Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Februar 2010
Aktenzeichen: 20 W (pat) 340/05
(BPatG: Beschluss v. 01.02.2010, Az.: 20 W (pat) 340/05)
Tenor
Der Einspruch gegen das Patent 199 02 545 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Gegen das Patent 199 02 545 mit der Bezeichnung "Satellitenfernsehsignal-Empfangsanlage", dessen Erteilung am 18. November 2004 im Patentblatt veröffentlicht wurde, hat die H... GmbH,S... Straße in N... mit Schriftsatz vom 18. Februar 2005 Einspruch eingelegt.
Das Patent umfasst 10 Patentansprüche und betrifft eine Satellitenfernsehsignal-Empfangsanlage, bei der die zentrale Aufbereitung der Satellitenfernsehsignale in einer Kopfstation erfolgt, welche für jedes empfangene Satellitenprogramm einen Aufbereitungszug aufweist. Zusätzlich ist auch eine Empfangseinheit zum Empfang von terrestrischen Rundfunksignalen vorgesehen. Die beanspruchte Konzeption der Satellitenfernsehsignal-Empfangsanlage ermöglicht neben einer preisgünstigen Realisierung auch eine schnelle und einfache Umrüstung und gegebenenfalls Erweiterung, beispielsweise im Hinblick auf einen zusätzlichen Empfang von digitalen Satellitenrundfunksignalen (vgl. Patentschrift [0006] und [0007]).
Der angegriffene Patentanspruch 1 lautet:
"1. Satellitenfernsehsignal-Empfangsanlage, die eine Kopfstation aufweist, welche mehrere Aufbereitungszüge zur Demodulation und Remodulation von von einer Satellitenantenne abgeleiteten Satellitenfernsehsignalen enthält, dadurch gekennzeichnet, dassa) die Kopfstation einen ersten Eingangsanschluss (2) aufweist, über welchen ihr die Satellitenfernsehsignale zugeführt werden, b) dass die Kopfstation einen zweiten Eingangsanschluss (8) aufweist, welchem von einer oder mehreren terrestrischen Empfangsantennen abgeleitete Fernsehsignale zuführbar sind, c) dass mit dem zweiten Eingangsanschluss (8) eine in die Kopfstation (K) integrierte Verstärkereinheit (9) für terrestrische Rundfunksignale verbunden ist undd) dass die Kopfstation (K) einen gemeinsamen Ausgangsanschluss (11) für die von den Aufbereitungszügen (3, 4) und die von der terrestrischen Empfangseinheit (9) abgeleiteten Ausgangssignale aufweist, e) dass die Verstärkereinheit (9) eine Empfängereinheit mit Umsetzer ist, f) dass die Satellitenfernsehsignalempfangsanlage einen Mikrocomputer (12) als gemeinsame Steuereinheit aufweist und der Mikrocomputer (12) zur Überwachung der am gemeinsamen Ausgangsanschluss der Kopfstation (K) zur Verfügung gestellten UHF-bzw. VHF-Signale vorgesehen ist, um eine Umsetzung verschiedener Satellitenund terrestrischer Fernsehempfangssignale in den selben UHF-bzw. VHF-Kanal zu vermeiden."
Wegen der geltenden abhängigen Patentansprüche 2 bis 10 wird auf die Patentschrift verwiesen.
Zu den Gründen für ihren Einspruch hat die Einsprechende nur in der Einspruchsschrift vom 18. Februar 2005 vorgetragen. Darin hat sie die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand des angegriffenen Patents nicht neu, jedenfalls nicht erfinderisch sei. Zum Stand der Technik hat sich die Einsprechende auf folgende Unterlagen berufen:
P1 DE19521707A1 3 Datenblätter der Richard Hirschmann GmbH & Co, nämlich D1 Datenblatt des UKW-Umsetzers CKU 3220 A (Blatt 1 -4), D2 Datenblatt des Kopfstellengerätes CSE 3100 (Blatt 1), D3 Datenblatt der HF-Sammelschiene Grundgerät CSS 3002 A (Blatt 1 -3), undalle drei mit folgendem Vermerk:
"Diese Unterlage ist unser Eigentum. Jede Vervielfältigung, Verwertung, Mitteilung bzw. Weitergabe ohne unserer vorherige Zustimmung ist untersagt. Zuwiderhandlungen verpflichten zu Schadensersatz. Alle Rechte für den Fall der Patenterteilung. Gebrauchsbzw. Geschmacksmustereintragung vorbehalten."
D4 Siemens-Datenblatt TV-Stereorekorder TDA 6621 (17 Seiten).
Weiter hat die Einsprechende wörtlich vorgetragen: "Die Geräte, zu denen die als D1 bis D3 gekennzeichneten Datenblätter gehören, wurden von der Einsprechenden als Baugruppen ab dem Jahre 1996 als Handelsware unter dem Logo "Hirschmann" vertrieben. Dabei hat die Kopfstelle CSE 3100 (D2) den Einschub CKU 3220 A (D1) sowie die HF-Sammelschiene CSS 3002 A (D3). Die genannten Geräte wurden von der Einsprechenden seit 1996 ohne jegliche Geheimhaltungsvereinbarung an Kunden verkauft. Der Nachweis einzelner getätigter Verkäufe bleibt vorbehalten, so dass entsprechende Unterlagen auf Anforderung nachgereicht werden können."
Schließlich bezieht sich die Einsprechende noch auf die Entgegenhaltung D4 (in der Einspruchsschrift teilweise irrtümlich D5 genannt), bei der es sich um ein Datenblatt zu einem Stereodecoder TDA 6621 der Firma Siemens handelt. Die Einsprechende meinte, mit diesem Datenblatt würden die Merkmale der Patentansprüche des Streitpatents zumindest nahegelegt, wenn sie nicht schon aus diesem Datenblatt alleine bekannt seien.
Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2010 hat die Einsprechende den Einspruch zurückgenommen.
Zum Inhalt der Einspruchsschrift vom 18. Februar 2005 sowie zum Sachvortrag der Patentinhaberin wird in vollem Umfang auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Die Patentinhaberin hat beantragt wie entschieden.
II.
1.
Der Einspruch wurde zwar formund fristgerecht erhoben und auf einen der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe gestützt (§ 59 Abs. 1, Satz 1, 2 und 3 PatG). Gleichwohl war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen, weil die Einsprechende das weitere Zulässigkeitserfordernis des § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG nicht erfüllt hat. Denn sie hat innerhalb der Einspruchsfrist nicht alle Tatsachen im Einzelnen angegeben, die den Einspruch rechtfertigen. Dafür hätte sie die Tatbestandsvoraussetzungen des geltend gemachten Widerrufsgrundes im Einzelnen so darlegen müssen, dass die Patentinhaberin, das Patentamt und das Patentgericht daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder nicht Vorliegen des Widerrufsgrundes hätten ziehen können. In der Einspruchsschrift vom 18. Februar 2005 hat die Einsprechende geltend gemacht, dass der Gegenstand des angegriffenen Patents nicht neu, jedenfalls aber nicht erfinderisch sei. Damit hat sich die Einsprechende in der Sache auf den § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG berufen. Danach ist ein Patent zu widerrufen, wenn sein Gegenstand nicht nach §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist. Für die Patentfähigkeit i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG kommt es wesentlich auf den Stand der Technik an. Der Vortrag der Einsprechenden zum Stand der Technik hätte daher so konkret sein müssen, daß er eine abschließende Prüfung des Einwandes der fehlenden Patentfähigkeit ermöglicht hätte. Tatsächlich ist der Vortrag der Einsprechenden insoweit nicht hinreichend substantiiert.
Gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 PatG umfasst der Stand der Technik alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
2.
Bei der Entgegenhaltung P1 handelt es sich um eine deutsche Offenlegungsschrift vom 19. Dezember 1996, die aufgrund ihres amtlich belegten Veröffentlichungsdatums zum Stand der Technik geworden ist.
Der Vortrag der Einsprechenden unter Bezugnahme auf die Druckschrift P1 erschöpft sich in der Angabe, dass ausweislich der Beschreibung des Streitpatents ([0004]) aus der DE 195 21 707 A1 eine solche Empfangsanlage bekannt sei (Bl. 2 des Einspruchsschriftsatzes). Das Merkmal a) sieht die Einsprechende durch die P1 "nahe gelegt", da die in der dortigen Figur 1 skizzierte Empfangsanlage Eingangsanschlüsse 1 und 2 aufweise, über welche Antennensignale in Form von UHF-bzw. VHF-Signale zugeführt werden, bei denen es sich aber genauso um Fernsehsignale handeln kann (Bl. 2 des Einspruchsschriftsatzes, vorletzter Absatz). Die Merkmale b) und d) seien dagegen aus der P1 vorbekannt (Bl. 2 des Einspruchsschriftsatzes, letzter Absatz und Bl. 3, 2. Absatz). Zu den Merkmalen c), e) und f) erfolgt in Bezug auf den summarisch erhobenen Vorwurf der fehlenden Neuheit (vgl. Bl. 4 des Einspruchsschriftsatzes, 2. Absatz) kein weiterer Vortrag.
3.
Für den Nachweis der Merkmale c), e) und f) nimmt die Einsprechende dann Bezug auf das Datenblatt D1, ergänzend auf die Datenblätter D2 und D3.
Die Datenblätter D1, D2 und D3 scheiden aber für eine Substantiierung des Einspruchs von vornherein aus, weil die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist nicht dazu vorgetragen hat, auf welche Weise diese der Öffentlichkeit zugänglich und folglich überhaupt zum Stand der Technik geworden sein sollen. Es mag sein, daß die drei Datenblätter zur Zeit der Datumsangaben, die sie tragen, innerhalb des Geschäftsbetriebs der R... GmbH & Co entstanden sind, also alle spätesten Anfang 1996. Dieser Umstand macht sie jedoch noch nicht zum Stand der Technik, sie hätten auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein müssen. Für die Zugänglichkeit von Informationen genügt es, daß die Öffentlichkeit auf sie Zugriff nehmen kann. Informationen, auf die lediglich zur Geheimhaltung verpflichtete Personen Zugriff nehmen können, sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich, solange die Geheimhaltung gewahrt wird (BGHZ 136, 40 -Leiterplattennutzen). Vorliegend tragen alle drei Datenblätter D1, D2 und D3 einen Geheimhaltungsvermerk, der jede Weitergabe der Blätter an Dritte ohne die vorherige Zustimmung der R... GmbH & Co unter Androhung von Schadensersatzforderungen untersagt. Zu der Frage, wie die Öffentlichkeit gleichwohl Zugriff auf die Datenblätter erhalten haben soll, hat die Einsprechende nichts vorgetragen.
An dieser Sichtweise des Senats vermag auch der Hinweis der Einsprechenden
"Die Geräte, zu denen die D1 bis D3 gekennzeichneten Datenblätter gehören, wurden von der Einsprechenden als Baugruppen ab dem Jahre 1996 als Handelsware unter dem Logo "Hirschmann" vertrieben" (Bl. 4 des Einspruchsschriftsatzes, 3. Absatz)
nichts ändern. Denn er lässt den entscheidenden Punkt im Unklaren, ob nämlich die Datenblätter zusammen mit den vertriebenen Baugruppen in den Handel gegeben und damit öffentlich gemacht wurden oder ob die Datenblätter nur für interne Zwecke der R... GmbH & Co bestimmt waren und weder beim Verkauf der Baugruppen noch sonst nach außen abgegeben worden sind.
Diese Beurteilung des Sachvortrages der Einsprechenden zu den Datenblättern D1, D2 und D3 im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs steht im Einklang mit dem Beschluss des BGH vom 30. Juli 2009 -Leistungshalbleiterbauelement -GRUR, 2009, 1098. Dort hatte der BGH entschieden, daß es die Zulässigkeit eines auf fehlende Erfindungshöhe gestützten Einspruchs nicht berührt, wenn sich der Einsprechende zu dessen Begründung U1. auf eine deutsche Offenlegungsschrift beruft, die im Hinblick auf das angegriffene Patent zum Stand der Technik nach § 3 Abs. 2 PatG gehört, der aber gem. § 4 Satz 2 PatG aufgrund seines Veröffentlichungsdatums nicht für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Betracht gezogen werden kann. Denn aufgrund der Vorlage oder bestimmten Bezeichnung der Druckschrift stehe der als vorbekannt angeführte Gegenstand ebenso fest wie der sich aus der Veröffentlichung ergebende Zeitpunkt, zu dem dieser Gegenstand der Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Ob dieser Zeitpunkt vor oder nach dem für den Zeitrang des Streitpatents maßgeblichen Datum liegt, sei auch in diesem Zusammenhang keine Frage der Zulässigkeit des Einspruchs, sondern der sachlichen Prüfung der Patentfähigkeit (BGH a. a. O. Rz. 14).
In dem vom BGH entschiedenen Fall stand also wegen des amtlichen Charakters des Veröffentlichungsdatums der Offenlegungsschrift von vornherein fest, daß ihr Inhalt überhaupt der Öffentlichkeit bekannt geworden und so zum Stand der Technik geworden war (BGH a. a. O. Rz. 14 a. E.). In eben diesem Punkt liegt der hier zur Entscheidung stehende Fall anders, weil die Einsprechende nichts vorgetragen hat, woraus darauf geschlossen werden könnte, daß die Datenblätter D1, D2 und D3 überhaupt für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und so zum Stand der Technik geworden wären.
Der Senat wird durch die Angaben der Einsprechenden zu den Datenblättern D1 bis D3 somit nicht in die Lage versetzt zu ermitteln oder festzustellen, ob der Gegenstand nach den Datenblättern D1 bis D3 zum Stand der Technik gehört, von dem aus Neuheit und erfinderische Leistung der patentierten Lehre zu beurteilen ist.
4.
Die Zulässigkeit des Einspruchs wird auch nicht durch die faktisch geltend gemachte Vorbenutzungshandlung des Vertriebs der einzelnen Baugruppen, wie sie angeblich durch die Datenblätter D1 bis D3 beschrieben werden (vgl. einmal mehr Bl. 4 des Einspruchsschriftsatzes, 3. Absatz), begründet. Denn die Einsprechende hat hierzu innerhalb der Einspruchsfrist weder nachprüfbare Angaben von Umständen der Benutzung der Baugruppen selbst (an wen erfolgte bspw. die Auslieferung€), noch zum behaupteten Vertriebszeitpunkt der einzelnen Baugruppen gemacht. Insbesondere ist sie in keiner Weise darauf eingegangen, ob und inwieweit die einzelnen Baugruppen im Sinne der Lehre des Streitpatents zu einer Satellitenfernsehsignal-Empfangsanlage kombiniert wurden.
5.
Schließlich hat die Einsprechende auch in Verbindung mit der D4 die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände nicht so vollständig darlegt, dass der Patentinhaber und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (BGH BlPMZ 1988, 289 -Messdatenregistrierung). Die Einsprechende erläutert in ihrem Einspruchsschriftsatz zwar den technischen Aufbau des in der D4 beschriebenen Stereodecoders, jedwede Auseinandersetzung damit, in welcher Weise die Merkmale der angegriffenen Satellitenfernsehsignal-Empfangsanlage durch die D4 im Einzelnen neuheitsschädlich vorweggenommen bzw. in welcher Kombination mit den übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen bzw. dem Fachwissen des Fachmanns diese nahe gelegt sein sollen, findet dagegen nicht statt.
6.
Der Einspruch erweist sich nach alledem als unzulässig.
Dr. Mayer Werner Gottstein Musiol Pr
BPatG:
Beschluss v. 01.02.2010
Az: 20 W (pat) 340/05
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