Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2001
Aktenzeichen: 11 W (pat) 14/00

(BPatG: Beschluss v. 22.02.2001, Az.: 11 W (pat) 14/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 23. November 1999 aufgehoben und das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Mit Beschluß vom 23. November 1999 hat die Patentabteilung 25 des Deutschen Patentamts nach Prüfung des Einspruchs der S... KG in B... das am 11. Februar 1995 unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität vom 11. Januar 1995 angemeldete Patent 195 04 601 mit der Bezeichnung

"Wärmegedämmtes Verbundprofil"

gemäß PatG § 61 Abs 1 Satz 1 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Die Übertragung einer Sollbruchzone in Form einer Kerbe in der Umhüllung von expandierendem Dämmstoff zum definierten Aufsprengen unter Erwärmung gemäß DE 78 29 883 U1 (2) auf ein gattungsgemäßes Verbundprofil gemäß DE 33 42 700 A1 (1) ergebe noch nicht die aufgegriffene Lehre. Denn nach dieser sei eine Perforationslinie vorgesehen, die nicht im Bereich des Fachmanns liege, einem Ingenieur für Entwicklung und Herstellung von Verbundprofilen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Sie begründet ihre Beschwerde unter anderem damit, daß es für den Fachmann selbstverständlich sei eine Sollbruchstelle anstatt durch eine Kerbe durch eine Perforation als allgemein bekanntes Äquivalent auszubilden.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise in der Beschreibung Spalte 2, Zeile 29/30 den Satz: "Diese Sollbruchzone kann insbes. von einer Perforationslinie gebildet sein" zu streichen.

Sie widerspricht der Argumentation der Einsprechenden in allen Punkten und führt dazu u. a. aus, daß Schrift (2) mit der Dichtung für Feuerschutzabschlüsse ein anderes Gebiet als das des beanspruchten wärmegedämmten Verbundprofils betreffe. Dort verspröde der Hüllwerkstoff unter Hitzeeinwirkung und werde durch den expandierenden Dämmstoff gesprengt, was für die beanspruchte Umhüllung von Wärmedämmaterial nicht geeignet sei und in eine andere Richtung weise, als die beanspruchte Perforationslinie der Umhüllung mit dem dadurch erreichten Effekt gleichmäßiger und gezielter Freigabe des Wärmedämmstoffs.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet und führt zum Widerruf des Patents, weil der Patentgegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Der geltende erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

1. Wärmegedämmtes Verbundprofil zur Herstellung von Fenster- oder Türrahmen, Fassadenkonstruktionen oder dergleichen, bestehend aus zwei im Abstand voneinander angeordneten Metallprofilen (1), die durch mindestens zwei Isolierstege (2) zur Wärmeisolierung und/oder zur Brandsicherung miteinander verbunden sind, wobei die zwischen den Isolierstegen (2) und den Metallprofilen (1) gebildeten Kammern (3) durch Wärmedämmaterial (4) ausgefüllt sind, in komprimiertem und/oder nicht expandiertem Zustand von einer Umhüllung (5) eingeschlossen ist, wobei die Umhüllung (5) so ausgebildet ist, daß sie unter Wärmeeinwirkung das Wärmedämmaterial (4) freigibt, dadurch gekennzeichnet, daß die Umhüllung (5) mit einer sich in ihrer Längsrichtung erstreckenden, von einer Perforationslinie gebildeten Sollbruchzone (5.1) versehen ist.

Daran schließen sich die rückbezogenen erteilten Ansprüche 2 bis 16 an.

Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, ein gattungsgemäßes wärmegedämmtes Verbundprofil so auszubilden, daß das Wärmedämmaterial in einfacher Weise und in genau auf den Querschnitt der auszufüllenden Kammer angepaßter Menge eingebracht werden kann.

Aus (1) ist ein wärmegedämmtes Verbundprofil zur Herstellung von Fenster- oder Türrahmen, Fassadenkonstruktionen oder dergleichen gemäß den Merkmalen aus dem Oberbegriff des angegriffenen Anspruchs 1 bekannt. Es besteht aus zwei im Abstand voneinander angeordneten Metallprofilschienen 1, 2, die durch mindestens zwei Isolierleisten 3 zur Wärmeisolierung und/oder zur Brandsicherung miteinander verbunden sind. Der zwischen den Isolierleisten 3 und den Metallprofilschienen 1, 2 gebildete Hohlraum 5 ist durch wärmeisolierendes Material 6 ausgefüllt. Dies ist in einer Folie 14, 21 als Umhüllung in komprimiertem bzw. nicht expandiertem Zustand in den Hohlraum 5 eingebracht. Die Folie schmilzt durch die Wärmeaktivierung des wärmeisolierenden, dann expandierenden Materials, reißt auf und gibt das Dämmaterial in den Hohlraum 5 frei.

Daß dies ungleichmäßig geschehen könne, wird gemäß Streitpatent Sp 1 Z 33/34 als Problem angesehen, was zur Aufgabenstellung führt.

Wissen und Erfahrungen des damit befaßten Fachmanns sind nicht auf Verbundprofile beschränkt, wie die Patentabteilung unterstellte, sondern umfassen Türen- und Fensterbau mit Anwendungen. So ist ihm auch das Dichtungselement nach (2) zwischen Zarge und Türblatt für Feuerschutzabschlüsse bekannt, das aus einem dickeren flachen Schutzmantel 2 aus Kunststoff und einem darin angeordneten, unter Hitzeeinwirkung expandierenden Dämmstoff 3 besteht. Dieser soll bei Hitze die Fuge 7 vollständig und dauerhaft ausfüllen, wozu er im Mittelbereich parallel zur Längsachse mit einer Sollbruchstelle in Form einer Kerbe 8 versehen ist. Dadurch wird der aus dem Schutzmantel expandierende Dämmstoff so kanalisiert, daß er vollständig im Fugenbereich verbleibt.

Der Fachmann erkennt ohne weiteres die übereinstimmenden dynamischen und kinematischen Verhältnisse bei der Wärmeeinwirkung auf die umhüllten Wärmedämmstoffe und nutzt daher von sich aus die auch bei der anstehenden Problemlösung erwähnte Wirkung der bekannten Sollbruchstelle in Längsrichtung aus.

Dabei bildet er entgegen der Meinung der Patentinhaberin und Einspruchsabteilung ohne weiteres die Sollbruchzone anstatt mit einer Kerbe mit einer Perforationslinie aus. Beide sind ohnehin ganz allgemein äquivalent. Beispielsweise eignen sich für dickere und/oder sprödere Werkstücke verständlicherweise Kerben, wie bei Glas, Fliesen, Abbrechteile an Kunststoffgegenständen, Verpackungen, bei Schokolade, Lüsterklemmenreihen usw., dagegen Perforationen für dünnere und/oder elastischere Gegenstände wie Toilettenpapier, Briefmarken, Sprengringen an Flaschenschraubverschlüssen, Plastik-Tütenschläuche, -Folien usw. Somit ergibt sich die einfache Wahl der Sollbruchausbildung als Kerbe oder Perforation zwangsläufig aus dem jeweiligen Einzelfall und begründet keine erfinderische Tätigkeit. Eine völlig andere Wirkung, wie die Patentinhaberin noch meinte, ist weder erkennbar, noch wurde sie von ihr dargelegt und begründet.

Der Anspruch 1 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht bestandsfähig.

Die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 2 bis 16 müssen sein Schicksal teilen.

Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Niedlich Dr. Henkel Hotz Harrerprö






BPatG:
Beschluss v. 22.02.2001
Az: 11 W (pat) 14/00


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