 100 07 175 mit der Bezeichnung
"Einspritzventil für die Einspritzung von Kraftstoff in eine Verbrennungskraftmaschine"
ist am 29. Mai 2002 veröffentlicht worden. Am 29. August 2002 ist gegen die Erteilung des Patents Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Im Einspruchsschriftsatz sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften genannt:
1. deutsche Offenlegungsschrift 198 59 537, 2. europäische Offenlegungsschrift 0 192 241, 3. europäische Patentschrift 0 228 578, 4. US-Patentschrift 5 862 793, 5. deutsche Offenlegungsschrift 198 13 983, 6. österreichische Gebrauchsmusterschrift 002 545.
In der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende zusätzlich noch die 7. deutsche Offenlegungsschrift 198 23 937 vorgelegt. Die Entgegenhaltungen 1 und 2 sind bereits im Verfahren zur Erteilung des Patents beim Deutschen Patent- und Markenamt berücksichtigt worden.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat das Patent in der mündlichen Verhandlung geteilt. Sie hat Ansprüche 1 bis 4 nach Hilfsantrag vorgelegt. Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten in der erteilten Fassung, aber unter Einfügung der Worte "mit einem sich in Durchflußrichtung verringernden Querschnitt" nach dem Wort "düsenförmig" in Patentanspruch 1 (Hauptantrag), hilfsweise mit den am 11. Februar 2004 überreichten Patentansprüchen 1 bis 4.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Einspritzventil für die Einspritzung von Kraftstoff in eine Brennkraftmaschine, mit einem Servoventil zur Steuerung der Kraftstoffeinspritzung und mit einem Steuerraum, der über eine Zulaufdrossel mit einem Kraftstoffzulauf in Verbindung steht und der über eine Ablaufdrossel mit einem drucklosen Kraftstoff-Rücklauf in Verbindung bringbar ist, wobei der im Steuerraum herrschende Druck auf eine bewegliche Düsennadel wirkt, die mit einer Düsennadelspitze in Wirkverbindung steht, die bei der Bewegung der Düsennadel Einspritzlöcher freigibt oder verschließt, wobei das Servoventil von einem Aktor betätigt wird und zwischen einer die Ablaufdrossel mit dem drucklosen Kraftstoff-Rücklauf in Verbindung bringenden Offenstellung und einer diese Verbindung versperrenden Schließstellung verstellbar ist, wobei die Geschwindigkeit, mit der die Düsennadel die Einspritzlöcher freigibt oder verschließt über das Verhältnis von Zulaufdurchmesser und Ablaufdurchmesser der Zulaufdrossel und/oder der Ablaufdrossel einstellbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Zulaufdrossel düsenförmig mit einem sich in Durchflußrichtung verringernden Querschnitt ausgebildet ist."
Die Ansprüche 2 bis 5 nach Hauptantrag sind auf Merkmale gerichtet, mit denen das Einspritzventil nach Anspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.
Wegen des Wortlauts der Ansprüche 1 bis 4 nach Hilfsantrag wird auf die Akten verwiesen.
Laut Beschreibung (Sp 2 Z 20 bis 23) soll die Aufgabe gelöst werden, ein Einspritzventil dahingehend auszugestalten, daß es eine verbesserte Kleinstmengeneinspritzung ermöglicht.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der Fassung gemäß Hauptantrag stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar.
Als Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Ingenieur des Maschinenbaus mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Kraftstoffeinspritzung in Brennkraftmaschinen anzusehen.
3.1 Der Patentanspruch 1 (Hauptantrag) ist zulässig. Die Einfügung "mit einem sich in Durchflußrichtung verringernden Querschnitt" hinter dem Wort "düsenförmig" im kennzeichnenden Teil ist in der Beschreibung des Patents (Sp 4 Abs 1) offenbart und war auch bereits in den ursprünglichen Unterlagen enthalten.
Die Einfügung in den Anspruch 1 stellt eine zulässige Beschränkung des Anspruchsgegenstandes dar, denn so werden düsenförmige Drosseln ausgeschlossen, bei denen sich der Querschnitt zunächst verengt und dann wieder erweitert.
3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag) ist neu, denn aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften ist ein Einspritzventil bekannt, bei dem in der Zulaufleitung zu einem Steuerraum eine düsenförmige Zulaufdrossel mit sich in Durchflußrichtung verringendem Querschnitt angeordnet ist.
In der europäischen Patentschrift 0 228 578 (Entgegenhaltung 3) ist ein Kraftstoff-Einspritzventil beschrieben, das unstreitig die im Oberbegriff des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents angegebenen Merkmale aufweist (s insbes Fig 1 und zugehöriger Text). Insbesondere weist dieses Einspritzventil einen Steuerraum 42 auf, der über eine Zulaufdrossel 38 mit einem Kraftstoffzulauf und über eine Ablaufdrossel 26 mit einem drucklosen Kraftstoff-Rücklauf in Verbindung bringbar ist. Die Zulaufdrossel 38 geht von einer Sackbohrung 34 aus (Fig 2a bis 2c). Sie ist als zylindrische Bohrung mit einem kleineren Durchmesser ausgebildet. Da sie schräg von der Sackbohrung 34 ausgeht, liegt ihr Eintrittsquerschnitt schräg zur Bohrungsachse und ist ellipsenförmig. Dadurch ergibt sich aber auch an diesem Eintritt kein größerer Strömungsquerschnitt bezogen auf die parallel zur Bohrungsachse verlaufende Strömungsrichtung. Die Sackbohrung, deren Durchmesser in der Entgegenhaltung nicht spezifiziert ist, kann auch nicht als Teil der Zulaufdrossel mit vergrößertem Durchmesser aufgefaßt werden. Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents (Hauptantrag) durch sein kennzeichnendes Merkmal von dem aus der europäischen Patentschrift 0 228 578 bekannten Kraftstoff-Einspritzventil.
Das in der deutschen Offenlegungsschrift 198 23 937 (Entgegenhaltung 7) beschriebene Kraftstoff-Einspritzventil weist ebenfalls einen mit Kraftstoff beaufschlagten Steuerraum auf. Dieser Steuerraum wird über eine einzige Leitung 19 entweder mit Kraftstoff hohen Drucks beaufschlagt oder zum Kraftstoffabfluß hin entlastet. In dieser Leitung kann eine Verengung angeordnet sein, die hinsichtlich der Zuströmung zum Steuerraum einen Diffusor und hinsichtlich der Abströmung aus dem Steuerraum eine Düse mit sich in Durchflußrichtung verringerndem Querschnitt darstellt (Sp 6 Z 2 bis 31, Fig 3B und 5). Auch von diesem Kraftstoff-Einspritzventil unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents (Hauptantrag) durch sein kennzeichnendes Merkmal.
Die US-Patentschrift 5 862 793 (Entgegenhaltung 4) betrifft eine Einspritzventilanordnung, die ua ein Ventil zum Einspritzen von Wasser in den Zylinder einer Brennkraftmaschine aufweist. Dieses Wasser-Einspritzventil wird bei einem Ausführungsbeispiel ua mit Hilfe eines Steuerraums 24 gesteuert, der einerseits mit einem Wasserzufluß hohen Drucks in Verbindung steht und andererseits über einen Abfluß mit einer Abflußleitung verbindbar ist. Im Zufluß und im Abfluß des Steuerraums sind Drosseln angeordnet, die im Ausführungsbeispiel mit sich in Durchflußrichtung zunächst verengenden und dann wieder erweiternden Querschnitten dargestellt sind (Fig 2 Bezugszeichen 25 und 26). Das Kraftstoff-Einspritzventil der Ventilanordnung weist weder einen Steuerraum, noch Drosseln in irgendwelchen Verbindungsleitungen auf. Auch aus dieser Entgegenhaltung ist demnach nicht bekannt, den Zufluß zu einem mit Kraftstoff beaufschlagten Steuerraum mit einer düsenförmigen Drossel zu versehen, deren Querschnitt sich in Durchflußrichtung zunehmend verengt.
Die übrigen Entgegenhaltungen haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle mehr gespielt. Sie sind nicht geeignet, die Patentfähigkeit des Gegenstands des angefochtenen Patents in Frage zu stellen.
3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents (Hauptantrag), dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei dem Kraftstoff-Einspritzventil nach der europäischen Patentschrift 0 228 578 soll ein besonders schnelles Schließen des Ventils dadurch erreicht werden, daß der Zufluß zum Steuerraum und der Abfluß vom Steuerraum koaxial mit einem geringen Abstand voneinander angeordnet sind, so daß der vom Austritt des Zuflußkanals zum Eintritt des Abflußkanals durch den Steuerraum fließende Kraftstoffstrahl im Sinne eines Venturieffektes Kraftstoff aus dem Steuerraum mitreißt. Zur Unterstützung dieses Effektes ist der Eintritt des Abflusses konisch erweitert (Sp 10 Z 3 bis 40). Diese Lehre kann dem Fachmann keine Anregung dafür geben, zur Erzielung unterschiedlicher Öffnungs- und Schließgeschwindigkeiten des Kraftstoffeinspritzventils die Zulaufdrossel zum Steuerraum düsenförmig mit sich in Durchflußrichtung verringendem Querschnitt auszubilden.
Ein Vorbild für eine solche Lösung erhält der Fachmann auch nicht aus der deutschen Offenlegungsschrift 198 23 937. Dort geht es nämlich darum, durch die Form einer Drossel den Strömungswiderstand in einer Leitung bei Durchströmung in einer Richtung unterschiedlich zu dem Durchflußwiderstand bei Strömungsrichtung in der anderen Richtung einzustellen. Diese Lösung ist in der Entgegenhaltung als äquivalent zu einer Lösung dargestellt, bei der für den Zufluß und für den Abfluß unterschiedliche, aber konstante Querschnitte bereitgestellt werden (Sp 5 Z 52 bis 65). Der Fachmann entnimmt dieser Schrift daher lediglich die Lehre, bei getrennter Zuleitung und Ableitung zum bzw vom Steuerraum diese mit unterschiedlichen Querschnitten auszubilden. Im übrigen ist die kombinierte Zulauf-Ablaufdrossel mit veränderlichem Querschnitt so ausgebildet, daß sich ihr Querschnitt zum Steuerraum hin erweitert, während sich der Querschnitt der Zulaufdrossel nach der Lehre des Streitpatents zum Steuerraum hin verengt.
Bei der Ventilanordnung nach der US-Patentschrift 5 862 793 sind die Drosseln in Strömungsrichtung symmetrisch ausgebildet. Sie sind in den Figuren je nach Einbaustelle im Zulauf oder im Ablauf unterschiedlich groß, dh mit unterschiedlichem engsten Strömungsquerschnitt dargestellt. Auch hieraus erhält der Fachmann keine Anregung dafür, den Strömungswiderstand der Drossel durch einen in Durchflußrichtung sich zunehmend verengenden Querschnitt einzustellen.
Auch die Zusammenschau der vorgenannten Druckschriften miteinander und mit den übrigen Entgegenhaltungen führt zu keinem anderen Ergebnis.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat somit Bestand. Das Gleiche gilt auch für die auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5, die auf Merkmale zur Weiterbildung des Einspritzventils nach Anspruch 1 gerichtet sind.
Köhn Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Hu
BPatG:
Beschluss v. 11.02.2004
Az: 7 W (pat) 344/02
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